Wie kann ich im Gericht Gottes bestehen?
oder:
Wie kriege ich einen gnädigen Gott?
Die biblische Lehre von Buße und Bekehrung
Von Carl Manthey-Zorn
Inhaltsübersicht
Von unserer geistlichen Untüchtigkeit
Wie der heilige Geist uns heiligt
Wie der Heilige Geist uns beruft und erleuchtet
Durch welche Mittel der Heilige Geist zu uns kommt und Sein Werk in uns
Warum werden etliche und nicht alle Menschen durch das Evangelium zum
Glauben bekehrt und im Glauben erhalten?
Von unserer geistlichen Untüchtigkeit
"Niemand kann JEsum einen HErrn heißen, ohne durch den Heiligen Geist." 1 Kor. 12,3
Wenn wir JEsus nicht "einen HErrn heißen", wenn wir nicht an JEsus Christus, unsern Heiland, glauben und im Glauben zu Ihm kommen, so haben wir an Seinem Heil keinen Teil noch Anfall und können nicht selig werden. Mark. 16,16. Joh. 5,40. Denn durch Ihn ist unser Heil zwar völlig bereitet; aber wenn wir es nicht glauben und [damit] nicht kommen und es annehmen und ergreifen, so gehen wir desselben verlustig und werden durch solchen Unglauben um unserer Sünde willen verdammt.
Und dies Glauben, dies zu JEsus kommen, dies Ergreifen und Annehmen des Heils - das steht nicht in unserer Kraft und Macht. In gar keiner Weise und in gar keinem Maße steht das in unserer Kraft. Nicht ein Fünklein des Glaubens an JEsus Christus, unseren HErrn, können wir aus uns selbst hervorbringen, nicht ein Schrittlein können wir JEsus entgegengehen, nicht die kleinste Regung von Verlangen nach Christus und Seinem Heil findet sich in unserer Natur. Luther, in seiner Auslegung des dritten Artikels, sagt: "Ich glaube, daß ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an JEsus Christus, meinen HErrn, glauben oder zu Ihm kommen kann." Und die Schrift, das Wort Gottes, sagt und versichert uns, daß wir alle, ohne Unterschied, von Natur geistlich blind, taub, tot, ja, Gott feind sind.
Das ist ja sehr schrecklich!
Aber es ist wahr. Urteile selbst. Wir wollen dir etliche Schriftworte, die das besagen, bringen.
Paulus schreibt: "Der natürliche Mensch - also der Mensch, wie er von Natur ist - vernimmt nichts vom Geist Gottes; es ist ihm eine Torheit und kann es nicht erkennen; denn es muß geistlich gerichtet sein." 1 Kor. 2,14. Was heißt das? Das heißt: Wenn dem natürlichen Menschen das Geisteswort von Christus gepredigt wird, wenn ihm Christus vor Augen gemalt wird: so vernimmt und erkennt er es nicht, er ist dagegen taub und blind, ja, es erscheint ihm als Torheit und Narrheit: er kann es auch nicht erkennen, denn das Geisteswort muß geistlich, das heißt: von einem durch Gottes Geist regierten und geleiteten Geist gerichtet und beurteilt und ergriffen werden; der natürliche Mensch ist aber nicht geistlich, sondern fleischlich, das heißt: er wird nicht vom Geiste Gottes, sondern von seinem eigenen durch die Sünde verdorbenen Geist regiert und geleitet. - Gewiß mußt du schon nach diesem Einen Spruch mit Luther bekennen: "Ich glaube, daß ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an JEsus Christus, meinen HErrn, glauben oder zu Ihm kommen kann."
An einer anderen Stelle beschreibt Paulus die Heiden als solche, "welcher Verstand verfinstert ist, und sind entfremdet von dem Leben, das aus Gott ist, durch die Unwissenheit, so in ihnen ist, durch die Blindheit ihres Herzens." Eph. 4,18. Und die Heiden - die sind ja gerade natürliche Menschen, so, wie wir alle von Natur sind.
An noch einer anderen Stelle schreibt Paulus: "Wir waren tot in den Sünden." Eph. 2,5. Das Sprüchlein ist doch klar! Für geistliche Dinge, also für das Evangelium und den Glauben an Christus, sind wir Sünder so tot, wie ein Leichnam für irdische Dinge.
Ja, die Schrift lehrt, daß wir für geistliche und göttliche Dinge noch mehr wie tot sind. Das klingt sonderbar. Und doch ist es so. Weil wir nämlich von Natur dem Gesetze Gottes nicht untertan sind, und es auch nicht wollen und vermögen, und so gegen Gott ein unwilliges Herz und ein böses Gewissen haben, so sind wir von Natur Gottes feind und hassen Ihn. Paulus schreibt: "Fleischlich gesinnet sein - wie jeder Mensch von Natur gesinnet ist - ist eine Feindschaft wider Gott, sintemal es dem Gesetze Gottes nicht untertan ist, denn es vermag es auch nicht." Röm. 8,7. (Vergleiche Kap. 5,10; Jak. 4,4; 2 Mose 20,5; Joh. 15,24; Jer. 2,20.) Und in solchem Gott feindlichem Sinn wohnt fürwahr keine Spur von einer Neigung, an Christus zu glauben und durch Christus zu Gott zu kommen und Ihm alsdann kindlich untertan zu sein.
Nein, es bleibt dabei: "Ich glaube, daß ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an JEsus Christus, meinen HErrn, glauben oder zu Ihm kommen kann", weil ich von Natur geistlich blind, taub, tot, ja, Gott feind bin.
Und das kommt von unserer Sünde, von der Erbsünde, in welcher wir empfangen und geboren sind. Durch dieselbe sind alle Kräfte unseres Verstandes und Willens so gänzlich verdorben, daß wir zum Glauben an Christus völlig untüchtig sind.
Das ist unsere geistliche Untüchtigkeit, von welcher hier die Rede ist.
Diese unsere geistliche Untüchtigkeit nennt man auch "die Unfreiheit des menschlichen Willens".
Wohl nämlich haben wir in bürgerlichen und äußerlichen Dingen noch etlichermaßen einen freien Willen. Aber in geistlichen Dingen ist der freie Wille nichts und gänzlich tot. Wir haben nicht die Freiheit, aus unserem Verderben herauszugehen oder in demselben zu bleiben. Selbst wenn uns die Gnade in Christus angeboten wird, so haben wir nicht die Freiheit, dieselbe anzunehmen oder zu verwerfen. Wir haben nicht die Freiheit, uns zu bekehren oder nicht zu bekehren. Wie ein leiblich Toter nicht die Freiheit hat, aus dem leiblichen Tode herauszugehen oder in demselben zu bleiben - er muß im Tode bleiben, bis Gott ihn erweckt: so sind auch wir, geistlicherweise, gänzlich unfrei, fest gebunden im Verderben, so fest, daß wir auch die angebotene Gnade in Christus weder annehmen können noch annehmen wollen. Der geistliche Tod hat unseren Verstand und auch unseren Willen völlig besessen - - - - - - bis ein Mächtigerer kommt. Das ist der Heilige Geist. Der kann tun, und tut, was uns unmöglich ist, der kann die Bande, die uns fesseln, zerreißen und uns zum Glauben an JEsus Christus und zum neuen Leben erwecken.
Aber "niemand kann JEsum einen HErrn heißen, ohne durch den Heiligen Geist."
Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist, besuch das Herz der Menschen dein, mit Gnaden sie füll, wie du weißt, daß dein Geschöpf vorhin sein.
Lehr uns den Vater kennen wohl, dazu JEsus Christ, seinen Sohn, daß wir des Glaubens werden voll, dich, beider Geist, zu verstehn.
Wie der Heilige Geist uns heiligt
"Die Heiligung des Geistes." 1 Petr. 1,2
Das gnädige Werk, welches der Heilige Geist an uns tut, nennt man "die Heiligung".
Was versteht man darunter? Was für ein Werk des Heiligen Geistes ist die Heiligung? - Unter der Heiligung versteht man, daß der Heilige Geist uns arme Sünder heiligt, heilig macht.
Und wie macht der Heilige Geist uns Sünder heilig?
Er macht uns an JEsus Christus, unseren HErrn, glauben und im Glauben [damit] zu Ihm kommen [das Glauben oder zu Christus Kommen bezeichnet ein und dasselbe, Joh. 1,12; Anm. d. Hrsg.]. Auf diese Weise werden wir Christi und Seines Heils teilhaftig. Gott verbirgt Sein Antlitz vor unseren Sünden; Gott sieht an uns Sündern nur die Gerechtigkeit Christi, die wir im Glauben ergriffen haben; Gott rechnet uns unsere Sünden nicht mehr zu, Er rechnet uns das vollkommene Verdienst und die vollkommene Gerechtigkeit und Heiligkeit Christi zu; Gott sieht uns arme Sünder um Christi willen für vollkommen heilig an. So, vor allem, macht der Heilige Geist uns durch den Glauben heilig. Davon redet der Apostel Paulus, wenn er an die Christen zu Korinth schreibt: "Ihr seid abgewaschen, ihr seid geheiliget, ihr seid gerecht worden durch den Namen des Herrn JEsu und durch den Geist unseres Gottes." 1 Kor. 6,11. - [Das Wort 'Heiligung wird in der Schrift Gottes auch noch gebraucht für das Werk, das der Heilige Geist in dem von ihm zum Glauben gebrachten, von ihm bekehrten Menschen vollbringt. Hier aber wollen wir nur sein Werk betrachten, wodurch er uns bekehrt, selig macht.] ...
Es ist das Werk des Heiligen Geistes, es ist die Heiligung des Geistes, die Heiligung, die der Geist in uns wirkt; es ist ganz und gar nicht unser eigen Tun und Werk, wie das im vorigen Abschnitt dargelegt ist. Deshalb sagt unser Katechismus: "Ich glaube, daß ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an JEsus Christus, meinen HErrn glauben oder zu Ihm kommen kann; sondern der Heilige Geist hat mich durch das Evangelium berufen, mit Seinen Gaben erleuchtet, im rechten Glauben geheiligt und erhalten."
Schau her, wie die heilige Schrift dieses Werk der Heiligung dem Heiligen Geiste, oder, was dasselbe ist, Gott zuschreibt.
Sie sagt: "Niemand kann JEsus einen HErrn heißen, ohne durch den Heiligen Geist." 1 Kor. 12,3. Diesen Spruch haben wir oben betrachtet. - Sodann sagt sie: "Gott ist's, der in euch wirket beide, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen." Phil. 2,13. [Und da geht es ja schon um die Heiligung im Glaubensleben! Anm. d. Hrsg.] Hier wird alles aus unserer Hand genommen und alles Gott allein zugeschrieben. Daß wir durch den Glauben an Christus selig werden wollen und nun auch wirklich den Weg der Seligkeit gehen und das Ziel endlich erlangen, das ist alles Gottes Werk, und zwar das Werk Gottes des Heiligen Geistes; es ist das zu allererst auch nicht unser, sondern Gottes Wohlgefallen. Daher schreibt Paulus an die Philipper, an welche er auch das eben gehörte Wort gerichtet hat: "Euch ist gegeben um Christi willen, zu tun, daß ihr nicht allein an ihn glaubet, sondern auch um seinetwillen leidet." Phil. 1,29. Der Glaube und alles, was aus dem Glauben fließt, ist Gottes Gnadengabe. - Jeremia betet: "Bekehre du mich, so werde ich bekehret." Jer. 31,18. - Und Paulus wiederum schreibt an die Kolosser: "Ihr seid auferstanden durch den Glauben, den Gott wirket." Kol. 2,12. - Und der HErr JEsus sagt zu Petrus, der ein gut Bekenntnis seines Glaubens an Ihn getan hatte: "Selig bist du, Simon, Jonas Sohn; denn Fleisch und Blut hat dir das nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel." Matth. 16,17. Und Er spricht: "Es kann niemand zu mir kommen, es sei denn, daß ihn ziehe der Vater, der mich gesandt hat." "Niemand kann zu mir kommen, es sei ihm denn von meinem Vater gegeben." Joh. 6,44.65. - Und David betet: "Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz und gib mir einen neuen gewissen Geist." Ps. 51,12. - Und Gott spricht durch den Propheten Hesekiel: "Ich will euch ein neu Herz und einen neuen Geist in euch geben; und will das steinerne Herz aus eurem Fleisch wegnehmen und euch ein fleischern Herz geben; ich will meinen Geist in euch geben und will solche Leute aus euch machen, die in meinen Geboten wandeln und meine Rechte halten und danach tun." Hes. 36,26.27. - Und Paulus endlich schreibt: "Ich bin desselbigen in guter Zuversicht, daß, der in euch angefangen hat das gute Werk, der wird's auch vollführen bis an den Tag JEsu Christi," nämlich der Heilige Geist. Phil. 1,6. -
Reichlich und überflüssig haben wir nun gehört, daß das ganze Werk der Heiligung ein Werk Gottes des Heiligen Geistes ist und ganz und gar nicht in unserer eigenen Macht steht. ...
Heilig Geist, der wohn uns bei und laß uns nicht verderben, mach uns aller Sünden frei und helf uns selig sterben! Vor dem Teufel uns bewahr, halt uns bei festem Glauben und auf dich laß uns bauen, aus Herzensgrund vertrauen, Dir uns lassen ganz und gar, mit allen rechten Christen entfliehen Teufels Listen, mit Waffen Gotts uns fristen. Amen, Amen, das sei wahr, so singen wir: Halleluja!
(Aus: Gott der Vater wohn uns bei)
Wie uns der Heilige Geist beruft und erleuchtet
"Der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht." 1 Petr. 2,9
Von Natur sind wir alle Leute von verfinstertem Sinn, tolle und törichte Leute.
Wie das?
Wir sind verlorene und verdammte Sünder. Wir können uns auch selber in keinem Wege retten und helfen. Aber wir erkennen unsere Sünde und Verlorenheit nicht recht. Und wenn wir ja an unser ewiges Heil denken, so meinen wir, es selber, mit unserer eigenen Kraft, schaffen zu müssen und zu können. - Wir sind durch JEsus Christus mit Gott versöhnt und erlöst. Was wir nicht tun konnten, das hat JEsus Christus für uns getan. Aber wir erkennen Ihn und Sein Heil nicht im geringsten. Wir können's auch nicht erkennen, denn es muß geistlich gerichtet sein, wir aber sind fleischlich. Christus ist uns eine Torheit und ein Ärgernis. - So gehen wir in Finsternis, blind und toll dem nahen Tode, dem Gerichte und der ewigen Verdammnis entgegen.
Von solcher Finsternis, Blindheit und Tollheit will uns der Heilige Geist helfen und erretten. Er will uns im Glauben zu JEsus Christus, unserem Heilande, bringen, daß wir Vergebung der Sünden haben und Gottes liebe Kinder seien und selig werden.
Wie fängt Er das an?
Das sagt unser Katechismus mit den Worten: "Sondern der Heilige Geist hat mich durch das Evangelium berufen, mit Seinen Gaben erleuchtet."
Zuvor aber, ehe Er das tut, was eben gesagt, tut unser lieber HErr etwas anderes an uns, etwas, wodurch Er Sein eigentliches Werk an uns vorbereitet. Er nimmt uns nämlich den Wahn, daß noch etwas Gutes an uns sei, daß es nicht so schlimm um uns stehe, daß wir uns etwa selber helfen und retten können. Er zeigt uns im Gegenteil und macht uns einsehen, daß wir wahrhaftig Sünder sind gegen den allerhöchsten Gott, daß wir mit unserer Sünde Gottes Zorn und zeitliche und ewige Strafe wohl verdient haben, und daß wir uns selber in keinem Wege helfen und retten können. Und Er macht uns angst und bange vor solchem Zorn und vor solcher Strafe Gottes, angst und bange vor dem Tode und dem ewigen Gericht.
Dies richtet der HErr an uns aus durch Sein Gesetz. - Du erinnerst dich, was das Gesetz Gottes ist? Es ist die göttliche Lehre, die uns zeigt, wie wir sein sollen und was wir tun und lassen sollen, und die uns eben damit zeigt, daß wir Sünder sind und Gottes Zorn und Strafe verdient haben. [Das ist also die Reue oder Buße im eigentlichen Sinne, die Gott durch das Gesetz wirkt, Anm. d. Hrsg.] - Dies Gesetz läßt uns der HErr zuvor hören, lernen, lesen, erinnert uns daran. Und Er macht es uns zu rollendem Donner und zu flammendem Blitz, daß uns angst und bange wird, wie oben gesagt. Und so bereitet Er uns vor zu Seinem eigentlichen gnädigen Werke, das Er an uns tun will, wie ein Landmann den Acker durch das Aufpflügen vorbereitet zur Saat.
Und dann kommt der Heilige Geist mit dem Evangelium. - Du erinnert dich, was das Evangelium ist? Es ist die frohe Botschaft von der Gnade Gottes in Christus JEsus. - Dies Evangelium läßt uns der Heilige Geist hören, lernen, lesen, erinnert uns daran. Und Er ruft uns durch dasselbe zur Gnade Gottes, die uns bereitet ist in Christus JEsus. "Kommt", spricht Er, "denn es ist alles bereit!"
Freilich können wir diesen Ruf des Evangeliums von uns selber nicht vernehmen. Wir sind ja "tot in den Sünden". Die frohe Botschaft von der Gnade Gottes in Christus JEsus ist uns ein Ärgernis und eine Torheit. Aber der allmächtige Heilige Geist ist in und mit dem Evangelium. Und wie der allmächtige HErr JEsus den toten Lazarus aus dem Grabe erweckte durch Seinen Ruf: "Lazarus, komm heraus!" - nun nimm wahr, was wir sagen: so macht auch der allmächtige Heilige Geist, wenn Seine Stunde kommt, uns geistlich Tote dennoch Seinen Ruf zu Christus hören und vernehmen und im Glauben zu Christus kommen. [Eben durch das Wort des Evangeliums, das Kraft ist und hat in sich selbst, da der Heilige Geist darinnen wirkkräftig gegenwärtig ist, Joh. 6,63; Röm. 1,16; 1 Kor. 1,18; 2 Kor. 3,6-11; Anm. d. Hrsg.]
Denn eben durch solchen Ruf erleuchtet Er uns mit Seinen Gaben.
Was ist das?
Du weißt, wie der allmächtige HErr JEsus durch Seinen Ruf dem toten Lazarus die Seele und das Leben wiedergab und ihn die Augen aufschlagen machte, daß er der lieben Sonne Licht und Pracht wieder sah und Martha und Maria, ja, und Ihn, seinen lieben HErrn. Und wenn der allmächtige Heilige Geist uns geistlich Tote durch das Evangelium zu Christus ruft, so gibt Er uns durch solches Evangelium und Rufen neues Leben, und in unser von Natur so finsteres Herz gibt Er ein neues wunderbares Licht und einen hellen Schein und eine selige Erleuchtung. Und dieses Leben und dieses Licht und dieser Schein und diese Erleuchtung, vom heiligen Geiste durch das Evangelium uns geschenkt und gegeben, ist die gläubige Erkenntnis der Gnade Gottes in Christus JEsus, der Glaube an JEsus Christus, daß wir Ihn, Ihn als unsern Heiland erkennen, Ihm trauen und glauben und uns Seiner freuen und trösten.
So erleuchtet uns der Heilige Geist mit Seinen Gaben, wenn Er uns durch das Evangelium zu Christus ruft, und macht uns so durch solchen erleuchtenden Lebensruf an Christus gläubig, so daß wir in Ihm Vergebung der Sünden haben und Gottes liebe Kinder sind und selig werden.
Willst du hierfür Schrift? - Hier ist sie: "Gott hat uns selig gemacht und berufen mit einem heiligen Ruf, nicht nach unseren Werken, sondern nach Seinem Vorsatz und Gnade, die uns gegeben ist in Christus JEsus vor der Zeit der Welt." 2 Tim. 1,9. "Der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht." 1 Petr. 2,9. "Gott, der da hieß das Licht aus der Finsternis hervorleuchten (am ersten Schöpfungstage), der hat einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben, daß entstünde die Erleuchtung von der Erkenntnis der Klarheit Gottes, in dem Angesichte JEsu Christi." 2 Kor. 4,6. -
Nun, Christ, auch du bist vom Heiligen Geiste durch das Evangelium berufen von der Finsternis zu Seinem wunderbaren Licht, auch in deinem Herzen ist der helle Schein und die himmlische Erleuchtung, nämlich der seligmachende Glaube an JEsus Christus. Das ist des Heiligen Geistes purlautere Gnade! Danke Ihm dafür! Und siehe zu, daß nicht durch deine Schuld die alte Finsternis wieder um sich greife und das Wunderlicht und der helle Schein und die himmlische Erleuchtung in deinem Herzen erblasse und ausgelöscht werde. Bleibe beim Evangelium -- durch dasselbe wird der heilige Geist das Licht des Glaubens dir immer erhalten.
Du wertes Licht, gib uns deinen Schein, lehr uns JEsus Christ kennen allein, daß wir an ihm bleiben, dem treuen Heiland, der uns bracht hat zum rechten Vaterland. Kyrieleis.
(Aus: Nun bitten wir den Heiligen Geist)
Von der Wiedergeburt
"Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, [denen,] die an seinen Namen glauben. Welche nicht von dem Geblüt, noch von dem Willen des Fleisches, noch von dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind." Joh. 1,12.13
Im vorigen Abschnitt haben wir gesehen, daß der Heilige Geist aus Gnaden um Christi willen uns geistlich tote Menschen durch das Evangelium beruft und erleuchtet und uns so an JEsus Christus, unseren Heiland, gläubig macht, daß wir Vergebung der Sünden haben und Gottes liebe Kinder und Erben des ewigen Lebens sind.
Wenn wir heute von der Wiedergeburt reden, so ist das nichts Neues und anderes, sondern ganz dasselbe. "Wiedergeburt" ist nur eine andere Bezeichnis für dasselbe Werk, welches der Heilige Geist durch die Berufung und Erleuchtung in uns ausrichtet. Da aber diese Bezeichnung in der Schrift sich oft findet, so ist es billig, daß wir die "Wiedergeburt" zum Gegenstande einer Betrachtung machen.
Sehen wir nun, was die Schrift über dieselbe sagt.
In dem oben angeführten Spruche - bitte, lies ihn noch einmal - sagt Johannes zuerst, daß die, welche JEsus Christus aufnehmen und an Seinen Namen glauben, die Macht und das hohe Vorrecht empfangen, Gottes Kinder zu werden. Und dann fährt er fort und zeigt, wie und auf welche Weise es geschieht, daß wir gläubig und [damit] Gottes Kinder werden: nicht durch irgend etwas, was an und in uns selbst ist, sondern allein dadurch, daß wir von Gott geboren werden.
Im vorigen Abschnitt haben wir gehört, daß wir gläubig und Gottes Kinder werden dadurch, daß wir von Gott berufen und erleuchtet werden. Hier hören wir, daß wir gläubig und Gottes Kinder werden dadurch, daß wir von Gott geboren werden. Es ist beide Male dasselbe. Es sind nur verschiedene Namen für dasselbe Werk Gottes, dadurch Er uns gläubig und durch den Glauben zu Seinen Kindern macht. Und daß das in keinem Wege unser Tun, sondern alleine Gottes Werk ist, das zeigt besonders der Ausdruck: "von Gott geboren". Denn was kann man doch selbst dazu tun, daß man geboren wird?
Daß aber der Heilige Geist solches Werk durch das Evangelium in uns ausrichtet, das ist in diesem Spruche nicht gesagt, wohl aber in anderen. Schau nur her! St. Petrus redet zu den Christen als zu solchen, "die da wiederum geboren sind, nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, nämlich aus dem lebendigen Wort Gottes, das da ewiglich bleibet." 1 Petr. 1,23. Jakobus schreibt: "Er hat uns gezeuget nach seinem Willen durch das Wort der Wahrheit, auf daß wir wären Erstlinge seiner Kreaturen." Jak. 1,18. Der HErr JEsus sagte zu Nikodemus: "Wahrlich, wahrlich, ich sage dir, es sei denn, daß jemand geboren werde aus dem Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen." Joh. 3,5. Mit "dem Wasser" meint der HErr JEsus die heilige Taufe, welche ja zum Evangelium gehört. Ebenso schreibt St. Paulus: "Nicht um der Werke willen der Gerechtigkeit, die wir getan hatten, sondern nach seiner Barmherzigkeit machte er uns selig durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung des Heiligen Geistes, welchen er ausgegossen hat über uns reichlich durch JEsus Christ, unsern Heiland, auf daß wir durch desselbigen Gnade gerecht und Erben seien des ewigen Lebens nach der Hoffnung." Tit. 3,5-7. Und: "Ich (als ein Prediger und also Werkzeug Gottes) habe euch gezeuget in Christus JEsus durch das Evangelium." 1 Kor. 4,15.
Fassen wir nun alle diese Sprüche zusammen, so finden wir, daß die Schrift unter "Wiedergeburt" das versteht, daß ein geistlich toter Mensch an JEsus Christus gläubig und durch den Glauben gerecht und ein Kind Gottes und Erbe des ewigen Lebens wird. Und wir finden, daß ein Mensch zu solcher seiner Wiedergeburt gar nichts tun kann, sondern daß Gott alleine nach Seiner Barmherzigkeit um Christi willen sie in ihm ausrichte durch Seinen Heiligen Geist vermittelst des Evangeliums. - Ganz dieselbe Lehre, die wir im vorigen Abschnitt gehört haben, da wir von der Berufung und Erleuchtung redeten.
Dies gnädige Werk Gottes an uns nennt die Schrift auch "Schaffen" und "Auferstehen". Schon durch diese Ausdrücke allein wird von vornherein dem Menschen alle Mitwirkung bei diesem Werke abgesprochen. Aber daß Gott das allein tue und der Mensch nichts, das wird auch noch besonders gesagt. Paulus schreibt: "Aus Gnade seid ihr selig worden durch den Glauben; und dasselbige nicht aus euch, Gottes Gabe ist es; nicht aus den Werken, auf daß sich nicht jemand rühme. Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christus JEsus ..." Eph. 2,8-10. Und: "In welchem (in Christus) ihr auch seid auferstanden durch den Glauben, den Gott wirket." Kol. 2,12. -
Nun, bist du von Gott geboren? bist du von Gott neu geschaffen? bist du also auferstanden durch den Glauben, den Gott wirket? Als wirklicher, gläubiger Christ bist du's. So gebrauche nun das neue Leben, das Gott dir geschenkt hat, und das Er in dir erhält, und gehe nicht wieder zurück in den alten Tod des Unglaubens, sondern lebe und stirb als ein Kind Gottes, auf daß du ewig lebest.
Kein Mensch das Leben hätte, könnt auch nicht selig sein, wann's seine Kraft nicht täte, sein ist die Ehr allein. Wer nicht aus seiner Gnad von neuem wird geboren, muß ewig sein verloren, kein Teil am Himmel hat.
(Aus: Mein Mund soll fröhlich preisen)
Von der Buße und Bekehrung
"So tut nun Buße und bekehret euch, daß eure Sünden vertilget werden; auf daß da komme die Zeit der Erquickung von dem Angesicht des HErrn, wenn er senden wird den, der euch jetzt zuvor geprediget wird, JEsus Christ." Apostelg. 3,19.20
Kurz nach Pfingsten hatten Petrus und Johannes zu Jerusalem an einem der Tempeltore den von Mutterleibe Lahmen wandeln gemacht. Darüber wunderte sich das Volk über die Maßen und lief zu und sah staunend auf die Apostel. Da erklärte Petrus laut und öffentlich, daß sie das nicht getan haben durch ihre eigene Kraft und Verdienst, sondern daß sie das im Namen JEsu Christi getan haben, ja vielmehr, daß Gott das durch sie, die Apostel JEsu Christi, getan habe, um den Namen JEsu Christi öffentlich zu bestätigen. Und eine mächtige Predigt von Christus hielt Petrus dem Volk, mächtig von niederschmetternder Strafe, mächtiger noch von süßem Trost der Gnade Gottes in Christus. Und diese Anwendung machte Petrus von seiner Predigt: "So tut nun Buße und bekehret euch, daß eure Sünden vertilget werden; auf daß da komme die Zeit der Erquickung von dem Angesicht des HErrn, wenn er senden wird den, der euch jetzt zuvor geprediget wird, JEsus Christ." Durch Buße und Bekehrung also sollten sie dessen teilhaftig werden, was ihnen Christus erworben hatte, nämlich der Vergebung der Sünden und der ewigen Seligkeit.
Aber wie? Wenn man durch Buße und Bekehrung dessen teilhaftig wird, - ist dann Buße und Bekehrung nicht dasselbe wie das, was wir schon in all den Abschnitten gehört haben? Ist dann Buße und Bekehrung nicht dasselbe wie das, was die Heiligung des Geistes schon in sich schließt? was die Wiedergeburt und die neue Schöpfung und die geistliche Auferstehung ist? Denn wir haben ja gesehen, daß wir durch solches des Heiles Christi teilhaftig werden -?
Mein Freund, so ist es: die Buße und Bekehrung ist nichts anderes. Weil aber die Schrift und auch die Christenheit so häufig die Ausdrücke "Buße" und "Bekehrung" gebraucht, so wollen wir diese Ausdrücke hier erklären.
Und da sagen wir zuerst, daß die beiden Ausdrücke "Buße" und "Bekehrung" einerlei Meinung haben. Denn das Wort "Buße" bedeutet Sinnesänderung; und das Wort "Bekehrung" hat die Bedeutung, daß man sich in seinem Sinn von einem zum andern wendet. "Buße" und "Bekehrung" sind also dasselbe.
Was ist nun nach der Schrift die Buße oder Bekehrung?
Die Buße oder Bekehrung ist nichts anderes, als daß ein armer Sünder, der seine Sünde erkennt und bereut, sich im Glauben zu JEsus Christus, seinem HErrn, wendet und dessen Heil annimmt.
Siehe den Zöllner im Tempel: der stand von ferne, wollte auch seine Augen nicht aufheben gen Himmel, sondern schlug an seine Brust und sprach: "Gott, sei mir Sünder gnädig!" Luk. 18,13. Da siehst du Buße und Bekehrung. - Siehe, wie der Schächer am Kreuz sich beschuldigte und bekannte, daß er billig in solcher Verdammnis sei und empfange, was seine Taten wert seien; aber dann kehrte er sich gläubig zu JEsus und sprach: "HErr, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst!" Luk. 23,40-42. Da siehst du Buße und Bekehrung. - Durch das Gleichnis vom verlorenen Sohn zeigt uns der HErr JEsus vornehmlich, wie groß die Gnade Gottes, aber auch, was Buße und Bekehrung ist. Luk. 15,11-32.
Wir erkennen jetzt leicht, daß zur Buße und Bekehrung zwei Stücke gehören: die Reue und der Glaube.
Die Reue ist die ernstliche und wahrhaftige Traurigkeit des Herzens, welches um seiner aus dem göttlichen Gesetze erkannten Sünden willen vor Gottes Zorn und dessen gerechten Strafen erschrocken und betrübt ist. Der Glaube aber ist die fröhliche und gewisse Zuversicht, welche der arme Sünder setzt auf die Gnade Gottes in Christus, die er aus dem Evangelium erkannt hat.
Ein so bekehrter Mensch ist, wie wir zu Anfang unserer Betrachtung gesehen haben, des Heiles Christi, nämlich der Vergebung der Sünden und des ewigen Lebens, teilhaftig.
Daß die Buße und Bekehrung in keiner Weise unser eigenes Werk sein kann, daß wir aus eigener Vernunft und Kraft nichts, gar nichts dazu tun können, das wissen wir schon. So wenig die Totengebeine, die Hesekiel im Gesichte sah, sich selbst beleben konnten, so wenig der dürre Stecken Aarons aus sich selber grünen konnte (Hes. 37; 4 Mose 17,8): so wenig kann ein geistlich Toter sich selbst zur Buße erwecken und zur Bekehrung bringen, oder sich auch nur irgendwie dazu schicken und bereiten. Daß wir Buße tun und bekehrt werden, das ist ganz alleine Gottes Kraft, Gnade und Wirkung. "Bekehre du mich, so werde ich bekehrt" - dies Wort des Propheten Jeremia (Kap. 31,18) gilt allewege und für jeden Menschen.
Und Gott bekehrt uns durch Sein Evangelium. Wenn in demselben Sein Ruf ertönt: "Bekehret euch!", so ist das kein bloßer Befehl, sondern so ist das ein Wort Seiner allmächtigen Gnade, durch welches Er uns aus dem geistlichen Tode ins geistliche Leben ruft [und bringt], wie Er, der eingeborene Sohn, den Lazarus aus dem leiblichen Tode ins leibliche Leben rief durch Sein Wort: "Lazarus, komm heraus!" - Durchs Evangelium bekehrt uns Gott; denn was Er durch Sein Gesetz an uns tut, ist nur etwas, das Seine rechte und eigentliche Wirkung an uns vorbereitet und begleitet. Durch Sein Gesetz zeigt Er uns nur unseren Tod; aber durch das Evangelium erweckt Er uns zum Leben.
Und selbst der vor Menschenaugen geringste Ansatz zur Buße und Bekehrung ist doch wirklich Leben und Seine Wirkung. -
Und nun, lieber Christ, der du durch Gottes Gnade zur Buße gekommen und bekehrt bist, nimm ein Wörtlein von uns an. Es ist dies: Du weißt, daß du immer noch ein armer Sünder bist. Darum lebe in täglicher Buße und kehre dich alle Tage zu deinem Heilande, daß deine Sünden vertilget werden, auf daß da komme die Zeit der Erquickung von dem Angesicht des HErrn, wenn Er senden wird den, der dir jetzt zuvor gepredigt wird: JEsus Christus.
Ich bin von meiner Missetat zum HErren nun bekehret. Du hast mir selbst dies ganz und gar, o gnäd'ger Gott, bescheret, und deines guten Geistes Kraft, der neue Herzen in uns schafft, aus Gnaden mir gewähret.
Durch welche Mittel der Heilige Geist zu uns kommt und Sein Werk in uns ausrichtet
"So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Gottes." Röm. 10,17
Wir haben gelernt, daß das ganze Werk unserer Heiligung nicht unser eigen Werk, sondern das Werk des Heiligen Geistes alleine ist. Der Heilige Geist beruft, erleuchtet, heiligt und erhält uns bei JEsus Christus im rechten einigen Glauben.
Eine Frage von größter Wichtigkeit ist nun: Wo erlangen wir den Heiligen Geist und Seine gnädige Wirkung? Oder: Durch welche Mittel kommt der Heilige Geist zu uns und richtet Sein Werk in uns aus?
Das genau zu wissen ist deshalb von größter Wichtigkeit, weil wir sonst etwa den Heiligen Geist suchen möchten, wo Er nicht zu finden ist, und Seine Wirkung von Mitteln erwarten möchten, durch welche Er nicht wirkt. So gibt es zum Beispiel Schwärmer, welche meinen, daß der Heilige Geist durch besondere Offenbarungen, Erscheinungen, Gesichte, Träume, heimliche Einsprechungen, Verzückungen, Bußkrämpfe und dergleichen zu ihnen komme und in ihnen wirke. Aber sie täuschen sich sehr. Denn wohl hat es Gott im Alten Testament und in der ersten Zeit des Neuen Testaments zuweilen gefallen, zu den Seinen auf besondere und außerordentliche Weisen zu reden und auch in ihnen zu wirken. Aber jetzt hat Er uns ausschließlich an Ein ordentliches Mittel gewiesen und gebunden, welches auch schon von alters her und immer das ordentliche Mittel war, durch welches der Heilige Geist kommt und wirkt.
Und welches ist das?
Das ist das Evangelium. Daselbe ist, wie unsere alten Kirchenlehrer sich ausdrücken, der Wagen, auf welchem der Heilige Geist zu uns kommt, und das Werkzeug, durch welches Er an uns wirkt. - Verstehe recht: Das Evangelium, welches von Christus, dem Sohne Gottes, verkündigt ist, welches von den Propheten und Aposteln in der heiligen Schrift niedergeschrieben ist und welches von der Kirche Gottes lauter und rein gepredigt werden soll - das ist das ordentliche und einzige Mittel, durch welches der Heilige Geist zu uns kommt und Sein Werk in uns ausrichtet.
Ist das wahr? Ist das die Lehre der Schrift?
Ja. Schaue her! - Der HErr JEsus will haben, daß alle Menschen sich bekehren, an Ihn glauben und durch den Glauben selig werden. Das ist doch gewiß. Was tut Er nun aber, um die Menschen zu bekehren, gläubig und selig zu machen? Er gibt vor Seiner Himmelfahrt Seinen Jüngern und Aposteln den großen Reichsbefehl: "Gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium aller Kreatur. Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubet, der wird verdammt werden." Mark. 16,15.16. Also um die Welt zu bekehren und durch den Glauben an Ihn selig zu machen, läßt Er ihr das Evangelium predigen. Darin ist alles beschlossen. Das muß alles ausrichten und tun. Und wer dem Evangelium glaubt, der wird selig; wer nicht glaubt, der wird verdammt.
Und so redet die Schrift nicht nur an dieser Stelle, sondern so redet sie immer und allewege. Immer ist es das Evangelium, das Evangelium, durch welches die Menschen zum Glauben gebracht und selig gemacht werden sollen. Von keinem andern Wege und Mittel redet die Schrift. Und sie sagt, daß, wo das Evangelium nicht ist, daß da lauter Tod und Unglaube ist. Eph. 2,12.
Also muß ja im Evangelium, und im Evangelium allein, alle Gotteskraft sein, uns geistlich tote Menschen zu erwecken und gläubig und selig zu machen. Ja, der Heilige Geist selbst muß im Evangelium sein und durch das Evangelium, und nur durch das Evangelium, an uns wirken.
Und gerade so ist es auch.
Ausdrücklich nennt die Schrift das Evangelium "eine Kraft Gottes, die da selig macht alle, die daran glauben." Röm. 1,16; 1 Kor. 1,18.21. Und ausdrücklich sagt die Schrift, daß der Glaube aus der Predigt des Evangeliums kommt. Röm. 10,17. Und ausdrücklich nennt die Schrift die Predigt des Evangeliums "das Amt des Geistes", oder: "das Amt, das den Geist gibt", welcher lebendig macht. 2 Kor. 3,8.6. So erinnert auch St. Paulus die Galater daran, daß sie den Geist empfangen haben durch die Predigt vom Glauben. Gal. 3,2. Und so lesen wir Apostelg. 10,44: "Da Petrus noch diese Worte redete, fiel der Heilige Geist auf alle, die dem Wort zuhöreten."
Die Schrift lehrt also klar und deutlich, daß der Heilige Geist durch das Evangelium zu uns kommt und durch dasselbe Sein gnädiges Werk an uns tut, uns nämlich beruft und erleuchtet und heiligt und bei JEsus Christus erhält im rechten einigen Glauben.
Wenn wir Tit. 3,5.6 und 1 Kor. 12,13 lesen, daß der Heilige Geist auch durch die Sakramente, nämlich durch die heilige Taufe und das heilige Abendmahl, uns gegeben wird und an uns wirkt, so ist das kein Widerspruch, sondern vielmehr eine Bestätigung dessen, was wir eben gesagt haben; denn die heiligen Sakramente gehören zum Evangelium. -
So, Christ, nun weißt du, wo du den Heiligen Geist und Seine seligmachende Gotteskraft allezeit finden kannst: im Evangelium. Da suche, da gebrauche sie für dich selbst und für andere.
Gott Vater, laß zu deiner Ehr dein Wort sich weit ausbreiten; hilf, JEsus, daß uns deine Lehr' erleuchten mög und leiten; o Heilger Geist, dein göttlich Wort laß in uns wirken fort und fort Geduld, Lieb, Hoffnung, Glauben.
(Aus: Wir Menschen sind zu dem, o Gott)
Warum werden nur etliche und nicht alle Menschen durch das Evangelium zum Glauben bekehrt und im Glauben erhalten?
"Israel, du bringest dich in Unglück; denn dein Heil stehet allein bei mir." Hos. 13,9
Was wir bisher in unsren Betrachtungen über den dritten Artikel heiligen christlichen Glaubens gehört haben, das befähigt uns, mit rechtem Verständnis die Katechismusworte zu sprechen: "Ich glaube, daß ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an JEsus Christus, meinen HErrn, glauben oder zu Ihm kommen kann; sondern der Heilige Geist hat mich durch das Evangelium berufen, mit Seinen Gaben erleuchtet, im rechten Glauben geheiliget und erhalten." Aber das hat der Heilige Geist nicht an dir und mir allein getan; sondern wir sagen ferner: "gleichwie Er die ganze Chrsitenheit auf Erden berufet, sammlet, erleuchtet, heiliget und bei JEsus Christus erhält im rechten einigen Glauben."
Es gibt jedoch viele, viele Menschen, die wohl auch unter dem Schall des Wortes leben, also auch durch das Evangelium berufen sind, die aber dennoch nicht zum wahren Glauben an JEsus Christus kommen. Viele gibt es auch, die wohl einst gläubig gewesen sind, die aber dann den Glauben verloren haben und in den geistlichen Tod zurückgefallen sind. Und solche, sowohl die ersteren wie die letzteren, gehen verloren. Davon redet der HErr JEsus, wenn Er sagt: "Viele sind berufen, aber wenige sind auserwählet." Matth. 22,14.
Was ist das? Woher kommt das? Kommt das etwa daher, daß Gott vieler Menschen Seligkeit nicht ernstlich will, und daß deshalb der Heilige Geist an ihnen nicht alles das tun will, was Er an den Auserwählten tut? - Das sei ferne! Gott schwört bei sich selber und spricht: "So wahr, als ich lebe, ... ich habe keinen Gefallen am Tode des Gottlosen, sondern daß sich der Gottlose bekehre von seinem Wesen und lebe." Hes. 33,11. Und St. Paulus schreibt: "Gott will, daß allen Menschen geholfen werde und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen." 1 Tim. 2,4. Und St. Petrus: "Gott will nicht, daß jemand verloren werde, sondern daß sich jedermann zur Buße kehre." 2 Petr. 3,9. Es ist also ein grundverkehrter und böser Gedanke, daß Gott die Seligkeit vieler Menschen nicht ernstlich wolle; und es ist eine verkehrte und böse Rede, die etliche Kirchenlehrer führen, daß der Heilige Geist, indem Er alle zwar äußerlich berufe, doch vielen im geheimen Seine Gnade entziehe.
Daß so viele Menschen durch das Evangelium zwar berufen, aber durch dasselbe nicht zum wahren Glauben bekehrt oder im Glauben nicht erhalten werden und also endlich verloren gehen, - das kommt einzig und allein daher, daß sie entweder von Anfang an dem Worte und Geiste Gottes mutwillig und beharrlich widerstreben, oder daß sie später Wort und Geist Gottes mutwillig und beharrlich wieder von sich stoßen. Aus eigener Schuld also gehen sie verloren. Daher spricht der HErr JEsus zu Jerusalem, das so viel Gnade empfangen hatte und doch ungläubig war: "Jerusalem, Jerusalem, die du tötest die Propheten und steinigest, die zu dir gesandt sind, wie oft habe ich deine Kinder verammeln wollen, wie eine Henne versammelt ihre Küchlein unter ihre Flügel; und ihr habt nicht gewollt." Matth. 23,37. Und Stephanus, der treue Blutzeuge JEsu Christi, der in Jerusalem um des Namens JEsu willen den Tod erlitt, der sprach zu dem ihn richtenden Hohenrate: "Ihr Halsstarrigen und Unbeschnittenen an Herzen und Ohren, ihr widerstrebet allezeit dem Heiligen Geist, wie eure Väter, also auch ihr." Apostelg. 7,51. Und was er redete, das redete er "voll heiligen Geistes" (Vers 55), und es stimmt auch genau mit den eben gehörten Worten des HErrn JEsus. - Du siehst, die Schrift bestätigt die Antwort, die wir auf die obenan gestellte Frage gegeben haben. -
Da kommt mir aber - spricht einer - dennoch ein Bedenken.
So? Findest du etwa in der Schrift eine andere Antwort auf unsere Frage als die, welche wir gegeben haben?
Das wohl nicht; nein. Das Bedenken steigt in mir auf, wenn ich die Sache bei mir selbst überlege und gewisse Dinge zu reimen suche.
Ah so. Nun bitte, sage dein Bedenken an.
Alle Menschen sind doch von Natur gleichermaßen geistlich tot und Gott feind, nicht wahr? In diesem Stücke ist doch gar kein Unterschied zwischen dem einen und dem anderen?
Ganz richtig. So sind alle Menschen. Es ist kein Unterschied.
Und gegen alle diese Menschen hat doch Gott ganz denselben gnädigen Willen?
Ja; das haben wir ja heute erst klar gesehen.
Und der Heilige Geist will ja alle gleichermaßen durch das Evangelium bekehren?
Ganz gewiß.
Hier entsteht mein Bedenken!
Sag's nur an.
Es ist dieses: Wenn alle Menschen von Natur gleichermaßen geistlich tot und Gott feind sind, und wenn der Heilige Geist alle gleichermaßen durch das Evangelium bekehren will - wie ist es dann zu erklären, daß von diesen ganz gleichen Menschen etliche durch das Evangelium und von dem gleichen Heilige Geist bekehrt werden und etliche nicht bekehrt werden? Verstehst du, was ich meine?
Ja, ich verstehe wohl. Dasselbe Bedenken kommt mir auch, wenn ich die von dir genannte Stücke zusammenhalte und sie zu reimen suche.
Was ist denn die Lösung dieses Rätsels?
Die Lösung dieses Rätsels ist uns in der Schrift nicht gegeben. Darum sollen wir uns auch nicht unterfangen, sie zu finden. Ein solches Unterfangen würde uns nur auf schriftwidrige Abwege führen. Ein solches Unterfangen hat in der Tat viele auf schriftwidrige Abwege geführt. Die Schrift lehrt uns nur dies: Der Heilige Geist will durch das Evangelium die gleichermaßen geistlich toten Menschen bekehren. Daß nun etliche bekehrt und selig werden, ist lauter und einzig Seine Gnade; die Bekehrten und Seligen haben nichts dazu getan und keinerlei Verdienst daran. Daß aber viele nicht bekehrt werden und nicht selig werden, das ist lauter und einzig ihre Schuld; in Gott ist dafür keinerlei Ursache zu suchen. - So lehrt Gott in der Schrift. Dabei sollen wir es im Glauben bewenden lassen. Das Reimen müssen wir Ihm überlassen. Hier hat uns Gott nur so viel geoffenbart, wie in diesem Sprüchlein enthalten ist: "Israel du bringest dich in Unglück; denn dein Heil stehet allein bei mir." Hos. 13,9.
So singe und bete dann so:
Daß ich nun bin bekehrt, hast du allein verrichtet; du hast des Satans Reich und Werk in mir vernichtet; HErr, deine Güt und Treu, die an die Wolken reicht, hat auch mein steinern Herz zerbrochen und erweicht.
Selbst konnt ich dich zu viel beleidigen mit Sünden, ich konnte aber nicht selbst Gnade wieder finden; selbst fallen konnte ich und ins Verderben gehn, doch konnt ich selber nicht von meinem Fall aufstehn.
Damit ich aber nicht aufs neue wieder falle, so gib mir deinen Geist, dieweil ich hier noch walle, der meine Schwachheit stärk und in mir mächtig sei und mein Gemüte stets zu deinem Dienst erneu.
(Aus: Was kann ich doch für Dank)