Was lehren die lutherischen Bekenntnisschriften von der Heiligen Schrift


Was lehren die evangelisch-lutherischen Bekenntnisschriften von der Heiligen Schrift?

Einführung

    Auf den ersten Blick scheint es nicht viel zu sein, was die im Konkordienbuch zusammengestellten lutherischen Bekenntnisschriften (BS) über die Heilige Schrift Gottes lehren, denn keines der Bekenntnisse hat einen eigenen Lehrartikel entsprechend z.B. denen über Rechtfertigung, Gesetz und Evangelium, Abendmahl. Das hat seinen historischen Grund in der Tatsache, daß es zur Zeit der Reformation unumstritten war, daß die Heilige Schrift Gottes Wort ist, die evangelisch-lutherischen Bekenntnisse aber eigentlich nur die Streitpunkte aufgreifen und zu ihnen die biblische Lehre bezeugen. In den Darlegungen zu den verschiedenen Lehrartikeln aber gibt es eine Fülle von Aussagen zur Heiligen Schrift, die es möglich machen, doch eine umfassende Darlegung der Lehre von der Heiligen Schrift in den evangelisch-lutherischen BS zu geben, wie es hier in den Grundzügen versucht wird.

    Daneben aber gibt es sowohl regionale Bekenntnisschriften lutherischer Kirchen (etwa die fränkischen Bekenntnisse und das Württembergische Bekenntnis (Confessio Virtembergica), die weiter in Einzelartikeln darauf eingehen, als auch Bekenntnisse und offizielle Lehrdokumente des Bekenntnisluthertums aus jüngerer Zeit (z.B. Kurze Darlegung der Lehrstellung (Brief Statement), Darlegung biblischer und bekenntnisgemäßer Grundsätze (Statement on Scriptural and Confessional Principles), Hier stehen wir - unser evangelisch-lutherisches Bekenntnis (Here we stand - Our Evangelical Lutheran Confession)), in denen, gerade auch in Auseinandersetzung mit der bibelkritischen Irrlehre, die alte Bibellehre bezeugt wird. Auf diese auch für den aktuellen Kampf der christlichen Kirche wichtigen Dokumente soll in Exkursen im Anhang eingegangen werden.

1. Die Heilige Schrift ist Gottes Wort (Inspirationslehre)

    Wessen Wort hören wir, wenn wir das Wort der Heiligen Schrift hören, wessen Wort lesen wir, wenn wir die Bibel lesen? Die Antwort auf diese Frage ist entscheidend für alles weitere, ja, entscheidend für die gesamte Stellung der Kirche. Die evangelisch-lutherischen Bekenntnisse beantworten diese Frage eindeutig: "Und St. Petrus spricht [2 Petr. 1,21]: "Die Propheten haben nicht aus menschlichem Willen, sondern aus dem heiligen Geist geweissaget, doch als die heiligen Menschen Gottes." Aber ohne äußerliche Worte waren sie nicht heilig, viel weniger hätte sie als noch Unheilige der heilige Geist zu reden getrieben; denn sie waren heilig, spricht er, da der heilige Geist durch sie redet." (Schmalk. Artikel, III, VIII, 13). Der heilige Geist selbst redet also in der Bibel, durch Menschen, nämlich die Apostel und Propheten. Die heiligen Bücher der Bibel sind daher nicht der Propheten und Apostel Bücher in dem Sinne, daß sie die Urheber, Verfasser, Autoren derselben wären, sondern das ist der Heilige Geist, weshalb Luther die Bibel auch ganz richtig als des "heiligen Geistes Buch" (W 2, IX, 1775) bezeichnet. Damit ist auch jegliches angebliche Nebeneinander von Gotteswort und Menschenwort in der Heiligen Schrift abgewiesen. Das wird bekräftigt durch die Frage, die in der Apologie der Augsburgischen Konfession im Blick auf die römisch-katholische Theologie gestellt wird, die trotz so vieler klarer Schriftstellen die Rechtfertigung allein aus Gnaden, allein um Christi Verdienst willen, allein durch den Glauben leugnete und leugnet: "Meinen sie, daß der heilige Geist sein Wort nicht gewiß und bedächtig setze oder nicht wisse, was er rede?" (Apol. IV, 108) Wie unmißverständlich wird doch hier gelehrt: der Heilige Geist hat die Worte gesetzt in der Heiligen Schrift, bewußt, absichtlich, auch die Wiederholungen, er hatte damit seinen Plan und seine Absicht. Und da es "Worte", Aussagen, Sätze ohne die Wörter nicht gibt, so ist es klar: die evangelisch-lutherischen BS lehren hier eindeutig die Wörterinspiration: jedes Wort in der Heiligen Schrift ist vom Heiligen Geist dahin gesetzt; nicht aus menschlichem Willen, Planen, Forschen als der Ursache haben wir es in der Bibel, und zwar gerade auch an der Stelle, wo es steht. Das bekennt die evangelisch-lutherische Kirche jedesmal im Gottesdienst, wenn sie das auch zu ihren Bekenntnissen gehörende Nicänische Glaubensbekenntnis spricht, in dem es auch heißt: "[Ich glaube] an den HErrn, den heiligen Geist, ... der durch die Propheten geredet hat." (Nic. 7)

    Darum lehrt das evangelisch-lutherische Bekenntnis im Zusammenhang mit 2 Tim. 3,16: "Und St. Paulus sagt weiter: "Alle Schrift von Gott gegeben ist nütze zur Lehre, zur Strafe " etc. und strafen ist das eigentliche Amt des Gesetzes. Darum, so oft die Gläubigen straucheln, werden sie gestrafet durch den heiligen Geist aus dem Gesetz und durch denselben heiligen Geist wieder aufgerichtet und getröstet mit der Predigt des heiligen Evangeliums." (FC, SD, VI, 14) Alle Schrift, die gesamte Bibel, ist Gottes Wort - und nur Gottes Wort; und es ist der Heilige Geist, der durch das Gesetz straft und durch das Evangelium tröstet - eben weil er der Autor ist, der, der wirkend gegenwärtig ist in der Schrift, Joh. 6,63; Jes. 55,10.11; Röm. 1,16.

    Und weil dem so ist, darum bekennt sich die evangelisch-lutherische Kirche "zu den prophetischen und apostolischen Schriften alten und neuen Testaments als zu dem reinen, lautern Brunnen Israels, welche allein die einige wahrhaftige Richtschnur ist, nach der alle Lehrer und Lehre zu richten und zu urteilen sind." (FC, SD, Summ. 3,4), d.h.: Nur aus der Heiligen Schrift als dem Wort Gottes darf die Lehre der Kirche entnommen werden, sie, die Schrift, ist Richterin; alle Lehre, die von etwas anderem entnommen wird, darf nicht kirchliche Lehre sein, "wie geschrieben stehet: "Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege." Ps. 119. Und St. Paulus: "Wenn ein Engel vom Himmel käme und predigte anders, der soll verflucht sein." Gal. 1." (FC, Epit. Summ., 1) Deshalb weiß sie auch, was sie bittet, wenn sie betet: Geheiliget werde dein Name, nämlich: "Wo das Wort Gottes lauter und rein gelehret wird, und wir auch heilig als die Kinder Gottes darnach leben. Das hilf uns, lieber Vater im Himmel. Wer aber anders lehret und lebet, als das Wort Gottes lehret, der entheiliget unter uns den Namen Gottes. Davor behüte uns, himmlischer Vater." (Kl. Katechismus, III, 3-5) Weil es Gottes- und nicht Menschenwort ist, darum darf die Kirche damit nicht spielen, sondern hat die heilige Verpflichtung, es rein, lauter, unverfälscht zu lehren, andernfalls versündigt sie sich zutiefst, ja, beleidgt aufs höchste die Majestät Gottes.    

2. Die Heilige Schrift ist das größte Heiligtum

    Weil die Heilige Schrift Gottes Wort ist und als solches keine leere Hülse oder bloß äußeres Gerede, sondern kräftiges, wirkmächtiges Wort, wo der Heilige Geist stets wirkend gegenwärtig ist, darum ist "das Wort Gottes das Heiligtum über alles Heiligtum, ja, das einzige, das wir Christen wissen und haben." (Gr. Katechismus, III, 91) Gott selbst begegnet uns in seinem Wort mit seiner Allmacht und Liebe. Während Rom meint, besondere 'Heiligtümer' sammeln zu müssen, Reliquien anhäuft, so hat es tatsächlich nur tote Dinge damit, die niemand helfen, heiligen können, ist "Gottes Wort der Schatz, der alle Dinge heilig macht" (ebd.), eben darum, weil Gott selbst sein Werk durch das Wort an uns vollbringt: durch das Gesetz die Sünde aufzeigt, die Reue bewirkt, durch das Evangelium aber den Glauben weckt, stärkt, bewahrt. Darum aber bedürfen wir alle täglich unbedingt des Wortes Gottes, weil wir nur daraus leben können, nämlich gottesfürchtig, heilig, Gott wohlgefällig.

3. Die Autorität der Heiligen Schrift

    Die Stellung, die Autorität, die die Heilige Schrift hat, weil sie allein Gottes Wort IST (nicht bloß enthält), macht der Eingang der Konkordienformel deutlich, der auch unter 1. schon zitiert wurde: "Wir glauben, lehren und bekennen, daß die einzige Regel und Richtschnur, nach welcher zugleich alle Lehren und Lehrer gerichtet und geurteilet werden sollen, sind allein die prophetischen Schriften altes und neuen Testaments, wie geschrieben stehet: "Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege." Ps. 119. Und St. Paulus: "Wenn ein Engel vom Himmel käme und predigte anders, der soll verflucht sein." Gal. 1." (Konkordienf., Kurzfass., Summ. 1) Damit ist unmißverständlich bekannt, daß es eine weitere Autorität als die Heilige Schrift Gottes - und damit Gott selbst - in der Kirche nicht geben kann und darf. Die christliche Kirche, will sie wirklich Kirche Jesu Christi sein unter dem einen Haupt, darf nur das lehren, was die Heilige Schrift lehrt und nichts anderes; die Heilige Schrift Gottes allein ist die Lehrerin der Kirche. Alle zusätzlichen Autoritäten, die Lehre setzen oder beurteilen wollen, sind damit ausgeschlossen, es sei das Papstamt (Lehren ex cathedra) oder die Tradition oder ein 'magnus consensus' (weitgehende Übereinstimmung) in der Kirche oder die Vernunft (die Axiome setzt, was sein könne oder nicht, oder die Lehre der Schrift Vernunftgründen unterwirft) oder irgendeine Wissenschaft (z.B. Philosophie, Naturwissenschaft, Sozialwissenschaft u.a.) oder der Zeitgeist, die Ideologie oder die Staatsmacht oder Neuoffenbarungen oder was sonst die Lehre der Kirche und ihr Amt zu beeinflussen trachtet. Luther hat dies in den Schmalkaldischen Artikeln sehr treffend kurz zusammengefaßt: "Es heißt, Gottes Wort soll Artikel des Glaubens stellen und sonst niemand, auch kein Engel." (Schm. Art., II, II, 15) Dagegen verstoßen auch die, - modernistische und bibelkritische Theologie (Hist.-krit. Methode), Feminismus, allegorisch-psychologische Auslegung u.a. - die der Schrift Gottes ein Verständnismuster überstülpen, nach dem sie auszulegen wäre. Denn wenn NUR Gottes Wort Artikel des Glaubens setzen kann, dann kann auch nur Schrift Schrift auslegen, nämlich daß die klare, unmißverständliche Schriftstelle das Dunklere auslegt (s. Apol. XXVII, 60). Welche Lehre aber keinen festen Schriftgrund hat, die ist unbiblisch, deshalb auch unkirchlich, daher als Irrlehre verworfen, darf kein Anrecht in der Kirche haben, sondern muß auf das Entschiedenste bekämpft werden (s. Apol. XXI, 3.9).

    Gottes Wort aber ist wahrhaftig, ohne Irrtum, denn der Grund, auf dem die Kirche steht, ist, "daß Gottes Wort nicht falsch ist oder lüge." (Konkordienf., Zusammenf., VII, 13)

4. Die Rechtfertigung allein aus Gnaden - der Kern der Schrift, ohne den sie nicht verstanden werden kann

    Aber alles Bekenntnis zur Verbal- oder Wörterinspiration im Blick auf die Heilige Schrift und zur Autorität der Schrift nutzt wenig, wenn nicht der Kern der Schrift recht erkannt und so das rechte Verständnis der Schrift eröffnet wird, weil sonst Gesetz und Evangelium wild durcheinander gemengt werden.

    Was aber ist der Schlüssel zur Schrift? Das bekennt die evangelisch-lutherische Kirche in ihrem Kampf mit Rom über den Artikel von der Rechtfertigung oder wie man vor Gott fromm und gerecht wird: "Dieweil aber solcher Zank ist über dem höchsten, vornehmsten Artikel der ganzen christlichen Lehre, also daß an diesem Artikel ganz viel gelegen ist, welcher auch zu klarem richtigen Verstande der ganzen heiligen Schrift vornehmlich dienet und zu dem unaussprechlichen Schatz und der rechten Erkenntnis Christi den Weg weist, auch in die ganze Bibel allein die Tür auftut, ohne welchen Artikel auch kein arm Gewissen einen rechten beständigen Trost haben oder die Reichtümer der Gnaden Christi erkennen mag." (Apol. IV, 2) Die Rechtfertigungslehre, das ist, daß wir Vergebung der Sünden durch Christus ohne unser Verdienst allein durch den Glauben, allein aus Gnaden erlangen: das ist der Hauptartikel der christlichen Lehre, das macht die Kirche zur christlichen Kirche (nicht das Gesetz, das nicht zum Wesen der Kirche gehört, denn die Heiden haben es auch). Denn: "In der christlichen Kirche ist das kein geringer Artikel, sondern der allerhöchste und Hauptartikel, daß wir Vergebung der Sünden erlangen ohne unsern Verdienst durch Christus, und daß nicht unsere Werke, sondern Christus sei die Versöhnung für unsere Sünde." (Apol. XX, 79) "Paulus in der Epistel an die Römer behandelt vornehmlich dieses Stück, wie ein Mensch vor Gott fromm werde und schließt, daß alle, die da glauben, daß sie durch Christus einen gnädigen Gott haben, ohne Verdienst durch den Glauben gerecht werden. Und diesen gewaltigen Schluß, diese Proposition, in welcher gefasset ist die Hauptsache der ganzen Epistel, ja der ganzen Schrift, setzet er im dritten Kapitel mit dürren klaren Worten so: "So halten wir es nun, daß der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben." Röm. 3,28." (Apol. IV, 87)

    Aber nicht nur das: erst von diesem Artikel her können wir wirklich die Schrift Gottes verstehen, können Gesetz und Evangelium in ihrer Unterschiedenheit recht erkennen und dadurch auch die Aussagen der Schrift verstehen. (Wohl ist jeder Lehrartikel für sich aus seinem Sitz der Lehre zu verstehen; aber wir haben keine lineare Schriftauffassung, sondern Gott selbst hat Schwerpunkte gesetzt und von daher auch die verschiedenen Artikel der einen christlichen Lehre in eine geistliche Ordnung gebracht.)

    Wer also den Christus für uns, die Rechtfertigungslehre, nicht wirklich als Kern und Stern der Heiligen Schrift Gottes festhält, lehrt und danach die gesamte Lehre ordnet, der hat eine andere, eine der Schrift widersprechende Schriftauffassung, mag er auch sonst die Verbalinspiration bekennen (hierin gehören z.B.: Entscheidungstheologie; keine klare Unterscheidung zwischen Rechtfertigung und Heiligung; bedingte Absolution; Verschiebung des Schwerpunktes von der Lehre auf das Leben, von Gott auf den Menschen; jede Form der Mithilfe des Menschen bei seiner Bekehrung und Bewahrung).

5. Das Licht zum Verständnis der Schrift: die rechte Unterscheidung von Gesetz und Evangelium

    Nur dann aber kann der göttlichen Struktur der Heiligen Schrift und ihrem Kern oder Schwerpunkt im Verständnis der Schrift wirklich gerecht geworden werden, wenn die beiden Predigten Gottes, Gesetz und Evangelium, recht unterschieden und nicht vermischt werden: "Nachdem der Unterschied des Gesetzes und Evangeliums ein besonders herrliches Licht ist, welches dazu dienet, daß Gottes Wort recht geteilet und der heiligen Propheten und Apostel Schriften eigentlich erkläret und verstanden [werden]: ist mit besonderem Fleiß über demselben zu halten, damit diese zwei Lehren nicht miteinander vermischt oder aus dem Evangelium ein Gesetz gemacht, dadurch das Verdienst Christi verdunkelt und die betrübten Gewissen ihres Trostes beraubet [werden], den sie sonst in dem heiligen Evangelium haben, wenn dasselbige lauter und rein geprediget [wird], und sich in ihren höchsten Anfechtungen wider das Schrecken des Gesetzes aufhalten können." (Konkordienf., Gründl. Darl., V, 1) Jede Vermengung von Gesetz und Evangelium, die sowohl Abstumpfung der Schärfe des Gesetzes bedeutet, vorallem aber Verkürzung des Evangeliums, Zurückdrängen des vollen Heils und der Heilsgewißheit allein aus Gnaden, allein um Christi willen, allein durch den Glauben, muß daher, um der bluterkauften Seelen und ihres ewigen Heils willen, unbedingt unterlassen werden.

    Diese rechte Unterscheidung gilt für das Verständnis der gesamten Schrift Gottes, Alten und Neuen Testamentes: "Diese zwei Predigten sind von Anfang der Welt her in der Kirche Gottes nebeneinander je und allewege mit gebührendem Unterschied getrieben worden." (Konkordienf., Gründl. Darl., V, 23) Ohne diese rechte Unterscheidung und das rechte Verständnis des Evangeliums würde die Kirche - siehe Rom - bei der Werkgerechtigkeit enden.

    Darum werden die evangelisch-lutherischen BS nicht müde, diese notwendige Unterscheidung immer wieder zu betonen, denn davon hängt es ab, ob der Hauptartikel der Schrift, die Rechtfertigungslehre, der Christus für uns, rein erhalten bleibt. "Die ganze Schrift, beide, Alten und Neuen Testaments, wird in die zwei Stücke geteilt und lehret diese zwei Stücke, nämlich Gesetz und göttliche Verheißungen. Denn an etlichen Orten hält sie uns vor das Gesetz, an etlichen bietet sie uns Gnaden an durch die herrlichen Verheißungen von Christus; so, wenn im Alten Testament die Schrift verheißet den zukünftigen Christus und bietet ewigen Segen, Benedeiung, ewiges Heil, Gerechtigkeit und ewiges Leben durch ihn an; oder im Neuen Testament, wenn Christus, da er kommen ist auf Erden, im Evangelium verheißet Vergebung der Sünden, ewige Gerechtigkeit und ewiges Leben." (Apol. IV, 5; s.a. IV, 102) "Denn Christi Wohltat und den großen Schatz des Evangeliums (welchen Paulus so hoch hebt) recht zu erkennen, müssen wir je auf einen Teil Gottes Verheißung und angebotene Gnade, auf dem andern Teil das Gesetz so weit voneinander scheiden wie Himmel und Erde." (Apol. III, 65)

    Es hängt von dieser Unterscheidung ab, ob die Schrift wirklich so verstanden wird, wie Gott geredet hat, oder ob ihr ein anderes, gesetzliches, das Evangelium verdunkelndes Verständnis übergestülpt wird. Die Schrift ist kein bloßes äußeres Wort, sondern ist Gottes Wort zu unserer Errettung, Joh. 20,21; Röm. 1,16.17; 10,14-17. Dieses rechte Schriftverständnis hat seine Auswirkungen dann auch in den Artikeln von der Rechtfertigung, von der Buße, von der Bekehrung, vom Verständnis von Gnade und Glaube, von Taufe und Abendmahl, von der Kirche, vom Predigtamt, von der Gnadenwahl, von den letzten Dingen. Darum entfalten die evangelisch-lutherischen BS dies immer wieder neu: "Dies sind nun die vornehmsten zwei Werke, dadurch Gott in den Seinen wirket. Von den zwei Stücken redet die ganze Schrift, erstlich, daß er unsere Herzen erschrecket und uns die Sünde zeigt, zum anderen, daß er wiederum uns tröstet, aufrichtet und lebendig macht. Darum führt auch die ganze Schrift diese zweierlei Lehren. Eine ist das Gesetz, welche uns zeiget unseren Jammer, strafet die Sünde. Die andere Lehre ist das Evangelium; denn Gottes Verheißung, da er Gnade zusagt durch Christus, und die Verheißung der Gnade wird von Adam her durch die ganze Schrift immer wiederholet ... Denn durch den Glauben an das Evangelium oder an die Zusage von Christus sind alle Patriarchen, alle Heiligen von Anbeginn der Welt gerecht vor Gott worden, und nicht um ihrer Reue oder Leid oder einigerlei Werk willen." (Apol. XII, 53.54)

    Diese rechte Unterscheidung von Gesetz und Evangelium betrifft dabei nicht nur, wie jemand zum seligmachenden Glauben an Christus kommt, sondern vielmehr alles, was mit seinem Christenleben zu tun hat, auch die Heiligung, weil sonst durch die Hintertür die falsche, den Kern der Schrift umstürzende oder verdunkelnde Lehre wieder eingeführt wird: "Es muß aber auch unterschiedlich erkläret werden, was das Evangelium zu dem neuen Gehorsam der Gläubigen tue, schaffe und wirke, und was hierinnen, so viel die guten Werke der Gläubigen anlanget, des Gesetzes Amt sei.

    Denn das Gesetz saget wohl, es sei Gottes Wille und Befehl, daß wir im neuen Leben wandeln sollen, es gibt aber die Kraft und Vermögen nicht dazu, daß wirs anfangen und tun können, sondern der heilige Geist, welcher nicht durch das Gesetz, sondern durch die Predigt des Evangeliums gegeben und empfangen wird, Gal. 3, erneuert das Herz. Darnach gebrauchet der heilige Geist das Gesetz darzu, daß er aus demselben die Wiedergebornen lehret und in den Zehn Geboten ihnen zeiget und weiset, welches da sei der wohlgefällige Wille Gottes, Röm. 12. ... und da sie in dem von wegen des Fleisches faul und nachlässig und widerspenstig sind, strafet er sie darum durchs Gesetz. ... Darum, so oft die Gläubigen straucheln, werden sie gestrafet durch den heiligen Geist aus dem Gesetz und durch denselben Geist wieder aufgerichtet und getröstet mit der Predigt des heiligen Evangeliums." (Konkordienf., Gründl. Darl., VI, 10-14)  

6. Gottes Wort ist uns zum Glauben gegeben - die Aufgabe der Heiligen Schrift

    Warum hat Gott uns sein Wort, die Bibel, gegeben? In der Konkordienformel heißt es im Zusammenhang mit der Lehre von der Gnadenwahl: "Weil alle Schrift von Gott eingegeben [ist] nicht zur Sicherheit und Unbußfertigkeit, sondern zur Strafe, Züchtigung und Besserung dienen soll, 2 Tim. 3, ebenso, weil alles in Gottes Wort darum uns vorgeschrieben ist, nicht daß wir dadurch in Verzweiflung getrieben sollen werden, sondern daß wir durch Geduld und Trost der Schrift Hoffnung haben, Röm. 15." (Konkordienf., Gründl. Darl., XI, 12) Hier haben wir wieder die beiden Weisen, mit denen Gott an uns handelt, Gesetz und Evangelium, die jeweils ihr Amt ausführen sollen an den Menschen: das Gesetz strafen, züchtigen, bessern, das Evangelium aber Trost und Hoffnung geben.

    Dabei aber stehen beide nicht beziehungslos nebeneinander, sondern, wie schon oben angezeigt, dominiert eindeutig das Evangelium als das eigentliche Werk Gottes gegenüber seinem fremden Werk. Denn darum recht eigentlich hat er uns sein Wort gegeben, weshalb wir auch bitten: "Dein Reich komme", nämlich: "Lieber Vater, wir bitten, gib uns erstlich dein Wort, daß das Evangelium rechtschaffen in der Welt gepredigt werde; zum andern, daß es auch durch den Glauben angenommen werde, in uns wirke und lebe, daß also dein Reich unter uns gehe durch das Wort und Kraft des heiligen Geistes und des Teufels Reich niedergelegt werde, daß er kein Recht noch Gewalt über uns habe, so lange, bis es endlich gar zerstöret, die Sünde, Tod und Hölle vertilget werde, daß wir ewig leben in voller Gerechtigkeit und Seligkeit." (Gr. Katechismus, III, II, 54) Es geht also um nichts anderes, als aus dem Reich der Finsternis in das Reich Christi versetzt zu werden: was eben durch das Evangelium - und durch das Evangelium allein - geschieht, Joh. 20,21; Apg. 5,14; Kol. 1,13. (Das Gesetz kann nur den Boden vorbereiten, indem es Sündenerkenntnis und Reue wirkt und soll später den Erlösten dienen, den Willen Gottes zu erkennen - aber Leben geben, den Glauben wirken und damit Christi Reich bauen, das kann es nicht, das kann allein das Evangelium, Röm. 1,16.17; 3,20; Gal. 2,216). Darum bekennt die evangelisch-lutherische Kirche auch: "In diesen Worten gedenket der Katechismus unsers freien Willens oder Zutuns mit keinem Wort, sondern gibet alles dem heiligen Geist, daß er durchs Predigtamt uns in die Christenheit bringe, darinnen heilige und verschaffe, daß wir täglich zunehmen im Glauben und guten Werken." (Konkordienf., Gründl. Darl., II, 38)

    Das Zentrum der Heiligen Schrift, wie unter 4. dargelegt, ist der Christus für uns, die Rechtfertigung des Sünders, des Gottlosen, allein aus Gnaden, allein um Christi Gehorsam, Leiden und Sterben willen, allein durch den Glauben, vgl. Röm. 3; 4. Darum ist das die vornehmste Aufgabe der Schrift Gottes und des von Gott eingesetzten, nichts als die Schrift verkündigenden heiligen Predigtamtes: "... daß solch Verdienst und Wohltaten Christi durch Wort und Sakrament uns sollen vorgetragen, dargereicht und ausgeteilet werden." "... daß er mit seinem heiligen Geist durch das Wort, wenn es geprediget, gehöret und betrachtet wird, in uns wolle kräftig und tätig sein, die Herzen zu wahrer Buße bekehren und im rechten Glauben erhalten." (Konkordienf., Gründl. Darl., XI, 16.17) Durch das Evangelium den Glauben wecken und erhalten - das ist die Hauptaufgabe der Schrift, weshalb ja Paulus schreiben konnte an die Korinther, er habe nichts gewußt außer Jesus, den Gekreuzigten, 1 Kor. 2,2. Es sind die ewigen Güter, die himmlischen Güter, die Christus uns erworben hat, die Gott durch das Evangelium in Wort und Sakrament darreicht: "Dieselbe Gewalt der Schlüssel oder Bischöfe übet und treibet man allein mit der Lehre und Predigt Gottes Worts und mit Handreichung der Sakramente, vielen oder einzelnen Personen, darnach der Beruf ist. Denn damit werden gegeben nicht leibliche, sondern ewige Dinge und Güter, nämlich ewige Gerechtigkeit, der heilige Geist und das ewige Leben. Diese Güter kann man nicht erlangen als durch das Amt der Predigt und durch die Handreichung der heiligen Sakramente." (Augsb. Konf., XXVIII, 8.9; s.a. Apol., XII, 38-43)

    Das ist das eigentliche oder Hauptwerk des Wortes Gottes, weshalb richtig auch das Evangelium in Wort und Sakrament als das (Kenn-)Zeichen der Kirche gilt: "Und dieselbige Kirche hat doch auch äußerliche Zeichen, dabei man sie kennet, nämlich wo Gottes Wort rein gehet, wo die Sakramente demselbigen gemäß gereicht werden, da ist gewiß die Kirche, da sind Christen und dieselbige Kirche wird auch genannt in der Schrift Christi Leib." (Apol., VII, 5)   Danach aber hat Gottes Wort noch ein Werk an uns Christen, in dem wiederum das Evangelium im Zentrum steht: die Heiligung, die aber auch ihren Kern hat in der täglichen Vergebung der Sünden, im Trost der Gewissen. "Denn jetzt bleiben wir halb und halb rein und heilig, auf daß der heilige Geist immer an uns arbeite durch das Wort und täglich Vergebung austeile, bis in jenes Leben, da nicht mehr Vergebung wird sein, sondern ganz und gar rein und heilige Menschen ..." (Gr. Kat., II, 58)

7. Gottes Wort - Gottes Gnadenmittel

    Wie aber erreicht nun Gott sein Ziel mit der Heiligen Schrift? Ist sie bloße Informationsquelle, die uns den Heilsweg aufzeigt, den wir gehen müssen, um errettet zu werden? Ist Gottes Wort nur eine leere Hülse, die von etwas redet, das ganz unabhängig von ihr der heilige Geist wirkt? Wie handelt Gott mit uns? Die Antwort der Heiligen Schrift - und im Anschluß an sie auch der evangelisch-lutherischen BS - ist eindeutig:

    "Darum sollen und müssen wir darauf beharren, daß Gott nicht will mit uns Menschen handeln als nur durch sein äußerlich Wort und Sakrament." (Schmalk. Art., III, VIII, 10) Gott handelt allein durch das Evangelium in Wort und Sakrament an uns, Wort und Sakrament sind also die Gnadenmittel, durch die Gott die Vergebung der Sünden, den heiligen Geist, das ewige Leben zueignet. (s.a. Röm. 1,16; 10,14-17; 2 Kor. 3; Gal. 3,2.5; 1 Petr. 1,23) Nicht neben dem Wort, unabhängig von Wort und Sakrament führt Gott sein Heilswerk aus, sondern durch dieselben. "Und in diesen Stücken, die das mündliche, äußerliche Wort betreffen, ist fest darauf zu bleiben, daß Gott niemand seinen Geist oder Gnade gibt als allein durch oder mit dem vorhergehenden äußerlichen Wort." (Schmalk. Art., III, VIII, 3) Der Heilige Geist wird uns durch das Wort gegeben und durch das Wort redet und wirkt er (s.a. Schmalk. Art., III, VIII, 11-13). Durchs Wort (und Sakrament) führt Gott sein Werk an uns Menschen aus und verweist uns an die Gnadenmittel - und gründet auch unser Heil darauf, damit wir wirklich Heilsgewißheit haben können: "Wie Gott seinen Rat verordnet hat, daß der heilige Geist die Auserwählten durchs Wort berufen, erleuchten und bekehren, und daß er alle die, so durch rechten Glauben Christus annehmen, gerecht und selig machen wolle: also hat er auch in seinem Rat beschlossen, daß er diejenigen, so durchs Wort berufen werden, wenn sie das Wort von sich stoßen und dem heiligen Geist, der in ihnen durchs Wort kräftig sein und wirken will, widerstreben und darin verharren, sie verstocken, verwerfen und verdammen wolle." (Konkordienf., Gründl. Darl., XI, 40) Der Heilige Geist ist also bei dem gepredigten, gehörten, betrachteten Wort gewiß gegenwärtig und dadurch kräftig und wirkt (s.a. Konkordienf., Gründl. Darl., XI, 39). Von einem Wirken neben, unabhängig von diesen Mitteln sagt uns die Schrift nichts; Gott bindet uns an diese Mittel, die wahrhaft kräftig sind, weil der Heilige Geist darinnen wirkend gegenwärtig ist. (Darum ist es auch völlig verkehrt und zeugt von Unkenntnis, wenn nicht Verachtung der Kraft des Wortes Gottes, wenn man, gegen 1 Kor. 1,17; 2,2.4 und 1,25 ff meint, "Erfolg" zu haben, "Resultate" zu erzielen, wenn man psychologischer, sozialwissenschaftlicher vorgehe oder sich sonst der Welt anpasse und so das Ärgernis des Kreuzes tatsächlich wegnimmt.) "Durch die zwei, durchs Wort und äußerliche Zeichen [Sakrament], wirket der heilige Geist." (Apol., XXIV, 70; s.a. Konkordienf., Kurzf., II, 4-6; Gründl. Erkl., XI, 75-77)

    Es ist also durch Wort und Sakrament, als den Mitteln, wodurch der heilige Geist in uns kräftig ist und wahre Buße, den Glauben und das neue Leben im Herzen wirkt. "So wollen wir nun ferner aus Gottes Wort berichten, wie der Mensch zu Gott bekehret werde, wie und durch welche Mittel (nämlich durch das mündliche Wort und die heiligen Sakramente) der heilige Geist in uns kräftig sein und wahre Buße, Glauben und neue geistliche Kraft und Vermögen zum Guten in unsern Herzen wirken und geben wolle, und wie wir uns gegen solche Mittel verhalten und dieselbigen gebrauchen sollen." (Konkordienf., Gründl. Darl., II, 48) Oder in andern Worten: "... daß solch Verdienst und Wohltaten Christi durch sein Wort und Sakrament uns sollen vorgetragen, dargereicht und ausgeteilet werden." (Konkordienf., Gründl. Darl., XI, 16) Darum sind wir aufgerufen, Gottes Wort und die Sakramente fleißig, oft zu gebrauchen. "Diese Predigt sollen nun alle die hören, die da wollen selig werden." (Konkordienf., Gründl. Darl., II, 52), denn es ist eben durch diese Mittel, daß Gott den heiligen Geist gibt, den Glauben wirkt: "Solchen Glauben zu erlangen, hat Gott das Predigtamt eingesetzt, Evangelium und Sakrament gegeben, dadurch er als durch Mittel den heiligen Geist gibt, welcher den Glauben, wo und wann er will, in denen, so das Evangelium hören, wirket, welches da lehret, daß wir durch Christi Verdienst, nicht durch unser Verdienst, einen gnädigen Gott haben, so wir solches glauben." (Augsb. Konf., V, 1-3; s.a. XXVIII, 8-11)

8. Wir sollen das Wort Gottes heilig halten, gerne hören und lernen

    Da Gottes Wort Gnadenmittel ist, da der HErr dadurch von Sünden überführt und durch das Evangelium selig macht, sollen wir es, wie Luther im Kleinen Katechismus erklärt, "heilig halten, gerne hören und lernen." (Kl. Kat., I, 6), es also nicht für ein gewöhnliches Wort, ein Menschenwort, ansehen, sondern bedenken, daß es des Heiligen Geist Wort und Buch ist, daß Gott selbst in der Bibel zu uns redet, zu unserer Errettung. Und darum sollen wir auch die Predigt aus seinem Wort gerne, also auch oft, hören, und sollen Gottes Wort lernen, auch auswendig lernen, so in der Erkenntnis wachsen, in rechter biblischer Erkenntnis (denn es kommt eben nicht nur darauf an, daß jemand glaubt, sondern auch, was er glaubt).

    Denn was ist das Ziel? Gott will durch sein Wort , auch in der Predigt, als des Heiligen Geistes Werkzeug, Menschen zu sich bekehren, nämlich daß der Mensch durch die Predigt des Gesetzes "seine Sünde und Gottes Zorn erkennet und wahrhaftigen Schrecken, Reu und Leid im Herzen empfindet, und durch die Predigt und Betrachtung des heiligen Evangeliums von der gnadenreichen Vergebung der Sünden in Christus ein Fünklein des Glaubens in ihm angezündet wird, der Vergebung der Sünden um Christi willen annimmet und sich mit der Verheißung des Evangeliums tröstet; und wird so der heilige Geist (welcher dieses alles wirket) in das Herz gegeben." (Konkordienf., Gründl. Darl., II, 54)

Dadurch, daß wir täglich mit Gottes Wort umgehen, es in Herz und Mund tragen, soll "unser ganzes Leben und Wesen nach Gottes Wort" ausgerichtet werden. (Gr. Kat., III, 89) Denn er will eben durch dieses Wort "in uns den Glauben und seine himmlischen Gaben bewahren, von Tag zu Tag stärken und bis an das Ende erhalten", worum wir auch bitten sollen. (Konkordienf., Gründl. Darl., II, 16)

Anhang I: Von Gottes Wort in regionalen evangelisch-lutherischen Bekenntnissen und Kirchenordnungen der Reformationszeit

    Daß die Lehre von der Heiligen Schrift, wenn sie auch in den Bekenntnissen im Konkordienbuch nicht einen eigenen Artikel hat, dennoch für die evangelisch-lutherische Kirche schon in der Reformationszeit ungezweifelt feststand, davon zeugen auch die regionalen Bekenntnisse und Kirchenordnungen der damaligen Zeit.

1. Confessio Virtembergica von 1552

    Das Württembergische Bekenntnis, von den württembergischen evangelisch-lutherischen Theologen aufgestellt als Bekenntnis der biblisch-lutherischen Lehre, um in Mantua und Trient auf dem Konzil vorgelegt zu werden, lehrt:

    "Hierauf glauben und bekennen wir, daß diese Schrift sei eine wahrhaftige, gewisse Predigt des heiligen Geistes, welche mit himmlischen Zeugnissen dieser Gestalt bestätiget ist, daß, wenn ein Engel vom Himmel (ein) anders prediget, soll er verfluchet sein." (Blatt XXXVII, in: Württembergische Große Kirchenordnung von 1559. Stuttgart 1983.) Die Heilige Schrift, die Bibel, wird also unmißverständlich als des Heiligen Geistes Wort bekannt, was auch ein bloßes Gemenge aus Gottes- und Menschenwort nicht zuläßt und weshalb jegliche Lehre, die gegen die Schrift ist, verworfen ist.

2. Die Nürnberger 23 Lehrartikel von 1528 zur Visitation

    Die Nürnberger Visitationsartikel beginnen mit der Heiligen Schrift: "1. Daß alle Lehre entweder Gottes gewisses und wahres Wort oder aber ungewisse Menschensatzung, Gutdünken und eigene Fündlein sei. 2. Daß die christliche Kirche durch das gewisse, wahre Gotteswort geboren, erhalten und selig werde. 3. Daß Gottes gewisses, wahres Wort, so viel uns zur Seligkeit not ist, in der heiligen Schrift vollkommen und so begriffen sei, daß sie menschlichen Zusatzes nicht bedarf. ... 5. Daß die heilige Schrift vornehmlich beinhalte die zwei Testamente, Altes und Neues, das ist Gesetz und Evangelium." (in: Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts. Hrsg. von Emil Sehling. Bd 11. T. 1. Tübingen 1961. S. 128)

    In diesen Worten haben wir kurz die wichtigsten Grundaussagen zusammengefaßt: nämlich daß Gottes Wort wahr ist, das ist: irrtumslos, absolut richtig in allem, was es aussagt; daß es darum ein gewisses, festes, nicht zweideutiges Worrt ist, und, daß es eben Gottes Wort ist, im Gegensatz zu allem Menschenwort, womit die Verbalinspiration umfaßt ist. Ebenso weist dieser Artikel auf die Kraft des Wortes hin: daß Gott durch dieses Wort die Kirche gebiert und erhält, also den Glauben weckt und bewahrt, und daß die gesamte Schrift in Gesetz und Evangelium zu teilen ist.

3. Die brandenburgisch-nürnbergische Kirchenordnung von 1533

    Das greift auch die Brandenburg-Nürnbergische Kirchenordnung auf, die die Pastoren ermahnt, allein aus der Schrift alle Lehre zu entnehmen: "... so ist es wahrlich hoch vonnöten, daß alle christlichen Pfarrer, Prediger und Kirchendiener, so solches nützliche und nötige Bischofsamt in diesen gefährlichen Zeiten zumeist oder immer müssen verwalten, sich der heiligen göttlichen Schrift mit Ernst annehmen und mit höchstem Fleiß sich Tag und Nacht darin üben, dagegen aber allerlei falsche und verführerische Menschenlehre mit aller Vorsicht meiden, damit sie ihrem Amt treu und fruchtbar mögen nachkommen." (a.a.O., S. 141) "... sondern sie sollen allein das heilige, lautere und reine Wort Gottes, das in der heiligen Schrift verfaßt und gewiß ist, vortragen und lehren." ... "Die Heilige Schrift aber ist gewiß; denn sie ist nicht von Menschen, sondern durch den heiligen Geist dargetan, wie der heilige Petrus bezeugt und spricht [2 Petr. 1,20 f]: Das sollt ihr für das erste wissen, daß keine Weissagung in der Schrift geschieht aus eigener Auslegung; denn es ist noch nie eine Weissagung aus menschlichem Willen hervorgebracht, sondern die heiligen Menschen Gottes haben geredet, getrieben von dem Heiligen Geist." (a.a.O., S. 142) Kann es deutlicher gesagt werden? Die evangelisch-lutherische Kirche bezeugt damit, daß die Heilige Schrift den Heiligen Geist zum Ursprung, Urheber, Autor, Verfasser hat, nicht Menschen. Sie ist darum ein festes, gewisses, lauteres Wort, eben Gottes Wort. Weiter unten wird auch die wichtige Unterscheidung von Gesetz und Evangelium in der Schrift bekannt: "Die heilige Schrift, darinnen alles, was zu unserer Seligkeit vonnöten ist, reichlich und vollkommen angezeigt wird, begreift in sich zweierlei namhafte Lehren, nämlich das Gesetz und das Evangelium ..." (a.a.O. S. 144)

Anhang II: Von Gottes Wort in neueren lutherischen Bekenntnissen, aufgestellt als Antwort auf die schriftwidrige Bibelkritik

1. Die Kurze Darlegung der Lehrstellung der Missouri-Synode (Brief Statement)

    Im Jahre 1932 hat die damals rechtgläubige Evangelisch-Lutherische Synode von Missouri, Ohio und anderen Staaten die von ihrem langjährigen Professor für Dogmatik, D. Franz Pieper, auf der Grundlage der Aussagen von "Unsere Stellung in Lehre und Praxis" aus dem Jahre 1895 erarbeiteten "Thesen zur kurzen Darlegung der Lehrstellung der Missourisynode" angenommen, die hauptsächlich in Ergänzung zu den bisherigen BS der evangelisch-lutherischen Kirche in kurzer Form solche Streitpunkte aufgreifen, die in den letzten 150 Jahren aktuell geworden sind. Im bekenntnislutherischen Bereich Nordamerikas und in Australien sind diese Thesen heute weit verbreitet und haben vielfach eine den anderen BS vergleichbare Stellung bekommen. Der erste Abschnitt bekennt dabei von der Heiligen Schrift: "1. Wir lehren, daß die Heilige Schrift im Unterschiede von allen Büchern, die es sonst noch in der Welt gibt, Gottes Wort ist, weil die heiligen Menschen Gottes, die die Heilige Schrift geschrieben haben, nur das schrieben, was der Heilige Geist ihnen eingab, 2 Tim. 3,16; 2 Petr. 1,21. Wir lehren auch, daß die wörtliche Eingebung der Heiligen Schrift (die Verbalinspiration) nicht eine sogenannte "theologische Folgerung" ist, sondern in den Worten der Schrift direkt ausgesprochen vorliegt, 2 Tim. 3,16; Joh. 10,35; Röm. 3,2; 1 Kor. 2,13. Weil die Heilige Schrift Gottes Wort ist, so versteht es sich von selbst, daß sich in ihr keinerlei Irrtümer oder Widersprüche finden, daß sie vielmehr in allen ihren Teilen und Worten unverbrüchliche Wahrheit ist, auch in geschichtlichen, geographischen und andern natürlichen Dingen, Joh. 10,35.

    2. Wir lehren ferner von der Heiligen Schrift, daß sie von Gott der christlichen Kirche zum Glaubensgrund gegeben ist, Eph. 2,20. Die Heilige Schrift ist daher die einzige Quelle, aus der alle Lehre, die in der christlichen Kirche gelehrt wird, zu schöpfen ist, und daher auch die einzige Regel und Richtschnur, nach der alle Lehrer und Lehren zu beruteilen und zu richten sind. ... 3. Wir verwerfen die in der Kirche unserer Zeit - sogar unter dem Namen "Wissenschaft" - weitverbreitete Lehre, daß die Heilige Schrift nicht in allen ihren Teilen Gottes Wort, sondern teils Gottes Wort, teils Menschenwort sei, daher auch Irrtümer enthalte, mindestens enthalten könne. Wir verwerfen diese Lehre als eine erschreckliche und gotteslästerliche, weil sie Christo und seinen heiligen Aposteln ins Angesicht widerspricht, Menschen zu Richtern über Gottes Wort einsetzt und damit den Grund umstößt, auf dem die christliche Kirche mit ihrem Glauben steht." Hier wird die eindeutige Lehre der Schrift, wie sie schon die Väter der lutherischen Orthodoxie gelehrt haben, unmißverständlich hochgehalten: Die Bibel IST Gottes Wort, sie ist vom Heiligen Geist eingegeben, und zwar Wort für Wort; sie ist absolut irrtumslos und widerspruchslos und die einzige Quelle, Regel und Richtschnur für alle Lehre und Lehrer. Damit ist jegliche Bibelkritik, die ja, wie immer sie auch im einzelnen gestaltet sein mag, davon ausgeht, daß die Schrift zumindest in Teilen Menschenwort sei, abgewiesen. Bibelkritik und reformatorisches, bibel- und bekenntnistreues Luthertum sind eben unvereinbar.

2. Darlegung schrift- und bekenntnisgemäßer Grundsätze (A Statement of Scriptural and Confessional Principles)

    Ergänzend zur 'Kurzen Darlegung der Lehrstellung' hat die Lutheran Church - Missouri Synod (LCMS) im Jahr 1973 "A Statement of Scriptural and Confessional Principles" angenommen, nachdem der HErr, nach Jahren schwerer innerer Kämpfe und Abirrungen, Gnade gegeben hatte, daß der größere Teil der liberalen Professoren und viele ihrer Anhänger das Seminar und die LCMS verließen. Diese Auseinandersetzungen gingen in erster Linie um die Lehre von der Heiligen Schrift, die Verbalinspiration, und gegen die eingebrochene Bibelkritk.

    Darum heißt es zur Inspiration der Schrift: "Wir glauben, lehren und bekennen, daß alle Schrift durch Inspiration (Eingebung) durch Gott den Heiligen Geist gegeben ist und daß daher Gott der wahre Autor jedes Wortes der Schrift ist. Wir erkennen daher, daß es einen qualitativen Unterschied gibt zwischen dem eingegebenen Zeugnis der Heiligen Schrift in allen ihren Teilen und Wörtern und dem Zeugnis von jeder anderen Weise menschlichen Ausdrucks, weshalb die Bibel ein einzigartiges Buch ist.

    Wir verwerfen daher die folgenden Ansichten: 1) daß die Heilige Schrift nur in dem Sinne inspiriert sei, wie alle Christen "inspiriert" seien, um zu bekennen, daß Jesus Christus Herr ist; 2) daß der Heilige Geist nicht die tatsächlichen Wörter den biblischen Autoren eingegeben hätte, sondern sie nur mit besonderer Führung ausstattete; 3) daß nur solche Sachen in der Schrift durch den Heiligen Geist eingegeben seien, die sich direkt auf Jesus Christus und des Menschen Erlösung beziehen; 4) daß nichtkanonische Schriften der christlichen Tradition als "eingegeben" im gleichen Sinne wie die Heilige Schrift angesehen werden könnten; 5) daß Teile des neutestamentlichen Zeugnisses von Jesus Christus erfundene Zusätze enthielten, die ihren Ursprung in der frühen christlichen Gemeinschaft hätten und nicht wirkliche Tatsachen darstellten."

    Damit wird die biblische Lehre von der Inspiration als Wörter- oder Vollinspiration der Schrift klar ausgedrückt. Das gleiche gilt einige Absätze später von der Irrtumslosigkeit der Schrift: "Mit Luther bekennen wir, daß "Gottes Wort nicht irren kann". Wir glauben, lehren und bekennen daher, daß, weil die Heilige Schrift das Wort Gottes ist, sie keine Irrtümer oder Widersprüche enthält, sondern daß sie in allen ihren Teilen und Wörtern die unfehlbare Wahrheit ist. Wir halten dafür, daß die Meinung, die Schrift enthalte Irrtümer, dem Grundsatz 'allein die Schrift' Gewalt antut, denn sie beruht auf der Annahme von irgendeiner Norm oder Kriterium für die Wahrheit über der Schrift ... Wir verwerfen daher die folgenden Ansichten: 1) daß die Schrift theologische wie auch tatsächliche Widersprüche und Irrtümer enthalte; 2) daß die Schrift irrtumslos nur in Sachen sei, die direkt die Evangeliumsbotschaft und Erlösung enthielten; 3) daß die Schrift nur funktional irrtumslos wäre, daß also die Schrift "irrtumslos" wäre nur in dem Sinne, daß sie ihr Ziel erreiche, das Evangelium von der Erlösung den Menschen zu bringen; 4) daß die biblischen Schreiber sich darin anpaßten, daß sie die irrtümlichen Ansichten ihrer Tage verwendeten und wiederholten (z.B. die Behauptung, daß Pauli Aussage zur Rolle der Frau in der Gemeinde heute nicht bindend sei, da sie das kulturell bedingte Ergebnis dessen sei, daß der Apostel die Ansichten des damaligen Judentums als ein Kind seiner Zeit teilte); 5) daß Aussagen Jesu und der neutestamentlichen Schreiber hinsichtlich der menschlichen Autorschaft von Teilen des Alten Testamentes oder der Geschichtlichkeit von bestimmten alttestamentlichen Personen und Ereignissen nicht als wahr [richtig] angenommen werden müßten (z.B. Davids Autorschaft von Psalm 110, die Geschichtlichkeit Jonas oder der Sündenfall Adams und Evas)."

    Aber in dieser Darlegung finden wir nicht nur die formale Darlegung zur Heiligen Schrift, sondern, und das ist wichtig, um die Schrift recht als Gottes Wort zu gebrauchen, auch das Zeugnis darüber, was Gottes Schrift uns gibt, wie sie zu verstehen ist:

    "Wir glauben, lehren und bekennen, daß das Evangelium der gnädigen Rechtfertigung des Sünders durch den Glauben an Jesus Christus nicht nur die Hauptlehre der Heiligen Schrift und eine grundlegende Voraussetzung für die Auslegung der Schrift ist, sondern das Herz und die Mitte unseres christlichen Glaubens und der Theologie (Materialprinzip). ... Das Evangelium, das das Zentrum unserer Theologie ist, ist das Evangelium, wovon die Schrift zeugt, wie auch die Schrift, aus der wir unsere Theologie ziehen, uns ständig zum Evangelium Jesu Christi weist. Wir verwerfen die folgenden Verfälschungen der Beziehung zwischen dem Evangelium und der Bibel (dem Material- und Formalprinzip): 1) daß die Annahme der Bibel an sich, anstatt des Evangeliums, das Herz und die Mitte des christlichen Glaubens und der Theologie und der Weg zur ewigen Erlösung sei; 2) daß das Evangelium, nicht die Schrift, die Norm sei, alle Lehre und Lehrer zu bewerten und zu beurteilen (so z.B., wenn eine Entscheidung über die Zulassung, Frauen zum Predigtamt zu ordinieren, auf der Grundlage des "Evangeliums" anstatt der Lehre der Schrift selbst gefällt wird); 3) daß die Geschichtlichkeit bestimmter biblischer Berichte (wie die Sintflut oder der Sündenfall) in Frage gestellt werden dürften, wenn das nicht dem Evangelium schade; 4) daß Christen nicht Dinge akzeptieren müßten, die zwar in der Schrift gelehrt werden, aber nicht Teil des "Evangeliums" seien."         

    Um den rechten Gebrauch von Gesetz und Evangelium zu bekräftigen, heißt es: "Wir glauben, daß die beiden Hauptlehren der Heiligen Schrift, Gesetz und Evangelium, dauernd und sorgfältig in der Kirche Gottes bis zum Ende der Welt verkündigt werden müssen, aber in gewissenhafter Unterscheidung  (Konkordienf., Gründl. Darl., V, 24). Das Gesetz als Ausdruck von Gottes unwandelbarem Willen, muß von der Kirche dazu verwendet werden, Menschen zur Erkenntnis ihrer Sünde zu bringen, wie auch dazu, Christen über die guten Werke zu unterweisen (Konkordienf., Gründl. Darl., V, 17-18). Auf dem Evangelium aber liegt das Schwergewicht im Amt des Neuen Testamentes, denn es ist die Botschaft, daß "Gott ihnen alle ihre Sünden vergibt durch Christus, sie um seinetwillen annimmt als Gottes Kinder, aus lauter Gnade, ohne irgendein Verdienst von ihrer Seite, sie rechtfertigt und rettet." (Konkordienf., Gründl. Darl., V, 25)" (Die Texte sind entnommen aus: Christian News Encyclopedia. Vol. 1. Übers. durch Verf.]

3. Das Wort sie sollen lassen stan (The Word shall stand)

    Am ausführlichsten wird die Lehre von der Heiligen Schrift behandelt in dem Bekenntnis der Australian Evangelical Lutheran Church (AELC) 'The Word Shall Stand - Our Evangelical Lutheran Confession'. Es geht ein auf die Christozentrizität der Schrift, das Verhältnis von Formal- und Materialprinzip zueinander, die Autorität der Schrift, die Inspiration, Irrtumslosigkeit, den Kanon, den Zweck der Schrift als Lehrquelle. Es ist unmöglich, auf das alles hier im Einzelnen einzugehen. Wichtig sind hier vorallem die Aussagen zur Christozentrizität, Inspiration und Irrtumslosigkeit der Schrift.

    Die AELC bekennt sich dabei mit Luther dazu, daß Christus das wahre Herz und Zentrum der Heiligen Schrift ist, um den sich alles in der Schrift dreht (vgl. S. 13) und in dem allein sie ihre Bedeutung findet (vgl. ebd.) Aber, und das ist sehr wichtig, die Heilige Schrift ist nicht darum Gottes Wort, weil sie von Christus redet, sondern weil Gott ihr Autor ist (vgl. S. 14). Ebenso ist das Evangelium auch nicht die einzige Lehre der Schrift, wenn auch ihr Zentrum (vgl. S. 15):

    "Wir verwerfen und verdammen jegliche Tendenz, daß es die Christuszentriertheit der Schrift oder das Evangelium in ihr sei, die sie zum Worte Gottes mache, so, als ob die Schrift nicht Gottes Wort sei aufgrund dessen, daß er die Worte der Schrift einhauchte und ihr Urpsrung ist, sondern aufgrund dessen, daß sie Christus und das Evangelium bringe." (a.a.O. S. 16)

    Weil die Heilige Schrift Gottes Wort ist, darum hat sie auch unbedingte Autorität: "Wir glauben, lehren und bekennen, daß, da unser Herr Jesus Christus und seine Apostel von der Schrift stets und einig sprachen und sich darauf bezogen mit äußerster Hochachtung und sie anerkennten als das gebietende Wort Gottes und die letzte Autorität, der wir alle unterworfen sein müssen, ist es die Pflicht der Kirche, auch heute unzweideutig auf derselben göttlichen Autorität der Schrift zu bestehen (Matth. 5,17.18; 22,42-44; Joh. 10,35; Röm. 9,17; Gal. 3,8) ... Wir glauben, lehren und bekennen, daß die Autorität der Schrift in Gott selbst liegt und daß die Schrift ihre Autorität oder Kraft besitzt, unseren Gehorsam und Unterwerfung genau deshalb zu fordern, weil Gott selbst es ist, der in der Schrift zu uns spricht und uns Dinge offenbart, damit wir sie annehmen. ... Was Gott uns offenbart, erheischt unsere Annahme." (a.a.O. S. 28 f)

    Darum lehrt das Bekenntnis auch von der Inspiration: "Wir glauben, lehren und bekennen auf der Grundlage dessen, was die Schrift über sich selbst sagt ('Alle Schrift von Gott eingegeben', 2 Tim. 3,16), daß jedes Wort der kanonischen Schrift "geistgehaucht" ist. Die Schrift als ein Ganzes und in allen einzelnen Abschnitten und in jedem Wort ist daher das inspirierte Wort Gottes. 2. Wir erklären, daß wir mit "Inspiration" das meinen, was die Schrift selbst darlegt, nämlich daß der Heilige Geist Gottes selbst auf bestimmte Weise die Wörter selbst, die die heiligen Schreiben schrieben, einhauchte (theopneustos, 2 Tim. 3,16), so daß, aufgrund dieser Handlung des Heiligen Geistes, die Gedanken und Worte, die die heiligen Schreiber niederschrieben (graphe), tatsächlich Gottes eigene Worte sind, wie wenn sie aus Gottes Munde selbst gekommen wären (Apol. IV, 107.108) [d.i.: als wenn nicht die heiligen Schreiber sie niedergeschrieben hätten, sondern Gott sie direkt zu uns redete, Anm. d. Übers.]. Die göttliche Inspiration bestätigt den göttlichen Ursprung oder sie ist bedeutungslos. Die Schrift ist Gottes Wort, weil sie von Gott gegeben ist." (a.a.O. S. 41 f)

    Weil die Heilige Schrift Gottes Wort - und nur Gottes Wort - ist, darum kann sie nichts anderes als absolut irrtumslos sein. Jede andere Haltung stellt auch die Lehre von der Voll- oder Wörterinspiration in Frage: "Nirgends und unter keinen Umständen deutet die Schrift selbst an, daß wir irgend weniger als eine hundertprozentig faktisch korrekte Information oder Wahrheit erwarten sollen. Im Gegenteil, Christus und seine Apostel beziehen sich immer darauf und zitieren die Schrift auch so, daß sie absolut vertrauenswürdig und faktisch richtig ist." "Wir glauben, lehren und bekennen, daß jedes Wort der Schrift, sowohl vom Gesichtspunkte ihres menschlichen wie auch vom Gesichtspunkte ihres göttlichen Charakters, keine wirklichen Irrtümer oder Widersprche enthält in irgendeiner Sache, die sie behandelt." (S. 48) (Übers. durch Verf.)

    Diese Lehre ist die authentische biblische Lehre, wie sie auch in der Reformation und in ihrem Gefolge von der lutherischen Orthodoxie gelehrt wurde. Die sich noch 'lutherisch' nennenden Kirchen in Deutschland und Europa sind darum aufgefordert, gerade auch in diesem grundlegenden Lehrartikel ganz zurückzugehen zur Heiligen Schrift und sich ihr völlig zu unterwerfen. Dann allein ist eine Grundlage gegeben, daß die Kirche erneuert werden kann.