Der Brief des Apostels Paulus an die Philipper

 

 

Luthers Vorrede auf die Epistel St. Pauli an die Philipper                                              

Einleitung                                            

Kapitel 1                                              

Kapitel 2                                              

Kapitel 3                                              

Kapitel 4                                              

 

 

Luthers Vorrede auf die Epistel St. Pauli an die Philipper

1522A

 

    1. In dieser Epistel lobt und ermahnt St. Paulus die Philipper, dass sie bleiben und fortfahren sollen im rechten Glauben und zunehmen in der Liebe. Dieweil aber dem Glauben allezeit Schaden tun die falschen Apostel und Werklehrer, warnt er sie vor denselben und zeigt ihnen an mancherlei Prediger, etliche gute, etliche böse, auch sich selbst und seine Jünger, Timotheus und Epaphroditus; das tut er im ersten [und] zweiten Kapitel.

    2. Im dritten verwirft er die glaublose und menschliche Gerechtigkeit, so durch die falschen Apostel gelehrt und gehalten wird, setzt sich selbst zum Beispiel, der in solcher Gerechtigkeit herrlich gelebt habe, und doch nun nichts davon halte, um Christi Gerechtigkeit willen. Denn jene macht nur den Bauch zum Gott und Feinde des Kreuzes Christi.

    3. Im vierten ermahnt er sie zum Frieden und guten äußerlichen Wandel gegeneinander und dankt ihnen für ihr Geschenk, das sie ihm gesandt haben.

 

 

Einleitung

 

    Philippi war die Metropole und wichtigste Stadt im östlichen Teil Makedoniens, nahe der Grenze zu Thrakien, zu dem sie früher gehörte. Damals trug sie den Namen Crenides oder "Brunnen", nach den zahlreichen Quellen in der Umgebung. Der makedonische Monarch Philipp, der Vater Alexanders des Großen, nahm die Stadt aufgrund der reichen Goldvorkommen in der Umgebung von den Thrakern ein, benannte sie ihm zu Ehren um und befestigte sie stark. Das war 358 v. Chr. Julius Cäsar gründete hier eine Kolonie römischer Bürger. Im Jahr 42 v. Chr. fand in der Nähe von Philippi die berühmte Schlacht zwischen Brutus und Cassius auf der einen Seite und Octavius (dem späteren Cäsar Augustus) und Mark Anton auf der anderen Seite statt, in der die Ersteren besiegt wurden und das Schicksal des Reiches entschieden wurde. Als Octavius Kaiser wurde, bestätigte er das Vorgehen von Julius Caesar, indem er Philippi formell zur römischen Kolonie erklärte und den Bewohnern die Rechte römischer Bürger verlieh, mit den üblichen römischen Beamten, die in den Kolonien aus Höflichkeit "Prätoren" genannt wurden. Philippi war zu weit von der Spitze des Ägäischen Meeres entfernt, um ein großes Handelszentrum zu werden, und deshalb hatten sich nur wenige Juden dort niedergelassen. Es gab keine Synagoge, die Gläubigen versammelten sich an den Ufern des kleinen Flusses Zygactes, der in der Nähe der Stadt floss (Apg. 16,13).

    Der Apostel Paulus war auf seiner zweiten Missionsreise nach Philippi gekommen, nachdem ihn eine Vision nach Europa geführt hatte, die ihn nach Mazedonien rief, Apg. 16,9. Mit nur einer Handvoll Frauen hatte Paulus die erste christliche Gemeinde in Europa gegründet, Apg. 16,12-40. Nach der bitteren Erfahrung einer schmählichen Gefangenschaft hatte Paulus die Stadt verlassen, kehrte aber auf seiner dritten Reise zweimal zu der wachsenden Gemeinde zurück, Apg. 20,1-6. Die Gemeinde in Philippi war dem Paulus sehr nahe und lieb. Obwohl sie hauptsächlich aus Heidenchristen bestand, hatte sie den Apostel mit bereitwilliger Freude aufgenommen, war immer in engem Kontakt mit ihm gestanden und war die einzige Gemeinde, von der er finanzielle Unterstützung angenommen hatte. Als Paulus als Gefangener nach Rom gebracht wurde, hatte diese Gemeinde ein sehr mitfühlendes Interesse an seinem Wohlergehen gezeigt. Als die philippinischen Christen hörten, dass ihr geliebter Lehrer in Not war, schickten sie einen ihrer Amtsträger, wahrscheinlich einen Bischof oder Pastor, nach Rom, das etwa 700 Meilen [ca. 1126 km] entfernt war, um ihm Geld zu bringen, das sie für ihn gesammelt hatten. Dieser Mann, Epaphroditus, überbrachte dem Apostel die gute Nachricht vom Wachstum der philippinischen Gemeinde, musste aber auch von den Anfeindungen von außen und von den unangenehmen Erfahrungen innerhalb der Gemeinde berichten, Kap. 1,28; 1,28.29; 2,15; 3,18.19. Paulus machte daher Epaphroditus zum Überbringer eines Ermutigungsbriefes an seine geliebten Philipper, des innigsten und herzlichsten aller seiner Briefe an die Urgemeinden.

 

    Der Brief wurde von Paulus während seiner ersten römischen Gefangenschaft geschrieben. Er befand sich noch im Gefängnis, hatte aber die Hoffnung, sehr bald freigelassen zu werden, wie er immer wieder betont. Der zuversichtliche Tonfall und einzelne Äußerungen, die sich auf die Gewissheit einer baldigen Entlassung beziehen, scheinen sicher zu machen, dass Paulus diesen Brief gegen Ende seiner Gefangenschaft, Anfang des Jahres 63, geschrieben hat. Epaphroditus, der in Rom erkrankt war, konnte endlich nach Philippi zurückkehren, und so nutzte Paulus diese Gelegenheit.

    Der Brief lässt sich leicht in zwei Teile gliedern: eine Ermutigung (Kap. 1 und 2) und eine Ermahnung (Kap. 2). 1 und 2, und eine Ermahnung, Kap. 3 und 4. Nach dem einleitenden Gruß folgt eine herzliche Danksagung für den ausgezeichneten geistlichen Stand der Philipper, verbunden mit der Zusicherung eifriger Fürbitte für sie, woraufhin Paulus sie über seinen gegenwärtigen Zustand und seine voraussichtliche Zukunft informiert. In Verbindung damit bringt er eine Ermahnung zur Einheit, Sanftmut und Selbstverleugnung, wobei er auf Christus als herrliches Beispiel für diese Tugenden hinweist. Im zweiten Teil des Briefes warnt Paulus vor den judaistischen Lehrern und ihrer Lehre von der Gerechtigkeit durch die Werke des Gesetzes, indem er aus seiner eigenen Erfahrung die Wertlosigkeit aller Selbstgerechtigkeit und die Herrlichkeit der Rechtfertigung durch das Blut Christi aufzeigt. Er fordert die Philipper auf, von seinem Beispiel zu profitieren, ihren Glauben nicht um irdischer Vorteile willen zu verleugnen, sondern die Vollendung der himmlischen Herrlichkeit zu erwarten. Mit einer Reihe einzelner Ermahnungen zu Eintracht, Beständigkeit, Liebe und allen anderen christlichen Tugenden, gefolgt von Danksagungen für die empfangene Gabe und dem üblichen Gruß und Segen, schließt der Brief.[1]

 

 

Kapitel 1

 

Anrede und Gruß (1,1-2)

    1 Paulus und Timotheus, Knechte Jesu Christi: Allen Heiligen in Christus Jesus zu Philippi samt den Bischöfen und Dienern. 2 Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem HERRN Jesus Christus!

 

    Paulus bezeichnet sich selbst als Knecht [oder „Sklave“, denn das griechische Wort „doulos“ kann beides bedeuten] und nennt Timotheus einen Mitknecht, wobei das von ihm verwendete Wort in gewisser Weise die Bedeutung von Knecht beibehält. Er betrachtet sich und seinen jungen Helfer als Eigentum des himmlischen Meisters, dessen einziges Ziel es sein muss, den Willen und das Werk des Herrn auszuführen. Die Bezeichnung „Knecht“ drückt also die intensive Leidenschaft und Hingabe des Paulus an seine Berufung aus. Er nennt Timotheus zusammen mit sich selbst, nicht als Apostel, sondern als Diener, denn Timotheus war sein Assistent gewesen, als er zum ersten Mal in Philippi wirkte; der junge Prediger war also eine bekannte Persönlichkeit in Philippi, Apg. 16,1-12. Die Christen der Stadt hatten ihm viel zu verdanken, und er war im Begriff, sie erneut zu besuchen. Timotheus hatte den Geist und den Charakter seines Lehrers, seines geistlichen Vaters, und sein Andenken war bei den Philippern, die ihn lieben gelernt hatten, sehr beliebt. An alle Heiligen in Christus Jesus, die in Philippi waren, richtete Paulus seinen Brief. Er benutzte das Wort, das ihre Trennung von der Welt und ihre Weihe an Gott bezeichnet. Die Christen gehören zu Gott, sind Heilige, zu Heiligen gemacht in Christus Jesus, insofern sie in Christus geheiligt sind und in heiliger Gemeinschaft mit Christus stehen. Durch Christus sind sie mit Gott verbunden, in Leben und im Bund.

    Der Brief ist an die Gemeinde in Philippi gerichtet. Alle philippinischen Christen waren in den Augen des Paulus Heilige. Er lässt außer Acht, dass es auch in der äußeren Gemeinde Heuchler gibt. Um der Nächstenliebe willen betrachtet er sie alle als Christen, als Heilige. Er erwähnt auch ausdrücklich die Bischöfe und Diakone der Gemeinde, nicht als eine von der Gemeinde getrennte Hierarchie, sondern als Teil der Gemeinde. Schon in der Mitte des ersten Jahrhunderts erkannten die Christen also besondere Diener des Wortes an. Die Bischöfe waren diejenigen Mitglieder des Presbyteriums, die als Prediger im Dienst des Wortes tätig waren. Die Diakone gehörten ebenfalls zum Presbyterium der Gemeinde, waren aber mehr mit den äußeren Angelegenheiten der Gemeinde, der Armenpflege usw. beschäftigt. Die Gemeinde in Philippi hatte gute Bischöfe und Diakone, die Paulus mit liebevoller Hochachtung erwähnt.

    Seine Anrede ist die gleiche wie in den meisten seiner Briefe: Gnade sei mit euch und Friede von Gott, dem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Die Christen haben in der neuen Geburt und im neuen Leben, dem größten Segen aller Zeiten, die vom Vater geschenkte Gnade in und durch Christus empfangen, und Paulus wünscht, dass sie sie immer besitzen mögen. Vater und Sohn werden hier wie an vielen anderen Stellen koordiniert. Christus ist der Vermittler, der durch sein stellvertretendes Opfer das Heil erlangt und damit das rechte Verhältnis zwischen Gott und Mensch hergestellt hat, mit der Gabe der Gnade und des Friedens, Röm. 5,1.

 

 

 

Des Apostels persönliche Gefühle gegenüber den Christen in Philippi (1,3-11)

     3 Ich danke meinem Gott, so oft ich euer gedenke 4 (welches ich allezeit tue in allem meinem Gebet für euch alle, und tue das Gebet mit Freuden), 5 über eurer Gemeinschaft am Evangelium vom ersten Tag an bis her. 6 Und bin dessen in guter Zuversicht, dass, der in euch angefangen hat das gute Werk, der wird’s auch vollführen bis an den Tag Jesu Christi. 7 Wie es denn mir billig ist, dass ich dermaßen von euch allen halte, darum dass ich euch in meinem Herzen habe in diesem meinem Gefängnis, darin ich das Evangelium verantworte und bekräftige, als die ihr alle mit mir der Gnade teilhaftig seid.

      8 Denn Gott ist mein Zeuge, wie mich nach euch allen verlangt von Herzensgrund in Jesus Christus. 9 Und darum bete ich, dass eure Liebe je mehr und mehr reich werde in allerlei Erkenntnis und Erfahrung, 10 dass ihr prüfen mögt, was das Beste sei, auf dass ihr seid lauter und unanstößig bis auf den Tag Christi, 11 erfüllt mit Früchten der Gerechtigkeit, die durch Jesus Christus geschehen (in euch) zu Ehre und Lob Gottes.

 

    Sein dankbares und vertrauensvolles Gebet (V. 3-7): Der erste Gedanke, den Paulus äußert, ist ein Gedanke der Dankbarkeit und der Danksagung an Gott als die einzige und ganze Ursache aller Güte in allen Heiligen: Ich danke meinem Gott bei jedem Gedenken an euch, in jedem Gebet, das ich für euch alle mit Freude und Bitte spreche, wegen eurer Gemeinschaft mit dem Evangelium vom ersten Tag an bis jetzt. Wir erhalten hier einen Einblick in das geistliche Leben des Paulus, in seine Beziehung zu jeder Gemeinde und jedem einzelnen Christen. Wann immer er an die Gemeinde in Philippi denkt, wann immer er sich an sie erinnert, was er immer wieder tut, findet er Anlass zu einem dankbaren Gebet zu Gott. Dieses Erinnern ist bei ihm eher eine Gewohnheit als ein einmaliger Akt. Er ist gezwungen, seine Dankbarkeit im Gebet zu Gott zu bringen. Die Situation in Philippi erfüllte sein Herz mit Freude, die sich im Gebet entladen musste. Er empfahl die Christen von Philippi von Herzen dem großen Herrn der Kirche. Eine solche Danksagung für reiche geistliche Segnungen sollte in den verschiedenen Gemeinden weitaus verbreiteter sein als heute; die einzelnen Christen sollten sich viel öfter mit dieser gesegneten Beschäftigung beschäftigen.

    Als besonderen Grund für die Freude, die er empfindet, nennt der Apostel die Gemeinschaft der philippinischen Christen mit, d. h. in, dem Evangelium vom ersten Tage an bis jetzt. Vom ersten Tag an, an dem Paulus ihnen die ihm anvertraute Heilsbotschaft verkündet hatte, bis zu dem Tag, an dem er diesen Brief schrieb, waren die philippinischen Christen dem Evangelium treu geblieben. Durch die Predigt des Paulus waren die Philipper in die Gemeinschaft mit dem Evangelium eingetreten, ihre Herzen und Gedanken waren von dessen Segnungen erfüllt; sie glaubten fest an Jesus Christus, ihren Erlöser, und sie waren aktiv damit beschäftigt, die herrliche Nachricht von der Erlösung aller Menschen zu verbreiten. Viele Gemeinden werden müde, werden müde, verlieren die erste Liebe. Nicht so bei den Christen in Philippi; sie hatten mit unverminderter Energie und Liebe zum Evangelium weitergemacht und nichts von den Vorteilen aufgegeben, die ihnen durch das Evangelium zuteil geworden waren.

    Aus diesem Grund war Paulus auch für die Zukunft zuversichtlich: Er ist davon überzeugt: Der, der von Anfang an in euch ein gutes Werk begonnen hat, wird es auch zu Ende führen bis zum Tag Christi Jesu. Der Apostel hat ein festes Vertrauen, eine feste Überzeugung, die auf dem Glauben an die mächtige Kraft Gottes beruht. In seinem Geist verbinden sich Dankbarkeit, freudige Erwartung und festes Vertrauen: Derjenige, der das eine gute Werk begonnen hat, das Werk der Wiedergeburt. Es ist ein gutes Werk, weil Gott es vollbracht hat, nicht weil der Mensch daran mitgewirkt hat; es ist Gottes Werk, ganz allein. Dieses gute Werk, die Gemeinschaft der Philipper im Evangelium, wie sie durch das Werk der Wiedergeburt entstanden ist, wird Gott vollenden, zu einem erfolgreichen Ende führen, bis zum Tag Jesu Christi, bis zur großen Offenbarung seiner Herrlichkeit am jüngsten Tag. Nicht die Gläubigen in ihrer eigenen Kraft und Macht sind in der Lage, bis zum Ende treu zu sein und zu bleiben, sondern Gott ist es, der dies vollbringen wird, denn er wirkt nicht vergeblich. Da der Glaube der Anfang, die Mitte und das Ende der Bekehrung ist, wird Gott sie im Glauben bewahren. Am letzten Tag wird dieser Glaube, der durch die gnädige Macht Gottes bewahrt worden ist, mit der freien Gabe des Heils belohnt werden. Anmerkung: Diese Aussage ist für die Christen voller tröstlicher Kraft, denn sie zeigt ihnen, dass jeder Christ seines Heils sicher sein kann und wird. Diese Gewissheit ist ein wesentliches Merkmal des Glaubens. Für einen Christen ist es ein ungeheuerlicher Gedanke, dass sein Glaube jemals aufhören sollte, denn der Glaube ist das Vertrauen auf das Heil des Herrn, das auf den Einzelnen angewendet wird.

    Anzunehmen, dass dieses Vertrauen im Herzen der Christen von Philippi ist, hält Paulus für eine Pflicht und Verpflichtung, die er seinen Lesern schuldet: Wie es mir recht ist, dies von euch allen zu denken, weil ich euch im Herzen habe, weil ihr alle sowohl in meinen Banden als auch in der Verteidigung und Bestätigung des Evangeliums meiner Gnade teilhaftig seid. Paulus spricht hier von dem Gefühl, der festen Meinung oder Überzeugung, die er hat. Er glaubt und hält in Bezug auf all diese seine Mitchristen, dass Gott das gute Werk in ihnen bis zum Ende vollbringen wird. Kein Mensch ist in der Lage, einzelne Fälle von solchen, die sich zum Christentum bekennen und den rettenden Glauben bejahen, herauszupicken; denn der Zustand des Herzens ist nur Gott bekannt. Aber eines ist sicher, nämlich dass alle Christen, die wirklich Christen sind, durch die Kraft Gottes im Glauben bewahrt werden. Gleichzeitig ist es richtig und gerecht, dass wir in Bezug auf alle unsere Mitchristen das Gefühl haben, dass sie Christen sind und Christen bleiben werden, treu bleiben bis ans Ende. Warum der Apostel dieses zuversichtliche Gefühl hat, sagt er, wenn er seine Liebe zu ihnen beteuert, wobei die Liebe die Eigenschaft hat, dass sie immer gut über ihren Nächsten denkt. Mehr noch, sie sind derselben Gnade teilhaftig wie er. Sie alle haben durch das stellvertretende Werk Christi die gleichen Segnungen der Barmherzigkeit Gottes empfangen. Diese Liebe wird durch die Gefangenschaft des Paulus nicht beeinträchtigt. Seine Verteidigung, seine Entschuldigung und Bestätigung des Evangeliums hört nicht wegen seiner Fesseln auf; vielmehr ist seine Verteidigung vor dem Kaiser eine Garantie für das Evangelium, eine Garantie für seinen Wert und seine Ansprüche. Und es ist eine Genugtuung und ein Trost für den Apostel, dass selbst in den dunkelsten Augenblicken seines Lebens ihre Liebe und Freundlichkeit ihm gegenüber, die Tatsache, dass sie dem von ihm verkündeten Evangelium treu geblieben sind, Beweis genug dafür sind, dass sie mit ihm an der Gnade Gottes teilhaben und dass sie mit ihm das Ziel des Glaubens, das Heil ihrer Seelen, erreichen werden.

 

    Des Paulus sehnsüchtiges Verlangen nach den Christen in Philippi (V. 8-11): Für eine Parallelstelle siehe Röm. 1,9-11. Der Apostel bekräftigt hier seine Aussage, dass er die philippinischen Christen im Herzen trägt, dass er mit ihnen durch die Bande der stärksten Zuneigung verbunden ist: Mein Zeuge ist ja Gott, wie sehr ich euch alle in der Barmherzigkeit Christi Jesu begehre. Er spricht mit großem Ernst und Nachdruck und bittet Gott selbst, der Zeuge für die Wahrheit seiner Aussage zu sein. Sein Ziel ist es, dass seine Leser volles und unerschütterliches Vertrauen in ihn gewinnen. Er hat ein dringendes, ein ernsthaftes Verlangen und eine Sehnsucht nach ihnen; er wünscht sich sehnlichst, noch einmal bei ihnen zu sein. Dies ist nicht nur ein Ausdruck tiefer Verbundenheit, einer heimwehbedingten Zärtlichkeit, einer natürlichen Zuneigung, die sein ganzes Wesen bewegt, sondern es ist ein Gefühl, das aus der Barmherzigkeit, dem Herzen Christi Jesu fließt. Das Wort, das Paulus verwendet, war die Bezeichnung für den vermeintlichen Sitz der Barmherzigkeit und des liebevollen Mitgefühls. Die Liebe Christi war in sein Herz ausgegossen worden, lebte in ihm, trieb ihn an. So inbrünstig und wahrhaftig, wie Christus die Seinen liebt, so versuchte der Apostel, alle Christen und besonders die in Philippi zu lieben.

    Seine Dankbarkeit und liebevolle Anteilnahme drängt den Apostel nun dazu, das Gefühl seines Herzens in einem inbrünstigen Gebet für die Philipper auszudrücken: Und dies bitte ich, dass eure Liebe noch mehr und mehr in Verstand und aller Klugheit wachse. Sie waren gläubig, sie hatten den gesunden Zustand ihres Glaubens durch gute Werke hinreichend bewiesen, aber die Vollkommenheit, die die Hoffnung aller Christen ist, hatten sie noch nicht erlangt. Deshalb fügt Paulus dem Gebet die Fürbitte hinzu und bittet darum, dass ihre Liebe zu Christus und zu den Brüdern durch Gottes gnädige Macht wachsen, größer werden und sich verstärken möge. Als Geliebte des Herrn sollen sie das Wachstum zeigen, das allein ihrem christlichen Bekenntnis entspricht; denn die Liebe ist die erste und unmittelbare Frucht des Glaubens. Die Gläubigen sollen in der Liebe verharren; wie ihr Glaube wächst, so soll auch ihre Liebe wachsen. Stillstand im Glauben und in der Liebe ist für einen Christen ein Ding der Unmöglichkeit. Die wichtigste Überlegung, die dieses Wachstum steuert, ist das Verständnis, denn die Liebe wächst mit dem Verständnis der rettenden Wahrheit, des Wortes unserer Erlösung. In dem Maße, in dem das Verständnis und die Erkenntnis Gottes und seines gnädigen Ratschlusses der Liebe zur Erlösung wächst, muss die Liebe mit diesem Wachstum Schritt halten, ja sie muss sogar die logische Folge dieses Verständnisses sein. Dabei handelt es sich nicht um ein bloßes Verstehen des Verstandes und des Gemüts, sondern um die gesamte und volle Intelligenz, um das entwickelte Unterscheidungsvermögen, das sich in gesundem Menschenverstand und richtigem Urteil in geistlichen Dingen zeigt. Es ist eine geistige Fähigkeit, das Gute und Wahre zu erkennen, das, was dem Kriterium und Maßstab des Wortes Gottes standhält. Es ist die moralische Sensibilität, die den Christen befähigt, in allen Situationen und Beziehungen in der Welt den richtigen Takt anzuwenden.

    Das Ergebnis eines solchen Verständnisses und Verstandes zeigt sich zu allen Zeiten: Damit ihr prüft, was sich unterscheidet, damit ihr rein und untadelig seid für den Tag Christi, erfüllt mit der Frucht der Gerechtigkeit, die durch Jesus Christus ist, zur Ehre und zum Lob Gottes. Die Christen müssen sich immer mehr darin üben, das zu unterscheiden, was zu beurteilen oder zu unterscheiden ist, damit sie lernen, fast instinktiv zwischen gut und schlecht, zwischen wahr und falsch, zwischen dem, was Gott gefällt, und dem, was ihm missfällt, zwischen dem, was den Christen zu empfehlen ist, und dem, was zu meiden ist, zwischen dem, was dem Reich Gottes dient, und dem, was seinen Interessen zuwiderläuft, zu wählen. Dieses Urteilsvermögen der Christen soll gefestigt werden und wachsen: das ist das Gebet des Apostels, dem sich alle Christen anschließen werden. Die Gabe, die Geister zu prüfen, das Wahre vom Falschen zu unterscheiden, ist ein sehr wichtiger Segen; in jedem einzelnen Fall zu wissen, was richtig und falsch ist, und in dieser Erkenntnis den Willen Gottes zu erfüllen, das ist eine wunderbare Gabe der Gnade Gottes. Nur so wird das Ziel Gottes verwirklicht, nämlich dass die Christen rein und ohne Anstoß für den Tag Jesu Christi gefunden werden. Das Leben des Christen sollte so gründlich über Vorwürfe und Verdächtigungen erhaben sein, dass er das Licht der vollen Öffentlichkeit auf sich fallen lassen kann, wie jemand, der von einem Sonnenstrahl geprüft wird, und sich nicht fürchten muss, seinen Kritikern gegenüberzutreten. Die Dinge der Finsternis können vor dem Wort, das alles offenbart, nicht bestehen. Nur das Reine wird vor Gott bestehen. Und ohne Anstoß, untadelig, sollen die Christen sein; sie sollen nicht stolpern und fallen, und sie sollen andere nicht zum Stolpern und Fallen bringen. Sie sind sich immer bewusst, dass der Tag Jesu Christi kommt, an dem alles vor dem Auge des allsehenden Richters offenbart werden wird. Der Apostel bezieht sich nicht auf alltägliche Schwächen und Marotten, aber er besteht darauf, dass die Christen alle offenen Todsünden des Fleisches meiden sollen. Besonders solche Verbrechen, die einen Christen auch in den Augen der Welt berüchtigt machen, sollten in einer christlichen Gemeinschaft nicht vorkommen. Der Christ wird daher jeden seiner Schritte im Gebet überwachen und alles, was ihm zur Kenntnis gebracht wird, sorgfältig abwägen, um herauszufinden, welcher Weg in jedem einzelnen Fall der richtige ist.

     Daraus folgt auch, dass der Christ immer von der Frucht der Gerechtigkeit erfüllt sein wird. Die Liebe, die in der vom Apostel angegebenen Weise wächst, wird in jedem Fall wissen, was zu tun und was zu lassen ist, und diese Erkenntnis führt zur Frucht der guten Werke. Glaube und Liebe manifestieren sich in guten Werken. Das ganze Leben der Gläubigen soll mit guten Werken ausgefüllt sein. Und doch lassen sich alle Werke unter einer einzigen Überschrift zusammenfassen: Frucht des Glaubens. Es ist eine Frucht der Gerechtigkeit, eine Frucht, die in der Gerechtigkeit besteht, in der Gerechtigkeit des Lebens, wenn ein Christ Gott und seinem Nächsten gegenüber gerecht handelt und lebt. Eine solche Frucht kann nur in und durch Jesus Christus entstehen. In Wirklichkeit ist es die Kraft, die Stärke Jesu in den Gläubigen, die die guten Taten wirkt und hervorbringt. Und vor allem aus diesem Grund führt dieses Hervorbringen zur Ehre und zum Lob Gottes. Schon in diesem Leben vermehren die Christen die Herrlichkeit und das Lob Gottes durch ihr Leben nach seinem Willen.

 

Des Paulus gegenwärtige Umstände, Erfahrungen und Erwartungen (1,12-26)

    12 Ich lasse euch aber wissen, liebe Brüder, dass, wie es um mich steht, das ist nur mehr zur Förderung des Evangeliums geraten, 13 so dass meine Bande offenbar geworden sind in Christus in dem ganzen Richthaus und bei den anderen allen, 14 und viele Brüder in dem HERRN aus meinen Banden Zuversicht gewonnen haben, desto eifriger geworden sind, das Wort zu reden ohne Scheu. 15 Etliche zwar predigen Christus auch um Hasses und Haders willen, etliche aber aus guter Meinung. 16 Jene verkündigen Christus aus Zank und nicht lauter; denn sie meinen, sie wollen eine Trübsal zuwenden meinen Banden. 17 Diese aber aus Liebe; denn sie wissen, dass ich zur Verantwortung des Evangeliums hier liege.

    18 Was ist ihm aber denn? Dass nur Christus verkündigt werde allerlei Weise, es geschehe Zufalles oder rechter Weise; so freue ich mich doch darin und will mich auch freuen. 19 Denn ich weiß, dass mir dies gelingt zur Seligkeit durch euer Gebet und durch Handreichung des Geistes Jesu Christi, 20 wie ich endlich warte und hoffe, dass ich in keinerlei Stück zuschanden werde, sondern dass mit aller Freudigkeit, gleichwie sonst allezeit, also auch jetzt, Christus hoch gepriesen werde an meinem Leib, es sei durch Leben oder durch Tod. 21 Denn Christus ist mein Leben, und Sterben ist mein Gewinn.

    22 Da aber im Fleisch leben dient, mehr Frucht zu schaffen, so weiß ich nicht, welches ich erwählen soll. 23 Denn es liegt mir beides hart an: Ich habe Lust abzuscheiden und bei Christus zu sein, welches auch viel besser wäre: 24 Aber es ist nötiger, im Fleisch bleiben um euretwillen. 25 Und in guter Zuversicht weiß ich, dass ich bleiben und bei euch allen sein werde euch zur Förderung und zur Freude des Glaubens, 26 auf dass ihr euch sehr rühmen mögt in Christus Jesus an mir durch meine Ankunft wieder zu euch.

 

    Das Ergebnis der Gefangenschaft des Paulus (V. 12-17): Nachdem der Apostel seine Dankbarkeit und Zuversicht über ihren ausgezeichneten geistlichen Zustand zum Ausdruck gebracht hat, gibt er den besorgten Philippern nun eine Zusicherung in Bezug auf sich selbst: Ich will, dass ihr wisst, Brüder, dass meine Verhältnisse vielmehr zur Förderung des Evangeliums ausgegangen sind. Was seinen Zustand und seine gegenwärtigen Lebensumstände anbelangt, so bestand kein Grund für die natürliche Sorge, die die Philipper um ihren geliebten Lehrer empfanden. Sie hatten in seiner Gefangenschaft mit ihren Spenden an ihn gedacht. Doch nun soll sein Bericht an sie sie beruhigen. Seine Gefangenschaft in der Hauptstadt und die Lage, in der er sich dadurch befand, waren für das Evangelium nicht immer von Wert gewesen, aber jetzt hatten sich die Dinge so entwickelt, dass sie dem Fortschritt des Evangeliums tatsächlich nützlich waren und ihm dienten. Es war zu erwarten, ja es war unter den gegebenen Umständen ganz natürlich, dass die freie Ausbreitung des Evangeliums dadurch behindert wurde, dass Paulus gefangen gehalten und dadurch an der Fortsetzung seiner missionarischen Tätigkeit gehindert wurde. Aber unter der lenkenden Hand Gottes hatten gerade diese Umstände dem Fortschritt des Evangeliums gedient.

    Wie dies geschehen ist, zeigt der Apostel nun auf: So wurden meine Fesseln in Christus im ganzen Prätorium und allen übrigen offenbar, und die größere Zahl der Brüder im Herrn gewann durch meine Fesseln umso heftiger die Zuversicht, es ohne Furcht zu wagen, das Wort Gottes zu predigen. Es war ein Fall, in dem der Mensch vorschlägt, Gott aber verfügt, der Mensch denkt Böses, Gott aber meint es gut. In Rom hatte sich gezeigt, dass Paulus nur für die Sache Christi und aus keinem anderen Grund gefangen war. Er hatte sich keines Verbrechens schuldig gemacht, sondern war nur gefangen genommen worden, weil er Christus gepredigt hatte. Die Tatsache seiner Unschuld war in der gesamten Leibgarde des Kaisers allgemein bekannt geworden. Obwohl Paulus nicht in ihrem Lager in Rom gefangen gehalten wurde, sondern in seiner eigenen Unterkunft in der Nähe lebte und an einen Soldaten gekettet war, hatte sich sein wahrer Zustand im Lager herumgesprochen, wahrscheinlich durch die Soldaten, deren Aufgabe es war, Paulus zu bewachen. Es ist auch wahrscheinlich, dass der Fall des Paulus vor dem Tribunal des Cäsar in Anwesenheit der Prätorianergarde verhandelt worden war. Aus dieser Verhandlung ging hervor, dass Paulus kein Verbrecher war, sondern nur wegen des von ihm verkündeten Evangeliums vor den Kaiser gebracht worden war. Diese Tatsache hatte sich dann durch die Prätorianer und andere auch in der Stadt verbreitet.

    So kam es, dass die Mehrheit der Brüder, die in dem Herrn Vertrauen in seine Fesseln gewonnen hatte, umso mutiger für Christus eintrat. Sie setzten das Vertrauen, das sie empfanden, in entschlossenes Handeln um. Sie predigten das Wort mit noch größerer Furchtlosigkeit. Und diese Zuversicht lag in den Fesseln des Paulus; sie waren umso mehr davon überzeugt, dass er ein Märtyrer um des Evangeliums willen war, und so glaubten sie umso fester, umso vehementer an ihn und seine Botschaft, sie waren von der Kraft und Schönheit des Evangeliums überzeugt. Es wurde für sie zu einer Sache, deren Heiligkeit und Güte es wert machten, dafür zu leiden. Diese Zuversicht beeinflusste ihr Zeugnis; mit großer Freude und Zuversicht, ohne jede Furcht, sprachen sie das Wort und verkündeten die gnadenvolle Botschaft der Erlösung durch Christus.

    Aber auch in Rom waren die Sympathisanten des Judentums nicht abwesend: Einige zwar (predigen das Wort) auch aus Neid und Streit, einige aber auch aus gutem Willen Christus; diese aus Liebe, da sie wissen, dass ich zur Verteidigung des Evangeliums eingesetzt bin; jene aber aus Zank predigen Christus, nicht aufrichtig, weil sie glauben, dass sie für meine Bande Trübsal erregen werden. Das war der Wermutstropfen im Freudenbecher des Paulus, denn es gab einige Leute in Rom, die auf den Erfolg des Evangeliums neidisch waren und deshalb Streit schürten, um diese Tätigkeit zu unterbinden und die Person des Apostels zu verletzen. Ihr Ehrgeiz ging übrigens nicht über einen Dienst um des schnöden Geldes willen hinaus. Eigennutz war ihr Motiv für die Predigt, sie erhofften sich einen persönlichen Gewinn aus ihrer Arbeit. Sie sahen, dass die Christen Paulus liebten, dass er eine große Anhängerschaft hatte, und sie hofften, durch das Predigen Einfluss und auch Geld zu gewinnen und vielleicht dem Einfluss des Paulus entgegenzuwirken. Es gab keine Aufrichtigkeit in ihren Herzen. Sie wollten die Bedrängnis des Paulus erhöhen, als ob seine Leiden noch nicht groß genug wären. Für ihn, der die Gefangenschaft als eine harte und fast unerträgliche Maßnahme angesichts des großen Bedarfs der Welt an der Verkündigung des Evangeliums empfand, war es ein zusätzlicher Schmerz, als er sah, dass die Methoden dieser unaufrichtigen Leute Streit unter den Brüdern verursachten, dass es Prediger gab, die ihre eigenen Parteien im Gegensatz zu der auf der Grundlage der Schrift gegründeten Gemeinde organisieren wollten. Aber inmitten dieses zusätzlichen Leids hatte der Apostel und sein Evangelium doch wahre Freunde, Männer, die das Evangelium aus gutem Willen, aus Liebe verkündeten, Männer, die den wahren Grund für die Gefangenschaft des Paulus kannten und tausendmal davor zurückgeschreckt wären, ihn zu verletzen. Das Evangelium Christi gewann in ihrer Wertschätzung durch die Tatsache der Gefangenschaft des Paulus an Kraft. Sie spürten die Macht des Martyriums. Deshalb verbreiteten sie ihrerseits das Evangelium mit Aufrichtigkeit und Einfalt des Herzens. Ihre Liebe zu dem Apostel, ihr Mitgefühl für seine Lage verstärkte ihren Eifer für das Evangelium.

 

    Der Apostel ist es zufrieden, wenn nur Christus groß gemacht wird (V. 18-21): Ohne über das Recht zu predigen oder das Fehlen eines solchen Rechts seitens dieser Männer, die mit falschen und sündigen Motiven predigen, zu diskutieren, findet die Nächstenliebe des Paulus sogar einen Grund, sich über die Situation zu freuen: Was macht das schon? Es kommt nur darauf an, dass Christus gepredigt wird, sei es zum Schein oder in Wahrheit, und darüber freue ich mich. Paulus hat hier nur eine Sache im Blick, nämlich die mögliche Auswirkung, die diese unerlaubte Verkündigung auf die Ausbreitung des Evangeliums, auf das Werk des Reiches Gottes haben kann. Wie ist die Lage? fragt er. Wie sollen wir die ganze Angelegenheit beurteilen? Und er ist bereit, über alles andere hinwegzusehen, wenn am Ende nur Christus die volle Ehre zuteil wird. Die falschen und selbstsüchtigen Prediger mögen unter falschem Vorwand arbeiten, sie mögen nicht wirklich um das Evangelium besorgt sein, sie mögen nicht aufrichtig sein. Die anderen dagegen, die Männer, die den Apostel lieben und in aller Aufrichtigkeit für ihn und das Evangelium arbeiten, haben nur die Ehre Christi im Blick. Aber das spielt jetzt keine Rolle mehr! ruft Paulus aus. In jedem Fall ist das Evangelium Christi der Sieger, auch durch die Predigt der Heuchler, von denen er spricht. Und deshalb freut sich Paulus: Es ist für ihn ein Grund zur Freude, zur Genugtuung. Dasselbe gilt auch heute, aber nur so lange, wie die Prediger, die aus irgendwelchen unaufrichtigen Motiven heraus dienen, wirklich das reine Evangelium predigen. Ein falscher Prediger kann niemals wirklich etwas zur Ehre Christi tun.

    Aber Paulus denkt nicht nur an die Gegenwart, sondern auch an die Zukunft: Und ich will mich freuen; denn ich weiß, dass mir das zum Heil gereichen wird durch euer Gebet und den Dienst des Geistes Jesu Christi. Wie auch immer das Ergebnis in seinem Fall aussehen wird, Paulus wird sich freuen, er wird beharrlich alle düsteren Gedanken vertreiben. Wie seine bisherige Gefangenschaft dem Evangelium gedient hat, so wird sie auch weiterhin einen guten, einen gesegneten Verlauf und Ausgang haben. Dieses Ergebnis wird durch das Gebet der Philipper ermöglicht werden. Ihr ernsthaftes Gebet wird vor Gott mächtig sein, um die Bosheit ihrer Feinde zu überwinden. Er verlässt sich auf dieses Gebet und seine Kraft; er weiß, dass das ernste Gebet der Gläubigen große Macht und Kraft vor Gott hat. Und das Wirken des Geistes Gottes und Christi wird der andere Faktor sein, der ihm helfen wird. Der Geist, der in dem Apostel lebt und der ihm von Christus gegeben wurde, gibt ihm Kraft und Bereitschaft, sowohl die gegenwärtige Bedrängnis zu ertragen als auch das Werk des Evangeliums mit unvermindertem Elan fortzusetzen. Er wusste, dass der Geist selbst seiner Schwachheit zu Hilfe kommen würde und dass er alles durch Christus, der ihn stärkte, tun konnte.

    Der Apostel ist sich außerdem sicher, dass seine Zuversicht nicht unangebracht ist: Nach meiner beständigen Erwartung und Hoffnung, dass ich in nichts zuschanden werde, sondern in aller Zuversicht, wie immer, so auch jetzt, Christus an meinem Leibe verherrlicht werde, sei es durch das Leben oder durch den Tod: Denn leben ist für mich Christus, und sterben ist für mich Gewinn. Der Apostel hat sein eigenes Werk im Sinn. Seine Erwartung in Bezug darauf ist eine besorgte, ernste und beständige Erwartung. Es ist ein Fall von intensiver Beobachtung und Sehnsucht seinerseits. Es ist eine bestimmte Hoffnung, die er hegt. Er erwartet und hofft ganz fest, durch nichts beschämt zu werden. So wie sich seine Scham vor den Menschen in eine richtige Einschätzung seiner Arbeit verwandelt hat, so hofft er, dass es in seinem gesamten Dienst keinen wirklichen, keinen berechtigten Grund für ein Gefühl der Scham geben wird. In aller Zuversicht, in aller Offenheit, in aller Freiheit der Verkündigung sollte Christus verherrlicht, sein Name gelobt und gepriesen werden, weil dies der einzig wahre und letzte Grund für die Verkündigung des Evangeliums ist. Dies war immer die glühende Hoffnung und Erwartung, buchstäblich das Warten mit ausgestreckter Hand, die Paulus hegte. In seinem Leib erwartet der Apostel, dass Christus verherrlicht wird. Durch die Arbeit, die Paulus verrichtete und die eine Menge harter körperlicher Arbeit mit sich brachte, und durch die Leiden, die er erduldete, sollte Christus hoch gepriesen werden. Und es machte für den Apostel keinen Unterschied, ob dies durch sein Leben oder durch seinen Tod geschah. Wenn er lebt, kann er mehr für Christus tun und auch leiden, den er im Glauben angenommen hat und den er aus diesem Glauben heraus liebt. Und wenn er stirbt, dann im Glauben an Christus, um dessentwillen, der ihn geliebt hat und der weit größere Opfer wert ist. Jubelnd ertönt sein Schrei: Denn leben ist für mich Christus, sterben ist für mich Gewinn. Wer in Christus ist, ist eine neue Kreatur; sein Leben ist mit Christus verbunden, auf das Engste mit ihm verknüpft. Christus ist für ihn die Quelle und das Geheimnis des Lebens, für ihn ist das Leben in Christus zusammengefasst. Er hat Christus in der Taufe angezogen und wächst von Tag zu Tag mehr in der Erkenntnis und Ähnlichkeit mit Christus. Und das Sterben ist Gewinn, der beste und wahrste Gewinn: Die Erfüllung aller Hoffnungen und Erwartungen kommt im sogenannten Tod des Christen. Er tritt das Erbe an, das ihm in Christus Jesus gehört. Würden doch alle Christen lernen, diese Worte in einfachem Vertrauen zu glauben und auszusprechen, und ihr Leben in Übereinstimmung mit ihrer Bedeutung leben!

 

    Des Paulus völliges Vertrauen in des Erlösers gnädigen Willen (V. 22-26): Dies ist ein wunderbares Beispiel für kindliches Vertrauen und Glauben, und der gesamte Abschnitt ist eine Auslegung der Worte: Er weiß es am besten! Die Worte des Apostels sind überzeugend und anregend: Wenn aber das Leben im Fleisch, das ist die Frucht meiner Arbeit, dann weiß ich auch nicht, was ich wählen werde. Was auch immer ihm widerfahren mag, Paulus ist des wahren Lebens in und mit Christus teilhaftig geworden. Es ist nur eine Frage des Grades zwischen beiden. Und der niedrigere Grad, das physische, irdische Leben, gibt Gelegenheit zum Dienst im Reich Christi. Dieser Dienst wird dazu führen, dass der Apostel die Früchte seiner Arbeit erntet. Wenn Gott ihm wie in der Vergangenheit den Zuschlag gibt, wird seine harte Arbeit nicht vergeblich sein, sondern zur Ehre Gottes und zum Wohl vieler Seelen beitragen und so die herrlichsten Früchte hervorbringen. Aus diesem Grund weiß der Apostel nicht, er ist in einem Dilemma, er ist unentschlossen, was er wählen soll. Es ist ein selbstloses Abwägen der Vorteile, und der Apostel möchte unparteiisch sein und dort bleiben, wo seine Anwesenheit in dieser Zeit am meisten Gutes bewirkt: Denn ich bin in einem Zwiespalt zwischen beiden und habe den Wunsch, wegzugehen und bei Christus zu sein; denn das wäre viel nützlicher, aber im Fleisch zu bleiben, ist deinetwegen notwendiger. Beide Seiten der Frage boten große Vorteile und drückten daher schwer auf ihn. Auf der einen Seite hatte er den ernsten Wunsch, abzureisen, dieses irdische Leben hinter sich zu lassen, da dann alle Schwierigkeiten für immer überwunden sein würden, soweit es ihn betraf. Er würde bei Christus sein, er würde mit seinem Ebenbild erwachen, Ps. 17,15, und es gab keinen Zweifel in seinem Geist, dass dies bei weitem, über jeden Vergleich hinaus, das Beste für ihn sein würde. Es war offensichtlich die Seite, die ihn am meisten ansprach, denn er betont sie in so außerordentlicher Weise. Aber es gab auch die andere Seite, die seiner Gemeinden, die zu berücksichtigen war. Für sich selbst, für seine eigene Person, erwartete der Apostel nichts in der Welt; er hatte reichlich erfahren, was diese Welt zu bieten hat; aber ihre Interessen, ihr Wohlergehen lasten schwer auf seinen Gedanken. Die Begierde liegt auf der Seite des Todes; die Pflicht liegt auf der Seite des Lebens. Um ihretwillen, in ihrem Interesse, ist es die größere Notwendigkeit, dass er im Fleisch bleibt, dass er in dieser Welt bleibt, um sein Werk unter ihnen und in ihrem Namen fortzusetzen.

    Der letztgenannte Gesichtspunkt, der des Dienstes, entschied schließlich die Angelegenheit: Und da ich diese Zuversicht habe, weiß ich, dass ich bei euch allen bleiben werde, zu eurem Fortschritt und zu eurer Freude im Glauben, damit eure Herrlichkeit in Christus Jesus in mir überwiegt, wenn ich wieder zu euch komme. Diese Überzeugung, dass sein Leben für sie noch notwendig war, entschied die Frage zugunsten des Lebens. Eine sorgfältige Abwägung aller Tatsachen hat in ihm die volle Überzeugung und Überzeugung bewirkt: Er weiß, dass er bleiben wird. Seine gegenwärtige Gefangenschaft wird nicht in seinem Tod gipfeln. Sein Leben wird verschont bleiben: eine Überzeugung, die auch auf prophetischem Wissen beruht. Er wusste, dass er leben würde, dass er in diesem physischen, irdischen Leben mit ihnen allen weiterleben und bleiben würde, Seite an Seite mit ihnen im christlichen Leben und in der Arbeit. Sein Bleiben hat also einen bestimmten Zweck, ein bestimmtes Ziel, nämlich ihren Fortschritt und die Freude an ihrem Glauben. Durch seine Lehre und Predigt sollten sie in der Erkenntnis Christi gefördert werden, damit sie in ihrem Glauben beständig Fortschritte machten und in der Erkenntnis ihres Erlösers wuchsen. Dies würde ganz nebenbei zur Freude ihres Glaubens führen. Ihre wahre Freude wird in Christus sein. Je größer und sicherer der Glaube ist, desto größer ist auch die Freude an diesem Glauben. Sie hätten also reichlich Grund zu Lob und Dank, aber immer in Christus Jesus, von dem und in dem alle guten Gaben und Segnungen möglich sind. Aber sie würden sich auch seinetwegen über Paulus rühmen, weil er wieder zu ihnen gekommen war. Es war nicht nur eine äußerliche Freude von lieben Freunden und Bekannten, sondern die Liebe von Schülern zu ihrem Lehrer, der ihnen die Worte des ewigen Lebens gebracht hatte, die Liebe von bekehrten Seelen zu dem Urheber ihrer Bekehrung. Hatten sie in der Vergangenheit so viel geistige Nahrung, so viele geistige Segnungen empfangen, so konnten sie nach seiner Rückkehr zu ihnen eine weitere Fülle erwarten. So würde die Gemeinschaft, die innigste Gemeinschaft, wieder hergestellt werden, gefolgt von den herrlichsten Segnungen, für die dem großen Geber aller Segnungen alle Ehre gebührt.

 

 

Eine Ermahnung zur Beständigkeit und wahren Einheit (1,27-30)

    27 Wandelt nur würdig dem Evangelium Christi, auf dass, ob ich komme und sehe euch oder abwesend von, euch höre, dass ihr steht in einem Geist und einer Seele und samt uns kämpft für den Glauben des Evangeliums 28 und euch in keinem Weg erschrecken lasst von den Widersachern, welches ist ein Anzeichen, ihnen der Verdammnis euch aber der Seligkeit, und das von Gott. 29 Denn euch ist gegeben, um Christi willen zu tun, dass ihr nicht allein an ihn glaubt, sondern auch um seinetwillen leidet, 30 und habe denselben Kampf, welchen ihr an mir gesehen habt und nun von mir hört.

 

    Der Apostel fügt hier seiner frohlockenden Verheißung eine warnende Einschränkung hinzu: Verhaltet euch nur so, wie es des Evangeliums Christi würdig ist, damit ich, ob ich zu euch komme oder abwesend bin, von euch höre, dass ihr fest in einem Geist steht, mit einer Seele, die durch den Glauben an das Evangelium zusammen kämpft. Die philippinischen Christen sollten in der Zwischenzeit bis zu seiner Entlassung und seiner Ankunft in ihrer Mitte ein Leben führen, das des Evangeliums Christi würdig ist und die Heilsbotschaft in keiner Weise in Schande und Ungnade bringt. Sowohl in der Abwesenheit des Apostels als auch in seiner Gegenwart erwartet er von den Christen in Philippi ein Verhalten, das ihrer christlichen Pflicht entspricht. Sie sind Bürger eines Reiches, dessen Palast und Thron oben sind, und diese Bürgerschaft bringt bestimmte Verpflichtungen mit sich. Wenn er kommt, möchte er sie vor allem in einem Geist fest zusammenstehen sehen. Und sollte seine Abwesenheit von ihnen länger andauern, als er jetzt erwartet, so erwartet er von ihnen die gleiche Sorgfalt. Sie sollen die Pflichten ihres geistlichen Bürgerrechts erfüllen. Sie sollen inmitten der Versuchungen und des Hasses der Heiden Festigkeit und Standhaftigkeit zeigen. Weil sie das Christentum angenommen hatten, wurden sie von ihren Nachbarn als Fremde betrachtet, als Anhänger fremder Götter, und entsprechend wurden sie gehasst. Aber sie sollten und konnten beständig sein in dem Geist, der ihnen zu allen Zeiten Kraft gibt. So sollten sie mit einer Seele für den Glauben an das Evangelium, ihr heiligstes und kostbarstes Gut, kämpfen. Das ist der Geist, den es auch in unseren Tagen braucht, das Gefühl der Solidarität, das Bewusstsein, mit allen Christusgläubigen, besonders mit denen des reinen Wortes und der Sakramente, eins zu sein, der Geist, der zu wahrer Einheit und Eintracht führt und der den Glauben, der den Heiligen einst überliefert wurde, gegen alle Angriffe fest verteidigt.

    Wenn die Christen dies tun, dann ist die gegenteilige Möglichkeit von vornherein ausgeschlossen: Und erschreckt nicht in irgendetwas durch die Widersacher, was für sie ein Zeichen des Verderbens ist, für euch aber des Heils, und zwar von Gott. Nicht in einem einzigen Punkt ihres Glaubens, nicht in einem einzigen biblischen Grundsatz sollen die Christen von der Angst überwältigt werden und so nachgeben. Die Widersacher sind zwar stark und voller Tücke, aber sie können und sollen die Herzen der Christen nicht in Angst und Schrecken versetzen. Und die Tatsache, dass die Gläubigen so tapfer kämpfen und sich nicht fürchten, ist für ihre Widersacher ein Zeichen, ein Hinweis auf das Verderben, dass der Sieg schließlich auf der Seite der Christen liegen muss. Diese arme kleine Mannschaft, die sich tapfer gegen eine Welt von Ungläubigen erhebt, ohne zu zittern, ist ein Zeichen für ihren endgültigen Sieg über ihre vielen Feinde. Sie werden das Heil im vollsten und tiefsten Sinne empfangen, die letzte große Heilung, die letzte Herrlichkeit. Und das alles von Gott. Er allein ist der Urheber und Vollender unseres Heils. Das Zeichen, das die Christen in der Schlacht auf ihrer Seite haben, ist eines, das von Gott selbst als Bürgschaft für ihren Sieg eingesetzt und angeordnet wurde.

    Die Art und Weise, in der die Zuversicht, der unerschrockene Mut, für die Christen ein Beweis für den vorgesehenen Sieg ist, wird in den letzten Worten gezeigt: Denn euch ist um Christi willen gegeben, nicht nur an ihn zu glauben, sondern auch für ihn zu leiden, indem ihr denselben Kampf habt, wie ihr ihn an mir seht und jetzt an mir hört. Es ist ein Vorrecht, eine Gnade, ein Geschenk, das den Christen gegeben ist, für Jesus einzutreten, auf seiner Seite zu stehen, seine Kämpfe zu kämpfen, seine Leiden zu ertragen. So nimmt man diese Gabe aus sich selbst, aus seiner eigenen Vernunft und Kraft. Ein solches offenes Bekenntnis zu Christus ist ein Ausdruck des Glaubens. In diesem Glauben werden die Christen zu Bekennern, erhalten die Kraft, alle Arten von Verfolgung und Anfeindungen von Seiten der Welt zu ertragen. Sie alle machen die gleichen Erfahrungen wie der Apostel selbst. Durch diese scheinbar unangenehmen und bösen Dinge will Gott den Glauben seiner Kinder stärken. Und wenn der Glaube und die Fähigkeit, Leiden zu ertragen, von Gott gewährt werden, wird er auch die letzte große Wohltat, die ewige Erlösung, gewähren. Der Apostel erinnert die Philipper deshalb daran, dass sie in ihren Schwierigkeiten, in ihren Kämpfen nicht allein sind. Er hatte sich gegen die Feinde seines Glaubens gestellt, er hatte um des Evangeliums willen Leiden ertragen. Je größer der Held Christi, desto härter der Kampf. Alle Christen sollen fest aufstehen und freudig vereint alle Angriffe ihrer Feinde um Christi willen ertragen, und diese Tatsache wird zu ihrer endgültigen Verherrlichung beitragen, zur Erlangung des Heils, das Gott für sie vorgesehen hat.

 

Zusammenfassung: Nach der Eröffnungsrede und der Begrüßung beschreibt der Apostel seine persönliche Haltung gegenüber seinen Lesern, schließt ein Gebet für ihr weiteres Wachstum in der Erkenntnis ein, zeigt, dass seine gegenwärtigen Umstände eher zur Förderung als zur Behinderung des Evangeliums beigetragen haben, und fügt eine dringende Ermahnung zu Beständigkeit und wahrer Einigkeit hinzu.

 

 

Kapitel 2

 

Wir brauchen liebende Demut (2,1-4)

    1 Ist nun bei euch Ermahnung in Christus, ist Trost der Liebe, ist Gemeinschaft des Geistes, ist herzliche Liebe und Barmherzigkeit, 2 so erfüllt meine Freude, dass ihr eines Sinnes seid, gleiche Liebe habt, einmütig und einhellig seid, 3 nichts tut durch Zank oder eitle Ehre, sondern durch Demut achtet euch untereinander einer den anderen höher als sich selbst. 4 Und ein jeder kümmere sich nicht nur um sich selbst, sondern auch um den anderen.

 

    Der Apostel hatte die philippischen Christen aufgefordert, im gemeinsamen Kampf standhaft zu bleiben und um die großen Segnungen der Gnade zu ringen. Dem fügt er einen neuen Gedanken hinzu: Wenn es nun eine Ermahnung in Christus gibt, wenn es eine Ermahnung der Liebe gibt, wenn es eine Gemeinschaft des Geistes gibt, wenn es eine Sympathie und Barmherzigkeit gibt, so erfülle meine Freude, dass ihr ein und denselben Sinn habt, dieselbe Liebe habt und einmütig seid. Wenn all diese Dinge einerseits etwas zählen, wenn sie etwas bewirken, dann sollten sich andererseits auch die Ergebnisse zeigen. Wenn auf der Seite des Paulus eine Ermahnung in Christus war, wenn er sie aktiv um Christi willen ermahnt hat, wenn er versucht hat, ihren Willen zu beeinflussen, wenn sein Drängen auf ihren Verstand und ihr Herz irgendeinen Wert hatte, dann sollten die Philipper ihrerseits in Einmütigkeit und Demut eifern. Das Ergebnis sollte Gemeinschaft des Geistes, Sympathie und Barmherzigkeit, Zärtlichkeit und Erbarmen zeigen. Der Geist Gottes wirkt unter den Christen eine echte, dauerhafte Gemeinschaft. Jeder Gläubige spürt die Bande dieser Gemeinschaft und ist stolz darauf, von ihnen gehalten zu werden. Und das Wirken des Geistes bringt Barmherzigkeit und Erbarmen, zärtliche Liebe unter den Christen hervor, wobei jeder ein barmherziges, mitfühlendes Interesse am Wohlergehen der anderen hat. Wenn diese wesentlichen Voraussetzungen gegeben sind, können Demut und Barmherzigkeit die Oberhand gewinnen. Paulus hat Grund gehabt, sich über die Philipper, ihren Glauben und ihre Liebe zu freuen. Diese seine Freude sollen sie nun erfüllen, vervollständigen, zu einer vollkommenen Freude machen, indem sie sich in allen Dingen als wahre Christen erweisen, besonders in dieser Hinsicht, dass sie einander in wahrer Einmütigkeit lieben. Ihre Harmonie soll so vollkommen sein, dass sie sogar das Gleiche denken, dass ihre Gedanken in dieselbe Richtung gehen, in denselben Kanal fließen. Diese harmonische Einheit drückt sich auf verschiedene Weise aus. Sie haben die gleiche Liebe, jeder liebt den anderen so, wie er geliebt werden möchte. Sie sind ein und derselbe Geist oder eine Seele, sie fühlen und denken, als ob sie eine einzige Seele hätten, und nehmen Rücksicht auf die Eigenheiten im Urteil der anderen. Sie denken ein und dasselbe, indem sie ihre Gedanken auf die eine notwendige Tatsache richten, die immer die Hauptüberlegung eines Christen sein sollte, nämlich die Herrlichkeit Christi und den Aufbau seines Reiches, unterstützt durch die treue Liebe eines jeden Gläubigen.

    Dazu fügt der Apostel hinzu: Nicht aus Zank oder Prahlerei, sondern in Demut haltet einander für besser als euch selbst; ein jeder sehe nicht auf sein eigenes Wohl, sondern auch auf das der anderen. Selbstsüchtiger Ehrgeiz, der keine Einmischung duldet und bei der geringsten Aufregung einen Streit anzettelt, der nur seine eigenen Interessen und Ziele verfolgt und sich auf Kosten anderer zu erhöhen sucht, hat in der Mitte der christlichen Gemeinde kein Recht zu existieren. Vielmehr muss es immer so sein, dass die Christen in und durch Demut einander für besser, für vorzüglicher halten, dass sie sich gegenseitig in jeder Hinsicht für vorzugswürdig halten. Durch die Kraft dieser Demut, die das Hauptmerkmal der Christen ist, soll jeder wenig von sich selbst, aber viel von seinem Mitchristen halten; jeder soll in sich hauptsächlich seine Fehler und Schwächen, im anderen aber Vorzüge jeder Art sehen. Von jedem einzelnen Glied der Kirche soll schließlich gelten, dass es nicht selbstsüchtig darauf bedacht ist, nur seine eigenen Interessen, sein eigenes Wohlergehen zu fördern, sondern immer nur das, was dem Bruder gut und von Nutzen ist. Das ist der Weg, auf dem die wahre christliche Harmonie aufrechterhalten und gefördert werden kann. Die allgemeine Erfahrung scheint zu zeigen, dass solche Gemeinden, die viele fortgeschrittene und gut gegründete Mitglieder haben, dazu neigen, in dieser Hinsicht zu sündigen, dass Stolz von ihren Herzen Besitz ergreift, dass sündiges, anmaßendes Verhalten die Folge ist.

 

Das Beispiel der Demut Christi (2,5-11)

    5 Ein jeglicher sei gesinnt, wie Jesus Christus auch war, 6 welcher, ob er wohl in göttlicher Gestalt war, hielt er’s nicht für einen Raub, Gott gleich sein, 7 sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, wurde gleich wie ein anderer Mensch und an Gebärden als ein Mensch erfunden, 8 erniedrigte sich selbst und wurde gehorsam bis zum Tod, ja zum Tod am Kreuz.

    9 Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist, 10 dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen alle derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, 11 und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der HERR sei, zur Ehre Gottes des Vaters.

 

    Christi Stand der Erniedrigung und was wir daraus lernen sollen (V. 5-8): Seine Ermahnung zur Sanftmut und Demut untermauert der Apostel auf das Nachdrücklichste: So sollt ihr auch in euch denken, wie es in Christus Jesus war. Diese Gesinnung, diese Meinung sollten die Christen über sich selbst haben, diese Denkweise sollte ihre Lebensauffassung bestimmen. So wie sie bereit waren, um Christi willen große Opfer zu bringen, so sollten sie auch in den alltäglichen Dingen des Geschäftslebens und des gesellschaftlichen Umgangs dieselbe Qualität zeigen. Jesus in seinem Werk, in seinem Amt als Erlöser der Welt, sollte ihnen ständig vor Augen sein. Der Geist Christi sollte in den Christen leben. Dies ist das Argument, mit dem der Apostel seine gesamte Argumentation und Ermahnung abschließt. Die Christen werden der gesamten Ermahnung des Paulus folgen können, wenn sie immer das Beispiel Christi vor Augen haben.

    Nun zeichnet Paulus sein Bild von Christus: Der, da er in der Gestalt Gottes war, es nicht für einen Raub hielt, Gott gleich zu sein (es nicht für einen Preis hielt, Gott gleich zu sein). Jesus wird hier als der fleischgewordene Sohn Gottes dargestellt, in seiner Eigenschaft als Erlöser der Welt, als Mensch unter Menschen, der allein den Menschen ein Vorbild sein kann. Dieser Mensch, Jesus Christus, hat sich selbst in der Gestalt Gottes gefunden, Mark. 16,12; Phil. 3,21; Röm. 8,29; Phil. 3,10; Röm. 12,2; 2. Kor. 3,18; Matth. 17,12. Seine Gestalt, seine äußere Erscheinung, die natürlich auch sein Wesen einschloss, war die Gottes. Nur wer das Wesen Gottes hat, der in seinem Wesen Gott ist, wird auch eine göttliche Gestalt haben. Diese Gestalt Gottes umfasst jede Art der Manifestation Seiner Göttlichkeit, alles, worin sich die Göttlichkeit zeigt, Joh. 1,14. Es ist die göttliche Herrlichkeit und Majestät, die alle göttlichen Attribute und Eigenschaften einschließt, insbesondere seine Allmacht, Allwissenheit und Allgegenwart. Sie sind ein Teil des Wesens Gottes, sie sind die göttliche Majestät, die Summe der Herrlichkeit Gottes. So fand sich der ewige Gottessohn bei seiner Menschwerdung in der Gestalt Gottes wieder, ausgestattet mit seiner ganzen Herrlichkeit und Majestät. Er war nicht nur mit der göttlichen Gestalt und Herrlichkeit bekleidet, sondern er besaß diese Herrlichkeit und Majestät als seine eigene. Er stand nicht nur auf einer Stufe mit Gott, sondern war mit Gott identisch. Aber er hielt es nicht für einen Preis, Gott gleich zu sein. Um der Rettung der Sünder willen betrachtete Christus den wunderbaren Preis seiner Göttlichkeit mit all ihren Erscheinungsformen leichtfertig. Er nutzte seine Herrlichkeit und Majestät nicht als Preis oder Beute, die er um jeden Preis behalten wollte, auch nicht nach seiner Menschwerdung; er stellte seine Majestät und Herrlichkeit nicht zur Schau, wie ein Sieger seine Beute zur Schau stellen könnte. Er nutzte die Besitztümer, die seine menschliche Natur erlangt hatte, nicht nach Laune; er machte kein Geschäft mit seiner Göttlichkeit, nur um Gunst zu erlangen und Eindruck zu machen.

    Dieser Entschluss Christi fand seinen Ausdruck in seinem Leben: Er entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, wurde den Menschen gleich und in der Gewohnheit wie ein Mensch gefunden; er erniedrigte sich selbst und wurde gehorsam bis zum Tod, ja, bis zum Tod am Kreuz. Hier wird die Vollkommenheit der Selbstverleugnung Christi deutlich. Er entäußerte sich selbst, schüttete seinen Inhalt aus, wenn auch nicht seine Substanz. Er gab freiwillig etwas auf, verzichtete auf sein Recht, verzichtete vorläufig auf seinen Gebrauch. Nicht, dass Jesus während seines irdischen Dienstes nur prophetische Gaben hatte, wie sie Gott den alten Propheten gegeben hat. Durch seine eigene allmächtige Kraft vollbrachte Jesus die großen Wunder, die von ihm berichtet werden. Es ist zwar wahr, dass er und der Vater eins sind und dass er die Werke vom Vater empfangen hat, aber es ist auch wahr, dass er sie in seiner eigenen Kraft vollbracht hat. Aber er hat sich freiwillig des uneingeschränkten und ständigen Gebrauchs seiner göttlichen Majestät entledigt. Er hat nicht die göttliche Natur aufgegeben, sondern nur ihren unbegrenzten Gebrauch. Er hätte sich oft selbst helfen können, aber er entschied sich, von seiner Herrlichkeit keinen Gebrauch zu machen, weil er der Erlöser der Welt sein wollte. Er nahm bewusst Knechtsgestalt an, das war die Art und Weise, in der er sich selbst entäußerte. Nicht, dass seine Menschwerdung eine Erniedrigung, eine Demütigung war, sondern die Tatsache, dass er ein armer, niedriger, demütiger Mensch wurde, dass er die Gestalt unseres sündigen Fleisches annahm und das Elend der gefallenen Menschheit an seinem Leib trug. Er schien ganz und gar wie andere Menschen seiner Zeit zu sein. Er ertrug auch die besonderen Schwächen des Fleisches: Hunger, Durst, Ohnmacht usw. Dies sind Eigenschaften der Menschen in ihrem gegenwärtigen sündigen Zustand, Schwächen, die das Ergebnis der Sünde sind. Und die Tatsache, dass er sich diesen natürlichen Neigungen des Menschen unterwarf, zeigt, dass er sich seiner göttlichen Herrlichkeit entledigte, auf ihren vollen und ständigen Gebrauch verzichtete. Es gibt also eine Doppelnatur in Christus, die Gottes und die eines wahren Menschen. Er hätte als verherrlichter, sündloser Mensch auf die Erde kommen können, wie Adam vor dem Sündenfall. Und es gibt nicht nur eine Doppelnatur in Christus, die göttliche und die menschliche, sondern auch eine doppelte Seinsform, die Form Gottes und die eines Knechtes, eines armen, niedrigen Menschen. Dies waren keine aufeinanderfolgenden Zustände, sondern sie waren in der Person Christi gleichzeitig vorhanden. Das war der Zustand Christi, ein Beispiel für alle Christen.

    Die Erniedrigung Christi ging stufenweise vor sich; je länger er lebte, desto mehr entäußerte er sich, desto mehr wurde er mit der Gestalt eines Knechtes bekleidet. Er wurde gehorsam bis zum Tod, sogar bis zum Tod am Kreuz. Das größte und schwerste Übel, das das sündige Fleisch erbt, ist der Tod, denn der Tod ist die Krönung aller durch die Sünde verursachten Übel. Der Tod Christi war ein besonders verfluchter Tod, der Tod am Kreuz. In dieser Hinsicht ging seine Erniedrigung über die üblichen Erfahrungen sündenbeladener Menschen hinaus. Er starb einen grausamen Tod, nicht den eines römischen Bürgers, sondern den eines gemeinen Verbrechers, eines Sklaven. Dies stellt den letzten, den erbärmlichsten Grad der Erniedrigung dar. Aber er war bereit, alles zu erdulden; er legte die Herrlichkeit, die ihm zustand, vorläufig beiseite, um in vollem Umfang, im vollen Sinne des Wortes, der Erlöser der Welt zu sein. Er starb als einer, der sein Leben aus freiem Willen niederlegte. Die Tatsache, dass sein Tod ein freiwilliges Opfer war und deshalb so wertvoll war, wird hier betont. Anmerkung: So wie Christus ein leuchtendes Beispiel der Demut war, so sollen die Christen von ihm lernen. Auch sie sollten um der Liebe zu Christus und ihren Brüdern willen auf ihre Rechte verzichten, nicht zu sehr auf ihre Rechte, ihre Ehre und ihre Interessen pochen. Sie sollen lernen, auch das Böse, das Unrecht, das ihnen angetan wird, bereitwillig und gern zu ertragen. So werden sie den Geist Christi unter sich und gegeneinander zeigen, so werden sie die christliche Liebe und Harmonie bewahren, so werden sie leben, wie es dem Evangelium Jesu Christi entspricht.

 

    Christi Stand der Erhöhung (V. 9-11): Der Enthusiasmus des Apostels treibt ihn hier über seinen ursprünglichen Rahmen hinaus in eine triumphale Beschreibung der Erhöhung Christi: Darum hat Gott ihn auch hoch erhoben und ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist. Weil Christus so gesinnt war, wie in den vorhergehenden Versen beschrieben, weil er sich so freiwillig und willig erniedrigt hat, hat es Gott gefallen, ihn zu erhöhen. Diese Tatsache schließt freilich die andere, dass Christus sich selbst erhöht hat, nicht aus. Beide Tatsachen werden in der Heiligen Schrift erwähnt. Diese Aussage spricht also nicht für eine Unterordnung des Sohnes unter den Vater, für einen Unterschied im Rang innerhalb der Gottheit. Es gibt keine Unterordnung in der Dreifaltigkeit. Und doch hat Gott den Menschen Jesus Christus erhöht. Christus war gemäß seiner menschlichen Natur allen Folgen der Sünde, dem Leiden, dem Tod und dem Grab unterworfen. Doch nun ist er erhöht; die Tage seiner Erniedrigung sind vorüber. Sein menschlicher Leib ist nun im vollen Besitz der göttlichen Herrlichkeit und Majestät, die ihm bei der Menschwerdung zuteil wurde. Er hat wieder uneingeschränkten Gebrauch von seinen göttlichen Eigenschaften und Attributen gemacht, er übt alle Macht im Himmel und auf Erden aus, er ist König in den Königreichen der Macht und der Gnade und der Herrlichkeit. Es ist der verherrlichte Mensch Jesus Christus, der über alles herrscht, über die himmlischen und irdischen Dinge und die Dinge unter der Erde; seine menschliche Natur ist in volle und unbegrenzte Gemeinschaft mit dem göttlichen Wesen getreten. All dies ist darin enthalten, daß der gute Wille Gottes ihm diesen Namen gegeben hat, ihm diese Erhöhung als Herr Jehova gesichert hat.

    Daraus folgt: Damit sich in dem Namen Jesu alle Knie beugen, die himmlischen und die irdischen und die unterirdischen, und alle Zungen bekennen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters. Der Name Christi, der früher verachtet und mit Zischen und Verachtung ausgesprochen wurde, ist jetzt der Grund und Anlass für ein ganz anderes Verhalten. Er ist das Allerhöchste. Engel, Menschen und Teufel müssen Jesus Christus, dem erhabenen Sohn Gottes, freien und unbedingten Gehorsam leisten. Kein Name wird höher geehrt als der Seine. Alle müssen sich vor ihm verneigen, alle müssen ihm göttliche Ehre erweisen. Die Größe, Heiligkeit, Göttlichkeit des Namens ist der Grund, das Motiv für die Kniebeugung. Die Engel des Himmels beten zu dem Namen dessen, der über alles erhaben ist. Und alle Bewohner der Erde spüren die Größe Seiner Macht und geben Ihm göttliche Ehre. Die Gläubigen tun dies bereitwillig und gern, die Ungläubigen nur mit großer Mühe. Aber auch sie werden, wie die Teufel, ob sie wollen oder nicht, irgendwann einmal anerkennen und zugeben müssen, dass Jesus der Herr ist. Gerade die Tatsache, dass sie so hartnäckig auf ihrem Bekenntnis des Unglaubens zu bestehen scheinen, zeigt, dass sie Christus nicht für eine unbedeutende Persönlichkeit halten, sondern für eine hochstehende, die mit allem Ernst bekämpft und bekämpft werden muss. Am Ende muss und wird jede Zunge bekennen, dass Jesus Christus der Herr ist. Nicht nur, dass sie sich vor ihm in gläubiger Anbetung oder in ohnmächtiger Wut ducken, sondern sie sind auch verpflichtet, ihn zu bekennen. Auf die Anerkennung durch eine äußere Geste der Anbetung folgt das Bekenntnis zu seiner Souveränität. Durch dieses Bekenntnis geben alle Geschöpfe ganz nebenbei dem Vater, Gott, dem letzten Gegenstand aller Anbetung, alle Ehre. Wer den Sohn ehrt, ehrt den Vater. Anmerkung: Auch diese Ermahnung steht in engem Zusammenhang mit der Ermahnung in diesem Abschnitt. So wie Christus durch seinen freiwilligen Verzicht auf die Rechte und Privilegien seiner Gottheit, durch seine Demut, seine Armut, sein Leiden und seinen Gehorsam schließlich die himmlische Herrlichkeit und Ehre erlangte und zu seiner gegenwärtigen Erhöhung gelangte, so erlangen die Christen, wenn sie Christus nachfolgen, wenn sie den gleichen Sinn wie Christus haben, die himmlische Herrlichkeit und werden der Erhöhung Christi teilhaftig.[2]

 

Die Anwendung der Ermahnung auf echte Werke der Heiligung (2,12-18)

    12 Also, meine Liebsten, wie ihr allezeit seid gehorsam gewesen, nicht allein in meiner Gegenwart, sondern auch nun viel mehr in meiner Abwesenheit: Schafft, dass ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern! 13 Denn Gott ist’s, der in euch wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen. 14 Tut alles ohne Murmeln und ohne Zweifel, 15 auf dass ihr seid ohne Tadel und lauter und Gottes Kinder, unsträflich mitten unter dem schlechten und verkehrten Geschlecht, unter welchem ihr scheint als Lichter in der Welt 16 damit, dass ihr haltet ob dem Wort des Lebens, mir zu einem Ruhm an dem Tag Christi, als der ich nicht vergeblich gelaufen noch vergeblich gearbeitet habe. 17 Und ob ich geopfert werde über dem Opfer und Gottesdienst eures Glaubens, so freue ich mich und freue mich mit euch allen. 18 Dessen sollt ihr euch auch freuen und sollt euch mit mir freuen.

 

    Der Apostel zieht hier eine Schlussfolgerung und macht eine praktische Anwendung: Darum, meine Geliebten, wie ihr allezeit gehorsam gewesen seid, nicht allein in meiner Gegenwart, sondern jetzt erst recht in meiner Abwesenheit, so arbeitet mit Furcht und Zittern an eurem eigenen Heil. Nach all diesen Erwägungen, die die Christen auffordern, so zu wandeln und zu reden, so zu leben, wie es dem Evangelium Jesu Christi würdig ist, sollen sie in ihrem Gehorsam fortfahren wie bisher. Paulus gibt ihnen das Zeugnis, dass sie sowohl in seiner Anwesenheit als auch in seiner Abwesenheit gehorsam waren. Und im vollen Bewusstsein dessen und mit der Bereitschaft, den ihnen vorgezeichneten Weg auch in Zukunft fortzusetzen, fordert er sie auf, die Verantwortung ihres Heils vor Gott zu spüren. Das Heil, vollständig und für alle bereit, sollen sie anstreben, es zu ihrer Aufgabe machen, es zu erlangen. Es stimmt natürlich, dass das Heil nicht durch Gehorsam verdient wird, es ist vollständig und vollkommen in Christus. Aber es kann so leicht durch Ungehorsam verloren gehen, und deshalb ist das Streben danach mit Furcht und Zittern, mit dem Bewusstsein der innewohnenden Schwachheit und der furchtbaren Macht der Versuchung, wesentlich für die Heiligung. Es besteht hier kein Widerspruch zu Kap. 1,6, wo Paulus sagt, er sei sicher, dass Gott das gute Werk bis zum Ende fortsetzen werde. Der Christ muss sicher sein, dass Gott ihm Festigkeit, Zuversicht und Treue schenkt und ihn davor bewahrt, von der Gnade abzufallen, und er muss dennoch in Furcht sein, damit er nicht durch seine eigene Torheit sein Heil verliert. Wenn ein Christ auf sein eigenes Fleisch schaut, kann er durchaus zittern, denn es ist schwach und ein williger Verbündeter aller Feinde; wenn ein Christ aber auf Gott schaut, ist er sicher, dass er im Glauben bleibt, dass er alle Gefahren überwindet, die seinen Glauben bedrohen, dass er schließlich über Welt, Fleisch und Satan siegreich sein wird. Diese Ermahnung ist an sich ein Mittel und ein Werkzeug in Gottes Hand, um den Christen auf dem Weg der Heiligung zu halten.

    Und doch hängt alles von der Macht Gottes ab: Denn Gott ist es, der in uns wirkt, zu wollen und zu tun nach seinem Wohlgefallen. Gott wirkt, vollbringt alles Gute in seinen Christen; er treibt sie zu wahrem Gehorsam an. Ein Gläubiger beweist seinen Glauben durch gute Werke. Dazu ist zweierlei nötig, nämlich der Wille zum Tun, die gute Absicht, so zu leben, wie es dem Evangelium Jesu Christi entspricht, wie es durch den Heiligen Geist gewirkt wird, und dann die Ausführung dieser Absicht, die Verwandlung des Willens in die Tat, damit das Tun richtig und wirksam ausgeführt wird. Und das alles nach Gottes Wohlgefallen, um seinen eigenen, gnädigen Willen auszuführen. Gott will wirklich Gefallen an den guten Werken der Gläubigen finden. Und er findet Gefallen daran, weil sie von göttlicher Art und Natur sind und ihre Werke aus der göttlichen Kraft in ihnen hervorgehen. Um sich an den Werken der Christen zu erfreuen, wirkt er selbst die guten Dinge in ihnen. Gott gibt und stiftet den Willen, das Gute zu tun; der erneuerte Wille des Menschen, in der Kraft Gottes, will das Gute und führt es aus. Der wiedergeborene Wille des Menschen wird durch den Willen Gottes kontrolliert, gelenkt und geleitet. Die Gläubigen wagen es also nicht, Gottes Hilfe bei der Heiligung zu verlieren.

    Der Apostel nennt einen Punkt, in dem ihre Heiligung zum Ausdruck kommen kann: Tut alles, ohne zu murren und zu zögern. Die Christen von Philippi sollen, wie die Gläubigen aller Zeiten, in allen Dingen den Willen Gottes tun, alles tun, was Gott von ihnen erwartet, auch wenn es dem Fleisch nicht gefällt, auch wenn Zweifel und Kritik in ihrem Herzen aufkommen wollen. Es sollte kein Gezänk und kein Hinterfragen geben, ob dies oder jenes wirklich notwendig ist, ob es notwendig ist, das Wort Gottes so streng zu befolgen, ob es wirklich die Pflicht des Christen ist, an allen Unternehmungen der Kirche teilzunehmen. Der ideale Geisteszustand ist der, der einfach und aufrichtig das tut, was nötig ist.

    Das Ergebnis eines solchen Verhaltens ist: Dass ihr unverständig und unschuldig seid, schuldlose Kinder Gottes inmitten eines ungerechten und verkehrten Geschlechts, unter denen ihr als Lichter in der Welt leuchtet, indem ihr das Wort des Lebens hochhaltet zu einer Verherrlichung für mich am Tag Christi, damit ich nicht vergeblich gelaufen bin oder vergeblich gearbeitet habe. Das Ziel der Heiligung kann nicht in einem Schritt erreicht werden, sondern nur in einem allmählichen Prozess. Die Christen müssen sich mehr und mehr bemühen, sich untadelig zu zeigen und zu erweisen, ohne Tadel. Inmitten einer Welt, die von jeder Form von Sünde und Schande durchdrungen ist, müssen sie sich vor jeglicher Verunreinigung hüten, um nicht nur ohne Vorwurf seitens der anderen zu sein, sondern tatsächlich unschuldig an einem Fehlverhalten, fähig, jeder Kritik als ungerechter Verleumdung zu begegnen. Christen sollten jede Beleidigung vermeiden und in dieser Welt ohne Schuld sein. Es sollte ein klarer und unmissverständlicher Unterschied zwischen den Christen und den Kindern dieser Welt bestehen. Sie sollen sich von den Ungläubigen abheben, wie das Licht sich von der umgebenden Finsternis abhebt. Das gesamte Leben der Gläubigen wird einen herrlichen Kontrast zu allen Werken der Finsternis bilden und eine ständige Zurechtweisung für die Übeltäter sein. Aber nicht nur in ihren guten Werken, im Gehorsam gegenüber dem Willen ihres himmlischen Vaters und in allen nachfolgenden Werken des Glaubens sollen die Christen als Lichter leuchten, sondern sie sollen auch Fackelträger des Wortes des Lebens sein. Die Christen sollen der Welt, vor den Augen der Kinder dieser Welt, das Wort des Heils zur Annahme vorlegen, damit es dazu diene, auch sie zum ewigen Leben zu erleuchten. Dies tun sie durch die Werke des göttlichen Lebens in ihnen. Ihr gesamtes Verhalten vor der Welt wird eine Predigt in Worten und Taten sein. Ihr ganzes Leben wird zeigen, was das Wort Gottes zu bewirken vermag. Die bloße Existenz der Gläubigen in dieser Welt ist ein missionarischer Faktor. Und all dies wird dem Apostel am großen Tag Jesu Christi, dem Tag des Gerichts, zur Ehre gereichen. Er wollte mit Stolz auf die Christen von Philippi verweisen können, als Ergebnis seiner missionarischen Bemühungen in Christus Jesus. Es würde zeigen, dass seine Bemühungen von Erfolg gekrönt waren, denn die Philipper würden einen sichtbaren, greifbaren Beweis liefern. Anmerkung: Die Christen unserer Tage mögen sich dieses Wort in ihrer Beziehung zu ihren Hirten gut merken, damit sie der Lehre, die sie empfangen haben, Ehre machen können, sowohl hier in der Zeit als auch am großen Tag Jesu Christi.

    Um diese letzte Tatsache seinen Lesern einzuprägen, fügt der Apostel hinzu: Wenn ich aber für das Opfer und den Dienst eures Glaubens geopfert werde, freue ich mich und freue mich mit euch allen; so freut auch ihr euch und freut euch mit mir. In und durch seine Gefangenschaft wurde Paulus wie ein Trankopfer ausgegossen. Zugleich aber brachte er ein Opfer dar, ein zweifaches Opfer. Das erste Opfer ist das des Glaubens der Christen. Es war ihm gelungen, den Glauben in ihre Herzen zu bringen und diesen Glauben bis zum gegenwärtigen Stand des Wachstums der Heiligung zu stärken. Das war ein angenehmes Opfer in den Augen Gottes. Die Folge war, dass die Philipper nun ein Opfer im Dienst, einen wahren Dienst, lebten. Der Apostel geht davon aus, dass er selbst als Opfer dargebracht werden wird. Er wird vielleicht den Märtyrertod erleiden, weil er das Evangelium predigt. Er weiß, dass er bald aus der gegenwärtigen Gefangenschaft befreit werden wird, aber das rückt seinen Märtyrertod nur in etwas größere Entfernung. Die endgültige Verfügung über seinen Körper ist schon jetzt ziemlich sicher: Das Martyrium steht ihm bevor. Aber selbst wenn dies sehr bald geschehen sollte, kann es die Früchte seiner Arbeit nicht beeinträchtigen. Er hat Grund, sich über den Glauben und das christliche Leben der Philipper zu freuen, er ist glücklich bei dem Gedanken an das, was er erreicht hat. Und in gleicher Weise sollen sich seine Leser über ihren Glauben freuen und sich mit ihm, wie es sich für gute Christen gehört, über die Liebe Christi freuen.

 

Empfehlung von Timotheus und Epaphroditus (2,19-30)

    19 Ich hoffe aber in dem HERRN Jesus, dass ich Timotheus bald werde zu euch senden, dass ich auch erquickt werde, wenn ich erfahre, wie es um euch steht. 20 Denn ich habe keinen, der so ganz meines Sinnes sei, der so herzlich für euch sorgt. 21 Denn sie suchen alle das Ihre, nicht das Christi Jesu ist. 22 Ihr aber wisst, dass er rechtschaffen ist; denn wie ein Kind dem Vater hat er mit mir gedient am Evangelium. 23 Den, hoffe ich, werde ich sogleich senden, wenn ich erfahren habe, wie es um mich steht. 24 Ich vertraue aber in dem HERRN, dass auch ich selbst bald kommen werde.

    25 Ich hab’s aber für nötig angesehen, den Bruder Epaphroditus zu euch zu senden, der mein Gehilfe und Mitstreiter und euer Apostel und meiner Notdurft Diener ist, 26 da er nach euch allen Verlangen hatte und war hoch bekümmert darum, dass ihr gehört hattet, dass er krank war gewesen. 27 Und er war zwar todkrank, aber Gott hat sich über ihn erbarmt, nicht allein aber über ihn, sondern auch über mich, auf dass ich, nicht eine Traurigkeit über die andere hätte. 28 Ich habe ihn aber desto eilender gesandt, auf dass ihr ihn seht und wieder fröhlich werdet, und ich auch der Traurigkeit weniger habe. 29 So nehmt ihn nun auf in dem HERRN mit allen Freuden und habt solche in Ehren. 30 Denn um des Werks Christi willen ist er dem Tod so nahe gekommen, da er sein Leben gering bedachte, auf dass er mir diente an eurer Statt.

 

    Des Paulus Grund und Ziel mit der Sendung des Timotheus (V. 19-24): Der gesamte Abschnitt ist von persönlichen Dingen geprägt, als ob Paulus sich beeilen würde, zum Ende zu kommen. Seine Empfehlung für Timotheus zeigt die Vertrautheit der Gefühle zwischen diesen beiden Männern, eine herzliche Beziehung, die durch den Altersunterschied in keiner Weise beeinträchtigt wurde: aber ich hoffe auf den Herrn Jesus, Timotheus bald zu euch zu schicken, damit ich in Kenntnis eurer Umstände im Geist erfrischt werde. Paulus hatte die Hoffnung zu Gott und seinem Herrn Jesus, dass er Timotheus bald senden könne. Er beweist seine Verbundenheit mit Gott, indem er den gesamten Verlauf seines Lebens in Gottes Hände legt. Was immer Gott für ihn bestimmt hat, ist er bereit, ohne Murren zu akzeptieren. Dennoch ist seine Hoffnung in diesem Fall umso glühender, als er sich wünscht, erfrischt zu werden, sein Herz und seinen Geist zu stärken, indem er Informationen über ihren Zustand erhält; ihr geistliches und körperliches Wohlergehen ist ihm ein großes Anliegen. Timotheus würde in kurzer Zeit mit Nachrichten von den Philippern zurückkehren, und er hoffte, dass diese Nachrichten sein Herz befriedigen würden. Er nennt den Grund, warum er Timotheus für diese Mission ausgewählt hat: Denn ich habe keinen Gleichgesinnten, der aufrichtig um eure Verhältnisse besorgt ist; alle suchen das Ihre, nicht das von Jesus Christus. Timotheus war dem Paulus seelenverwandt und empfand daher das gleiche reine und herzliche Interesse an den Philippern wie sein Lehrer, da er ebenso um das Werk Christi besorgt war. Die Sorge des Timotheus für die Philipper war ebenso echt und aufrichtig wie die des Paulus. Von den anderen aber, von der großen Mehrheit, sah sich Paulus gezwungen zu sagen, dass sie nichts von dieser selbstlosen Hingabe besäßen, dass sie, die Mitglieder dieser Gruppe, alle ihre eigenen Ziele verfolgten und nur an der Förderung ihrer selbstsüchtigen Ambitionen interessiert seien. Das ist eine harte Kritik und ein hartes Urteil. Paulus sagt nicht, dass diese Männer das Werk des Evangeliums absichtlich und böswillig verderben, aber sie haben ein selbstsüchtiges Motiv; sie sind in Gefahr, den Glauben und das gute Gewissen zu verlieren. Das gilt zu allen Zeiten und sollte ein Ansporn für alle Pastoren sein, sich von allen selbstsüchtigen Motiven und Interessen zu befreien und ihrem Meister, Christus, in Einfalt des Herzens zu dienen.

    Für die Philipper war Timotheus kein unbekannter Mann: Aber seinen Beweis kennt ihr, denn wie ein Sohn eines oder seines Vaters hat er mit mir im Evangelium gedient. Deshalb hoffe ich, diesen Mann sofort zu senden, wenn ich klar sehe, wie es mit mir weitergeht. Die Christen von Philippi hatten reichlich Gelegenheit gehabt, Timotheus zu beobachten und seine Motive, den Zustand seines Geistes und seines Herzens zu beurteilen; sie kannten seine Zuverlässigkeit. Sie wussten, dass er an der Seite des großen Apostels im Dienst des Evangeliums gedient hatte, wie ein liebender Sohn seinem Vater dient. Dieser Mann würde ihnen also sicher besonders willkommen sein, und Paulus wollte ihn schnell schicken, sobald er genau wüsste, wie es um sein eigenes Schicksal bestellt war und wie es um ihn stand. Die Entscheidung des kaiserlichen Hofes sei jeden Tag zu erwarten, und die Entsendung des Timotheus werde unmittelbar danach erfolgen, und Paulus erwarte noch mehr: Ich vertraue aber auf den Herrn, dass ich selbst bald kommen werde. Das feste Vertrauen, das er in den Herrn hat, dass er persönlich kommen kann. Er will Timotheus folgen, sobald bestimmte Angelegenheiten in Rom erledigt sind. Er will seinem Brief einen persönlichen Besuch folgen lassen. Man beachte, dass Paulus die Disposition seines Lebens mit all seinen Wechselfällen in kindlichem Vertrauen immer in die Hände Gottes legt.

 

    Die Rückkehr des Epaphroditus nach Philippi (V. 25-30): Es kann sein, dass Timotheus mit Epaphroditus nach Philippi reiste; wie dem auch sei, letzterer reiste unmittelbar nach der Abfassung dieses Briefes ab und fungierte als dessen Überbringer. Paulus fügt also eine Empfehlung und Ermahnung in Bezug auf diesen Boten der philippinischen Gemeinde bei: Ich hielt es aber für nötig, euch Epaphroditus zu senden, den Bruder und Mitarbeiter und Mitsoldaten, euren Apostel aber und den Diener meines Mangels. Er ist der Bruder des Paulus in Christus, ein Sohn desselben Vaters im Himmel durch die von Christus errungene Erlösung; er ist sein Mitarbeiter, er hatte an der Seite des Apostels gearbeitet, er hatte das Werk des Apostels in Philippi fortgesetzt; er ist sein Mitsoldat, er kämpfte als Soldat Christi in denselben Reihen. Und die Philipper sollten Epaphras (Kurzform von Epaphroditus) als ihren Apostel betrachten, der sie nicht nur in der Vergangenheit gelehrt hatte, sondern nun als Vertreter des Paulus wieder in ihre Mitte zurückkehrte. Auf diese Weise revanchierte sich Paulus für die Freundlichkeit, die sie ihm erwiesen hatten, als sie Epaphras als Diener für die Bedürfnisse des Paulus schickten, mit einer beträchtlichen Hilfe für die Bedürfnisse des Apostels.

    Die Entsendung dieses Mannes zu diesem Zeitpunkt erschien Paulus besonders notwendig, denn er hatte Sehnsucht, er hatte Heimweh nach den Brüdern in Philippi; seine Liebe wollte sie sehen und bei ihnen sein. Diese Sehnsucht des Epaphroditus wurde noch dadurch verstärkt, dass er auch beunruhigt war und sich in großer Sorge befand, weil die Nachricht von seiner Krankheit nach Philippi gebracht worden war. Entweder auf dem Weg nach Rom oder in Rom war der Bote der philippinischen Gemeinde erkrankt, und wie Paulus schreibt, war er in der Tat schwer erkrankt, so schwer, dass er in Todesgefahr war, dass man fast an seinem Leben verzweifelte. Aber Gott hatte sich seiner erbarmt, er hatte den Verlauf seiner Krankheit geändert und ihn wieder zu Leben und Gesundheit gebracht. Dabei hatte sich Gott aber auch des Apostels erbarmt, der zutiefst betrübt, in Trauer gestürzt, eines treuen Mitarbeiters beraubt worden wäre: Es hätte ein Leid nach dem anderen über ihn gebracht. Gott hatte ihm wenigstens diese leidvolle Erfahrung erspart. Umso schneller schickte Paulus ihn nun nach Philippi, teils weil die Gefahr eines Rückfalls bestand (die Krankheit könnte Malaria gewesen sein), teils um die besorgte Sorge der Philipper zu lindern.

    Um seine hohe Wertschätzung für Epaphroditus zu zeigen und um den Philippern die gebührende Achtung zu vermitteln, die sie ihren Dienern im Herrn entgegenbringen sollten, gibt Paulus Epaphroditus hier eine sehr herzliche Empfehlung. Sie sollten ihn in dem Herrn mit aller Freude aufnehmen. Es sollte nicht nur die Freude eines Freundes über einen lieben Freund sein, sondern auch die herzliche Aufnahme eines Dieners Christi. Um des Herrn willen, in dessen Dienst er steht, um des Evangeliums willen, das er verkündet, sollten sie ihn herzlich willkommen heißen. Dazu gehört übrigens auch die volle und eindeutige Annahme des Wortes, das der Diener Christi verkündet. Und das Gleiche gilt für alle, die das Evangelium verkünden und wahre Diener Christi sind. Die Ältesten, die sich im Wort und in der Lehre abmühen, sind einer doppelten Ehre wert. Von Epaphroditus sagt Paulus, dass er für das Evangelium sein Leben aufs Spiel gesetzt hat, dass er sich dem Tod genähert hat und sein Leben aufs Spiel gesetzt hat. Das in Rom herrschende Fieber, das durch Malaria verursacht wurde, die von Mücken aus den nahegelegenen Sümpfen übertragen wurde, suchte die Bevölkerung heim, war aber noch gefährlicher für Besucher, die keine Gelegenheit gehabt hatten, zumindest teilweise immun zu werden. Der Dienst des Epaphroditus war für Paulus sehr wertvoll gewesen. Und diese Tatsache sollte auch von den philippinischen Christen gebührend gewürdigt werden. Während er in ihrem Dienst stand, während er damit beschäftigt war, dem Paulus Gaben zu bringen, erfüllte er in ihrer Abwesenheit den Dienst, den sie dem Apostel schuldeten. Da die ganze Gemeinde nicht kommen konnte, nahm er als ihr Vertreter den Platz von ihnen allen ein und kümmerte sich um die Bedürfnisse des großen Lehrers in seiner Gefangenschaft. Die Gaben und guten Wünsche der Philipper wurden durch den persönlichen Trost und Dienst des Epaphroditus in Rom ergänzt. Daran sollten sie immer denken und ihn entsprechend empfangen. Anmerkung: In diesem Abschnitt wird die enge und herzliche Beziehung zwischen den frühen Christen sehr schön herausgestellt; ein schönes Beispiel angesichts der Gefühllosigkeit und Gleichgültigkeit, die in der heutigen Zeit vorherrschen.

 

Zusammenfassung: Der Apostel drängt auf die Notwendigkeit einer liebevollen Demut nach dem Vorbild der freiwilligen Erniedrigung Christi; er ermahnt zu wahren Werken der Heiligung; er schließt eine sehr herzliche Empfehlung für Timotheus und Epaphroditus ein.

 

 

Kapitel 3

 

Die Gefahren der judaistischen (Gesetzes-)Lehre (3,1-11)

    1 Weiter, liebe Brüder, freut euch in dem HERRN! Dass ich euch immer einerlei schreibe, verdrießt mich nicht und macht euch desto gewisser. 2 Seht auf die Hunde, seht auf die bösen Arbeiter, seht auf die Zerschneidung! 3 Denn wir sind die Beschneidung; die wir Gott im Geist dienen und rühmen uns von Christus Jesus und verlassen uns nicht auf Fleisch.

    4 Wiewohl ich auch habe, dass ich mich Fleisches rühmen könnte. So ein anderer sich dünken lässt, er könne sich Fleisches rühmen, ich viel mehr, 5 der ich am achten Tag beschnitten bin, einer aus dem Volk von Israel, des Geschlechts Benjamin, ein Hebräer aus den Hebräern und nach dem Gesetz ein Pharisäer, 6 nach dem Eifer ein Verfolger der Gemeinde, nach der Gerechtigkeit im Gesetz gewesen unsträflich.

    7 Aber was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden geachtet. 8 Denn ich achte es alles für Schaden gegen die überschwängliche Erkenntnis Christi Jesu, meines HERRN, um welches willen ich alles habe für Schaden gerechnet und achte es für Dreck, auf dass ich Christus gewinne 9 und in ihm erfunden werde, dass ich nicht habe meine Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz, sondern die durch den Glauben an Christus kommt, nämlich die Gerechtigkeit, die von Gott dem Glauben zugerechnet wird, 10 zu erkennen ihn und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden, dass ich seinem Tod ähnlich werde, 11 damit ich entgegenkomme zur Auferstehung der Toten.

 

    Von einer freudigen Ermahnung zur Warnung (V. 1-3): Der Apostel hatte die übliche Überleitung zum Schluss seines Briefes gemacht, indem er seine Mitarbeiter empfahl. Wahrscheinlich wollte er die üblichen Grüße hinzufügen. Aber es gab noch einige andere Dinge, an die die Philipper erinnert werden mussten. Der Heilige Geist hat sich in der Frage der Inspiration ganz auf die menschliche Art des Briefeschreibens eingestellt. So greift Paulus einen neuen Gedanken auf: Im Übrigen, meine Brüder, freut euch in dem Herrn. Was auch immer er ihnen sonst noch sagen wollte, dieser eine Punkt, den er zum Motto seines Briefes machte, sollte ihnen stets vor Augen stehen. Das muss ständig wiederholt werden, damit es sich fest in die Herzen und Köpfe aller Christen einprägt, so wie es der Apostel sagt: Es ist mir nicht lästig, euch dasselbe zu schreiben, euch aber ist es sicher. Eine solche Ermahnung, die immer wieder wiederholt wird, ist nicht überflüssig, und sie soll weder dem Lehrer noch den Zuhörern lästig werden, denn die Freude über den christlichen Zustand, über die Tatsache, dass sie im Zustand des Glaubens sind, ist notwendig. Die Christen müssen sich der Liebe Gottes in Christus, aller Gaben seiner Gnade und Barmherzigkeit bewusst sein. Wie Paulus nicht müde wurde, diese Botschaft immer wieder zu verkünden, so wird auch kein anderer Seelsorger meinen, die ständige Wiederholung dieser Ermahnung sei eine langweilige, ermüdende Arbeit. Es ist für die Sicherheit der Gläubigen immer notwendig, sie in ihrer Stellung zu Christus und zu Gott zu bestärken.

    Deshalb sieht sich Paulus gezwungen, eine nachdrückliche Warnung hinzuzufügen: Hütet euch vor den Hunden, hütet euch vor den bösen Arbeitern, hütet euch vor der Schärfe. Der Apostel benutzt die schärfsten Worte des Vorwurfs, um die Irrlehrer zu charakterisieren, um sie in ihrem wahren Gesicht darzustellen. Es gab einige schlechte, böse, gefährliche Arbeiter in der Mitte der Gemeinde, auf die die Philipper ein wachsames Auge haben mussten. Und in welcher Hinsicht sie gefährlich sind, zeigt Paulus, indem er eine Zusammenfassung ihrer falschen Lehre gibt. Wahrscheinlich hatte er gedacht, dass er Gelegenheit haben würde, sich persönlich um diese Irrlehrer zu kümmern, als er nach Philippi kam. Aber der Geist hat ihn nun veranlasst, die Warnung in diesen Brief aufzunehmen. Wenn die Gefahr einer falschen Lehre in der Kirche besteht, ist es töricht, zu zögern; die Warnung muss sofort ausgesprochen werden, besonders wenn die bösen Arbeiter, die falschen Prediger, mitten in der Kirche auftauchen. Diese Übeltäter haben sich einer höchst gefährlichen Lehre schuldig gemacht. Der Apostel nennt sie beim Namen und tadelt sie beiläufig, indem er sie als „Beschneidung“, als Verstümmelung bezeichnet. Er bezieht sich auf den Ritus der Beschneidung, den sie in ihrer mechanischen, ungeistlichen Sichtweise auf ein bloßes Zerreißen des Körpers reduzierten. Diese judaistisch geprägten Menschen bestanden auf allen Riten und Zeremonien des jüdischen Gesetzes. Vor allem auf der Tatsache der Beschneidung bestanden sie mit ihrem ganzen Einfluss. Solche jüdischen Lehrer, die die Freiheit des Evangeliums noch nicht erkannt hatten, sondern darauf bestanden, den Christen jüdische Bräuche und Zeremonien aufzudrängen, gab es auch in anderen Gemeinden. Wenn aber Menschen auf den äußeren Werken des Gesetzes bestehen und eine Form von Heiligkeit und Gerechtigkeit vorführen, dann liegt in ihrer Lehre nichts als Heuchelei. Ihre Lehre ist böse und auch ihr Leben, weshalb der Apostel sie Hunde, verächtliche Menschen nennt. Sie arbeiteten nur für persönlichen Gewinn, persönliche Ehre. Vor solchen Menschen sollten sich die Philipper hüten.

    Paulus stellt sich und die wahren Christen in einen starken Gegensatz zu diesen Menschen: Denn wir sind die Beschneidung, die Gott durch den Geist dienen und sich in Christus Jesus rühmen und kein Vertrauen auf das Fleisch setzen. Er will damit sagen: Nur wir Christen verdienen den Namen, wahrhaft beschnitten zu sein, das wahre, geistliche Israel zu sein, in diesem Fall eben wir christlichen Lehrer, die Gott durch den Geist dienen und sich in Christus Jesus rühmen. Wie der Ritus der Beschneidung die Israeliten zu äußeren Gliedern des auserwählten Volkes Gottes machte, da sie durch den Glauben die Würde wahrer Kinder Gottes erlangten, so sind die wahren Diener Christi die wahre Beschneidung, weil sie Gott dienen und Glieder des wahren Volkes Gottes sind. Dieser wahre Dienst ist kein äußerer, sondern ein innerer, geistlicher, durch den Geist geprägter Dienst. Das ist der wohlgefällige Dienst Gottes, der Dienst des Wortes. Und die Herrlichkeit solcher Menschen ist Christus Jesus. Das ist das äußere Zeichen des wahren Pastors, der sich in Christus rühmt. Er vertraut weder auf das Fleisch noch auf seine eigenen Fähigkeiten, noch auf irgendwelche äußeren Dinge oder Werke. Sein Vertrauen und seine Kraft sind allein Christus.

 

    Des Paulus Berechtigung, sich zu brüsten (V. 4-6): Ähnlich wie in 2. Korinther 11,21-30 gibt Paulus hier den Beweis, warum er sich mit Recht rühmen kann, wenn er sich entscheidet, vom Standpunkt der judaisierenden Lehrer aus zu argumentieren: Obwohl auch ich Vertrauen auf das Fleisch habe. Wenn jemand sonst meint, er könne sich auf das Fleisch verlassen, so ich mehr. Der Apostel hätte Grund, gewisse äußere Vorteile ins Feld zu führen, wenn er es wollte, wenn dies wirklich von Vorteil wäre. Er kann den Irrlehrern auch auf diesem Gebiet begegnen, auf ihrem eigenen Boden. Wenn sie unter dem falschen Eindruck stehen, dass alles von diesen äußeren Dingen abhängt, dann hat Paulus ein viel größeres Recht, sich zu rühmen.

    Das will er nun zeigen: Acht Tage alt, was meine Beschneidung betrifft; vom Stamme Israel, vom Stamme Benjamin, ein Hebräer von den Hebräern; nach dem Gesetz ein Pharisäer; was den Eifer betrifft, die Kirche zu verfolgen; was die Gerechtigkeit im Gesetz betrifft, untadelig. Der Apostel war nicht nur ein jüdischer Proselyt, er war im Judentum geboren und von Anfang an nach dessen Riten erzogen worden. Die jüdischen Lehrer, die Paulus zu dieser Zeit im Sinn hatte, waren vielleicht nur Proselyten des Tores und konnten nicht auf eine solche Vorgeschichte verweisen. Paulus war von Geburt an ein Israelit, aus dem ursprünglichen Stamm Israels, aus dem Stamm Benjamin. Seine Abstammung war unbestritten; während viele Juden ihre Abstammung nicht mehr genau zurückverfolgen konnten, hatte Paulus Beweise für seine Abstammung von Benjamin. Er war ein echter Hebräer nach dem Fleisch, er konnte mit den besten von ihnen mithalten. Und was das Gesetz betraf, so war er, was den äußeren Eifer für das Gesetz anging, ein Pharisäer, ein Mitglied der strengsten Sekte unter den Juden. Es konnte kein Zweifel daran bestehen, dass Paulus als Hüter des Gesetzes vollkommen aufrichtig, absolut gewissenhaft gewesen war, dass er vor den Juden eine reine Weste hatte, obwohl er in moralischer Verblendung gehandelt hatte. Ja, mehr noch, an Eifer war er weit über dem durchschnittlichen Juden gewesen; so eifrig war er vor seiner Bekehrung gewesen, dass er ein Verfolger der Kirche gewesen war und versucht hatte, die „neue Sekte“ auszurotten. Was schließlich die Gerechtigkeit anbelangt, die auf dem Gesetz beruht, die ihre Gültigkeit durch das Gesetz erhält, so war er untadelig; er erwies sich als so ernsthaft, dass kein Vorwurf in dieser Hinsicht gegen ihn erhoben und aufrechterhalten werden konnte. Was die äußere Erfüllung des Gesetzes anbelangt, so hätte niemand ernsthafter und erfolgreicher sein können. So konnte er mit Leichtigkeit jeden der judaisierenden Gegner in jedem der Punkte herausfordern, auf die sie gewöhnlich pochten, und sie besiegen.

 

    Das Ergebnis der Bekehrung des Paulus (V. 7-11): Alle diese äußeren Vorteile, deren sich der Apostel mit viel größerem Recht hätte rühmen können als seine Gegner, die ganze Klasse der Dinge, die alles und jedes als Grund des Vertrauens außer Christus einschließen, lässt er jetzt außer Acht: Was mir aber ein Gewinn war, das halte ich um Christi willen für einen Nachteil. Früher hatte er es für einen großen Gewinn gehalten, in den Räten der Pharisäer hoch zu stehen, vor den Menschen Ehre zu haben. Aber nun hatte er das Verhältnis der wahren Werte kennengelernt, er hatte herausgefunden, dass in diesen äußeren Dingen kein wahrer Gewinn, kein bleibender Wert lag. Als er Christus kennen lernte, wurde alles andere in seiner Wertschätzung auf seinen Platz verwiesen; er wusste nun, dass alle pharisäische Heiligkeit ihm schadete, ihm Schaden zufügte. Es war unnützer Ballast, buchstäblich, was man über Bord wirft, um sein Leben zu retten. Sie war schlimmer als wertlos, wenn man sie mit Dingen von wirklichem Wert vergleicht, denn sie stand im Weg, wenn es um die Erlangung dauerhafter Segnungen ging.

    Und so unterstreicht Paulus: Ja, auch ich halte alles für einen Schaden um der überreichlichen Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, willen, um dessentwillen ich alles für einen Verlust halte und für einen Kot, damit ich Christus gewinne. Es ist eine weitreichende, nachdrückliche Aussage, die mit triumphaler Inbrunst hervorsprudelt. Alles in der weiten Welt, was auch immer es bieten und bewirken mag, was das gegenwärtige Leben betrifft, hält Paulus für mehr als nutzlos, für ein Hindernis, für ein Hindernis auf dem Weg des Heils und der Heiligung. Denn nun hat er Christus kennengelernt. Die Überfülle, die Vorzüglichkeit, die übergroße Größe der Erkenntnis Jesu hat sein ganzes Herz und seinen ganzen Verstand erfüllt. Alles andere hat er mit Freuden um Christi willen von sich geworfen. Alles, was nicht mit Christus verbunden ist, betrachtet er als Mist, als Abfall. Um Christi willen hat er alle Verluste in den Dingen dieser Welt als Gewinn betrachtet, damit er Christus gewinnen kann. Dieses Ziel hat er nun erreicht; er hat die volle, die gründliche Erkenntnis Christi erhalten, er hat Christus selbst gewonnen, sein Heiland ist sein kostbarster Besitz,

    Kein Wunder, dass die jubelnde Stimme des Paulus sich zum Lob dieses herrlichen Besitzes erhebt: Und werdet in ihm gefunden, nicht meine Gerechtigkeit habend, die aus dem Gesetz ist, sondern die durch den Glauben an Christus, die Gerechtigkeit aus Gott durch den Glauben. Diesen gesegneten Zustand zu erlangen, das war das Ziel des Paulus, als er sich in der Bekehrung durch die Kraft Gottes Christus zuwandte. Seine eigene Gerechtigkeit genügte ihm nicht mehr, die Gerechtigkeit des Gesetzes konnte dem Maßstab der Heiligkeit Gottes nicht gerecht werden; er musste eine bessere Gerechtigkeit und Herrlichkeit haben. Wenn ein Gläubiger in Christus gefunden wird, wenn er Christus im wahren Glauben angenommen hat, dann hat er auch die Gerechtigkeit Christi. Christus und die wahre Gerechtigkeit sind untrennbar miteinander verbunden. Wer Christus durch den Glauben gewinnt, hat die wahre, vollständige, vollkommene Gerechtigkeit. Sie ist vom Erlöser durch sein Sühnewerk erworben worden und liegt bereit, um durch den Glauben ergriffen zu werden, um in und mit Christus, der durch den Glauben empfangen wird, erlangt zu werden. Es handelt sich nicht um eine Gerechtigkeit, die durch den Glauben vorbereitet und ins Leben gerufen wird, auch nicht um eine, die durch den Glauben erworben wird, sondern um eine, die durch den Glauben ergriffen wird. Es ist die Gerechtigkeit aus Gott, auf der Grundlage des Glaubens. Es ist keine Gerechtigkeit, die Gott dem Menschen einfach gibt oder schenkt, keine absolute Gabe. Nein, es ist eine forensische Gerechtigkeit, eine, die man sich verdient hat und die deshalb vor dem Richterthron Gottes geltend gemacht werden kann. Gott erkennt das Recht des Gläubigen auf diese Gerechtigkeit an, er erklärt den Gläubigen für gerecht. Weil der Glaube die Gerechtigkeit Jesu annimmt, sieht Gott den Glauben als Mittel zur Rechtfertigung an. Gott gibt dem Gläubigen die Gerechtigkeit Christi und sieht ihn als gerecht an, während der Ungläubige leer ausgeht, weil er Gottes Geschenk des Glaubens und der Gerechtigkeit verachtet hat.

    Der Glaube wird so auch zu einem Mittel zum Zweck: Ihn zu erkennen und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden, indem ich seinem Tod gleichgestaltet werde, wenn ich vielleicht die Auferstehung der Toten erlangen kann. Das sind die Ergebnisse des Glaubens, das sind die Gaben, die dem geschenkt werden, der glaubt. Er weiß, dass Christus, der Erlöser, vor seinen staunenden Augen offenbart wird. Tag für Tag wird ihm die Schönheit des Erlösers deutlicher vor Augen geführt. Er kennt auch die Kraft seiner Auferstehung, er erfährt die göttliche Macht dessen, der von den Toten auferstanden ist, der durch seine Auferstehung bewiesen hat, dass das Heil wahrhaftig und vollständig erlangt wurde und dass Gottes Zorn vollständig besänftigt wurde, dass er mit dem stellvertretenden Werk Christi vollkommen zufrieden war. Diese Kraft der Auferstehung Christi zeigt sich auch in dem Einfluss, den sie auf den neuen Menschen hat, indem sie ihm die Kraft gibt, in einem neuen Leben zu leben. Die Auferstehung Christi lebt in den Christen, er ist die Kraft ihres ganzen Lebens. Gleichzeitig verstehen die Gläubigen aber auch die Gemeinschaft mit seinen Leiden. Sie erfahren die Kraft seines Todes, sie werden ihm in seinen Leiden und in seinem Tod gleich. Sie ertragen alle Arten von Trübsal um Christi willen. Sie kreuzigen ihr Fleisch mit seinen Neigungen und Begierden, wodurch sie auch ein sehr wertvolles Gut gewinnen. Und dieses geistliche Leben, das sich auf so vielfältige Weise manifestiert, hat sein Ziel, findet seine Erfüllung, seine Vollendung im Leben nach der letzten Auferstehung. Nach dem großen Tag des Gerichts, wenn alle Toten vor dem Richterstuhl Christi erscheinen, wird das wahre Leben der Gläubigen beginnen. Auf dieses Leben ist die ganze Sehnsucht der Gläubigen gerichtet. Nach diesem Ziel streben wir. Es dient dem Christen selbst als Argument, um alles andere als wertlos zu betrachten. ALLE judaisierenden Einflüsse gefährden diesen Gewinn, diesen Glauben. Anmerkung: Wenn alle Christen lernen könnten, diese Worte nach dem Apostel in der Fülle ihres Glaubens zu wiederholen, würden alle Klagen über Lauheit im individuellen und gemeinschaftlichen Leben bald unnötig werden.

 

Die Heiligung folgt der Rechtfertigung; die Vollendung der christlichen Hoffnung (3,12-21)

    12 Nicht, dass ich’s schon ergriffen habe oder schon vollkommen sei; ich jage ihm aber nach, ob ich’s auch ergreifen möchte, nachdem ich von Christus Jesus ergriffen bin. 13 Meine Brüder, ich schätze mich selbst noch nicht, dass ich’s ergriffen habe. Eines aber sage ich: Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich zu dem, das da vorne ist, 14 und jage nach dem vorgesteckten Ziel, nach dem Kleinod, welches vorhält die himmlische Berufung Gottes in Christus Jesus. 15 Wieviel nun unser vollkommen sind, die lasst uns so gesinnt sein. Und sollt ihr sonst etwas halten, das lasst euch Gott offenbaren, 16 doch so ferne, dass wir nach einer Regel, darein wir gekommen sind, wandeln und gleichgesinnt seien.

    17 Folgt mir, liebe Brüder, und sehe auf die, die so wandeln, wie ihr uns habt zum Vorbild. 18 Denn viele wandeln, von welchen ich euch oft gesagt habe, nun aber sage ich auch mit Weinen: Die Feinde des Kreuzes Christi; 19 welcher Ende ist die Verdammnis, welchen der Bauch ihr Gott ist, und ihre Ehre zuschanden wird, derer, die irdisch gesinnt sind. 20 Unser Wandel aber ist im Himmel von wo wir auch erwarten den Heiland Jesus Christus, den HERRN, 21 welcher unsern nichtigen Leib verklären wird, dass er ähnlich werde seinem verklärten Leib, nach der Wirkung, damit er kann auch alle Dinge ihm untertänig machen.

 

    Des Christen Eifer in der Heiligung (V. 12-16): Paulus macht sich hier zum Vorbild für alle Christen. Er zeigt, welchen Gewinn es bedeutet, Christus zu haben und ihm zu folgen. Er ist im Besitz der Gerechtigkeit Christi, er hat die Kraft von Christi Tod und Auferstehung an sich selbst erfahren. Das heißt aber nicht, dass die Vollkommenheit nun erreicht ist: Nicht, dass ich die Vollkommenheit bereits erlangt hätte oder bereits vollendet wäre. Das wird nicht vom Glauben gesagt, denn der Glaube nimmt den ganzen Christus mit allen seinen Segnungen auf einmal an. Wenn der Apostel vom Empfangen, vom Erreichen spricht, meint er die Heiligung. Das Ziel, das er anstrebt, ist die Teilhabe an allen Segnungen der Auferstehung Christi. Christus gehört ihm in der ganzen Fülle seiner Gnade und Barmherzigkeit, und er ist ein Erbe des Heils, aber seine Vollendung, seine Vollendung ist noch nicht in seinem Besitz. Diese Vollendung, wenn er alle Schwächen des Fleisches, alle kleinen Ärgernisse und Marotten ablegen wird, wird im Himmel erreicht, wenn er die eigentlichen Segnungen des Heils ohne jede äußere Einmischung genießen wird. Das himmlische Leben in der Ewigkeit ist ein Zustand der Vollkommenheit, der vollständigen Erfüllung. Der Apostel hat diesen Zustand schon vor Augen, aber er hat ihn noch nicht erreicht. Er muss noch laufen, er muss noch kämpfen. Aber er folgt ihr nach, damit er sie festhalten kann. Er darf sein Ziel nicht aus den Augen verlieren, er muss sich weiter bemühen auf der Grundlage der Tatsache, dass er von Christus Jesus vollständig aufgenommen wurde. Christus hat ihn eingeschrieben, ihn zu einem der Seinen gemacht, ihn unter die Seinen gestellt. Der Gläubige hat Christus als seinen Besitz, so wie Christus ihn als seinen Besitz hält. In dieser wunderbaren Gemeinschaft mit Christus wünscht er sich, das Ende des Lebens zu erreichen. Er sehnt sich nach der Vollendung seiner Hoffnungen, er sehnt sich danach, ein aktiver Teilhaber der himmlischen Herrlichkeit zu werden. Das ganze Denken, das Sehnen, die Sehnsucht der Christen ist himmelwärts gerichtet.

    Der Apostel fährt fort, auf sein eigenes Beispiel zu drängen: Brüder, ich selbst sehe noch nicht, dass ich etwas erreicht habe, sondern nur eines: Ich vergesse das, was hinter mir ist, und strecke mich nach dem aus, was vor mir ist, und strebe nach dem Ziel, dem Vorzug der Berufung Gottes oben in Christus Jesus. Die Ermahnung des Paulus an dieser Stelle ist ein dringender Aufruf an seine Mitgläubigen. Was seine eigene Person betrifft, so wiederholt er, dass er die letzte Herrlichkeit noch nicht ergriffen hat; das letzte große Ziel liegt noch vor ihm. Aber diese Tatsache beunruhigt und bedrückt ihn nicht; denn eines ist der Fall: Er vergisst alles, was hinter ihm liegt, alle falschen Bewegungen und Enttäuschungen und unangenehmen Erfahrungen, mit denen er zu kämpfen hatte. Wie ein Läufer, der sich vorwärts beugt, wenn er sich bis zum Äußersten anstrengt, wenn er sich dem Ende des Rennens nähert, so streckt er sich nach den Dingen aus, die vor ihm liegen. Sein einziger Gedanke ist, das Ende, die Erfüllung, den Sieg zu erreichen, und das so schnell wie möglich. Er vergisst nicht, was er im christlichen Glauben gewonnen hat. Das sind keine Dinge, die man leichtfertig vergisst, denn sie sind nicht leichtfertig errungen worden. Aber das ist ja auch nur bares Geld und eine Garantie für die Zukunft. Deshalb blickt er mit jeder Faser seines Körpers nach vorn, denn sein Ziel ist ein Preis und eine Prämie, ein kostbares und schönes Geschenk, weit über alles menschliche Verständnis hinaus. Es ist eine Krone und Belohnung christlicher Tapferkeit, die ihn anspornt, das letzte Quäntchen seiner Kraft einzusetzen. Es ist der Preis der himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus. Dieser Ruf Gottes hat die Christen in und durch Jesus Christus erreicht. Durch den Ruf Gottes wurden die Gläubigen zu Christus hingezogen, sie haben ihn als ihren Retter gefunden und angenommen. Das ist die Bekehrung. Und in der Bekehrung werden die Gläubigen aus dieser Welt herausgerufen in die himmlische Heimat. In diesem Ruf ist der Preis der himmlischen Berufung bereits in Aussicht gestellt, das Ziel ist vor Augen. So sind alle Gedanken der Christen himmelwärts gerichtet. Kein Gedanke an irdische Dinge darf ihre Gedanken vom Himmel ablenken.

    In diesem Sinne hat die sanfte Ermahnung des Paulus eine Kraft, die über den bloßen Inhalt seiner Worte hinausgeht: So viele vollkommen sind, lasst uns dies denken; und wenn ihr in irgendetwas anders denkt, so wird Gott auch dies an euch aufdecken. Der Apostel macht hier einen Unterschied zwischen den Christen, wobei die Vollkommenen den Unmündigen gegenübergestellt werden. Vgl. 1. Kor. 14,20. Diejenigen, die eine klare und volle christliche Erkenntnis haben, die sie durch eine lange Erfahrung mit Christus gewonnen haben, sollten so denken wie der Apostel und deshalb darauf bestehen, die Kämpfe der Vergangenheit hinter sich zu lassen und nach dem Neuen und Guten zu streben. Je mehr ein Christ in der Heiligung wächst, je mehr er feststellt, dass es große Lücken in seiner christlichen Erkenntnis und in seiner Heiligung gibt, desto eifriger arbeitet er an seiner Heiligung. Da die von Paulus verwendete Sprache diejenigen entmutigen könnte, die schwach in der Erkenntnis sind, beeilt er sich hinzuzufügen, dass, falls jemand noch anders über die Sache denkt, Gott es ihm auch offenbaren wird. Wenn die Erkenntnis einiger Geschwister noch nicht vollkommen ist, wird Gott ihnen das richtige Verständnis geben. Denen, die wirklich um ihr Heil besorgt sind, gibt Gott von Tag zu Tag eine bessere Erkenntnis; das ist ein Teil des Fortschritts in der Heiligung. Und was die anderen angeht, so sollten sie, soweit sie gekommen sind, entsprechend wandeln. Jeder Christ sollte das, was er gelernt hat, in seinem Leben anwenden. Es genügt, wenn er alles, was er mit dem Verstand des Glaubens erfasst hat, in die Praxis umsetzt. Am Evangelium festzuhalten, am Herrn und seiner Wahrheit, am Wort der Gnade, das ist die wesentliche Aufgabe der Christen.

 

    Ein warnender Ruf (V. 17-21): Der Apostel stellt sich hier seinen Lesern erneut als Beispiel vor: Seid meine Nachahmer, Brüder, und achtet auf die, die so wandeln, wie ihr uns zum Vorbild habt. In dieser Hinsicht konnte der Apostel seine eigene Person und die seiner Mitarbeiter als Typen und Beispiele vorführen. Jeder Pastor sollte seiner Herde auch in Sachen Heiligung ein Vorbild sein, damit die Glieder seiner Schar ihn als Muster ansehen, damit sie so wandeln und leben, wie sie ihn als Vorbild haben. Alle wahren Christen werden gerne Nachahmer des Apostels sein, seinem Beispiel und dem jedes wahren Arbeiters im Herrn folgen. Und die fortgeschritteneren Christen sind wiederum Vorbilder für die schwächeren Geschwister, denen sie nacheifern können.

    Das ist sehr notwendig: Denn es wandeln viele, von denen ich euch oft gesagt habe, aber jetzt sage ich es auch weinend, die Feinde des Kreuzes Christi, deren Ziel das Verderben ist, deren Gott der Bauch und die Herrlichkeit in der Schande ist, die an die Dinge der Welt denken. Die guten Vorbilder und Beispiele unter den christlichen Brüdern müssen umso sorgfältiger befolgt werden, als es auch falsche Führer gibt, die die schwächeren Brüder leicht verführen können. Vor diesen hatte der Apostel in den alten Tagen des persönlichen Umgangs oft gesprochen, er hatte sie sorgfältig gewarnt. Aber jetzt ist er gezwungen, seine Warnung unter Tränen zu wiederholen. Aus den Berichten, die ihm zugetragen worden waren, hatte Paulus erfahren, dass es unter denen, die den Führungsanspruch erhoben, falsche Christen, Abtrünnige gab, solche, die das wahre Christentum verleugnet hatten. Diese Männer entlarvt er nun als Feinde des Kreuzes Christi. In ihrem ganzen Leben leugnen sie die Kraft und Wirksamkeit des Kreuzes, des Heils Christi und seiner Botschaft. Solche falschen Brüder müssen umso sorgfältiger gemieden werden, als ihr Ziel die Zerstörung ist. Wer ihrer Führung folgt, wird von ihnen in die ewige Verdammnis geführt. Ihr ganzer Anschein von Heiligkeit ist nichts als Heuchelei, wie ihre Opfer zu ihrem großen Leidwesen feststellen werden. Bei aller christlichen Verkleidung ist ihr einziger Lebenszweck, die Summe und Substanz ihres Denkens und Planens, das Essen und Trinken, die Befriedigung ihrer sinnlichen Begierden, der Begierden des Körpers. Sie betrachten als Ruhm, als etwas, worauf sie stolz sein können, sie suchen das Glück in solchen Dingen, die in Wirklichkeit ihre Schande sind, mit denen sie nur die letzte Verachtung auf sich selbst häufen werden. Ihre sogenannte Freiheit ist nichts anderes als die Knechtschaft der sinnlichen Begierden. Sie denken nur an fleischliche Dinge, an Dinge, die zu dieser Welt gehören. Paulus sagt nicht, dass sie Sklaven aller Laster sind. Aber er bezieht sich auf solche, die sich ihres sittlichen Lebens, ihrer bürgerlichen Rechtschaffenheit rühmen, unter deren Deckmantel sie aber nur die Befriedigung der Dinge dieser Welt suchen. Diese Männer gehörten nicht zur Gemeinde in Philippi, sondern standen in Verbindung mit den Irrlehrern, die versuchten, in die Gemeinde einzudringen. Die beiden Klassen von Menschen ergänzen sich, die einen suchen eine äußerliche, formale Gerechtigkeit und lehren die Menschen entsprechend, die anderen benutzen solche äußerlichen Formen als Deckmantel für fleischliche Begierden und Befriedigungen. Diese Charakterisierung trifft in vielen Fällen auch heute noch zu. Die allgemeine Veranlagung und moralische Tendenz der Mehrheit, selbst derjenigen, die sich für Christen halten, ist weltlich. Äußerlich ein Mantel aus christlichem Anstrich, Zeremonien und Moral, und gleichzeitig alle Vergnügungen und Zeitvertreibe der unchristlichen Welt. Solche Menschen und Gemeinden sind eine ständige Bedrohung für alle aufrichtigen Christen. Jeder Christ neigt dazu, sich selbst gegenüber so nachsichtig wie möglich zu sein, und wird daher leicht auf Pfade der blumigen Bequemlichkeit geführt, zum Nachteil des Heils seiner Seele.

    Der Kontrast, den das Leben der wahren Christen bietet, ist deutlich: Denn unser Bürgerrecht ist im Himmel, von wo wir auch den Erlöser, den Herrn Jesus Christus, erwarten, der den Leib unserer Niedrigkeit umgestalten wird, damit er dieselbe Gestalt habe wie der Leib seiner Herrlichkeit, nach dem Wirken seines Vermögens, sich alles untertan zu machen. Eine weitere erhabene Passage, die den Leser irgendwie über die Grenzen dieses irdischen Lebens hinaus in die jenseitige, gesegnete Heimat versetzt. Sie, die Feinde, haben alle ihre Interessen hier unten, sie wollen nur die Befriedigung ihrer weltlichen Ambitionen. Aber die Gedanken der Christen sind himmelwärts gerichtet, denn sie sind Bürger im Himmel. Ihre Heimat, ihre Interessen, sind im Himmel; das ist ihr wahres Vaterland, ihre Heimat; dort ist ihnen ihr Bürgerrecht sicher. Und die Gläubigen blicken sehnsüchtig zum Himmel auf, weil sie auch den Erlöser aus dem himmlischen Staat, aus der Heimat oben, erwarten, erwarten. Dort ist die Stätte für uns bereitet, wo wir ewig leben werden, Er ist unser Retter zu allen Zeiten, als unser Beistand beim Vater setzt Er das Werk Seines Amtes fort. Aber der letzte Akt Seines Heils steht uns noch bevor, nämlich wenn Er uns von allem Bösen erlösen und in Sein himmlisches Königsdomizil versetzen wird. Übrigens wird er uns von unserem schwachen und sündigen Fleisch befreien, das ein ständiges Hindernis für alle guten Werke ist. Wenn Er kommt, wird Er den Körper dieses unseres niederen, gemeinen Zustands verändern. Er wird das Aussehen, die Form dieses Körpers verändern. Das ist das Endziel der Heiligung, soweit es unseren physischen Körper betrifft, dass er von seiner Gebrechlichkeit, von seinem sündigen Zustand, dem Ergebnis des Sündenfalls, gereinigt wird. Der Körper selbst, der dem Tod unterworfen ist, sinkt ins Grab und wird eine Beute der Korruption und der Würmer. Aber das ist noch nicht das Ende. Christus wird am Jüngsten Tag die Gestalt der Christen in das Gleichnis seines herrlichen Leibes verwandeln. ALLE Sündhaftigkeit, alle Schwäche, alle Folgen der Sünde werden aus unserem Leib herausgezogen. Die Herrlichkeit des erhöhten Christus wird diesen unseren Leib durchdringen, und er wird zu einem geistigen Leib werden. Das göttliche Licht und Wesen wird den ganzen Körper durchdringen und ihn zu einem heiligen, herrlichen, schönen Körper machen. Das ist das wunderbare Ende, auf das wir uns freuen. Christus wird seine allmächtige Macht einsetzen, um dieses Ergebnis herbeizuführen. Er, dem selbst Tod und Verderben unterworfen sind, wird uns von allen Übeln dieser Welt befreien und uns mit den geistigen Leibern seiner Herrlichkeit bekleidet nach Hause bringen.[3]

 

Zusammenfassung: Der Apostel warnt vor judaisierenden Lehrern, erklärt, dass er mehr Grund hat, sich zu rühmen, als sie, dass er aber alles andere um des Besitzes Christi willen freudig verworfen hat; er stellt sich selbst als Typus und Beispiel vor seine Leser und drängt sie, in der Heiligung voranzuschreiten und so das himmlische Ziel mit seinen Herrlichkeiten zu erreichen.

 

 

Kapitel 4

 

Festigkeit und Einmütigkeit sind geboten (4,1-3)

    1 Also, meine lieben und gewünschten Brüder, meine Freude und meine Krone, besteht also in dem HERRN ihr Lieben! 2 Die Evodia ermahne ich, und die Syntyche ermahne ich, dass sie eines Sinnes seien in dem HERRN. 3 Ja, ich bitte auch dich, mein treuer Geselle, stehe ihnen bei, die samt mir über dem Evangelium gekämpft haben mit Clemens und den anderen meinen Gehilfen, welcher Namen sind in dem Buch des Lebens.

 

    Der Apostel zieht hier die Schlussfolgerung aus der vorangegangenen Ermahnung: Darum, meine geliebten und ersehnten Brüder, meine Freude und meine Krone, steht fest in dem Herrn, Geliebte. Welch eine Welt der Freundlichkeit steckt in diesen ansprechenden Worten, in denen der Apostel die Philipper nicht nur als seine Geliebten anspricht, sondern auch die Zärtlichkeit seiner Zuneigung zu ihnen zeigt, indem er schreibt, dass er sich mit Heimweh nach ihnen sehnt, dass sein Herz bei ihnen sein möchte. Sie sind seine Freude, sie haben ihm immer Anlass zur Freude gegeben. Sie sind die Krone seiner Arbeit, wie sie treuen Hirten als große Ehre zuteil wird. Deshalb sollen sie in ihrem christlichen Glauben und Leben fest stehen; sie sollen sich nicht von den Irrlehrern und ihren Anhängern verführen lassen; sie sollen beide Extreme, Selbstsucht und Fleischeslust, meiden. Der Apostel hat das Vertrauen in sie, dass sie seine Erwartungen erfüllen werden.

    Der allgemeinen Ermahnung zur Festigkeit, die aus der Einmütigkeit erwächst, fügt der Apostel eine besondere Ermahnung hinzu: Euodia ermahne ich, und Syntyche ermahne ich, dasselbe in dem Herrn zu denken. Er möchte, dass diese beiden Frauen ihre Differenzen ablegen. Beide waren bekannte, aktive Mitglieder der Gemeinde in Philippi. Aber es gab einen Riss in den Lauten, wahrscheinlich aufgrund von Eifersucht; es gab Meinungsverschiedenheiten, die sich mit der Reinheit des Gemeindelebens umso tiefer abzusenken drohten. So ermahnt Paulus sie, in Harmonie zu arbeiten, einmütig zu sein, ihre Entfremdung, ihre Entfremdung abzulegen. Das Gleiche geschieht auch in unseren Tagen, dass nämlich die Frauen in den verschiedenen Organisationen der Kirche von Eifersucht geplagt werden und so die Ruhe der konstruktiven Arbeit stören. Eine vorsichtige, aber entschiedene Ermahnung kann eine Störung verhindern.

    Die Angelegenheit bereitete dem Apostel einige Sorgen, wie seine nächsten Worte zeigen: Ja, ich bitte dich auch, mein aufrichtiger Jochgenosse, hilf diesen Frauen, die mit mir im Evangelium gestritten haben, mit Clemens und den anderen Mitarbeitern, deren Namen im Buch des Lebens stehen. Die Meinungsverschiedenheiten waren so groß, dass Paulus zu befürchten schien, die schriftliche Ermahnung allein könne in diesem Fall keinen Erfolg haben; deshalb bittet er seinen Jochgenossen, einen der Bischöfe oder Presbyter der Gemeinde in Philippi, ernsthaft, sich dieser Sache anzunehmen. Anmerkung: Das Wort, das mit „Jochgenosse“ übersetzt wird, kann ein Eigenname sein, Synzygos, der Name eines der Bischöfe oder eines anderen bekannten Mitglieds. Er sollte diesen Frauen in ihren Schwierigkeiten helfen, ihnen beistehen, ihnen einen Ausweg aus ihren tatsächlichen oder vermeintlichen Missständen zeigen. Wenn nötig, sollten Clemens und alle anderen Mitarbeiter, wahrscheinlich das gesamte Presbyterium, angerufen werden, um den Streit zu schlichten und die Harmonie wiederherzustellen. Die Namen dieser Mitarbeiter des Apostels stehen im Buch des Lebens, sie sind in die Liste der Auserwählten zur Errettung eingetragen. Markus: Von diesen beiden Frauen wird gesagt, dass sie mit dem Apostel im Evangelium Jesu Christi eifrig gearbeitet haben. Frauen sind keineswegs von der aktiven Teilnahme an der Arbeit der Kirche ausgeschlossen, aber ihre taktvolle Arbeit kann viel dazu beitragen, die Sache des Evangeliums voranzubringen, wenn sie sich nicht in eifersüchtige Streitigkeiten verwickeln lassen.

 

Die Freude der Christen, besonders in ihrer Gemeinschaft mit Christus (4,4-9)

    4 Freut euch in dem HERRN allewege; und abermals sage ich: Freut euch! 5 Eure Lindigkeit lasst kund sein allen Menschen. Der HERR ist nahe. 6 Sorgt nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitte im Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kund werden. 7 Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!

    8 Weiter, liebe Brüder, was wahrhaftig ist, was ehrbar, was gerecht, was keusch, was lieblich, was wohl lautet, ist etwa eine Tugend, ist etwa ein Lob, dem denkt nach. 9 Welches ihr auch gelernt und empfangen und gehört und gesehen habt an mir, das tut, so wird der HERR des Friedens mit euch sein.

 

    Die sorgenfreie Freude der Gläubigen (V. 4-7): Hier bringt der Apostel noch einmal das Thema des Briefes zum Ausdruck. Er war gezwungen, diese Warnung vor Disharmonie aufzunehmen, aber sein Herz war von Liebe und Freude gegenüber den Philippern erfüllt. Und so bricht er in einen weiteren Appell aus: Freuet euch in dem Herrn allezeit; abermals sage ich: Freuet euch! Bei den Christen ist die Freude immer im Herrn und um des Herrn willen. Das ist das Grundgefühl ihres ganzen Lebens, sich über das Heil zu freuen, das ihnen durch das Sühnewerk Christi zuteil geworden ist, jubelnde Freude über die Gemeinschaft mit seiner heiligmachenden Kraft zu empfinden. Damit die Philipper nicht den Einwand erheben, es sei unmöglich, sich inmitten der Trübsal dieses Jammertals immer zu freuen, wiederholt Paulus seine Ermahnung und schneidet damit alle Einwände ab: Die Christen können und sollen sich immer freuen. Vgl. 2. Kor. 4,8. 9

    Aus diesem Gefühl heraus, das ihr ganzes Leben beherrscht, folgt: Eure Milde verkündet allen Menschen; der Herr ist nahe. In dem griechischen Wort, das Paulus hier gebraucht, ist so viel enthalten: Mäßigung, Nachsicht, Sanftmut, Geduld, Selbstlosigkeit, Gerechtigkeit, Milde; es ist jene Eigenschaft, mit der ein Christ immer das Beste aus allem herausholt. Dies soll vor allen Menschen offenbar werden, es folgt aus der Freude des Glaubens, aus der Erkenntnis ihrer Annahme bei Gott. Allen Menschen gegenüber sollten sie dieses Gefühl zeigen, denn es ist die einzige charakteristische Haltung, die dazu führen wird, Menschen für das Christentum zu gewinnen. Natürlich muss es immer einen kompromisslosen Widerstand gegen alles geben, was böse ist und vom Wort Gottes verurteilt wird, aber dies darf nie in Grobheit und Härte enden, was mit dem Geist Christi unvereinbar wäre. In diesem Zusammenhang sollten die Christen immer daran denken, dass Christus nahe ist, dass sein Kommen unmittelbar bevorsteht. Er will seine Gläubigen von allem Bösen erlösen. Sie werden immer bei dem Herrn sein. Dann werden alle Bedrängnisse, alle Ängste, Sorgen und Nöte dieses Lebens vorbei sein. Angesichts dieser Aussicht ist irdisches Gezänk und Gerangel völlig unbedeutend. Dieser Gedanke sollte die Christen stets ermutigen und anspornen, wahre Nachsicht zu üben.

    Ein weiterer Gedanke ergibt sich aus den dargestellten Tatsachen: Um nichts sollt ihr euch sorgen, sondern in allem sollt ihr mit Flehen und Gebet und Danksagung eure Wünsche vor Gott kundtun. Das ist eine klare und umfassende Aufforderung. Die Christen sollen nicht ängstlich sein, sich nicht mit Sorgen und Ängsten um irgendetwas in diesem Leben aufreiben. Die Philipper mögen Anlass zur Sorge gehabt haben, denn sie litten unter der Feindseligkeit vieler Gegner. Aber anstatt sich um die Dinge dieser Welt zu sorgen, sollten sie ihr ganzes Vertrauen auf den Herrn setzen und alle Angelegenheiten seiner väterlichen Leitung und Fürsorge überlassen. Im allgemeinen Gebet und im besonderen Flehen, verbunden mit Danksagungen, sollen sie ihre Anliegen vor Gott kundtun. Selbst die kleinste, scheinbar unbedeutende Kleinigkeit des täglichen Lebens wie auch die großen, bedeutsamen Tatsachen, mit denen sie konfrontiert werden, sollten Gott zur Kenntnis gebracht werden. Nichts ist zu klein für seine Aufmerksamkeit, wenn es das Wohlergehen seiner Kinder oder der Kirche betrifft. Und das Danken darf niemals unterlassen werden. Es ist ein wesentlicher Bestandteil des Gebetes, da die Gaben des Herrn uns immer umgeben und wir nie ohne konkrete Gründe für eine Danksagung sind. Wenn ein Christ dieses Gebot sorgfältig befolgt, wird er immer in der richtigen Stimmung und im richtigen Geist sein, um allen Menschen gegenüber freundlich zu sein.

    Da es sich jedoch um Gaben handelt, die ein Christ weder aus eigener Kraft erlangen noch aus eigener Kraft erhalten kann, fügt der Apostel den Wunsch des Gebets hinzu: Der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, bewahre eure Herzen und eure Gedanken in Christus Jesus. Der Friede Gottes befähigt die Gläubigen zu dem, was sie aus eigener Vernunft und Kraft nicht leisten können. Er bewahrt die Herzen der Christen in der Gewissheit, dass seine Gegenwart und Verheißung jederzeit bei ihnen ist und dass es nur notwendig ist, sich in kindlichem Glauben auf ihn zu verlassen. Der Friede Gottes ist ein Zustand, der zwischen Gott und dem Menschen als Folge der Errettung entstanden ist. Es gibt nun keine trennende Mauer der Feindschaft mehr zwischen Gott und Mensch, sondern nur noch die Fülle des Friedens. Dieses Bewusstsein bewegt und leitet die Christen in all ihren Beziehungen zu ihren Mitmenschen, es hält ihre Herzen in einer wunderbaren Wache und Hut. Denn dieser Friede Gottes übersteigt alles Verstehen. Er ist nicht nur zu wunderbar für alles menschliche Verstehen und Begreifen, sondern er ist stärker als alles menschliche Verstehen, er vermag weit mehr zu leisten als jeder menschliche Verstand. Was der menschliche Verstand, die Vernunft und der Verstand nicht vermag, das vermag der Friede Gottes mit Leichtigkeit zu tun. Er hält das Herz im Zaum, er wacht über den Verstand, er bewahrt vor allen bloß menschlichen Neigungen und sündigen Gedanken. Und das ist nur möglich, weil die Wirksamkeit dieses Friedens auf seiner Verbindung mit Jesus Christus beruht. Er ruht in dem Erlöser der Menschheit. Denn durch Christus ist der Friede Gottes, mit Gott, gewonnen. Wenn wir fest in Christus Jesus stehen, werden wir so denken und handeln, wie es ihm wohlgefällig ist. So durchdringt und beherrscht der Friede Gottes die gesamte Existenz der Christen, er ist der primäre Einfluss auf ihr Leben.[4]

 

    Christliches Voranschreiten in allen Tugenden (V. 8-9): Damit Friede und Freude in den christlichen Herzen und in den christlichen Gemeinden bleiben, ist es notwendig, dass die Christen alles vermeiden, was diese Harmonie des Geistes stören könnte. Ihre Gedanken müssen ausschließlich auf Dinge gerichtet sein, die Gott wohlgefällig sind. Das ist der Beweis für den wahren Fortschritt in der Heiligung: das zu suchen, was Gott gefällt und dem Nächsten nützt. Der Apostel zählt die Tugenden auf, die die Gläubigen im Auge behalten sollen, über die sie nachdenken sollen. Ihr Denken soll sich mit Dingen beschäftigen, die wahr, wahrhaftig, wahrheitsliebend, aufrichtig, freimütig und offen sind, besonders Gott gegenüber, der die Herzen und den Verstand erforscht; mit Dingen, die ehrlich oder ehrenhaft sind, die zur wahren christlichen Würde gehören und ihr entsprechen, denn die Christen dürfen nie vergessen, was sie ihrer Stellung als Kinder Gottes in der Welt verdanken; mit Dingen, die gerecht und richtig sind, die mit allen gerechten Erwartungen der Menschen übereinstimmen, die mit dem Gesetz übereinstimmen. Die Gläubigen sollen auch sorgfältig über Dinge nachdenken, die rein, keusch, sauber in Worten und Taten sind, sich niemals lasziver Anspielungen oder schmutziger Taten schuldig machen; über Dinge, die lieblich, wohlgefällig sind, nicht nur alles eitle und leere Gerede, sondern vor allem anstößige Geschwätzigkeit unterlassen; über Dinge, die von gutem Ruf sind, die der christlichen Religion Ehre machen und die Menschen nicht dazu bringen, das christliche Gespräch mit dem der Welt gleichzusetzen. All diese Dinge werden die Christen zum Gegenstand ihrer Betrachtungen machen und ihnen ihre Aufmerksamkeit widmen. Im Allgemeinen sollte alles, was ausgezeichnet und lobenswert ist, der ständige Gegenstand der Gedanken eines jeden Christen sein. In allen Dingen, zu allen Zeiten und an allen Orten soll die Heiligung der Christen offensichtlich sein.

    Um diese Ermahnung zu verdeutlichen, führt Paulus sein eigenes Beispiel an: Was ihr gelernt und empfangen und gehört und gesehen habt in mir, das tut; und der Gott des Friedens wird mit euch sein. Das sind die Dinge, die er gerade aufgezählt hat. Er hat das gute Gewissen, dass er in diesen Tugenden gewandelt ist, dass er den Philippern unter allen Umständen und auf jede Weise ein gutes Beispiel gegeben hat. Das tägliche Leben und Beispiel eines Pastors ist als Predigt in Taten von größter Bedeutung für die Arbeit der Kirche. Auf diese Weise wird die Beziehung der Erlösten zu Gott aufrechterhalten. Diese Punkte sind notwendig für die Erhaltung des Friedens und der Harmonie in der Kirche. Die Gewissheit der Gegenwart Gottes, des Gottes des Friedens, wird den Gläubigen gegeben, wenn sie den Worten des Apostels folgen.

 

Anerkennung der Freundlichkeit der Philipper (4,10-20)

    10 Ich bin aber hoch erfreut in dem HERRN, dass ihr wieder wacker geworden seid, für mich zu sorgen, wiewohl ihr allewege gesorgt habt; aber die Zeit hat’s nicht wollen leiden. 11 Nicht sage ich das des Mangels halben; denn ich habe gelernt, bei welchen ich bin, mir genügen lassen. 12 Ich kann niedrig sein und kann hoch sein; ich bin in allen Dingen und bei allen geschickt, beide, satt sein und hungern, beide, übrig haben und Mangel leiden. 13 Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht, Christus.

    14 Doch ihr habt wohl getan, dass ihr euch meiner Trübsal angenommen habt. 15 Ihr aber von Philippi wisst, dass von Anfang des Evangeliums, da ich auszog aus Mazedonien, keine Gemeinde mit mir geteilt hat nach der Rechnung der Ausgabe und Einnahme als ihr allein. 16 Denn nach Thessalonich sandtet ihr zu meiner Notdurft einmal und danach abermals. 17 Nicht, dass ich das Geschenk suche, sondern ich suche die Frucht dass sie überflüssig in eurer Rechnung sei. 18 Denn ich habe alles und habe überflüssig. Ich bin erfülle, da ich empfing durch Epaphroditus, was von euch kam, ein süßer Geruch, ein angenehmes Opfer, Gott gefällig. 19 Mein Gott aber erfülle alle eure Notdurft nach seinem Reichtum in der Herrlichkeit in Christus Jesus! 20 Dem Gott aber und unserem Vater sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

 

    Wie Paulus sich jeder Situation anpasste (V. 10-13): Dieser Abschnitt bringt den Dank des Paulus für die materielle Hilfe, die die philippinische Gemeinde mit Epaphroditus nach Rom geschickt hatte. Diese Gabe war der Anlass für den Brief, der den Apostel zum Schreiben veranlasste: Ich habe mich in dem Herrn sehr gefreut, weil nun endlich euer Denken an mich wieder aufgeblüht ist, woran ihr auch gedacht hattet, aber die Gelegenheit fehlte. Die Freude des Paulus ist deshalb so groß, weil ihre ängstliche Sorge um ihn wieder zu einer Aktivität aufgeblüht ist, wieder einen Beweis für ihr Fortbestehen gegeben hat. Ihre Fürsorge und Sorge um ihn hatte, wie bei früheren Gelegenheiten, wieder konkrete Formen angenommen. Früher hatten sie sich bemüht, mit ihm zu teilen, aber in letzter Zeit hatten die Umstände sie daran gehindert, sich an den gefangenen Apostel zu erinnern, vor allem die Verfolgung, unter der sie litten. Umso mehr freut sich Paulus, dass es ihnen nun gelungen ist. Er lobt sowohl ihren guten Willen als auch die Tat, die sie vollbracht haben. Er freut sich über den Herrn, denn er war es, der den Philippern eine so fröhliche und eifrige Bereitschaft ins Herz gelegt hatte.

    Zugleich beugt Paulus einem Missverständnis vor: Nicht, dass ich von Mangel rede; denn ich habe gelernt, mit dem zufrieden zu sein, was ich habe. Ich weiß mich ebenso gut erniedrigt, wie ich weiß, dass ich Überfluss habe; überall und in allen Dingen habe ich mich daran gewöhnt, sowohl Überfluss zu haben als auch Mangel zu leiden. Das ist die Summe der Erfahrungen, die Paulus bis zur Abfassung dieses Briefes gemacht hat. Er hatte nie wirklich Mangel gelitten. Er hatte genug zu essen und zu leben, aber aufgrund seiner Gefangenschaft fehlten ihm viele Annehmlichkeiten. Und so hat er Grund, dankbar und froh zu sein, weil dieser Mangel nun gestillt ist. Denn er hatte gelernt, mit dem zufrieden zu sein, was er hatte, sich jeder Situation anzupassen. Er war belehrt worden, er hatte die Lektion gelernt, sowohl niedrig zu sein, das Elend der Armut zu ertragen, als auch Überfluss zu haben, mit den Gütern dieser Welt gut versorgt zu sein, sowohl in einer niedrigen als auch in einer erhabenen Position zu sein. Daran hat er sich durch lange Übung und Gewohnheit gewöhnt. Ob er alles hat, was er braucht, und mehr, oder ob er Hunger leidet, die Aussicht lässt ihn ungeschoren, weil er alles erfahren hat.

    Der Grund, warum er sich über alle Anforderungen des Lebens erheben kann, ist: Ich kann alles tun in dem, der mich stärkt. Das ist die Zuversicht des Glaubens, ein Glaube, der über alle Möglichkeiten des Elends und der Bedrängnis siegreich ist, durch den wir mehr sind als Überwinder durch den, der uns geliebt hat, Röm. 8,37. Paulus ist in allem stark, kann alles ertragen, aber nicht in seiner eigenen Kraft und Fähigkeit, sondern in und durch Christus, seinen erhabenen Herrn, der ihn stark macht, der ihm etwas von seiner eigenen Kraft überträgt. In dieser Kraft kann er mutig sein, kann er den Angriffen seiner Feinde begegnen, kann er alle ihre Versuchungen überwinden. Das ist die Haltung eines jeden Christen: Er ist zufrieden mit dem, was Gott ihm schickt und gibt. Jeder Christ erlernt diese Kunst, wird in dieser Fähigkeit geübt, weil Christus ihn stärkt.

 

    Die Großherzigkeit der Philipper und Gottes Lohn (V. 14-20): Der Apostel lenkt nun die Aufmerksamkeit seiner Leser wieder auf die Philipper und ihre Gabe, wobei er ihnen mit seiner Zartheit und seinem Feingefühl nicht den Eindruck vermitteln will, dass er ihre Rücksichtnahme und Liebe nicht in vollem Umfang zu schätzen weiß: Trotzdem habt ihr gut daran getan, dass ihr an meinem Leid teilgenommen habt. Es war ein wahrhaft gutes Werk, ihm so zu gedenken. Es ist auch heute eine gute und lobenswerte Sache, wenn alle Christen für ihre Seelsorger in den Gaben dieser Welt gut sorgen. Das ist ein Beweis für ihre Liebe und Wertschätzung des Evangeliums.

    Paulus nennt nun Beispiele für die Großzügigkeit der Philipper: Ihr wisst aber auch, Philipper, dass am Anfang des Evangeliums, als ich aus Mazedonien wegging, keine Gemeinde mit mir in Bezug auf Geben und Nehmen kommuniziert hat, sondern nur ihr. Denn auch in Thessalonich habt ihr einmal und ein zweites Mal zu mir gesandt, um mir zu helfen. Paulus spricht lobend davon, dass die Philipper, die er durch die Verwendung ihres Namens heraushebt, sich in diesem besonderen Werk der Fürsorge für seine leiblichen Bedürfnisse ausgezeichnet haben. Es war in den Tagen, als er zum ersten Mal nach Mazedonien kam, als er in Philippi das Evangelium gepredigt hatte und dann weiter nach Thessalonich reiste, das nur 100 römische Meilen (etwa 92 englische [ca. 148 km]) westlich an der Via Egnatia lag. Während des Aufenthalts des Paulus in Thessalonich hatte die Gemeinde in Philippi ihn immer wieder mit Geschenken ihrer Dankbarkeit bedacht; sie hatten sich um ihn gekümmert, als er in Not war, sicherlich ein großartiges Beispiel für alle christlichen Gemeinden.

    Aber wenn Paulus die Philipper lobt, will er keinen falschen Eindruck erwecken: Nicht um die Gabe geht es mir, sondern um die Frucht, die auf eure Rechnung geht. Das war nicht das Ziel von Paulus, wenn er an ihre Freundlichkeit in der Vergangenheit erinnerte; er gab ihnen nicht den Hinweis, ihm weitere Geschenke zu schicken. Es ging ihm nicht so sehr um die äußere Gabe und um seine eigene Person, sondern um den Beweis, den sie als Frucht ihres Glaubens darstellte, die ihnen angerechnet werden würde. Das Konto zu ihren Gunsten würde durch solche Manifestationen ihres Glaubens an die Liebe weitgehend erhöht werden. Sie würden zu gegebener Zeit ihre Gegenleistung erhalten, den Lohn der Gnade in vollem Wert. Die Ewigkeit wird offenbaren, wie viele Liebesgaben Einzelne und Gemeinden für die Sache und die Diener Christi gemacht haben.

    Es gab keinen Grund, sich seinetwegen Sorgen zu machen: Ich aber habe alles und habe Überfluss; ich bin satt, da ich von Epaphroditus das empfangen habe, was von euch kommt, einen lieblichen Geruch, ein Opfer, das Gott wohlgefällig ist. Da der Bote der philippinischen Gemeinde, Epaphroditus, ihre Gaben überbracht hatte, verfügte Paulus nun über mehr, als seine unmittelbaren Bedürfnisse erforderten; er hatte nichts mehr zu wünschen übrig, er hatte nicht nur äußere Fülle, sondern auch innere Zufriedenheit. Er nennt ihre Gabe einen süßen Geschmack, gleich den alttestamentlichen Opfern, die Cod wohlgefällig waren. Ihr Werk der Liebe war Gott wohlgefällig, es fand Gefallen bei ihm; es gefällt ihm, wenn Gemeinden ihre liebevolle Wertschätzung für die empfangenen geistlichen Gaben dadurch zeigen, dass sie ihren Lehrern etwas von ihren irdischen Gütern abgeben.

     Paulus gibt nun so viel zurück, wie er zu geben vermag: Mein Gott aber wird euch alle Not erfüllen nach seinem Reichtum in Herrlichkeit in Christus Jesus. Gott aber und unserem Vater sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen. Dies ist ein Gebet, dass Gott alle Bedürfnisse der Brüder in Philippi erfüllen möge. Was ihnen noch an geistlichen Gaben, an der Erkenntnis Christi fehlt, wird Gott mit den unendlichen Möglichkeiten seines Reichtums reichlich ergänzen. Wenn die Gläubigen die körperlichen Bedürfnisse ihrer Hirten in einem Geist wahrer Liebe und wahren Glaubens erfüllen, wird Gott dieses gute Werk zu ihrem geistlichen Wachstum beitragen lassen. Da er über alle Reichtümer verfügt, sowohl im physischen als auch im geistlichen Bereich, kann er geistliche Gaben in unendlicher Vielfalt und Reichhaltigkeit bereitstellen und spenden. Denn die größten Reichtümer sind die in der Herrlichkeit Jesu Christi. Was immer Gott an guten Gaben an geistlichem Reichtum schenkt, ist durch das Mittlerwerk und stellvertretende Opfer Christi möglich geworden. Alle geistlichen Gaben und Segnungen gehören uns in Ihm. Und Gott gibt sie den Gläubigen um Christi willen. Deshalb soll Gott, der auch unser Vater ist, der Vater aller Gläubigen in und durch Jesus, alle Ehre zuteil werden. Dieser Lobpreis und diese Herrlichkeit sollen ihm für immer und ewig zustehen. Amen. So schließt Paulus nach seiner Gewohnheit mit einer Doxologie, mit einem Lobpreis des Herrn, des Gebers aller guten Gaben.

 

Grüße und Schluss (4,21-23)

    21 Grüßt alle Heiligen in Christus Jesus. Es grüßen euch die Brüder, die bei mir sind. 22 Es grüßen euch alle Heiligen, besonders aber die von des Kaisers Haus. 23 Die Gnade unsers HERRN Jesus Christus sei mit euch allen! Amen.

 

    In der abschließenden Anrede des Apostels wird an jeden Heiligen, an jedes Mitglied der Gemeinde in Philippi gedacht. Als Gläubige sind sie Heilige, gereinigt und geheiligt durch das Blut Christi. Auch die Geschwister in Rom wollten nicht vergessen werden. Obwohl sie die philippinischen Christen nicht persönlich kannten, fühlten sie sich mit ihnen in der Gemeinschaft des gemeinsamen Glaubens und der Liebe verbunden. Besonders die Christen, die zum Haushalt Cäsars gehörten, mit denen Paulus zweifellos am vertrautesten war und die er öfter persönlich sah als viele andere, sandten ihre Grüße. Bis in den Palast des Kaisers, der die Christen hasste, hatte sich die Nachricht von Christus verbreitet und zu Bekehrten gemacht. Ob es sich dabei nur um Bedienstete handelte oder ob auch Mitglieder der kaiserlichen Familie für Christus gewonnen wurden, wie es die Überlieferung behauptet, geht aus diesem Abschnitt nicht hervor. Der Apostel schließt mit dem aufrichtigen Wunsch, dass die Gnade Jesu Christi, des Herrn, die höchste Gabe und der größte Segen des Heils, den Geist seiner Leser begleiten möge. Vgl. Gal. 6,18; Röm. 16,24; 2. Kor. 13,13.[5]

 

Zusammenfassung: Der Apostel schließt seinen Brief mit allgemeinen Ermahnungen zur Pflege aller christlichen Tugenden, empfiehlt den Philippern ihre Freigebigkeit und schließt mit den üblichen Grüßen.



A Entnommen aus: Dr. Martin Luthers Sämtliche Schriften. Hrsg. von Joh. Georg Walch. Nachdr. der 2., überarb. Aufl. St. Louis, Missouri. Bd. 14. Groß Oesingen: Verl. der Lutherischen Buchhandlung Heinrich Harms. 1987. Sp. 116-117

[1] Fürbringer, Einleitung in das Neue Testament, 72; vgl. Luther, 14, 116. 117.

[2] Für VV.3-11, vgl. Homiletisches Magazin, 1901, 321 bis 335; Luther, 12, 466-477.

[3] Für VV. 17-21, vgl. Homiletisches Magazin, 1906, 289; Luther, 12, 948-963.

[4] Für VV.4-7, vgl. Homiletisches Magazin, 1902, 353; Luther, 12, 80-99.

[5] Der Kommentar zum Philipperbrief ist im Wesentlichen eine Abschrift von unveröffentlichten Anmerkungen von Dr. Stöckhardt.