Der
Brief des Apostels Paulus an die Philipper
Luthers Vorrede
auf die Epistel St. Pauli an die Philipper
1522A
1. In dieser Epistel lobt und ermahnt St. Paulus die Philipper, dass sie
bleiben und fortfahren sollen im rechten Glauben und zunehmen in der Liebe.
Dieweil aber dem Glauben allezeit Schaden tun die falschen Apostel und
Werklehrer, warnt er sie vor denselben und zeigt ihnen an mancherlei Prediger,
etliche gute, etliche böse, auch sich selbst und seine Jünger, Timotheus und Epaphroditus; das tut er im ersten [und] zweiten Kapitel.
2. Im dritten verwirft er die glaublose und menschliche Gerechtigkeit,
so durch die falschen Apostel gelehrt und gehalten wird, setzt sich selbst zum
Beispiel, der in solcher Gerechtigkeit herrlich gelebt habe, und doch nun
nichts davon halte, um Christi Gerechtigkeit willen. Denn jene macht nur den
Bauch zum Gott und Feinde des Kreuzes Christi.
3. Im vierten ermahnt er sie zum Frieden und guten äußerlichen Wandel
gegeneinander und dankt ihnen für ihr Geschenk, das sie ihm gesandt haben.
Philippi war die Metropole und wichtigste
Stadt im östlichen Teil Makedoniens, nahe der Grenze zu Thrakien, zu dem sie
früher gehörte. Damals trug sie den Namen Crenides
oder "Brunnen", nach den zahlreichen Quellen in der Umgebung. Der
makedonische Monarch Philipp, der Vater Alexanders des Großen, nahm die Stadt
aufgrund der reichen Goldvorkommen in der Umgebung von den Thrakern ein,
benannte sie ihm zu Ehren um und befestigte sie stark. Das war 358 v. Chr.
Julius Cäsar gründete hier eine Kolonie römischer Bürger. Im Jahr 42 v. Chr.
fand in der Nähe von Philippi die berühmte Schlacht zwischen Brutus und Cassius
auf der einen Seite und Octavius (dem späteren Cäsar Augustus) und Mark Anton
auf der anderen Seite statt, in der die Ersteren besiegt wurden und das
Schicksal des Reiches entschieden wurde. Als Octavius Kaiser wurde, bestätigte
er das Vorgehen von Julius Caesar, indem er Philippi formell zur römischen
Kolonie erklärte und den Bewohnern die Rechte römischer Bürger verlieh, mit den
üblichen römischen Beamten, die in den Kolonien aus Höflichkeit
"Prätoren" genannt wurden. Philippi war zu weit von der Spitze des
Ägäischen Meeres entfernt, um ein großes Handelszentrum zu werden, und deshalb
hatten sich nur wenige Juden dort niedergelassen. Es gab keine Synagoge, die
Gläubigen versammelten sich an den Ufern des kleinen Flusses Zygactes, der in der Nähe der Stadt floss (Apg. 16,13).
Der Apostel Paulus war auf seiner zweiten
Missionsreise nach Philippi gekommen, nachdem ihn eine Vision nach Europa
geführt hatte, die ihn nach Mazedonien rief, Apg. 16,9. Mit nur einer Handvoll
Frauen hatte Paulus die erste christliche Gemeinde in Europa gegründet, Apg.
16,12-40. Nach der bitteren Erfahrung einer schmählichen Gefangenschaft hatte
Paulus die Stadt verlassen, kehrte aber auf seiner dritten Reise zweimal zu der
wachsenden Gemeinde zurück, Apg. 20,1-6. Die Gemeinde in Philippi war dem Paulus
sehr nahe und lieb. Obwohl sie hauptsächlich aus Heidenchristen bestand, hatte
sie den Apostel mit bereitwilliger Freude aufgenommen, war immer in engem
Kontakt mit ihm gestanden und war die einzige Gemeinde, von der er finanzielle
Unterstützung angenommen hatte. Als Paulus als Gefangener nach Rom gebracht
wurde, hatte diese Gemeinde ein sehr mitfühlendes Interesse an seinem
Wohlergehen gezeigt. Als die philippinischen Christen hörten, dass ihr
geliebter Lehrer in Not war, schickten sie einen ihrer Amtsträger,
wahrscheinlich einen Bischof oder Pastor, nach Rom, das etwa 700 Meilen [ca.
1126 km] entfernt war, um ihm Geld zu bringen, das sie für ihn gesammelt
hatten. Dieser Mann, Epaphroditus, überbrachte dem
Apostel die gute Nachricht vom Wachstum der philippinischen Gemeinde, musste
aber auch von den Anfeindungen von außen und von den unangenehmen Erfahrungen
innerhalb der Gemeinde berichten, Kap. 1,28; 1,28.29; 2,15; 3,18.19. Paulus
machte daher Epaphroditus zum Überbringer eines
Ermutigungsbriefes an seine geliebten Philipper, des innigsten und herzlichsten
aller seiner Briefe an die Urgemeinden.
Der Brief wurde von Paulus während seiner
ersten römischen Gefangenschaft geschrieben. Er befand sich noch im Gefängnis,
hatte aber die Hoffnung, sehr bald freigelassen zu werden, wie er immer wieder
betont. Der zuversichtliche Tonfall und einzelne Äußerungen, die sich auf die
Gewissheit einer baldigen Entlassung beziehen, scheinen sicher zu machen, dass
Paulus diesen Brief gegen Ende seiner Gefangenschaft, Anfang des Jahres 63,
geschrieben hat. Epaphroditus, der in Rom erkrankt
war, konnte endlich nach Philippi zurückkehren, und so nutzte Paulus diese
Gelegenheit.
Der Brief lässt sich leicht in zwei Teile
gliedern: eine Ermutigung (Kap. 1 und 2) und eine Ermahnung (Kap. 2). 1 und 2,
und eine Ermahnung, Kap. 3 und 4. Nach dem einleitenden Gruß folgt eine
herzliche Danksagung für den ausgezeichneten geistlichen Stand der Philipper,
verbunden mit der Zusicherung eifriger Fürbitte für sie, woraufhin Paulus sie
über seinen gegenwärtigen Zustand und seine voraussichtliche Zukunft
informiert. In Verbindung damit bringt er eine Ermahnung zur Einheit, Sanftmut
und Selbstverleugnung, wobei er auf Christus als herrliches Beispiel für diese
Tugenden hinweist. Im zweiten Teil des Briefes warnt Paulus vor den
judaistischen Lehrern und ihrer Lehre von der Gerechtigkeit durch die Werke des
Gesetzes, indem er aus seiner eigenen Erfahrung die Wertlosigkeit aller
Selbstgerechtigkeit und die Herrlichkeit der Rechtfertigung durch das Blut
Christi aufzeigt. Er fordert die Philipper auf, von seinem Beispiel zu
profitieren, ihren Glauben nicht um irdischer Vorteile willen zu verleugnen, sondern
die Vollendung der himmlischen Herrlichkeit zu erwarten. Mit einer Reihe
einzelner Ermahnungen zu Eintracht, Beständigkeit, Liebe und allen anderen
christlichen Tugenden, gefolgt von Danksagungen für die empfangene Gabe und dem
üblichen Gruß und Segen, schließt der Brief.[1]
Anrede
und Gruß (1,1-2)
1 Paulus und Timotheus, Knechte Jesu
Christi: Allen Heiligen in Christus Jesus zu Philippi samt den Bischöfen und
Dienern. 2 Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem HERRN
Jesus Christus!
Paulus bezeichnet sich selbst als Knecht [oder
„Sklave“, denn das griechische Wort „doulos“ kann
beides bedeuten] und nennt Timotheus einen Mitknecht, wobei das von ihm
verwendete Wort in gewisser Weise die Bedeutung von Knecht beibehält. Er
betrachtet sich und seinen jungen Helfer als Eigentum des himmlischen Meisters,
dessen einziges Ziel es sein muss, den Willen und das Werk des Herrn
auszuführen. Die Bezeichnung „Knecht“ drückt also die intensive Leidenschaft
und Hingabe des Paulus an seine Berufung aus. Er nennt Timotheus zusammen mit
sich selbst, nicht als Apostel, sondern als Diener, denn Timotheus war sein
Assistent gewesen, als er zum ersten Mal in Philippi wirkte; der junge Prediger
war also eine bekannte Persönlichkeit in Philippi, Apg. 16,1-12. Die Christen
der Stadt hatten ihm viel zu verdanken, und er war im Begriff, sie erneut zu
besuchen. Timotheus hatte den Geist und den Charakter seines Lehrers, seines
geistlichen Vaters, und sein Andenken war bei den Philippern, die ihn lieben
gelernt hatten, sehr beliebt. An alle Heiligen in Christus Jesus, die in
Philippi waren, richtete Paulus seinen Brief. Er benutzte das Wort, das ihre
Trennung von der Welt und ihre Weihe an Gott bezeichnet. Die Christen gehören
zu Gott, sind Heilige, zu Heiligen gemacht in Christus Jesus, insofern sie in
Christus geheiligt sind und in heiliger Gemeinschaft mit Christus stehen. Durch
Christus sind sie mit Gott verbunden, in Leben und im Bund.
Der Brief ist an die Gemeinde in Philippi
gerichtet. Alle philippinischen Christen waren in den Augen des Paulus Heilige.
Er lässt außer Acht, dass es auch in der äußeren Gemeinde Heuchler gibt. Um der
Nächstenliebe willen betrachtet er sie alle als Christen, als Heilige. Er
erwähnt auch ausdrücklich die Bischöfe und Diakone der Gemeinde, nicht als eine
von der Gemeinde getrennte Hierarchie, sondern als Teil der Gemeinde. Schon in
der Mitte des ersten Jahrhunderts erkannten die Christen also besondere Diener
des Wortes an. Die Bischöfe waren diejenigen Mitglieder des Presbyteriums, die
als Prediger im Dienst des Wortes tätig waren. Die Diakone gehörten ebenfalls
zum Presbyterium der Gemeinde, waren aber mehr mit den äußeren Angelegenheiten
der Gemeinde, der Armenpflege usw. beschäftigt. Die Gemeinde in Philippi hatte
gute Bischöfe und Diakone, die Paulus mit liebevoller Hochachtung erwähnt.
Seine Anrede ist die gleiche wie in den
meisten seiner Briefe: Gnade sei mit euch und Friede von Gott, dem Vater, und
dem Herrn Jesus Christus. Die Christen haben in der neuen Geburt und im neuen
Leben, dem größten Segen aller Zeiten, die vom Vater geschenkte Gnade in und
durch Christus empfangen, und Paulus wünscht, dass sie sie immer besitzen
mögen. Vater und Sohn werden hier wie an vielen anderen Stellen koordiniert.
Christus ist der Vermittler, der durch sein stellvertretendes Opfer das Heil
erlangt und damit das rechte Verhältnis zwischen Gott und Mensch hergestellt
hat, mit der Gabe der Gnade und des Friedens, Röm. 5,1.
Des
Apostels persönliche Gefühle gegenüber den Christen in Philippi
(1,3-11)
3 Ich danke meinem Gott, so oft ich euer
gedenke 4 (welches ich allezeit tue in allem meinem Gebet für euch alle, und
tue das Gebet mit Freuden), 5 über eurer Gemeinschaft am Evangelium vom ersten
Tag an bis her. 6 Und bin dessen in guter Zuversicht, dass, der in euch
angefangen hat das gute Werk, der wird’s auch vollführen bis an den Tag Jesu
Christi. 7 Wie es denn mir billig ist, dass ich dermaßen von euch allen halte,
darum dass ich euch in meinem Herzen habe in diesem meinem Gefängnis, darin ich
das Evangelium verantworte und bekräftige, als die ihr alle mit mir der Gnade
teilhaftig seid.
8 Denn Gott ist mein Zeuge, wie mich nach
euch allen verlangt von Herzensgrund in Jesus Christus. 9 Und darum bete ich,
dass eure Liebe je mehr und mehr reich werde in allerlei Erkenntnis und
Erfahrung, 10 dass ihr prüfen mögt, was das Beste sei, auf dass ihr seid lauter
und unanstößig bis auf den Tag Christi, 11 erfüllt mit Früchten der
Gerechtigkeit, die durch Jesus Christus geschehen (in euch) zu Ehre und Lob
Gottes.
Sein dankbares und vertrauensvolles
Gebet (V. 3-7): Der erste Gedanke, den Paulus äußert, ist ein Gedanke der
Dankbarkeit und der Danksagung an Gott als die einzige und ganze Ursache aller
Güte in allen Heiligen: Ich danke meinem Gott bei jedem Gedenken an euch, in
jedem Gebet, das ich für euch alle mit Freude und Bitte spreche, wegen eurer
Gemeinschaft mit dem Evangelium vom ersten Tag an bis jetzt. Wir erhalten hier
einen Einblick in das geistliche Leben des Paulus, in seine Beziehung zu jeder
Gemeinde und jedem einzelnen Christen. Wann immer er an die Gemeinde in
Philippi denkt, wann immer er sich an sie erinnert, was er immer wieder tut,
findet er Anlass zu einem dankbaren Gebet zu Gott. Dieses Erinnern ist bei ihm
eher eine Gewohnheit als ein einmaliger Akt. Er ist gezwungen, seine
Dankbarkeit im Gebet zu Gott zu bringen. Die Situation in Philippi erfüllte
sein Herz mit Freude, die sich im Gebet entladen musste. Er empfahl die
Christen von Philippi von Herzen dem großen Herrn der Kirche. Eine solche Danksagung
für reiche geistliche Segnungen sollte in den verschiedenen Gemeinden weitaus
verbreiteter sein als heute; die einzelnen Christen sollten sich viel öfter mit
dieser gesegneten Beschäftigung beschäftigen.
Als besonderen Grund für die Freude, die er
empfindet, nennt der Apostel die Gemeinschaft der philippinischen Christen mit,
d. h. in, dem Evangelium vom ersten Tage an bis jetzt. Vom ersten Tag an, an
dem Paulus ihnen die ihm anvertraute Heilsbotschaft verkündet hatte, bis zu dem
Tag, an dem er diesen Brief schrieb, waren die philippinischen Christen dem
Evangelium treu geblieben. Durch die Predigt des Paulus waren die Philipper in
die Gemeinschaft mit dem Evangelium eingetreten, ihre Herzen und Gedanken waren
von dessen Segnungen erfüllt; sie glaubten fest an Jesus Christus, ihren
Erlöser, und sie waren aktiv damit beschäftigt, die herrliche Nachricht von der
Erlösung aller Menschen zu verbreiten. Viele Gemeinden werden müde, werden
müde, verlieren die erste Liebe. Nicht so bei den Christen in Philippi; sie
hatten mit unverminderter Energie und Liebe zum Evangelium weitergemacht und
nichts von den Vorteilen aufgegeben, die ihnen durch das Evangelium zuteil
geworden waren.
Aus diesem Grund war Paulus auch für die
Zukunft zuversichtlich: Er ist davon überzeugt: Der, der von Anfang an in euch
ein gutes Werk begonnen hat, wird es auch zu Ende führen bis zum Tag Christi
Jesu. Der Apostel hat ein festes Vertrauen, eine feste Überzeugung, die auf dem
Glauben an die mächtige Kraft Gottes beruht. In seinem Geist verbinden sich
Dankbarkeit, freudige Erwartung und festes Vertrauen: Derjenige, der das eine
gute Werk begonnen hat, das Werk der Wiedergeburt. Es ist ein gutes Werk, weil
Gott es vollbracht hat, nicht weil der Mensch daran mitgewirkt hat; es ist
Gottes Werk, ganz allein. Dieses gute Werk, die Gemeinschaft der Philipper im
Evangelium, wie sie durch das Werk der Wiedergeburt entstanden ist, wird Gott
vollenden, zu einem erfolgreichen Ende führen, bis zum Tag Jesu Christi, bis
zur großen Offenbarung seiner Herrlichkeit am jüngsten Tag. Nicht die Gläubigen
in ihrer eigenen Kraft und Macht sind in der Lage, bis zum Ende treu zu sein
und zu bleiben, sondern Gott ist es, der dies vollbringen wird, denn er wirkt
nicht vergeblich. Da der Glaube der Anfang, die Mitte und das Ende der
Bekehrung ist, wird Gott sie im Glauben bewahren. Am letzten Tag wird dieser
Glaube, der durch die gnädige Macht Gottes bewahrt worden ist, mit der freien
Gabe des Heils belohnt werden. Anmerkung: Diese Aussage ist für die Christen
voller tröstlicher Kraft, denn sie zeigt ihnen, dass jeder Christ seines Heils
sicher sein kann und wird. Diese Gewissheit ist ein wesentliches Merkmal des
Glaubens. Für einen Christen ist es ein ungeheuerlicher Gedanke, dass sein
Glaube jemals aufhören sollte, denn der Glaube ist das Vertrauen auf das Heil
des Herrn, das auf den Einzelnen angewendet wird.
Anzunehmen, dass dieses Vertrauen im Herzen
der Christen von Philippi ist, hält Paulus für eine Pflicht und Verpflichtung,
die er seinen Lesern schuldet: Wie es mir recht ist, dies von euch allen zu
denken, weil ich euch im Herzen habe, weil ihr alle sowohl in meinen Banden als
auch in der Verteidigung und Bestätigung des Evangeliums meiner Gnade
teilhaftig seid. Paulus spricht hier von dem Gefühl, der festen Meinung oder
Überzeugung, die er hat. Er glaubt und hält in Bezug auf all diese seine
Mitchristen, dass Gott das gute Werk in ihnen bis zum Ende vollbringen wird.
Kein Mensch ist in der Lage, einzelne Fälle von solchen, die sich zum
Christentum bekennen und den rettenden Glauben bejahen, herauszupicken; denn
der Zustand des Herzens ist nur Gott bekannt. Aber eines ist sicher, nämlich
dass alle Christen, die wirklich Christen sind, durch die Kraft Gottes im
Glauben bewahrt werden. Gleichzeitig ist es richtig und gerecht, dass wir in
Bezug auf alle unsere Mitchristen das Gefühl haben, dass sie Christen sind und
Christen bleiben werden, treu bleiben bis ans Ende. Warum der Apostel dieses
zuversichtliche Gefühl hat, sagt er, wenn er seine Liebe zu ihnen beteuert,
wobei die Liebe die Eigenschaft hat, dass sie immer gut über ihren Nächsten
denkt. Mehr noch, sie sind derselben Gnade teilhaftig wie er. Sie alle haben
durch das stellvertretende Werk Christi die gleichen Segnungen der
Barmherzigkeit Gottes empfangen. Diese Liebe wird durch die Gefangenschaft des
Paulus nicht beeinträchtigt. Seine Verteidigung, seine Entschuldigung und
Bestätigung des Evangeliums hört nicht wegen seiner Fesseln auf; vielmehr ist
seine Verteidigung vor dem Kaiser eine Garantie für das Evangelium, eine
Garantie für seinen Wert und seine Ansprüche. Und es ist eine Genugtuung und ein
Trost für den Apostel, dass selbst in den dunkelsten Augenblicken seines Lebens
ihre Liebe und Freundlichkeit ihm gegenüber, die Tatsache, dass sie dem von ihm
verkündeten Evangelium treu geblieben sind, Beweis genug dafür sind, dass sie
mit ihm an der Gnade Gottes teilhaben und dass sie mit ihm das Ziel des
Glaubens, das Heil ihrer Seelen, erreichen werden.
Des Paulus sehnsüchtiges Verlangen nach
den Christen in Philippi (V. 8-11): Für eine Parallelstelle siehe Röm.
1,9-11. Der Apostel bekräftigt hier seine Aussage, dass er die philippinischen
Christen im Herzen trägt, dass er mit ihnen durch die Bande der stärksten
Zuneigung verbunden ist: Mein Zeuge ist ja Gott, wie sehr ich euch alle in der
Barmherzigkeit Christi Jesu begehre. Er spricht mit großem Ernst und Nachdruck
und bittet Gott selbst, der Zeuge für die Wahrheit seiner Aussage zu sein. Sein
Ziel ist es, dass seine Leser volles und unerschütterliches Vertrauen in ihn
gewinnen. Er hat ein dringendes, ein ernsthaftes Verlangen und eine Sehnsucht
nach ihnen; er wünscht sich sehnlichst, noch einmal bei ihnen zu sein. Dies ist
nicht nur ein Ausdruck tiefer Verbundenheit, einer heimwehbedingten
Zärtlichkeit, einer natürlichen Zuneigung, die sein ganzes Wesen bewegt,
sondern es ist ein Gefühl, das aus der Barmherzigkeit, dem Herzen Christi Jesu
fließt. Das Wort, das Paulus verwendet, war die Bezeichnung für den
vermeintlichen Sitz der Barmherzigkeit und des liebevollen Mitgefühls. Die
Liebe Christi war in sein Herz ausgegossen worden, lebte in ihm, trieb ihn an.
So inbrünstig und wahrhaftig, wie Christus die Seinen liebt, so versuchte der
Apostel, alle Christen und besonders die in Philippi zu lieben.
Seine Dankbarkeit und liebevolle
Anteilnahme drängt den Apostel nun dazu, das Gefühl seines Herzens in einem
inbrünstigen Gebet für die Philipper auszudrücken: Und dies bitte ich, dass
eure Liebe noch mehr und mehr in Verstand und aller Klugheit wachse. Sie waren
gläubig, sie hatten den gesunden Zustand ihres Glaubens durch gute Werke
hinreichend bewiesen, aber die Vollkommenheit, die die Hoffnung aller Christen
ist, hatten sie noch nicht erlangt. Deshalb fügt Paulus dem Gebet die Fürbitte
hinzu und bittet darum, dass ihre Liebe zu Christus und zu den Brüdern durch
Gottes gnädige Macht wachsen, größer werden und sich verstärken möge. Als
Geliebte des Herrn sollen sie das Wachstum zeigen, das
allein ihrem christlichen Bekenntnis entspricht; denn die Liebe ist die erste
und unmittelbare Frucht des Glaubens. Die Gläubigen sollen in der Liebe
verharren; wie ihr Glaube wächst, so soll auch ihre Liebe wachsen. Stillstand
im Glauben und in der Liebe ist für einen Christen ein Ding der Unmöglichkeit.
Die wichtigste Überlegung, die dieses Wachstum steuert, ist das Verständnis,
denn die Liebe wächst mit dem Verständnis der rettenden Wahrheit, des Wortes
unserer Erlösung. In dem Maße, in dem das Verständnis und die Erkenntnis Gottes
und seines gnädigen Ratschlusses der Liebe zur Erlösung wächst, muss die Liebe
mit diesem Wachstum Schritt halten, ja sie muss sogar die logische Folge dieses
Verständnisses sein. Dabei handelt es sich nicht um ein bloßes Verstehen des
Verstandes und des Gemüts, sondern um die gesamte und volle Intelligenz, um das
entwickelte Unterscheidungsvermögen, das sich in gesundem Menschenverstand und
richtigem Urteil in geistlichen Dingen zeigt. Es ist eine geistige Fähigkeit,
das Gute und Wahre zu erkennen, das, was dem Kriterium und Maßstab des Wortes
Gottes standhält. Es ist die moralische Sensibilität, die den Christen
befähigt, in allen Situationen und Beziehungen in der Welt den richtigen Takt
anzuwenden.
Das Ergebnis eines solchen Verständnisses
und Verstandes zeigt sich zu allen Zeiten: Damit ihr prüft, was sich
unterscheidet, damit ihr rein und untadelig seid für den Tag Christi, erfüllt
mit der Frucht der Gerechtigkeit, die durch Jesus Christus ist, zur Ehre und
zum Lob Gottes. Die Christen müssen sich immer mehr darin üben, das zu
unterscheiden, was zu beurteilen oder zu unterscheiden ist, damit sie lernen,
fast instinktiv zwischen gut und schlecht, zwischen wahr und falsch, zwischen
dem, was Gott gefällt, und dem, was ihm missfällt, zwischen dem, was den
Christen zu empfehlen ist, und dem, was zu meiden ist, zwischen dem, was dem
Reich Gottes dient, und dem, was seinen Interessen zuwiderläuft, zu wählen.
Dieses Urteilsvermögen der Christen soll gefestigt werden und wachsen: das ist
das Gebet des Apostels, dem sich alle Christen anschließen werden. Die Gabe,
die Geister zu prüfen, das Wahre vom Falschen zu unterscheiden, ist ein sehr
wichtiger Segen; in jedem einzelnen Fall zu wissen, was richtig und falsch ist,
und in dieser Erkenntnis den Willen Gottes zu erfüllen, das ist eine wunderbare
Gabe der Gnade Gottes. Nur so wird das Ziel Gottes verwirklicht, nämlich dass
die Christen rein und ohne Anstoß für den Tag Jesu Christi gefunden werden. Das
Leben des Christen sollte so gründlich über Vorwürfe und Verdächtigungen
erhaben sein, dass er das Licht der vollen Öffentlichkeit auf sich fallen
lassen kann, wie jemand, der von einem Sonnenstrahl geprüft wird, und sich
nicht fürchten muss, seinen Kritikern gegenüberzutreten. Die Dinge der
Finsternis können vor dem Wort, das alles offenbart, nicht bestehen. Nur das
Reine wird vor Gott bestehen. Und ohne Anstoß, untadelig, sollen die Christen
sein; sie sollen nicht stolpern und fallen, und sie sollen andere nicht zum
Stolpern und Fallen bringen. Sie sind sich immer bewusst, dass der Tag Jesu
Christi kommt, an dem alles vor dem Auge des allsehenden Richters offenbart
werden wird. Der Apostel bezieht sich nicht auf alltägliche Schwächen und
Marotten, aber er besteht darauf, dass die Christen alle offenen Todsünden des
Fleisches meiden sollen. Besonders solche Verbrechen, die einen Christen auch
in den Augen der Welt berüchtigt machen, sollten in einer christlichen
Gemeinschaft nicht vorkommen. Der Christ wird daher jeden seiner Schritte im
Gebet überwachen und alles, was ihm zur Kenntnis gebracht wird, sorgfältig
abwägen, um herauszufinden, welcher Weg in jedem einzelnen Fall der richtige
ist.
Daraus folgt auch, dass der Christ immer
von der Frucht der Gerechtigkeit erfüllt sein wird. Die Liebe, die in der vom
Apostel angegebenen Weise wächst, wird in jedem Fall wissen, was zu tun und was
zu lassen ist, und diese Erkenntnis führt zur Frucht der guten Werke. Glaube
und Liebe manifestieren sich in guten Werken. Das ganze Leben der Gläubigen
soll mit guten Werken ausgefüllt sein. Und doch lassen sich alle Werke unter
einer einzigen Überschrift zusammenfassen: Frucht des Glaubens. Es ist eine Frucht
der Gerechtigkeit, eine Frucht, die in der Gerechtigkeit besteht, in der
Gerechtigkeit des Lebens, wenn ein Christ Gott und seinem Nächsten gegenüber
gerecht handelt und lebt. Eine solche Frucht kann nur in und durch Jesus
Christus entstehen. In Wirklichkeit ist es die Kraft, die Stärke Jesu in den
Gläubigen, die die guten Taten wirkt und hervorbringt. Und vor allem aus diesem
Grund führt dieses Hervorbringen zur Ehre und zum Lob Gottes. Schon in diesem
Leben vermehren die Christen die Herrlichkeit und das Lob Gottes durch ihr
Leben nach seinem Willen.
Des
Paulus gegenwärtige Umstände, Erfahrungen und Erwartungen
(1,12-26)
12 Ich lasse euch aber wissen, liebe
Brüder, dass, wie es um mich steht, das ist nur mehr zur Förderung des
Evangeliums geraten, 13 so dass meine Bande offenbar geworden sind in Christus
in dem ganzen Richthaus und bei den anderen allen, 14 und viele Brüder in dem
HERRN aus meinen Banden Zuversicht gewonnen haben, desto eifriger geworden
sind, das Wort zu reden ohne Scheu. 15 Etliche zwar predigen Christus auch um
Hasses und Haders willen, etliche aber aus guter Meinung. 16 Jene verkündigen
Christus aus Zank und nicht lauter; denn sie meinen, sie wollen eine Trübsal
zuwenden meinen Banden. 17 Diese aber aus Liebe; denn sie wissen, dass ich zur
Verantwortung des Evangeliums hier liege.
18 Was ist ihm aber denn? Dass nur Christus
verkündigt werde allerlei Weise, es geschehe Zufalles oder rechter Weise; so
freue ich mich doch darin und will mich auch freuen. 19 Denn ich weiß, dass mir
dies gelingt zur Seligkeit durch euer Gebet und durch Handreichung des Geistes
Jesu Christi, 20 wie ich endlich warte und hoffe, dass ich in keinerlei Stück
zuschanden werde, sondern dass mit aller Freudigkeit, gleichwie sonst allezeit,
also auch jetzt, Christus hoch gepriesen werde an meinem Leib, es sei durch
Leben oder durch Tod. 21 Denn Christus ist mein Leben, und Sterben ist mein
Gewinn.
22 Da aber im Fleisch leben dient, mehr
Frucht zu schaffen, so weiß ich nicht, welches ich erwählen soll. 23 Denn es
liegt mir beides hart an: Ich habe Lust abzuscheiden und bei Christus zu sein,
welches auch viel besser wäre: 24 Aber es ist nötiger, im Fleisch bleiben um
euretwillen. 25 Und in guter Zuversicht weiß ich, dass ich bleiben und bei euch
allen sein werde euch zur Förderung und zur Freude des Glaubens, 26 auf dass
ihr euch sehr rühmen mögt in Christus Jesus an mir durch meine Ankunft wieder zu
euch.
Das Ergebnis der Gefangenschaft des
Paulus (V. 12-17): Nachdem der Apostel seine Dankbarkeit und Zuversicht
über ihren ausgezeichneten geistlichen Zustand zum Ausdruck gebracht hat, gibt
er den besorgten Philippern nun eine Zusicherung in Bezug auf sich selbst: Ich
will, dass ihr wisst, Brüder, dass meine Verhältnisse vielmehr zur Förderung
des Evangeliums ausgegangen sind. Was seinen Zustand und seine gegenwärtigen
Lebensumstände anbelangt, so bestand kein Grund für die natürliche Sorge, die
die Philipper um ihren geliebten Lehrer empfanden. Sie hatten in seiner
Gefangenschaft mit ihren Spenden an ihn gedacht. Doch nun soll sein Bericht an
sie sie beruhigen. Seine Gefangenschaft in der Hauptstadt und die Lage, in der
er sich dadurch befand, waren für das Evangelium nicht immer von Wert gewesen,
aber jetzt hatten sich die Dinge so entwickelt, dass sie dem Fortschritt des
Evangeliums tatsächlich nützlich waren und ihm dienten. Es war zu erwarten, ja
es war unter den gegebenen Umständen ganz natürlich, dass die freie Ausbreitung
des Evangeliums dadurch behindert wurde, dass Paulus gefangen gehalten und
dadurch an der Fortsetzung seiner missionarischen Tätigkeit gehindert wurde.
Aber unter der lenkenden Hand Gottes hatten gerade diese Umstände dem
Fortschritt des Evangeliums gedient.
Wie dies geschehen ist, zeigt der Apostel
nun auf: So wurden meine Fesseln in Christus im ganzen Prätorium
und allen übrigen offenbar, und die größere Zahl der Brüder im Herrn gewann
durch meine Fesseln umso heftiger die Zuversicht, es ohne Furcht zu wagen, das
Wort Gottes zu predigen. Es war ein Fall, in dem der Mensch vorschlägt, Gott
aber verfügt, der Mensch denkt Böses, Gott aber meint es gut. In Rom hatte sich
gezeigt, dass Paulus nur für die Sache Christi und aus keinem anderen Grund gefangen war. Er hatte sich keines Verbrechens schuldig
gemacht, sondern war nur gefangen genommen worden, weil er Christus gepredigt
hatte. Die Tatsache seiner Unschuld war in der gesamten Leibgarde des Kaisers
allgemein bekannt geworden. Obwohl Paulus nicht in ihrem Lager in Rom gefangen
gehalten wurde, sondern in seiner eigenen Unterkunft in der Nähe lebte und an
einen Soldaten gekettet war, hatte sich sein wahrer Zustand im Lager
herumgesprochen, wahrscheinlich durch die Soldaten, deren Aufgabe es war,
Paulus zu bewachen. Es ist auch wahrscheinlich, dass der Fall des Paulus vor
dem Tribunal des Cäsar in Anwesenheit der Prätorianergarde verhandelt worden
war. Aus dieser Verhandlung ging hervor, dass Paulus kein Verbrecher war,
sondern nur wegen des von ihm verkündeten Evangeliums vor den Kaiser gebracht
worden war. Diese Tatsache hatte sich dann durch die Prätorianer und andere
auch in der Stadt verbreitet.
So kam es, dass die Mehrheit der Brüder,
die in dem Herrn Vertrauen in seine Fesseln gewonnen hatte, umso mutiger für
Christus eintrat. Sie setzten das Vertrauen, das sie empfanden, in
entschlossenes Handeln um. Sie predigten das Wort mit noch größerer Furchtlosigkeit.
Und diese Zuversicht lag in den Fesseln des Paulus; sie waren umso mehr davon
überzeugt, dass er ein Märtyrer um des Evangeliums willen war, und so glaubten
sie umso fester, umso vehementer an ihn und seine Botschaft, sie waren von der
Kraft und Schönheit des Evangeliums überzeugt. Es wurde für sie zu einer Sache,
deren Heiligkeit und Güte es wert machten, dafür zu leiden. Diese Zuversicht
beeinflusste ihr Zeugnis; mit großer Freude und Zuversicht, ohne jede Furcht,
sprachen sie das Wort und verkündeten die gnadenvolle Botschaft der Erlösung
durch Christus.
Aber auch in Rom waren die Sympathisanten
des Judentums nicht abwesend: Einige zwar (predigen das Wort) auch aus Neid und
Streit, einige aber auch aus gutem Willen Christus; diese aus Liebe, da sie
wissen, dass ich zur Verteidigung des Evangeliums eingesetzt bin; jene aber aus
Zank predigen Christus, nicht aufrichtig, weil sie glauben, dass sie für meine
Bande Trübsal erregen werden. Das war der Wermutstropfen im Freudenbecher des
Paulus, denn es gab einige Leute in Rom, die auf den Erfolg des Evangeliums
neidisch waren und deshalb Streit schürten, um diese Tätigkeit zu unterbinden
und die Person des Apostels zu verletzen. Ihr Ehrgeiz ging übrigens nicht über
einen Dienst um des schnöden Geldes willen hinaus. Eigennutz war ihr Motiv für
die Predigt, sie erhofften sich einen persönlichen Gewinn aus ihrer Arbeit. Sie
sahen, dass die Christen Paulus liebten, dass er eine große Anhängerschaft
hatte, und sie hofften, durch das Predigen Einfluss und auch Geld zu gewinnen
und vielleicht dem Einfluss des Paulus entgegenzuwirken. Es gab keine
Aufrichtigkeit in ihren Herzen. Sie wollten die Bedrängnis des Paulus erhöhen,
als ob seine Leiden noch nicht groß genug wären. Für ihn, der die
Gefangenschaft als eine harte und fast unerträgliche Maßnahme angesichts des
großen Bedarfs der Welt an der Verkündigung des Evangeliums empfand, war es ein
zusätzlicher Schmerz, als er sah, dass die Methoden dieser unaufrichtigen Leute
Streit unter den Brüdern verursachten, dass es Prediger gab, die ihre eigenen
Parteien im Gegensatz zu der auf der Grundlage der Schrift gegründeten Gemeinde
organisieren wollten. Aber inmitten dieses zusätzlichen Leids hatte der Apostel
und sein Evangelium doch wahre Freunde, Männer, die das Evangelium aus gutem
Willen, aus Liebe verkündeten, Männer, die den wahren Grund für die
Gefangenschaft des Paulus kannten und tausendmal davor zurückgeschreckt wären,
ihn zu verletzen. Das Evangelium Christi gewann in ihrer Wertschätzung durch
die Tatsache der Gefangenschaft des Paulus an Kraft. Sie spürten die Macht des
Martyriums. Deshalb verbreiteten sie ihrerseits das Evangelium mit
Aufrichtigkeit und Einfalt des Herzens. Ihre Liebe zu dem Apostel, ihr
Mitgefühl für seine Lage verstärkte ihren Eifer für das Evangelium.
Der Apostel ist es zufrieden, wenn nur
Christus groß gemacht wird (V. 18-21): Ohne über das Recht zu predigen oder
das Fehlen eines solchen Rechts seitens dieser Männer, die mit falschen und
sündigen Motiven predigen, zu diskutieren, findet die Nächstenliebe des Paulus
sogar einen Grund, sich über die Situation zu freuen: Was macht das schon? Es
kommt nur darauf an, dass Christus gepredigt wird, sei es zum Schein oder in
Wahrheit, und darüber freue ich mich. Paulus hat hier nur eine Sache im Blick,
nämlich die mögliche Auswirkung, die diese unerlaubte Verkündigung auf die
Ausbreitung des Evangeliums, auf das Werk des Reiches Gottes haben kann. Wie
ist die Lage? fragt er. Wie sollen wir die ganze Angelegenheit beurteilen? Und
er ist bereit, über alles andere hinwegzusehen, wenn am Ende nur Christus die
volle Ehre zuteil wird. Die falschen und
selbstsüchtigen Prediger mögen unter falschem Vorwand arbeiten, sie mögen nicht
wirklich um das Evangelium besorgt sein, sie mögen nicht aufrichtig sein. Die
anderen dagegen, die Männer, die den Apostel lieben und in aller Aufrichtigkeit
für ihn und das Evangelium arbeiten, haben nur die Ehre Christi im Blick. Aber
das spielt jetzt keine Rolle mehr! ruft Paulus aus. In jedem Fall ist das
Evangelium Christi der Sieger, auch durch die Predigt der Heuchler, von denen
er spricht. Und deshalb freut sich Paulus: Es ist für ihn ein Grund zur Freude,
zur Genugtuung. Dasselbe gilt auch heute, aber nur so lange, wie die Prediger,
die aus irgendwelchen unaufrichtigen Motiven heraus dienen, wirklich das reine
Evangelium predigen. Ein falscher Prediger kann niemals wirklich etwas zur Ehre
Christi tun.
Aber Paulus denkt nicht nur an die
Gegenwart, sondern auch an die Zukunft: Und ich will mich freuen; denn ich
weiß, dass mir das zum Heil gereichen wird durch euer Gebet und den Dienst des
Geistes Jesu Christi. Wie auch immer das Ergebnis in seinem Fall aussehen wird,
Paulus wird sich freuen, er wird beharrlich alle düsteren Gedanken vertreiben.
Wie seine bisherige Gefangenschaft dem Evangelium gedient hat, so wird sie auch
weiterhin einen guten, einen gesegneten Verlauf und Ausgang haben. Dieses
Ergebnis wird durch das Gebet der Philipper ermöglicht werden. Ihr ernsthaftes
Gebet wird vor Gott mächtig sein, um die Bosheit ihrer Feinde zu überwinden. Er
verlässt sich auf dieses Gebet und seine Kraft; er weiß, dass das ernste Gebet
der Gläubigen große Macht und Kraft vor Gott hat. Und das Wirken des Geistes
Gottes und Christi wird der andere Faktor sein, der ihm helfen wird. Der Geist,
der in dem Apostel lebt und der ihm von Christus gegeben wurde, gibt ihm Kraft
und Bereitschaft, sowohl die gegenwärtige Bedrängnis zu ertragen als auch das
Werk des Evangeliums mit unvermindertem Elan fortzusetzen. Er wusste, dass der
Geist selbst seiner Schwachheit zu Hilfe kommen würde und dass er alles durch
Christus, der ihn stärkte, tun konnte.
Der Apostel ist sich außerdem sicher, dass
seine Zuversicht nicht unangebracht ist: Nach meiner beständigen Erwartung und
Hoffnung, dass ich in nichts zuschanden werde, sondern in aller Zuversicht, wie
immer, so auch jetzt, Christus an meinem Leibe verherrlicht werde, sei es durch
das Leben oder durch den Tod: Denn leben ist für mich Christus, und sterben ist
für mich Gewinn. Der Apostel hat sein eigenes Werk im Sinn. Seine Erwartung in
Bezug darauf ist eine besorgte, ernste und beständige Erwartung. Es ist ein
Fall von intensiver Beobachtung und Sehnsucht seinerseits. Es ist eine
bestimmte Hoffnung, die er hegt. Er erwartet und hofft ganz fest, durch nichts
beschämt zu werden. So wie sich seine Scham vor den Menschen in eine richtige
Einschätzung seiner Arbeit verwandelt hat, so hofft er, dass es in seinem
gesamten Dienst keinen wirklichen, keinen berechtigten Grund für ein Gefühl der
Scham geben wird. In aller Zuversicht, in aller Offenheit, in aller Freiheit
der Verkündigung sollte Christus verherrlicht, sein Name gelobt und gepriesen
werden, weil dies der einzig wahre und letzte Grund für die Verkündigung des
Evangeliums ist. Dies war immer die glühende Hoffnung und Erwartung,
buchstäblich das Warten mit ausgestreckter Hand, die Paulus hegte. In seinem
Leib erwartet der Apostel, dass Christus verherrlicht wird. Durch die Arbeit,
die Paulus verrichtete und die eine Menge harter körperlicher Arbeit mit sich
brachte, und durch die Leiden, die er erduldete, sollte Christus hoch gepriesen
werden. Und es machte für den Apostel keinen Unterschied, ob dies durch sein
Leben oder durch seinen Tod geschah. Wenn er lebt, kann er mehr für Christus
tun und auch leiden, den er im Glauben angenommen hat und den er aus diesem
Glauben heraus liebt. Und wenn er stirbt, dann im Glauben an Christus, um
dessentwillen, der ihn geliebt hat und der weit größere Opfer wert ist. Jubelnd
ertönt sein Schrei: Denn leben ist für mich Christus, sterben ist für mich
Gewinn. Wer in Christus ist, ist eine neue Kreatur; sein Leben ist mit Christus
verbunden, auf das Engste mit ihm verknüpft. Christus ist für ihn die Quelle
und das Geheimnis des Lebens, für ihn ist das Leben in Christus
zusammengefasst. Er hat Christus in der Taufe angezogen und wächst von Tag zu
Tag mehr in der Erkenntnis und Ähnlichkeit mit Christus. Und das Sterben ist
Gewinn, der beste und wahrste Gewinn: Die Erfüllung aller Hoffnungen und
Erwartungen kommt im sogenannten Tod des Christen. Er tritt das Erbe an, das
ihm in Christus Jesus gehört. Würden doch alle Christen lernen, diese Worte in
einfachem Vertrauen zu glauben und auszusprechen, und ihr Leben in
Übereinstimmung mit ihrer Bedeutung leben!
Des Paulus völliges Vertrauen in des
Erlösers gnädigen Willen (V. 22-26): Dies ist ein wunderbares Beispiel für
kindliches Vertrauen und Glauben, und der gesamte Abschnitt ist eine Auslegung
der Worte: Er weiß es am besten! Die Worte des Apostels sind überzeugend und
anregend: Wenn aber das Leben im Fleisch, das ist die Frucht meiner Arbeit,
dann weiß ich auch nicht, was ich wählen werde. Was auch immer ihm widerfahren
mag, Paulus ist des wahren Lebens in und mit Christus teilhaftig geworden. Es
ist nur eine Frage des Grades zwischen beiden. Und der niedrigere Grad, das
physische, irdische Leben, gibt Gelegenheit zum Dienst im Reich Christi. Dieser
Dienst wird dazu führen, dass der Apostel die Früchte seiner Arbeit erntet.
Wenn Gott ihm wie in der Vergangenheit den Zuschlag gibt, wird seine harte
Arbeit nicht vergeblich sein, sondern zur Ehre Gottes und zum Wohl vieler
Seelen beitragen und so die herrlichsten Früchte hervorbringen. Aus diesem
Grund weiß der Apostel nicht, er ist in einem Dilemma, er ist unentschlossen,
was er wählen soll. Es ist ein selbstloses Abwägen der Vorteile, und der
Apostel möchte unparteiisch sein und dort bleiben, wo seine Anwesenheit in
dieser Zeit am meisten Gutes bewirkt: Denn ich bin in einem Zwiespalt zwischen
beiden und habe den Wunsch, wegzugehen und bei Christus zu sein; denn das wäre
viel nützlicher, aber im Fleisch zu bleiben, ist deinetwegen notwendiger. Beide
Seiten der Frage boten große Vorteile und drückten daher schwer auf ihn. Auf
der einen Seite hatte er den ernsten Wunsch, abzureisen, dieses irdische Leben
hinter sich zu lassen, da dann alle Schwierigkeiten für immer überwunden sein
würden, soweit es ihn betraf. Er würde bei Christus sein, er würde mit seinem
Ebenbild erwachen, Ps. 17,15, und es gab keinen Zweifel in seinem Geist, dass
dies bei weitem, über jeden Vergleich hinaus, das Beste für ihn sein würde. Es
war offensichtlich die Seite, die ihn am meisten ansprach, denn er betont sie
in so außerordentlicher Weise. Aber es gab auch die andere Seite, die seiner
Gemeinden, die zu berücksichtigen war. Für sich selbst, für seine eigene
Person, erwartete der Apostel nichts in der Welt; er hatte reichlich erfahren,
was diese Welt zu bieten hat; aber ihre Interessen, ihr Wohlergehen lasten
schwer auf seinen Gedanken. Die Begierde liegt auf der Seite des Todes; die
Pflicht liegt auf der Seite des Lebens. Um ihretwillen, in ihrem Interesse, ist
es die größere Notwendigkeit, dass er im Fleisch bleibt, dass er in dieser Welt
bleibt, um sein Werk unter ihnen und in ihrem Namen fortzusetzen.
Der letztgenannte Gesichtspunkt, der des
Dienstes, entschied schließlich die Angelegenheit: Und da ich diese Zuversicht
habe, weiß ich, dass ich bei euch allen bleiben werde, zu eurem Fortschritt und
zu eurer Freude im Glauben, damit eure Herrlichkeit in Christus Jesus in mir
überwiegt, wenn ich wieder zu euch komme. Diese Überzeugung, dass sein Leben
für sie noch notwendig war, entschied die Frage zugunsten des Lebens. Eine
sorgfältige Abwägung aller Tatsachen hat in ihm die volle Überzeugung und Überzeugung
bewirkt: Er weiß, dass er bleiben wird. Seine gegenwärtige Gefangenschaft wird
nicht in seinem Tod gipfeln. Sein Leben wird verschont bleiben: eine
Überzeugung, die auch auf prophetischem Wissen beruht. Er wusste, dass er leben
würde, dass er in diesem physischen, irdischen Leben mit ihnen allen
weiterleben und bleiben würde, Seite an Seite mit ihnen im christlichen Leben
und in der Arbeit. Sein Bleiben hat also einen bestimmten Zweck, ein bestimmtes
Ziel, nämlich ihren Fortschritt und die Freude an ihrem Glauben. Durch seine
Lehre und Predigt sollten sie in der Erkenntnis Christi gefördert werden, damit
sie in ihrem Glauben beständig Fortschritte machten und in der Erkenntnis ihres
Erlösers wuchsen. Dies würde ganz nebenbei zur Freude ihres Glaubens führen.
Ihre wahre Freude wird in Christus sein. Je größer und sicherer der Glaube ist,
desto größer ist auch die Freude an diesem Glauben. Sie hätten also reichlich
Grund zu Lob und Dank, aber immer in Christus Jesus, von dem und in dem alle
guten Gaben und Segnungen möglich sind. Aber sie würden sich auch seinetwegen
über Paulus rühmen, weil er wieder zu ihnen gekommen war. Es war nicht nur eine
äußerliche Freude von lieben Freunden und Bekannten, sondern die Liebe von
Schülern zu ihrem Lehrer, der ihnen die Worte des ewigen Lebens gebracht hatte,
die Liebe von bekehrten Seelen zu dem Urheber ihrer Bekehrung. Hatten sie in
der Vergangenheit so viel geistige Nahrung, so viele geistige Segnungen
empfangen, so konnten sie nach seiner Rückkehr zu ihnen eine weitere Fülle
erwarten. So würde die Gemeinschaft, die innigste Gemeinschaft, wieder
hergestellt werden, gefolgt von den herrlichsten Segnungen, für die dem großen
Geber aller Segnungen alle Ehre gebührt.
Eine
Ermahnung zur Beständigkeit und wahren Einheit
(1,27-30)
27 Wandelt nur würdig dem Evangelium
Christi, auf dass, ob ich komme und sehe euch oder abwesend von, euch höre,
dass ihr steht in einem Geist und einer Seele und samt uns kämpft für den
Glauben des Evangeliums 28 und euch in keinem Weg erschrecken lasst von den
Widersachern, welches ist ein Anzeichen, ihnen der Verdammnis euch aber der
Seligkeit, und das von Gott. 29 Denn euch ist gegeben, um Christi willen zu
tun, dass ihr nicht allein an ihn glaubt, sondern auch um seinetwillen leidet,
30 und habe denselben Kampf, welchen ihr an mir gesehen habt und nun von mir
hört.
Der Apostel fügt hier seiner frohlockenden
Verheißung eine warnende Einschränkung hinzu: Verhaltet euch nur so, wie es des
Evangeliums Christi würdig ist, damit ich, ob ich zu euch komme oder abwesend
bin, von euch höre, dass ihr fest in einem Geist steht, mit einer Seele, die
durch den Glauben an das Evangelium zusammen kämpft. Die philippinischen
Christen sollten in der Zwischenzeit bis zu seiner Entlassung und seiner
Ankunft in ihrer Mitte ein Leben führen, das des Evangeliums Christi würdig ist
und die Heilsbotschaft in keiner Weise in Schande und Ungnade bringt. Sowohl in
der Abwesenheit des Apostels als auch in seiner Gegenwart erwartet er von den
Christen in Philippi ein Verhalten, das ihrer christlichen Pflicht entspricht.
Sie sind Bürger eines Reiches, dessen Palast und Thron oben sind, und diese
Bürgerschaft bringt bestimmte Verpflichtungen mit sich. Wenn er kommt, möchte
er sie vor allem in einem Geist fest zusammenstehen sehen. Und sollte seine
Abwesenheit von ihnen länger andauern, als er jetzt erwartet, so erwartet er
von ihnen die gleiche Sorgfalt. Sie sollen die Pflichten ihres geistlichen
Bürgerrechts erfüllen. Sie sollen inmitten der Versuchungen und des Hasses der
Heiden Festigkeit und Standhaftigkeit zeigen. Weil sie das Christentum
angenommen hatten, wurden sie von ihren Nachbarn als Fremde betrachtet, als
Anhänger fremder Götter, und entsprechend wurden sie gehasst. Aber sie sollten
und konnten beständig sein in dem Geist, der ihnen zu allen Zeiten Kraft gibt.
So sollten sie mit einer Seele für den Glauben an das Evangelium, ihr
heiligstes und kostbarstes Gut, kämpfen. Das ist der Geist, den es auch in
unseren Tagen braucht, das Gefühl der Solidarität, das Bewusstsein, mit allen
Christusgläubigen, besonders mit denen des reinen Wortes und der Sakramente,
eins zu sein, der Geist, der zu wahrer Einheit und Eintracht führt und der den
Glauben, der den Heiligen einst überliefert wurde, gegen alle Angriffe fest
verteidigt.
Wenn die Christen dies tun, dann ist die
gegenteilige Möglichkeit von vornherein ausgeschlossen: Und erschreckt nicht in
irgendetwas durch die Widersacher, was für sie ein Zeichen des Verderbens ist,
für euch aber des Heils, und zwar von Gott. Nicht in einem einzigen Punkt ihres
Glaubens, nicht in einem einzigen biblischen Grundsatz sollen die Christen von
der Angst überwältigt werden und so nachgeben. Die Widersacher sind zwar stark
und voller Tücke, aber sie können und sollen die Herzen der Christen nicht in
Angst und Schrecken versetzen. Und die Tatsache, dass die Gläubigen so tapfer
kämpfen und sich nicht fürchten, ist für ihre Widersacher ein Zeichen, ein
Hinweis auf das Verderben, dass der Sieg schließlich auf der Seite der Christen
liegen muss. Diese arme kleine Mannschaft, die sich tapfer gegen eine Welt von
Ungläubigen erhebt, ohne zu zittern, ist ein Zeichen für ihren endgültigen Sieg
über ihre vielen Feinde. Sie werden das Heil im vollsten und tiefsten Sinne
empfangen, die letzte große Heilung, die letzte Herrlichkeit. Und das alles von
Gott. Er allein ist der Urheber und Vollender unseres Heils. Das Zeichen, das
die Christen in der Schlacht auf ihrer Seite haben, ist eines, das von Gott
selbst als Bürgschaft für ihren Sieg eingesetzt und angeordnet wurde.
Die Art und Weise, in der die Zuversicht,
der unerschrockene Mut, für die Christen ein Beweis für den vorgesehenen Sieg
ist, wird in den letzten Worten gezeigt: Denn euch ist um Christi willen
gegeben, nicht nur an ihn zu glauben, sondern auch für ihn zu leiden, indem ihr
denselben Kampf habt, wie ihr ihn an mir seht und jetzt an mir hört. Es ist ein
Vorrecht, eine Gnade, ein Geschenk, das den Christen gegeben ist, für Jesus
einzutreten, auf seiner Seite zu stehen, seine Kämpfe zu kämpfen, seine Leiden zu
ertragen. So nimmt man diese Gabe aus sich selbst, aus seiner eigenen Vernunft
und Kraft. Ein solches offenes Bekenntnis zu Christus ist ein Ausdruck des
Glaubens. In diesem Glauben werden die Christen zu Bekennern, erhalten die
Kraft, alle Arten von Verfolgung und Anfeindungen von Seiten der Welt zu
ertragen. Sie alle machen die gleichen Erfahrungen wie der Apostel selbst.
Durch diese scheinbar unangenehmen und bösen Dinge will Gott den Glauben seiner
Kinder stärken. Und wenn der Glaube und die Fähigkeit, Leiden zu ertragen, von
Gott gewährt werden, wird er auch die letzte große Wohltat, die ewige Erlösung,
gewähren. Der Apostel erinnert die Philipper deshalb daran, dass sie in ihren
Schwierigkeiten, in ihren Kämpfen nicht allein sind. Er hatte sich gegen die
Feinde seines Glaubens gestellt, er hatte um des Evangeliums willen Leiden
ertragen. Je größer der Held Christi, desto härter der Kampf. Alle Christen
sollen fest aufstehen und freudig vereint alle Angriffe ihrer Feinde um Christi
willen ertragen, und diese Tatsache wird zu ihrer endgültigen Verherrlichung
beitragen, zur Erlangung des Heils, das Gott für sie vorgesehen hat.
Zusammenfassung:
Nach der Eröffnungsrede und der Begrüßung beschreibt der Apostel seine
persönliche Haltung gegenüber seinen Lesern, schließt ein Gebet für ihr
weiteres Wachstum in der Erkenntnis ein, zeigt, dass seine gegenwärtigen
Umstände eher zur Förderung als zur Behinderung des Evangeliums beigetragen
haben, und fügt eine dringende Ermahnung zu Beständigkeit und wahrer Einigkeit
hinzu.
Wir
brauchen liebende Demut (2,1-4)
1 Ist nun bei euch Ermahnung in Christus,
ist Trost der Liebe, ist Gemeinschaft des Geistes, ist herzliche Liebe und
Barmherzigkeit, 2 so erfüllt meine Freude, dass ihr eines Sinnes seid, gleiche
Liebe habt, einmütig und einhellig seid, 3 nichts tut durch Zank oder eitle
Ehre, sondern durch Demut achtet euch untereinander einer den anderen höher als
sich selbst. 4 Und ein jeder kümmere sich nicht nur um sich selbst, sondern
auch um den anderen.
Der Apostel hatte die philippischen
Christen aufgefordert, im gemeinsamen Kampf standhaft zu bleiben und um die
großen Segnungen der Gnade zu ringen. Dem fügt er einen neuen Gedanken hinzu:
Wenn es nun eine Ermahnung in Christus gibt, wenn es eine Ermahnung der Liebe
gibt, wenn es eine Gemeinschaft des Geistes gibt, wenn es eine Sympathie und
Barmherzigkeit gibt, so erfülle meine Freude, dass ihr ein und denselben Sinn
habt, dieselbe Liebe habt und einmütig seid. Wenn all diese Dinge einerseits
etwas zählen, wenn sie etwas bewirken, dann sollten sich andererseits auch die
Ergebnisse zeigen. Wenn auf der Seite des Paulus eine Ermahnung in Christus
war, wenn er sie aktiv um Christi willen ermahnt hat, wenn er versucht hat,
ihren Willen zu beeinflussen, wenn sein Drängen auf ihren Verstand und ihr Herz
irgendeinen Wert hatte, dann sollten die Philipper ihrerseits in Einmütigkeit
und Demut eifern. Das Ergebnis sollte Gemeinschaft des Geistes, Sympathie und
Barmherzigkeit, Zärtlichkeit und Erbarmen zeigen. Der Geist Gottes wirkt unter
den Christen eine echte, dauerhafte Gemeinschaft. Jeder Gläubige spürt die
Bande dieser Gemeinschaft und ist stolz darauf, von ihnen gehalten zu werden.
Und das Wirken des Geistes bringt Barmherzigkeit und Erbarmen, zärtliche Liebe
unter den Christen hervor, wobei jeder ein barmherziges, mitfühlendes Interesse
am Wohlergehen der anderen hat. Wenn diese wesentlichen Voraussetzungen gegeben
sind, können Demut und Barmherzigkeit die Oberhand gewinnen. Paulus hat Grund
gehabt, sich über die Philipper, ihren Glauben und ihre Liebe zu freuen. Diese
seine Freude sollen sie nun erfüllen, vervollständigen, zu einer vollkommenen
Freude machen, indem sie sich in allen Dingen als wahre Christen erweisen,
besonders in dieser Hinsicht, dass sie einander in wahrer Einmütigkeit lieben.
Ihre Harmonie soll so vollkommen sein, dass sie sogar das Gleiche denken, dass
ihre Gedanken in dieselbe Richtung gehen, in denselben Kanal fließen. Diese
harmonische Einheit drückt sich auf verschiedene Weise aus. Sie haben die
gleiche Liebe, jeder liebt den anderen so, wie er geliebt werden möchte. Sie
sind ein und derselbe Geist oder eine Seele, sie fühlen und denken, als ob sie
eine einzige Seele hätten, und nehmen Rücksicht auf die Eigenheiten im Urteil
der anderen. Sie denken ein und dasselbe, indem sie ihre Gedanken auf die eine
notwendige Tatsache richten, die immer die Hauptüberlegung eines Christen sein
sollte, nämlich die Herrlichkeit Christi und den Aufbau seines Reiches,
unterstützt durch die treue Liebe eines jeden Gläubigen.
Dazu fügt der Apostel hinzu: Nicht aus Zank
oder Prahlerei, sondern in Demut haltet einander für besser als euch selbst;
ein jeder sehe nicht auf sein eigenes Wohl, sondern auch auf das der anderen.
Selbstsüchtiger Ehrgeiz, der keine Einmischung duldet und bei der geringsten
Aufregung einen Streit anzettelt, der nur seine eigenen Interessen und Ziele
verfolgt und sich auf Kosten anderer zu erhöhen sucht, hat in der Mitte der
christlichen Gemeinde kein Recht zu existieren. Vielmehr muss es immer so sein,
dass die Christen in und durch Demut einander für besser, für vorzüglicher
halten, dass sie sich gegenseitig in jeder Hinsicht für vorzugswürdig halten.
Durch die Kraft dieser Demut, die das Hauptmerkmal der Christen ist, soll jeder
wenig von sich selbst, aber viel von seinem Mitchristen halten; jeder soll in
sich hauptsächlich seine Fehler und Schwächen, im anderen aber Vorzüge jeder
Art sehen. Von jedem einzelnen Glied der Kirche soll schließlich gelten, dass
es nicht selbstsüchtig darauf bedacht ist, nur seine eigenen Interessen, sein
eigenes Wohlergehen zu fördern, sondern immer nur das, was dem Bruder gut und
von Nutzen ist. Das ist der Weg, auf dem die wahre christliche Harmonie
aufrechterhalten und gefördert werden kann. Die allgemeine Erfahrung scheint zu
zeigen, dass solche Gemeinden, die viele fortgeschrittene und gut gegründete
Mitglieder haben, dazu neigen, in dieser Hinsicht zu sündigen, dass Stolz von
ihren Herzen Besitz ergreift, dass sündiges, anmaßendes Verhalten die Folge
ist.
Das
Beispiel der Demut Christi (2,5-11)
5 Ein jeglicher sei gesinnt, wie Jesus
Christus auch war, 6 welcher, ob er wohl in göttlicher Gestalt war, hielt er’s
nicht für einen Raub, Gott gleich sein, 7 sondern entäußerte sich selbst und
nahm Knechtsgestalt an, wurde gleich wie ein anderer Mensch und an Gebärden als
ein Mensch erfunden, 8 erniedrigte sich selbst und wurde gehorsam bis zum Tod,
ja zum Tod am Kreuz.
9 Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat
ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist, 10 dass in dem Namen Jesu
sich beugen sollen alle derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der
Erde sind, 11 und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der HERR
sei, zur Ehre Gottes des Vaters.
Christi Stand der Erniedrigung und was
wir daraus lernen sollen (V. 5-8): Seine Ermahnung zur Sanftmut und Demut
untermauert der Apostel auf das Nachdrücklichste: So sollt ihr auch in euch
denken, wie es in Christus Jesus war. Diese Gesinnung, diese Meinung sollten
die Christen über sich selbst haben, diese Denkweise sollte ihre
Lebensauffassung bestimmen. So wie sie bereit waren, um Christi willen große
Opfer zu bringen, so sollten sie auch in den alltäglichen Dingen des
Geschäftslebens und des gesellschaftlichen Umgangs dieselbe Qualität zeigen.
Jesus in seinem Werk, in seinem Amt als Erlöser der Welt, sollte ihnen ständig
vor Augen sein. Der Geist Christi sollte in den Christen leben. Dies ist das
Argument, mit dem der Apostel seine gesamte Argumentation und Ermahnung
abschließt. Die Christen werden der gesamten Ermahnung des Paulus folgen
können, wenn sie immer das Beispiel Christi vor Augen haben.
Nun zeichnet Paulus sein Bild von Christus:
Der, da er in der Gestalt Gottes war, es nicht für einen Raub hielt, Gott
gleich zu sein (es nicht für einen Preis hielt, Gott gleich zu sein). Jesus
wird hier als der fleischgewordene Sohn Gottes dargestellt, in seiner
Eigenschaft als Erlöser der Welt, als Mensch unter Menschen, der allein den
Menschen ein Vorbild sein kann. Dieser Mensch, Jesus Christus, hat sich selbst
in der Gestalt Gottes gefunden, Mark. 16,12; Phil. 3,21; Röm. 8,29; Phil. 3,10;
Röm. 12,2; 2. Kor. 3,18; Matth. 17,12. Seine Gestalt,
seine äußere Erscheinung, die natürlich auch sein Wesen einschloss, war die
Gottes. Nur wer das Wesen Gottes hat, der in seinem Wesen Gott ist, wird auch
eine göttliche Gestalt haben. Diese Gestalt Gottes umfasst jede Art der Manifestation
Seiner Göttlichkeit, alles, worin sich die Göttlichkeit zeigt, Joh. 1,14. Es
ist die göttliche Herrlichkeit und Majestät, die alle göttlichen Attribute und
Eigenschaften einschließt, insbesondere seine Allmacht, Allwissenheit und
Allgegenwart. Sie sind ein Teil des Wesens Gottes, sie sind die göttliche
Majestät, die Summe der Herrlichkeit Gottes. So fand sich der ewige Gottessohn
bei seiner Menschwerdung in der Gestalt Gottes wieder, ausgestattet mit seiner
ganzen Herrlichkeit und Majestät. Er war nicht nur mit der göttlichen Gestalt
und Herrlichkeit bekleidet, sondern er besaß diese Herrlichkeit und Majestät
als seine eigene. Er stand nicht nur auf einer Stufe mit Gott, sondern war mit
Gott identisch. Aber er hielt es nicht für einen Preis, Gott gleich zu sein. Um
der Rettung der Sünder willen betrachtete Christus den wunderbaren Preis seiner
Göttlichkeit mit all ihren Erscheinungsformen leichtfertig. Er nutzte seine
Herrlichkeit und Majestät nicht als Preis oder Beute, die er um jeden Preis
behalten wollte, auch nicht nach seiner Menschwerdung; er stellte seine
Majestät und Herrlichkeit nicht zur Schau, wie ein Sieger seine Beute zur Schau
stellen könnte. Er nutzte die Besitztümer, die seine menschliche Natur erlangt
hatte, nicht nach Laune; er machte kein Geschäft mit seiner Göttlichkeit, nur
um Gunst zu erlangen und Eindruck zu machen.
Dieser Entschluss Christi fand seinen
Ausdruck in seinem Leben: Er entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an,
wurde den Menschen gleich und in der Gewohnheit wie ein Mensch gefunden; er
erniedrigte sich selbst und wurde gehorsam bis zum Tod, ja, bis zum Tod am
Kreuz. Hier wird die Vollkommenheit der Selbstverleugnung Christi deutlich. Er
entäußerte sich selbst, schüttete seinen Inhalt aus, wenn auch nicht seine
Substanz. Er gab freiwillig etwas auf, verzichtete auf sein Recht, verzichtete
vorläufig auf seinen Gebrauch. Nicht, dass Jesus während seines irdischen
Dienstes nur prophetische Gaben hatte, wie sie Gott den alten Propheten gegeben
hat. Durch seine eigene allmächtige Kraft vollbrachte Jesus die großen Wunder,
die von ihm berichtet werden. Es ist zwar wahr, dass er und der Vater eins sind
und dass er die Werke vom Vater empfangen hat, aber es ist auch wahr, dass er
sie in seiner eigenen Kraft vollbracht hat. Aber er hat sich freiwillig des
uneingeschränkten und ständigen Gebrauchs seiner göttlichen Majestät entledigt.
Er hat nicht die göttliche Natur aufgegeben, sondern nur ihren unbegrenzten
Gebrauch. Er hätte sich oft selbst helfen können, aber er entschied sich, von
seiner Herrlichkeit keinen Gebrauch zu machen, weil er der Erlöser der Welt
sein wollte. Er nahm bewusst Knechtsgestalt an, das war die Art und Weise, in
der er sich selbst entäußerte. Nicht, dass seine Menschwerdung eine
Erniedrigung, eine Demütigung war, sondern die Tatsache, dass er ein armer,
niedriger, demütiger Mensch wurde, dass er die Gestalt unseres sündigen
Fleisches annahm und das Elend der gefallenen Menschheit an seinem Leib trug.
Er schien ganz und gar wie andere Menschen seiner Zeit zu sein. Er ertrug auch
die besonderen Schwächen des Fleisches: Hunger, Durst, Ohnmacht usw. Dies sind
Eigenschaften der Menschen in ihrem gegenwärtigen sündigen Zustand, Schwächen,
die das Ergebnis der Sünde sind. Und die Tatsache, dass er sich diesen
natürlichen Neigungen des Menschen unterwarf, zeigt, dass er sich seiner
göttlichen Herrlichkeit entledigte, auf ihren vollen und ständigen Gebrauch
verzichtete. Es gibt also eine Doppelnatur in Christus, die Gottes und die
eines wahren Menschen. Er hätte als verherrlichter, sündloser Mensch auf die
Erde kommen können, wie Adam vor dem Sündenfall. Und es gibt nicht nur eine
Doppelnatur in Christus, die göttliche und die menschliche, sondern auch eine
doppelte Seinsform, die Form Gottes und die eines
Knechtes, eines armen, niedrigen Menschen. Dies waren keine
aufeinanderfolgenden Zustände, sondern sie waren in der Person Christi
gleichzeitig vorhanden. Das war der Zustand Christi, ein Beispiel für alle
Christen.
Die Erniedrigung Christi ging stufenweise
vor sich; je länger er lebte, desto mehr entäußerte er sich, desto mehr wurde
er mit der Gestalt eines Knechtes bekleidet. Er wurde gehorsam bis zum Tod,
sogar bis zum Tod am Kreuz. Das größte und schwerste Übel, das das sündige
Fleisch erbt, ist der Tod, denn der Tod ist die Krönung aller durch die Sünde
verursachten Übel. Der Tod Christi war ein besonders verfluchter Tod, der Tod
am Kreuz. In dieser Hinsicht ging seine Erniedrigung über die üblichen
Erfahrungen sündenbeladener Menschen hinaus. Er starb einen grausamen Tod,
nicht den eines römischen Bürgers, sondern den eines gemeinen Verbrechers,
eines Sklaven. Dies stellt den letzten, den erbärmlichsten Grad der
Erniedrigung dar. Aber er war bereit, alles zu erdulden; er legte die
Herrlichkeit, die ihm zustand, vorläufig beiseite, um in vollem Umfang, im
vollen Sinne des Wortes, der Erlöser der Welt zu sein. Er starb als einer, der
sein Leben aus freiem Willen niederlegte. Die Tatsache, dass sein Tod ein
freiwilliges Opfer war und deshalb so wertvoll war, wird hier betont.
Anmerkung: So wie Christus ein leuchtendes Beispiel der Demut war, so sollen
die Christen von ihm lernen. Auch sie sollten um der Liebe zu Christus und
ihren Brüdern willen auf ihre Rechte verzichten, nicht zu sehr auf ihre Rechte,
ihre Ehre und ihre Interessen pochen. Sie sollen lernen, auch das Böse, das
Unrecht, das ihnen angetan wird, bereitwillig und gern zu ertragen. So werden
sie den Geist Christi unter sich und gegeneinander zeigen, so werden sie die
christliche Liebe und Harmonie bewahren, so werden sie leben, wie es dem
Evangelium Jesu Christi entspricht.
Christi Stand der Erhöhung (V.
9-11): Der Enthusiasmus des Apostels treibt ihn hier über seinen ursprünglichen
Rahmen hinaus in eine triumphale Beschreibung der Erhöhung Christi: Darum hat
Gott ihn auch hoch erhoben und ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist.
Weil Christus so gesinnt war, wie in den vorhergehenden Versen beschrieben,
weil er sich so freiwillig und willig erniedrigt hat, hat es Gott gefallen, ihn
zu erhöhen. Diese Tatsache schließt freilich die andere, dass Christus sich
selbst erhöht hat, nicht aus. Beide Tatsachen werden in der Heiligen Schrift
erwähnt. Diese Aussage spricht also nicht für eine Unterordnung des Sohnes
unter den Vater, für einen Unterschied im Rang innerhalb der Gottheit. Es gibt
keine Unterordnung in der Dreifaltigkeit. Und doch hat Gott den Menschen Jesus
Christus erhöht. Christus war gemäß seiner menschlichen Natur allen Folgen der
Sünde, dem Leiden, dem Tod und dem Grab unterworfen. Doch nun ist er erhöht;
die Tage seiner Erniedrigung sind vorüber. Sein menschlicher Leib ist nun im
vollen Besitz der göttlichen Herrlichkeit und Majestät, die ihm bei der
Menschwerdung zuteil wurde. Er hat wieder
uneingeschränkten Gebrauch von seinen göttlichen Eigenschaften und Attributen
gemacht, er übt alle Macht im Himmel und auf Erden aus, er ist König in den
Königreichen der Macht und der Gnade und der Herrlichkeit. Es ist der
verherrlichte Mensch Jesus Christus, der über alles herrscht, über die
himmlischen und irdischen Dinge und die Dinge unter der Erde; seine menschliche
Natur ist in volle und unbegrenzte Gemeinschaft mit dem göttlichen Wesen
getreten. All dies ist darin enthalten, daß der gute
Wille Gottes ihm diesen Namen gegeben hat, ihm diese Erhöhung als Herr Jehova
gesichert hat.
Daraus folgt: Damit sich in dem Namen Jesu
alle Knie beugen, die himmlischen und die irdischen und die unterirdischen, und
alle Zungen bekennen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des
Vaters. Der Name Christi, der früher verachtet und mit Zischen und Verachtung
ausgesprochen wurde, ist jetzt der Grund und Anlass für ein ganz anderes
Verhalten. Er ist das Allerhöchste. Engel, Menschen und Teufel müssen Jesus
Christus, dem erhabenen Sohn Gottes, freien und unbedingten Gehorsam leisten.
Kein Name wird höher geehrt als der Seine. Alle müssen sich vor ihm verneigen,
alle müssen ihm göttliche Ehre erweisen. Die Größe, Heiligkeit, Göttlichkeit
des Namens ist der Grund, das Motiv für die Kniebeugung. Die Engel des Himmels
beten zu dem Namen dessen, der über alles erhaben ist. Und alle Bewohner der
Erde spüren die Größe Seiner Macht und geben Ihm göttliche Ehre. Die Gläubigen
tun dies bereitwillig und gern, die Ungläubigen nur mit großer Mühe. Aber auch
sie werden, wie die Teufel, ob sie wollen oder nicht, irgendwann einmal
anerkennen und zugeben müssen, dass Jesus der Herr ist. Gerade die Tatsache,
dass sie so hartnäckig auf ihrem Bekenntnis des Unglaubens zu bestehen
scheinen, zeigt, dass sie Christus nicht für eine unbedeutende Persönlichkeit halten,
sondern für eine hochstehende, die mit allem Ernst bekämpft und bekämpft werden
muss. Am Ende muss und wird jede Zunge bekennen, dass Jesus Christus der Herr
ist. Nicht nur, dass sie sich vor ihm in gläubiger Anbetung oder in
ohnmächtiger Wut ducken, sondern sie sind auch verpflichtet, ihn zu bekennen.
Auf die Anerkennung durch eine äußere Geste der Anbetung folgt das Bekenntnis
zu seiner Souveränität. Durch dieses Bekenntnis geben alle Geschöpfe ganz
nebenbei dem Vater, Gott, dem letzten Gegenstand aller Anbetung, alle Ehre. Wer
den Sohn ehrt, ehrt den Vater. Anmerkung: Auch diese Ermahnung steht in engem
Zusammenhang mit der Ermahnung in diesem Abschnitt. So wie Christus durch
seinen freiwilligen Verzicht auf die Rechte und Privilegien seiner Gottheit,
durch seine Demut, seine Armut, sein Leiden und seinen Gehorsam schließlich die
himmlische Herrlichkeit und Ehre erlangte und zu seiner gegenwärtigen Erhöhung
gelangte, so erlangen die Christen, wenn sie Christus nachfolgen, wenn sie den
gleichen Sinn wie Christus haben, die himmlische Herrlichkeit und werden der
Erhöhung Christi teilhaftig.[2]
Die
Anwendung der Ermahnung auf echte Werke der Heiligung
(2,12-18)
12 Also, meine Liebsten, wie ihr allezeit
seid gehorsam gewesen, nicht allein in meiner Gegenwart, sondern auch nun viel
mehr in meiner Abwesenheit: Schafft, dass ihr selig werdet, mit Furcht und
Zittern! 13 Denn Gott ist’s, der in euch wirkt beides, das Wollen und das
Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen. 14 Tut alles ohne Murmeln und ohne
Zweifel, 15 auf dass ihr seid ohne Tadel und lauter und Gottes Kinder,
unsträflich mitten unter dem schlechten und verkehrten Geschlecht, unter
welchem ihr scheint als Lichter in der Welt 16 damit, dass ihr haltet ob dem
Wort des Lebens, mir zu einem Ruhm an dem Tag Christi, als der ich nicht
vergeblich gelaufen noch vergeblich gearbeitet habe. 17 Und ob ich geopfert
werde über dem Opfer und Gottesdienst eures Glaubens, so freue ich mich und
freue mich mit euch allen. 18 Dessen sollt ihr euch auch freuen und sollt euch
mit mir freuen.
Der Apostel zieht hier eine
Schlussfolgerung und macht eine praktische Anwendung: Darum, meine Geliebten,
wie ihr allezeit gehorsam gewesen seid, nicht allein in meiner Gegenwart,
sondern jetzt erst recht in meiner Abwesenheit, so arbeitet mit Furcht und
Zittern an eurem eigenen Heil. Nach all diesen Erwägungen, die die Christen
auffordern, so zu wandeln und zu reden, so zu leben, wie es dem Evangelium Jesu
Christi würdig ist, sollen sie in ihrem Gehorsam fortfahren wie bisher. Paulus
gibt ihnen das Zeugnis, dass sie sowohl in seiner Anwesenheit als auch in
seiner Abwesenheit gehorsam waren. Und im vollen Bewusstsein dessen und mit der
Bereitschaft, den ihnen vorgezeichneten Weg auch in Zukunft fortzusetzen,
fordert er sie auf, die Verantwortung ihres Heils vor Gott zu spüren. Das Heil,
vollständig und für alle bereit, sollen sie anstreben, es zu ihrer Aufgabe
machen, es zu erlangen. Es stimmt natürlich, dass das Heil nicht durch Gehorsam
verdient wird, es ist vollständig und vollkommen in Christus. Aber es kann so
leicht durch Ungehorsam verloren gehen, und deshalb ist das Streben danach mit
Furcht und Zittern, mit dem Bewusstsein der innewohnenden Schwachheit und der
furchtbaren Macht der Versuchung, wesentlich für die Heiligung. Es besteht hier
kein Widerspruch zu Kap. 1,6, wo Paulus sagt, er sei sicher, dass Gott das gute
Werk bis zum Ende fortsetzen werde. Der Christ muss sicher sein, dass Gott ihm
Festigkeit, Zuversicht und Treue schenkt und ihn davor bewahrt, von der Gnade
abzufallen, und er muss dennoch in Furcht sein, damit er nicht durch seine
eigene Torheit sein Heil verliert. Wenn ein Christ auf sein eigenes Fleisch
schaut, kann er durchaus zittern, denn es ist schwach und ein williger
Verbündeter aller Feinde; wenn ein Christ aber auf Gott schaut, ist er sicher,
dass er im Glauben bleibt, dass er alle Gefahren überwindet, die seinen Glauben
bedrohen, dass er schließlich über Welt, Fleisch und Satan siegreich sein wird.
Diese Ermahnung ist an sich ein Mittel und ein Werkzeug in Gottes Hand, um den
Christen auf dem Weg der Heiligung zu halten.
Und doch hängt alles von der Macht Gottes
ab: Denn Gott ist es, der in uns wirkt, zu wollen und zu tun nach seinem
Wohlgefallen. Gott wirkt, vollbringt alles Gute in seinen Christen; er treibt
sie zu wahrem Gehorsam an. Ein Gläubiger beweist seinen Glauben durch gute
Werke. Dazu ist zweierlei nötig, nämlich der Wille zum Tun, die gute Absicht,
so zu leben, wie es dem Evangelium Jesu Christi entspricht, wie es durch den
Heiligen Geist gewirkt wird, und dann die Ausführung dieser Absicht, die
Verwandlung des Willens in die Tat, damit das Tun richtig und wirksam
ausgeführt wird. Und das alles nach Gottes Wohlgefallen, um seinen eigenen,
gnädigen Willen auszuführen. Gott will wirklich Gefallen an den guten Werken
der Gläubigen finden. Und er findet Gefallen daran, weil sie von göttlicher Art
und Natur sind und ihre Werke aus der göttlichen Kraft in ihnen hervorgehen. Um
sich an den Werken der Christen zu erfreuen, wirkt er selbst die guten Dinge in
ihnen. Gott gibt und stiftet den Willen, das Gute zu tun; der erneuerte Wille
des Menschen, in der Kraft Gottes, will das Gute und führt es aus. Der
wiedergeborene Wille des Menschen wird durch den Willen Gottes kontrolliert,
gelenkt und geleitet. Die Gläubigen wagen es also nicht, Gottes Hilfe bei der
Heiligung zu verlieren.
Der Apostel nennt einen Punkt, in dem ihre
Heiligung zum Ausdruck kommen kann: Tut alles, ohne zu murren und zu zögern.
Die Christen von Philippi sollen, wie die Gläubigen aller Zeiten, in allen
Dingen den Willen Gottes tun, alles tun, was Gott von ihnen erwartet, auch wenn
es dem Fleisch nicht gefällt, auch wenn Zweifel und Kritik in ihrem Herzen
aufkommen wollen. Es sollte kein Gezänk und kein Hinterfragen geben, ob dies
oder jenes wirklich notwendig ist, ob es notwendig ist, das Wort Gottes so
streng zu befolgen, ob es wirklich die Pflicht des Christen ist, an allen
Unternehmungen der Kirche teilzunehmen. Der ideale Geisteszustand ist der, der
einfach und aufrichtig das tut, was nötig ist.
Das Ergebnis eines solchen Verhaltens ist:
Dass ihr unverständig und unschuldig seid, schuldlose Kinder Gottes inmitten
eines ungerechten und verkehrten Geschlechts, unter denen ihr als Lichter in
der Welt leuchtet, indem ihr das Wort des Lebens hochhaltet zu einer
Verherrlichung für mich am Tag Christi, damit ich nicht vergeblich gelaufen bin
oder vergeblich gearbeitet habe. Das Ziel der Heiligung kann nicht in einem
Schritt erreicht werden, sondern nur in einem allmählichen Prozess. Die
Christen müssen sich mehr und mehr bemühen, sich untadelig zu zeigen und zu
erweisen, ohne Tadel. Inmitten einer Welt, die von jeder Form von Sünde und
Schande durchdrungen ist, müssen sie sich vor jeglicher Verunreinigung hüten,
um nicht nur ohne Vorwurf seitens der anderen zu sein, sondern tatsächlich
unschuldig an einem Fehlverhalten, fähig, jeder Kritik als ungerechter
Verleumdung zu begegnen. Christen sollten jede Beleidigung vermeiden und in
dieser Welt ohne Schuld sein. Es sollte ein klarer
und unmissverständlicher Unterschied zwischen den Christen und den Kindern
dieser Welt bestehen. Sie sollen sich von den Ungläubigen abheben, wie das
Licht sich von der umgebenden Finsternis abhebt. Das gesamte Leben der
Gläubigen wird einen herrlichen Kontrast zu allen Werken der Finsternis bilden
und eine ständige Zurechtweisung für die Übeltäter sein. Aber nicht nur in
ihren guten Werken, im Gehorsam gegenüber dem Willen ihres himmlischen Vaters
und in allen nachfolgenden Werken des Glaubens sollen die Christen als Lichter
leuchten, sondern sie sollen auch Fackelträger des Wortes des Lebens sein. Die
Christen sollen der Welt, vor den Augen der Kinder dieser Welt, das Wort des
Heils zur Annahme vorlegen, damit es dazu diene, auch sie zum ewigen Leben zu
erleuchten. Dies tun sie durch die Werke des göttlichen Lebens in ihnen. Ihr
gesamtes Verhalten vor der Welt wird eine Predigt in Worten und Taten sein. Ihr
ganzes Leben wird zeigen, was das Wort Gottes zu bewirken vermag. Die bloße
Existenz der Gläubigen in dieser Welt ist ein missionarischer Faktor. Und all
dies wird dem Apostel am großen Tag Jesu Christi, dem Tag des Gerichts, zur
Ehre gereichen. Er wollte mit Stolz auf die Christen von Philippi verweisen
können, als Ergebnis seiner missionarischen Bemühungen in Christus Jesus. Es
würde zeigen, dass seine Bemühungen von Erfolg gekrönt waren, denn die
Philipper würden einen sichtbaren, greifbaren Beweis liefern. Anmerkung: Die
Christen unserer Tage mögen sich dieses Wort in ihrer Beziehung zu ihren Hirten
gut merken, damit sie der Lehre, die sie empfangen haben, Ehre machen können,
sowohl hier in der Zeit als auch am großen Tag Jesu Christi.
Um diese letzte Tatsache seinen Lesern
einzuprägen, fügt der Apostel hinzu: Wenn ich aber für das Opfer und den Dienst
eures Glaubens geopfert werde, freue ich mich und freue mich mit euch allen; so
freut auch ihr euch und freut euch mit mir. In und durch seine Gefangenschaft
wurde Paulus wie ein Trankopfer ausgegossen. Zugleich aber brachte er ein Opfer
dar, ein zweifaches Opfer. Das erste Opfer ist das des Glaubens der Christen.
Es war ihm gelungen, den Glauben in ihre Herzen zu bringen und diesen Glauben
bis zum gegenwärtigen Stand des Wachstums der Heiligung zu stärken. Das war ein
angenehmes Opfer in den Augen Gottes. Die Folge war, dass die Philipper nun ein
Opfer im Dienst, einen wahren Dienst, lebten. Der Apostel geht davon aus, dass
er selbst als Opfer dargebracht werden wird. Er wird vielleicht den Märtyrertod
erleiden, weil er das Evangelium predigt. Er weiß, dass er bald aus der
gegenwärtigen Gefangenschaft befreit werden wird, aber das rückt seinen
Märtyrertod nur in etwas größere Entfernung. Die endgültige Verfügung über
seinen Körper ist schon jetzt ziemlich sicher: Das Martyrium steht ihm bevor.
Aber selbst wenn dies sehr bald geschehen sollte, kann es die Früchte seiner
Arbeit nicht beeinträchtigen. Er hat Grund, sich über den Glauben und das
christliche Leben der Philipper zu freuen, er ist glücklich bei dem Gedanken an
das, was er erreicht hat. Und in gleicher Weise sollen sich seine Leser über
ihren Glauben freuen und sich mit ihm, wie es sich für gute Christen gehört,
über die Liebe Christi freuen.
Empfehlung
von Timotheus und Epaphroditus (2,19-30)
19 Ich hoffe aber in dem HERRN Jesus, dass
ich Timotheus bald werde zu euch senden, dass ich auch erquickt werde, wenn ich
erfahre, wie es um euch steht. 20 Denn ich habe keinen, der so ganz meines
Sinnes sei, der so herzlich für euch sorgt. 21 Denn sie suchen alle das Ihre,
nicht das Christi Jesu ist. 22 Ihr aber wisst, dass er rechtschaffen ist; denn
wie ein Kind dem Vater hat er mit mir gedient am Evangelium. 23 Den, hoffe ich,
werde ich sogleich senden, wenn ich erfahren habe, wie es um mich steht. 24 Ich
vertraue aber in dem HERRN, dass auch ich selbst bald kommen werde.
25 Ich hab’s aber für nötig angesehen, den
Bruder Epaphroditus zu euch zu senden, der mein
Gehilfe und Mitstreiter und euer Apostel und meiner Notdurft Diener ist, 26 da
er nach euch allen Verlangen hatte und war hoch bekümmert darum, dass ihr
gehört hattet, dass er krank war gewesen. 27 Und er war zwar todkrank, aber Gott
hat sich über ihn erbarmt, nicht allein aber über ihn, sondern auch über mich,
auf dass ich, nicht eine Traurigkeit über die andere hätte. 28 Ich habe ihn
aber desto eilender gesandt, auf dass ihr ihn seht und wieder fröhlich werdet,
und ich auch der Traurigkeit weniger habe. 29 So nehmt ihn nun auf in dem HERRN
mit allen Freuden und habt solche in Ehren. 30 Denn um des Werks Christi willen
ist er dem Tod so nahe gekommen, da er sein Leben gering bedachte, auf dass er
mir diente an eurer Statt.
Des Paulus Grund und Ziel mit der
Sendung des Timotheus (V. 19-24): Der gesamte Abschnitt ist von persönlichen
Dingen geprägt, als ob Paulus sich beeilen würde, zum Ende zu kommen. Seine
Empfehlung für Timotheus zeigt die Vertrautheit der Gefühle zwischen diesen
beiden Männern, eine herzliche Beziehung, die durch den Altersunterschied in
keiner Weise beeinträchtigt wurde: aber ich hoffe auf den Herrn Jesus,
Timotheus bald zu euch zu schicken, damit ich in Kenntnis eurer Umstände im
Geist erfrischt werde. Paulus hatte die Hoffnung zu Gott und seinem Herrn
Jesus, dass er Timotheus bald senden könne. Er beweist seine Verbundenheit mit
Gott, indem er den gesamten Verlauf seines Lebens in Gottes Hände legt. Was
immer Gott für ihn bestimmt hat, ist er bereit, ohne Murren zu akzeptieren.
Dennoch ist seine Hoffnung in diesem Fall umso glühender, als er sich wünscht,
erfrischt zu werden, sein Herz und seinen Geist zu stärken, indem er
Informationen über ihren Zustand erhält; ihr geistliches und körperliches
Wohlergehen ist ihm ein großes Anliegen. Timotheus würde in kurzer Zeit mit
Nachrichten von den Philippern zurückkehren, und er hoffte, dass diese
Nachrichten sein Herz befriedigen würden. Er nennt den Grund, warum er
Timotheus für diese Mission ausgewählt hat: Denn ich habe keinen
Gleichgesinnten, der aufrichtig um eure Verhältnisse besorgt ist; alle suchen das
Ihre, nicht das von Jesus Christus. Timotheus war dem Paulus seelenverwandt und
empfand daher das gleiche reine und herzliche Interesse an den Philippern wie
sein Lehrer, da er ebenso um das Werk Christi besorgt war. Die Sorge des
Timotheus für die Philipper war ebenso echt und aufrichtig wie die des Paulus.
Von den anderen aber, von der großen Mehrheit, sah sich Paulus gezwungen zu
sagen, dass sie nichts von dieser selbstlosen Hingabe besäßen, dass sie, die
Mitglieder dieser Gruppe, alle ihre eigenen Ziele verfolgten und nur an der
Förderung ihrer selbstsüchtigen Ambitionen interessiert seien. Das ist eine
harte Kritik und ein hartes Urteil. Paulus sagt nicht, dass diese Männer das
Werk des Evangeliums absichtlich und böswillig verderben, aber sie haben ein
selbstsüchtiges Motiv; sie sind in Gefahr, den Glauben und das gute Gewissen zu
verlieren. Das gilt zu allen Zeiten und sollte ein Ansporn für alle Pastoren
sein, sich von allen selbstsüchtigen Motiven und Interessen zu befreien und
ihrem Meister, Christus, in Einfalt des Herzens zu dienen.
Für die Philipper war Timotheus kein
unbekannter Mann: Aber seinen Beweis kennt ihr, denn wie ein Sohn eines oder
seines Vaters hat er mit mir im Evangelium gedient. Deshalb hoffe ich, diesen
Mann sofort zu senden, wenn ich klar sehe, wie es mit mir weitergeht. Die
Christen von Philippi hatten reichlich Gelegenheit gehabt, Timotheus zu
beobachten und seine Motive, den Zustand seines Geistes und seines Herzens zu
beurteilen; sie kannten seine Zuverlässigkeit. Sie wussten, dass er an der
Seite des großen Apostels im Dienst des Evangeliums gedient hatte, wie ein
liebender Sohn seinem Vater dient. Dieser Mann würde ihnen also sicher
besonders willkommen sein, und Paulus wollte ihn schnell schicken, sobald er
genau wüsste, wie es um sein eigenes Schicksal bestellt war und wie es um ihn
stand. Die Entscheidung des kaiserlichen Hofes sei jeden Tag zu erwarten, und
die Entsendung des Timotheus werde unmittelbar danach erfolgen, und Paulus
erwarte noch mehr: Ich vertraue aber auf den Herrn, dass ich selbst bald kommen
werde. Das feste Vertrauen, das er in den Herrn hat, dass er persönlich kommen
kann. Er will Timotheus folgen, sobald bestimmte Angelegenheiten in Rom
erledigt sind. Er will seinem Brief einen persönlichen Besuch folgen lassen.
Man beachte, dass Paulus die Disposition seines Lebens mit all seinen
Wechselfällen in kindlichem Vertrauen immer in die Hände Gottes legt.
Die Rückkehr des Epaphroditus
nach Philippi (V. 25-30): Es kann sein, dass Timotheus mit Epaphroditus nach Philippi reiste; wie dem auch sei,
letzterer reiste unmittelbar nach der Abfassung dieses Briefes ab und fungierte
als dessen Überbringer. Paulus fügt also eine Empfehlung und Ermahnung in Bezug
auf diesen Boten der philippinischen Gemeinde bei: Ich hielt es aber für nötig,
euch Epaphroditus zu senden, den Bruder und
Mitarbeiter und Mitsoldaten, euren Apostel aber und den Diener meines Mangels.
Er ist der Bruder des Paulus in Christus, ein Sohn desselben Vaters im Himmel
durch die von Christus errungene Erlösung; er ist sein Mitarbeiter, er hatte an
der Seite des Apostels gearbeitet, er hatte das Werk des Apostels in Philippi
fortgesetzt; er ist sein Mitsoldat, er kämpfte als Soldat Christi in denselben
Reihen. Und die Philipper sollten Epaphras (Kurzform
von Epaphroditus) als ihren Apostel betrachten, der
sie nicht nur in der Vergangenheit gelehrt hatte, sondern nun als Vertreter des
Paulus wieder in ihre Mitte zurückkehrte. Auf diese Weise revanchierte sich
Paulus für die Freundlichkeit, die sie ihm erwiesen hatten, als sie Epaphras als Diener für die Bedürfnisse des Paulus
schickten, mit einer beträchtlichen Hilfe für die Bedürfnisse des Apostels.
Die Entsendung dieses Mannes zu diesem
Zeitpunkt erschien Paulus besonders notwendig, denn er hatte Sehnsucht, er
hatte Heimweh nach den Brüdern in Philippi; seine Liebe wollte sie sehen und
bei ihnen sein. Diese Sehnsucht des Epaphroditus
wurde noch dadurch verstärkt, dass er auch beunruhigt war und sich in großer
Sorge befand, weil die Nachricht von seiner Krankheit nach Philippi gebracht
worden war. Entweder auf dem Weg nach Rom oder in Rom war der Bote der
philippinischen Gemeinde erkrankt, und wie Paulus schreibt, war er in der Tat
schwer erkrankt, so schwer, dass er in Todesgefahr war, dass man fast an seinem
Leben verzweifelte. Aber Gott hatte sich seiner erbarmt, er hatte den Verlauf
seiner Krankheit geändert und ihn wieder zu Leben und Gesundheit gebracht.
Dabei hatte sich Gott aber auch des Apostels erbarmt, der zutiefst betrübt, in
Trauer gestürzt, eines treuen Mitarbeiters beraubt worden wäre: Es hätte ein
Leid nach dem anderen über ihn gebracht. Gott hatte ihm wenigstens diese
leidvolle Erfahrung erspart. Umso schneller schickte Paulus ihn nun nach
Philippi, teils weil die Gefahr eines Rückfalls bestand (die Krankheit könnte
Malaria gewesen sein), teils um die besorgte Sorge der Philipper zu lindern.
Um seine hohe Wertschätzung für Epaphroditus zu zeigen und um den Philippern die gebührende
Achtung zu vermitteln, die sie ihren Dienern im Herrn entgegenbringen sollten,
gibt Paulus Epaphroditus hier eine sehr herzliche
Empfehlung. Sie sollten ihn in dem Herrn mit aller Freude aufnehmen. Es sollte
nicht nur die Freude eines Freundes über einen lieben Freund sein, sondern auch
die herzliche Aufnahme eines Dieners Christi. Um des Herrn willen, in dessen
Dienst er steht, um des Evangeliums willen, das er verkündet, sollten sie ihn
herzlich willkommen heißen. Dazu gehört übrigens auch die volle und eindeutige
Annahme des Wortes, das der Diener Christi verkündet. Und das Gleiche gilt für
alle, die das Evangelium verkünden und wahre Diener Christi sind. Die Ältesten,
die sich im Wort und in der Lehre abmühen, sind einer doppelten Ehre wert. Von Epaphroditus sagt Paulus, dass er für das Evangelium sein
Leben aufs Spiel gesetzt hat, dass er sich dem Tod genähert hat und sein Leben
aufs Spiel gesetzt hat. Das in Rom herrschende Fieber, das durch Malaria
verursacht wurde, die von Mücken aus den nahegelegenen Sümpfen übertragen
wurde, suchte die Bevölkerung heim, war aber noch gefährlicher für Besucher,
die keine Gelegenheit gehabt hatten, zumindest teilweise immun zu werden. Der
Dienst des Epaphroditus war für Paulus sehr wertvoll
gewesen. Und diese Tatsache sollte auch von den philippinischen Christen
gebührend gewürdigt werden. Während er in ihrem Dienst stand, während er damit
beschäftigt war, dem Paulus Gaben zu bringen, erfüllte er in ihrer Abwesenheit
den Dienst, den sie dem Apostel schuldeten. Da die ganze Gemeinde nicht kommen
konnte, nahm er als ihr Vertreter den Platz von ihnen allen ein und kümmerte
sich um die Bedürfnisse des großen Lehrers in seiner Gefangenschaft. Die Gaben
und guten Wünsche der Philipper wurden durch den persönlichen Trost und Dienst
des Epaphroditus in Rom ergänzt. Daran sollten sie
immer denken und ihn entsprechend empfangen. Anmerkung: In diesem Abschnitt
wird die enge und herzliche Beziehung zwischen den frühen Christen sehr schön
herausgestellt; ein schönes Beispiel angesichts der Gefühllosigkeit und
Gleichgültigkeit, die in der heutigen Zeit vorherrschen.
Zusammenfassung: Der
Apostel drängt auf die Notwendigkeit einer liebevollen Demut nach dem Vorbild
der freiwilligen Erniedrigung Christi; er ermahnt zu wahren Werken der
Heiligung; er schließt eine sehr herzliche Empfehlung für Timotheus und Epaphroditus ein.
Die
Gefahren der judaistischen (Gesetzes-)Lehre (3,1-11)
1 Weiter, liebe Brüder, freut euch in dem
HERRN! Dass ich euch immer einerlei schreibe, verdrießt mich nicht und macht
euch desto gewisser. 2 Seht auf die Hunde, seht auf die bösen Arbeiter, seht
auf die Zerschneidung! 3 Denn wir sind die Beschneidung; die wir Gott im Geist
dienen und rühmen uns von Christus Jesus und verlassen uns nicht auf Fleisch.
4 Wiewohl ich auch habe, dass ich mich
Fleisches rühmen könnte. So ein anderer sich dünken lässt, er könne sich
Fleisches rühmen, ich viel mehr, 5 der ich am achten Tag beschnitten bin, einer
aus dem Volk von Israel, des Geschlechts Benjamin, ein Hebräer aus den Hebräern
und nach dem Gesetz ein Pharisäer, 6 nach dem Eifer ein Verfolger der Gemeinde,
nach der Gerechtigkeit im Gesetz gewesen unsträflich.
7 Aber was mir Gewinn war, das habe ich um
Christi willen für Schaden geachtet. 8 Denn ich achte es alles für Schaden
gegen die überschwängliche Erkenntnis Christi Jesu, meines HERRN, um welches
willen ich alles habe für Schaden gerechnet und achte es für Dreck, auf dass
ich Christus gewinne 9 und in ihm erfunden werde, dass ich nicht habe meine
Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz, sondern die durch den Glauben an Christus
kommt, nämlich die Gerechtigkeit, die von Gott dem Glauben zugerechnet wird, 10
zu erkennen ihn und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner
Leiden, dass ich seinem Tod ähnlich werde, 11 damit ich entgegenkomme zur
Auferstehung der Toten.
Von einer freudigen Ermahnung zur
Warnung (V. 1-3): Der Apostel hatte die übliche Überleitung zum Schluss
seines Briefes gemacht, indem er seine Mitarbeiter empfahl. Wahrscheinlich
wollte er die üblichen Grüße hinzufügen. Aber es gab noch einige andere Dinge,
an die die Philipper erinnert werden mussten. Der Heilige Geist hat sich in der
Frage der Inspiration ganz auf die menschliche Art des Briefeschreibens
eingestellt. So greift Paulus einen neuen Gedanken auf: Im Übrigen, meine
Brüder, freut euch in dem Herrn. Was auch immer er ihnen sonst noch sagen
wollte, dieser eine Punkt, den er zum Motto seines Briefes machte, sollte ihnen
stets vor Augen stehen. Das muss ständig wiederholt werden, damit es sich fest
in die Herzen und Köpfe aller Christen einprägt, so wie es der Apostel sagt: Es
ist mir nicht lästig, euch dasselbe zu schreiben, euch aber ist es sicher. Eine
solche Ermahnung, die immer wieder wiederholt wird, ist nicht überflüssig, und
sie soll weder dem Lehrer noch den Zuhörern lästig werden, denn die Freude über
den christlichen Zustand, über die Tatsache, dass sie im Zustand des Glaubens
sind, ist notwendig. Die Christen müssen sich der Liebe Gottes in Christus,
aller Gaben seiner Gnade und Barmherzigkeit bewusst sein. Wie Paulus nicht müde
wurde, diese Botschaft immer wieder zu verkünden, so wird auch kein anderer
Seelsorger meinen, die ständige Wiederholung dieser Ermahnung sei eine
langweilige, ermüdende Arbeit. Es ist für die Sicherheit der Gläubigen immer
notwendig, sie in ihrer Stellung zu Christus und zu Gott zu bestärken.
Deshalb sieht sich Paulus gezwungen, eine
nachdrückliche Warnung hinzuzufügen: Hütet euch vor den Hunden, hütet euch vor
den bösen Arbeitern, hütet euch vor der Schärfe. Der Apostel benutzt die
schärfsten Worte des Vorwurfs, um die Irrlehrer zu charakterisieren, um sie in
ihrem wahren Gesicht darzustellen. Es gab einige schlechte, böse, gefährliche
Arbeiter in der Mitte der Gemeinde, auf die die Philipper ein wachsames Auge
haben mussten. Und in welcher Hinsicht sie gefährlich sind, zeigt Paulus, indem
er eine Zusammenfassung ihrer falschen Lehre gibt. Wahrscheinlich hatte er
gedacht, dass er Gelegenheit haben würde, sich persönlich um diese Irrlehrer zu
kümmern, als er nach Philippi kam. Aber der Geist hat ihn nun veranlasst, die
Warnung in diesen Brief aufzunehmen. Wenn die Gefahr einer falschen Lehre in
der Kirche besteht, ist es töricht, zu zögern; die Warnung muss sofort
ausgesprochen werden, besonders wenn die bösen Arbeiter, die falschen Prediger,
mitten in der Kirche auftauchen. Diese Übeltäter haben sich einer höchst
gefährlichen Lehre schuldig gemacht. Der Apostel nennt sie beim Namen und
tadelt sie beiläufig, indem er sie als „Beschneidung“, als Verstümmelung
bezeichnet. Er bezieht sich auf den Ritus der Beschneidung, den sie in ihrer
mechanischen, ungeistlichen Sichtweise auf ein bloßes
Zerreißen des Körpers reduzierten. Diese judaistisch geprägten Menschen
bestanden auf allen Riten und Zeremonien des jüdischen Gesetzes. Vor allem auf
der Tatsache der Beschneidung bestanden sie mit ihrem ganzen Einfluss. Solche
jüdischen Lehrer, die die Freiheit des Evangeliums noch nicht erkannt hatten,
sondern darauf bestanden, den Christen jüdische Bräuche und Zeremonien
aufzudrängen, gab es auch in anderen Gemeinden. Wenn aber Menschen auf den
äußeren Werken des Gesetzes bestehen und eine Form von Heiligkeit und
Gerechtigkeit vorführen, dann liegt in ihrer Lehre nichts als Heuchelei. Ihre
Lehre ist böse und auch ihr Leben, weshalb der Apostel sie Hunde, verächtliche
Menschen nennt. Sie arbeiteten nur für persönlichen Gewinn, persönliche Ehre.
Vor solchen Menschen sollten sich die Philipper hüten.
Paulus stellt sich und die wahren Christen
in einen starken Gegensatz zu diesen Menschen: Denn wir sind die Beschneidung,
die Gott durch den Geist dienen und sich in Christus Jesus rühmen und kein
Vertrauen auf das Fleisch setzen. Er will damit sagen: Nur wir Christen
verdienen den Namen, wahrhaft beschnitten zu sein, das wahre, geistliche Israel
zu sein, in diesem Fall eben wir christlichen Lehrer, die Gott durch den Geist
dienen und sich in Christus Jesus rühmen. Wie der Ritus der Beschneidung die
Israeliten zu äußeren Gliedern des auserwählten Volkes Gottes machte, da sie
durch den Glauben die Würde wahrer Kinder Gottes erlangten, so sind die wahren
Diener Christi die wahre Beschneidung, weil sie Gott dienen und Glieder des
wahren Volkes Gottes sind. Dieser wahre Dienst ist kein äußerer, sondern ein
innerer, geistlicher, durch den Geist geprägter Dienst. Das ist der
wohlgefällige Dienst Gottes, der Dienst des Wortes. Und die Herrlichkeit
solcher Menschen ist Christus Jesus. Das ist das äußere Zeichen des wahren
Pastors, der sich in Christus rühmt. Er vertraut weder auf das Fleisch noch auf
seine eigenen Fähigkeiten, noch auf irgendwelche äußeren Dinge oder Werke. Sein
Vertrauen und seine Kraft sind allein Christus.
Des Paulus Berechtigung, sich zu brüsten
(V. 4-6): Ähnlich wie in 2. Korinther 11,21-30 gibt Paulus hier den Beweis,
warum er sich mit Recht rühmen kann, wenn er sich entscheidet, vom Standpunkt
der judaisierenden Lehrer aus zu argumentieren: Obwohl auch ich Vertrauen auf
das Fleisch habe. Wenn jemand sonst meint, er könne sich auf das Fleisch
verlassen, so ich mehr. Der Apostel hätte Grund, gewisse äußere Vorteile ins
Feld zu führen, wenn er es wollte, wenn dies wirklich von Vorteil wäre. Er kann
den Irrlehrern auch auf diesem Gebiet begegnen, auf ihrem eigenen Boden. Wenn
sie unter dem falschen Eindruck stehen, dass alles von diesen äußeren Dingen
abhängt, dann hat Paulus ein viel größeres Recht, sich zu rühmen.
Das will er nun zeigen: Acht Tage alt, was
meine Beschneidung betrifft; vom Stamme Israel, vom Stamme Benjamin, ein
Hebräer von den Hebräern; nach dem Gesetz ein Pharisäer; was den Eifer
betrifft, die Kirche zu verfolgen; was die Gerechtigkeit im Gesetz betrifft,
untadelig. Der Apostel war nicht nur ein jüdischer Proselyt, er war im Judentum
geboren und von Anfang an nach dessen Riten erzogen worden. Die jüdischen
Lehrer, die Paulus zu dieser Zeit im Sinn hatte, waren vielleicht nur
Proselyten des Tores und konnten nicht auf eine solche Vorgeschichte verweisen.
Paulus war von Geburt an ein Israelit, aus dem ursprünglichen Stamm Israels,
aus dem Stamm Benjamin. Seine Abstammung war unbestritten; während viele Juden
ihre Abstammung nicht mehr genau zurückverfolgen konnten, hatte Paulus Beweise
für seine Abstammung von Benjamin. Er war ein echter Hebräer nach dem Fleisch,
er konnte mit den besten von ihnen mithalten. Und was das Gesetz betraf, so war
er, was den äußeren Eifer für das Gesetz anging, ein Pharisäer, ein Mitglied
der strengsten Sekte unter den Juden. Es konnte kein Zweifel daran bestehen,
dass Paulus als Hüter des Gesetzes vollkommen aufrichtig, absolut gewissenhaft
gewesen war, dass er vor den Juden eine reine Weste hatte, obwohl er in moralischer
Verblendung gehandelt hatte. Ja, mehr noch, an Eifer war er weit über dem
durchschnittlichen Juden gewesen; so eifrig war er vor seiner Bekehrung
gewesen, dass er ein Verfolger der Kirche gewesen war und versucht hatte, die „neue
Sekte“ auszurotten. Was schließlich die Gerechtigkeit anbelangt, die auf dem
Gesetz beruht, die ihre Gültigkeit durch das Gesetz erhält, so war er
untadelig; er erwies sich als so ernsthaft, dass kein Vorwurf in dieser
Hinsicht gegen ihn erhoben und aufrechterhalten werden konnte. Was die äußere
Erfüllung des Gesetzes anbelangt, so hätte niemand ernsthafter und
erfolgreicher sein können. So konnte er mit Leichtigkeit jeden der
judaisierenden Gegner in jedem der Punkte herausfordern, auf die sie gewöhnlich
pochten, und sie besiegen.
Das Ergebnis der Bekehrung des Paulus
(V. 7-11): Alle diese äußeren Vorteile, deren sich der Apostel mit viel
größerem Recht hätte rühmen können als seine Gegner, die ganze Klasse der
Dinge, die alles und jedes als Grund des Vertrauens außer Christus
einschließen, lässt er jetzt außer Acht: Was mir aber ein Gewinn war, das halte
ich um Christi willen für einen Nachteil. Früher hatte er es für einen großen
Gewinn gehalten, in den Räten der Pharisäer hoch zu stehen, vor den Menschen
Ehre zu haben. Aber nun hatte er das Verhältnis der wahren Werte kennengelernt,
er hatte herausgefunden, dass in diesen äußeren Dingen kein wahrer Gewinn, kein
bleibender Wert lag. Als er Christus kennen lernte, wurde alles andere in
seiner Wertschätzung auf seinen Platz verwiesen; er wusste nun, dass alle
pharisäische Heiligkeit ihm schadete, ihm Schaden zufügte. Es war unnützer
Ballast, buchstäblich, was man über Bord wirft, um sein Leben zu retten. Sie
war schlimmer als wertlos, wenn man sie mit Dingen von wirklichem Wert vergleicht,
denn sie stand im Weg, wenn es um die Erlangung dauerhafter Segnungen ging.
Und so unterstreicht Paulus: Ja, auch ich
halte alles für einen Schaden um der überreichlichen Erkenntnis Christi Jesu,
meines Herrn, willen, um dessentwillen ich alles für einen Verlust halte und
für einen Kot, damit ich Christus gewinne. Es ist eine weitreichende,
nachdrückliche Aussage, die mit triumphaler Inbrunst hervorsprudelt. Alles in
der weiten Welt, was auch immer es bieten und bewirken mag, was das
gegenwärtige Leben betrifft, hält Paulus für mehr als nutzlos, für ein
Hindernis, für ein Hindernis auf dem Weg des Heils und der Heiligung. Denn nun
hat er Christus kennengelernt. Die Überfülle, die Vorzüglichkeit, die übergroße
Größe der Erkenntnis Jesu hat sein ganzes Herz und seinen ganzen Verstand
erfüllt. Alles andere hat er mit Freuden um Christi willen von sich geworfen.
Alles, was nicht mit Christus verbunden ist, betrachtet er als Mist, als
Abfall. Um Christi willen hat er alle Verluste in den Dingen dieser Welt als
Gewinn betrachtet, damit er Christus gewinnen kann. Dieses Ziel hat er nun erreicht;
er hat die volle, die gründliche Erkenntnis Christi erhalten, er hat Christus
selbst gewonnen, sein Heiland ist sein kostbarster Besitz,
Kein Wunder, dass die jubelnde Stimme des
Paulus sich zum Lob dieses herrlichen Besitzes erhebt: Und werdet in ihm
gefunden, nicht meine Gerechtigkeit habend, die aus dem Gesetz ist, sondern die
durch den Glauben an Christus, die Gerechtigkeit aus Gott durch den Glauben.
Diesen gesegneten Zustand zu erlangen, das war das Ziel des Paulus, als er sich
in der Bekehrung durch die Kraft Gottes Christus zuwandte. Seine eigene
Gerechtigkeit genügte ihm nicht mehr, die Gerechtigkeit des Gesetzes konnte dem
Maßstab der Heiligkeit Gottes nicht gerecht werden; er musste eine bessere
Gerechtigkeit und Herrlichkeit haben. Wenn ein Gläubiger in Christus gefunden
wird, wenn er Christus im wahren Glauben angenommen hat, dann hat er auch die
Gerechtigkeit Christi. Christus und die wahre Gerechtigkeit sind untrennbar
miteinander verbunden. Wer Christus durch den Glauben gewinnt, hat die wahre,
vollständige, vollkommene Gerechtigkeit. Sie ist vom Erlöser durch sein
Sühnewerk erworben worden und liegt bereit, um durch den Glauben ergriffen zu
werden, um in und mit Christus, der durch den Glauben empfangen wird, erlangt
zu werden. Es handelt sich nicht um eine Gerechtigkeit, die durch den Glauben
vorbereitet und ins Leben gerufen wird, auch nicht um eine, die durch den Glauben
erworben wird, sondern um eine, die durch den Glauben ergriffen wird. Es ist
die Gerechtigkeit aus Gott, auf der Grundlage des Glaubens. Es ist keine
Gerechtigkeit, die Gott dem Menschen einfach gibt oder schenkt, keine absolute
Gabe. Nein, es ist eine forensische Gerechtigkeit, eine, die man sich verdient
hat und die deshalb vor dem Richterthron Gottes geltend gemacht werden kann.
Gott erkennt das Recht des Gläubigen auf diese Gerechtigkeit an, er erklärt den
Gläubigen für gerecht. Weil der Glaube die Gerechtigkeit Jesu annimmt, sieht
Gott den Glauben als Mittel zur Rechtfertigung an. Gott gibt dem Gläubigen die
Gerechtigkeit Christi und sieht ihn als gerecht an, während der Ungläubige leer
ausgeht, weil er Gottes Geschenk des Glaubens und der Gerechtigkeit verachtet
hat.
Der Glaube wird so auch zu einem Mittel zum
Zweck: Ihn zu erkennen und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft
seiner Leiden, indem ich seinem Tod gleichgestaltet werde, wenn ich vielleicht
die Auferstehung der Toten erlangen kann. Das sind die Ergebnisse des Glaubens,
das sind die Gaben, die dem geschenkt werden, der glaubt. Er weiß, dass
Christus, der Erlöser, vor seinen staunenden Augen offenbart wird. Tag für Tag
wird ihm die Schönheit des Erlösers deutlicher vor Augen geführt. Er kennt auch
die Kraft seiner Auferstehung, er erfährt die göttliche Macht dessen, der von
den Toten auferstanden ist, der durch seine Auferstehung bewiesen hat, dass das
Heil wahrhaftig und vollständig erlangt wurde und dass Gottes Zorn vollständig
besänftigt wurde, dass er mit dem stellvertretenden Werk Christi vollkommen
zufrieden war. Diese Kraft der Auferstehung Christi zeigt sich auch in dem
Einfluss, den sie auf den neuen Menschen hat, indem sie ihm die Kraft gibt, in
einem neuen Leben zu leben. Die Auferstehung Christi lebt in den Christen, er
ist die Kraft ihres ganzen Lebens. Gleichzeitig verstehen die Gläubigen aber
auch die Gemeinschaft mit seinen Leiden. Sie erfahren die Kraft seines Todes,
sie werden ihm in seinen Leiden und in seinem Tod gleich. Sie ertragen alle
Arten von Trübsal um Christi willen. Sie kreuzigen ihr Fleisch mit seinen
Neigungen und Begierden, wodurch sie auch ein sehr wertvolles Gut gewinnen. Und
dieses geistliche Leben, das sich auf so vielfältige Weise manifestiert, hat
sein Ziel, findet seine Erfüllung, seine Vollendung im Leben nach der letzten
Auferstehung. Nach dem großen Tag des Gerichts, wenn alle Toten vor dem
Richterstuhl Christi erscheinen, wird das wahre Leben der Gläubigen beginnen.
Auf dieses Leben ist die ganze Sehnsucht der Gläubigen gerichtet. Nach diesem
Ziel streben wir. Es dient dem Christen selbst als Argument, um alles andere
als wertlos zu betrachten. ALLE judaisierenden Einflüsse gefährden diesen
Gewinn, diesen Glauben. Anmerkung: Wenn alle Christen lernen könnten, diese
Worte nach dem Apostel in der Fülle ihres Glaubens zu wiederholen, würden alle
Klagen über Lauheit im individuellen und gemeinschaftlichen Leben bald unnötig
werden.
Die
Heiligung folgt der Rechtfertigung; die Vollendung der christlichen Hoffnung
(3,12-21)
12 Nicht, dass ich’s schon ergriffen habe
oder schon vollkommen sei; ich jage ihm aber nach, ob ich’s auch ergreifen
möchte, nachdem ich von Christus Jesus ergriffen bin. 13 Meine Brüder, ich
schätze mich selbst noch nicht, dass ich’s ergriffen habe. Eines aber sage ich:
Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich zu dem, das da vorne ist, 14
und jage nach dem vorgesteckten Ziel, nach dem Kleinod, welches vorhält die
himmlische Berufung Gottes in Christus Jesus. 15 Wieviel nun unser vollkommen
sind, die lasst uns so gesinnt sein. Und sollt ihr sonst etwas halten, das
lasst euch Gott offenbaren, 16 doch so ferne, dass wir nach einer Regel, darein
wir gekommen sind, wandeln und gleichgesinnt seien.
17 Folgt mir, liebe Brüder, und sehe auf
die, die so wandeln, wie ihr uns habt zum Vorbild. 18 Denn viele wandeln, von
welchen ich euch oft gesagt habe, nun aber sage ich auch mit Weinen: Die Feinde
des Kreuzes Christi; 19 welcher Ende ist die Verdammnis, welchen der Bauch ihr
Gott ist, und ihre Ehre zuschanden wird, derer, die irdisch gesinnt sind. 20
Unser Wandel aber ist im Himmel von wo wir auch erwarten den Heiland Jesus
Christus, den HERRN, 21 welcher unsern nichtigen Leib verklären wird, dass er ähnlich
werde seinem verklärten Leib, nach der Wirkung, damit er kann auch alle Dinge
ihm untertänig machen.
Des Christen Eifer in der Heiligung
(V. 12-16): Paulus macht sich hier zum Vorbild für alle Christen. Er zeigt,
welchen Gewinn es bedeutet, Christus zu haben und ihm zu folgen. Er ist im
Besitz der Gerechtigkeit Christi, er hat die Kraft von Christi Tod und
Auferstehung an sich selbst erfahren. Das heißt aber nicht, dass die
Vollkommenheit nun erreicht ist: Nicht, dass ich die Vollkommenheit bereits
erlangt hätte oder bereits vollendet wäre. Das wird nicht vom Glauben gesagt,
denn der Glaube nimmt den ganzen Christus mit allen seinen Segnungen auf einmal
an. Wenn der Apostel vom Empfangen, vom Erreichen spricht, meint er die
Heiligung. Das Ziel, das er anstrebt, ist die Teilhabe an allen Segnungen der
Auferstehung Christi. Christus gehört ihm in der ganzen Fülle seiner Gnade und
Barmherzigkeit, und er ist ein Erbe des Heils, aber seine Vollendung, seine
Vollendung ist noch nicht in seinem Besitz. Diese Vollendung, wenn er alle
Schwächen des Fleisches, alle kleinen Ärgernisse und Marotten ablegen wird, wird
im Himmel erreicht, wenn er die eigentlichen Segnungen des Heils ohne jede
äußere Einmischung genießen wird. Das himmlische Leben in der Ewigkeit ist ein
Zustand der Vollkommenheit, der vollständigen Erfüllung. Der Apostel hat diesen
Zustand schon vor Augen, aber er hat ihn noch nicht erreicht. Er muss noch
laufen, er muss noch kämpfen. Aber er folgt ihr nach, damit er sie festhalten
kann. Er darf sein Ziel nicht aus den Augen verlieren, er muss sich weiter
bemühen auf der Grundlage der Tatsache, dass er von Christus Jesus vollständig
aufgenommen wurde. Christus hat ihn eingeschrieben, ihn zu einem der Seinen
gemacht, ihn unter die Seinen gestellt. Der Gläubige hat Christus als seinen
Besitz, so wie Christus ihn als seinen Besitz hält. In dieser wunderbaren
Gemeinschaft mit Christus wünscht er sich, das Ende des Lebens zu erreichen. Er
sehnt sich nach der Vollendung seiner Hoffnungen, er sehnt sich danach, ein
aktiver Teilhaber der himmlischen Herrlichkeit zu werden. Das ganze Denken, das
Sehnen, die Sehnsucht der Christen ist himmelwärts gerichtet.
Der Apostel fährt fort, auf sein eigenes
Beispiel zu drängen: Brüder, ich selbst sehe noch nicht, dass ich etwas
erreicht habe, sondern nur eines: Ich vergesse das, was hinter mir ist, und
strecke mich nach dem aus, was vor mir ist, und strebe nach dem Ziel, dem
Vorzug der Berufung Gottes oben in Christus Jesus. Die Ermahnung des Paulus an
dieser Stelle ist ein dringender Aufruf an seine Mitgläubigen. Was seine eigene
Person betrifft, so wiederholt er, dass er die letzte Herrlichkeit noch nicht
ergriffen hat; das letzte große Ziel liegt noch vor ihm. Aber diese Tatsache
beunruhigt und bedrückt ihn nicht; denn eines ist der Fall: Er vergisst alles,
was hinter ihm liegt, alle falschen Bewegungen und Enttäuschungen und
unangenehmen Erfahrungen, mit denen er zu kämpfen hatte. Wie ein Läufer, der
sich vorwärts beugt, wenn er sich bis zum Äußersten anstrengt, wenn er sich dem
Ende des Rennens nähert, so streckt er sich nach den Dingen aus, die vor ihm
liegen. Sein einziger Gedanke ist, das Ende, die Erfüllung, den Sieg zu
erreichen, und das so schnell wie möglich. Er vergisst nicht, was er im
christlichen Glauben gewonnen hat. Das sind keine Dinge, die man leichtfertig
vergisst, denn sie sind nicht leichtfertig errungen worden. Aber das ist ja
auch nur bares Geld und eine Garantie für die Zukunft. Deshalb blickt er mit
jeder Faser seines Körpers nach vorn, denn sein Ziel ist ein Preis und eine
Prämie, ein kostbares und schönes Geschenk, weit über alles menschliche
Verständnis hinaus. Es ist eine Krone und Belohnung christlicher Tapferkeit,
die ihn anspornt, das letzte Quäntchen seiner Kraft einzusetzen. Es ist der
Preis der himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus. Dieser Ruf Gottes hat
die Christen in und durch Jesus Christus erreicht. Durch den Ruf Gottes wurden
die Gläubigen zu Christus hingezogen, sie haben ihn als ihren Retter gefunden
und angenommen. Das ist die Bekehrung. Und in der Bekehrung werden die
Gläubigen aus dieser Welt herausgerufen in die himmlische Heimat. In diesem Ruf
ist der Preis der himmlischen Berufung bereits in Aussicht gestellt, das Ziel
ist vor Augen. So sind alle Gedanken der Christen himmelwärts gerichtet. Kein
Gedanke an irdische Dinge darf ihre Gedanken vom Himmel ablenken.
In diesem Sinne hat die sanfte Ermahnung
des Paulus eine Kraft, die über den bloßen Inhalt seiner Worte hinausgeht: So
viele vollkommen sind, lasst uns dies denken; und wenn ihr in irgendetwas
anders denkt, so wird Gott auch dies an euch aufdecken. Der Apostel macht hier
einen Unterschied zwischen den Christen, wobei die Vollkommenen den Unmündigen
gegenübergestellt werden. Vgl. 1. Kor. 14,20. Diejenigen, die eine klare und
volle christliche Erkenntnis haben, die sie durch eine lange Erfahrung mit
Christus gewonnen haben, sollten so denken wie der Apostel und deshalb darauf
bestehen, die Kämpfe der Vergangenheit hinter sich zu lassen und nach dem Neuen
und Guten zu streben. Je mehr ein Christ in der Heiligung wächst, je mehr er
feststellt, dass es große Lücken in seiner christlichen Erkenntnis und in
seiner Heiligung gibt, desto eifriger arbeitet er an seiner Heiligung. Da die
von Paulus verwendete Sprache diejenigen entmutigen könnte, die schwach in der
Erkenntnis sind, beeilt er sich hinzuzufügen, dass, falls jemand noch anders
über die Sache denkt, Gott es ihm auch offenbaren wird. Wenn die Erkenntnis
einiger Geschwister noch nicht vollkommen ist, wird Gott ihnen das richtige
Verständnis geben. Denen, die wirklich um ihr Heil besorgt sind, gibt Gott von
Tag zu Tag eine bessere Erkenntnis; das ist ein Teil des Fortschritts in der
Heiligung. Und was die anderen angeht, so sollten sie, soweit sie gekommen
sind, entsprechend wandeln. Jeder Christ sollte das, was er gelernt hat, in
seinem Leben anwenden. Es genügt, wenn er alles, was er mit dem Verstand des
Glaubens erfasst hat, in die Praxis umsetzt. Am Evangelium festzuhalten, am
Herrn und seiner Wahrheit, am Wort der Gnade, das ist die wesentliche Aufgabe
der Christen.
Ein warnender Ruf (V. 17-21): Der
Apostel stellt sich hier seinen Lesern erneut als Beispiel vor: Seid meine
Nachahmer, Brüder, und achtet auf die, die so wandeln, wie ihr uns zum Vorbild
habt. In dieser Hinsicht konnte der Apostel seine eigene Person und die seiner
Mitarbeiter als Typen und Beispiele vorführen. Jeder Pastor sollte seiner Herde
auch in Sachen Heiligung ein Vorbild sein, damit die Glieder seiner Schar ihn
als Muster ansehen, damit sie so wandeln und leben, wie sie ihn als Vorbild
haben. Alle wahren Christen werden gerne Nachahmer des Apostels sein, seinem
Beispiel und dem jedes wahren Arbeiters im Herrn folgen. Und die
fortgeschritteneren Christen sind wiederum Vorbilder für die schwächeren
Geschwister, denen sie nacheifern können.
Das ist sehr notwendig: Denn es wandeln
viele, von denen ich euch oft gesagt habe, aber jetzt sage ich es auch weinend,
die Feinde des Kreuzes Christi, deren Ziel das Verderben ist, deren Gott der
Bauch und die Herrlichkeit in der Schande ist, die an die Dinge der Welt
denken. Die guten Vorbilder und Beispiele unter den christlichen Brüdern müssen
umso sorgfältiger befolgt werden, als es auch falsche Führer gibt, die die
schwächeren Brüder leicht verführen können. Vor diesen hatte der Apostel in den
alten Tagen des persönlichen Umgangs oft gesprochen, er hatte sie sorgfältig
gewarnt. Aber jetzt ist er gezwungen, seine Warnung unter Tränen zu
wiederholen. Aus den Berichten, die ihm zugetragen worden waren, hatte Paulus
erfahren, dass es unter denen, die den Führungsanspruch erhoben, falsche
Christen, Abtrünnige gab, solche, die das wahre Christentum verleugnet hatten.
Diese Männer entlarvt er nun als Feinde des Kreuzes Christi. In ihrem ganzen
Leben leugnen sie die Kraft und Wirksamkeit des Kreuzes, des Heils Christi und
seiner Botschaft. Solche falschen Brüder müssen umso sorgfältiger gemieden
werden, als ihr Ziel die Zerstörung ist. Wer ihrer Führung folgt, wird von
ihnen in die ewige Verdammnis geführt. Ihr ganzer Anschein von Heiligkeit ist
nichts als Heuchelei, wie ihre Opfer zu ihrem großen Leidwesen feststellen
werden. Bei aller christlichen Verkleidung ist ihr einziger Lebenszweck, die
Summe und Substanz ihres Denkens und Planens, das Essen und Trinken, die
Befriedigung ihrer sinnlichen Begierden, der Begierden des Körpers. Sie
betrachten als Ruhm, als etwas, worauf sie stolz sein können, sie suchen das
Glück in solchen Dingen, die in Wirklichkeit ihre Schande sind, mit denen sie
nur die letzte Verachtung auf sich selbst häufen werden. Ihre sogenannte
Freiheit ist nichts anderes als die Knechtschaft der sinnlichen Begierden. Sie
denken nur an fleischliche Dinge, an Dinge, die zu dieser Welt gehören. Paulus
sagt nicht, dass sie Sklaven aller Laster sind. Aber er bezieht sich auf
solche, die sich ihres sittlichen Lebens, ihrer bürgerlichen Rechtschaffenheit
rühmen, unter deren Deckmantel sie aber nur die Befriedigung der Dinge dieser
Welt suchen. Diese Männer gehörten nicht zur Gemeinde in Philippi, sondern
standen in Verbindung mit den Irrlehrern, die versuchten, in die Gemeinde
einzudringen. Die beiden Klassen von Menschen ergänzen sich, die einen suchen
eine äußerliche, formale Gerechtigkeit und lehren die Menschen entsprechend,
die anderen benutzen solche äußerlichen Formen als Deckmantel für fleischliche
Begierden und Befriedigungen. Diese Charakterisierung trifft in vielen Fällen
auch heute noch zu. Die allgemeine Veranlagung und moralische Tendenz der
Mehrheit, selbst derjenigen, die sich für Christen halten, ist weltlich.
Äußerlich ein Mantel aus christlichem Anstrich, Zeremonien und Moral, und
gleichzeitig alle Vergnügungen und Zeitvertreibe der unchristlichen Welt.
Solche Menschen und Gemeinden sind eine ständige Bedrohung für alle
aufrichtigen Christen. Jeder Christ neigt dazu, sich selbst gegenüber so
nachsichtig wie möglich zu sein, und wird daher leicht auf Pfade der blumigen
Bequemlichkeit geführt, zum Nachteil des Heils seiner Seele.
Der Kontrast, den das Leben der wahren
Christen bietet, ist deutlich: Denn unser Bürgerrecht ist im Himmel, von wo wir
auch den Erlöser, den Herrn Jesus Christus, erwarten, der den Leib unserer
Niedrigkeit umgestalten wird, damit er dieselbe Gestalt habe wie der Leib
seiner Herrlichkeit, nach dem Wirken seines Vermögens, sich alles untertan zu
machen. Eine weitere erhabene Passage, die den Leser irgendwie über die Grenzen
dieses irdischen Lebens hinaus in die jenseitige, gesegnete Heimat versetzt.
Sie, die Feinde, haben alle ihre Interessen hier unten, sie wollen nur die
Befriedigung ihrer weltlichen Ambitionen. Aber die Gedanken der Christen sind
himmelwärts gerichtet, denn sie sind Bürger im Himmel. Ihre Heimat, ihre
Interessen, sind im Himmel; das ist ihr wahres Vaterland, ihre Heimat; dort ist
ihnen ihr Bürgerrecht sicher. Und die Gläubigen blicken sehnsüchtig zum Himmel
auf, weil sie auch den Erlöser aus dem himmlischen Staat, aus der Heimat oben,
erwarten, erwarten. Dort ist die Stätte für uns bereitet, wo wir ewig leben
werden, Er ist unser Retter zu allen Zeiten, als unser Beistand beim Vater
setzt Er das Werk Seines Amtes fort. Aber der letzte Akt Seines Heils steht uns
noch bevor, nämlich wenn Er uns von allem Bösen erlösen und in Sein himmlisches
Königsdomizil versetzen wird. Übrigens wird er uns von unserem schwachen und
sündigen Fleisch befreien, das ein ständiges Hindernis für alle guten Werke
ist. Wenn Er kommt, wird Er den Körper dieses unseres niederen, gemeinen
Zustands verändern. Er wird das Aussehen, die Form dieses Körpers verändern.
Das ist das Endziel der Heiligung, soweit es unseren physischen Körper
betrifft, dass er von seiner Gebrechlichkeit, von seinem sündigen Zustand, dem
Ergebnis des Sündenfalls, gereinigt wird. Der Körper selbst, der dem Tod
unterworfen ist, sinkt ins Grab und wird eine Beute der Korruption und der
Würmer. Aber das ist noch nicht das Ende. Christus wird am Jüngsten Tag die
Gestalt der Christen in das Gleichnis seines herrlichen Leibes verwandeln. ALLE
Sündhaftigkeit, alle Schwäche, alle Folgen der Sünde werden aus unserem Leib
herausgezogen. Die Herrlichkeit des erhöhten Christus wird diesen unseren Leib
durchdringen, und er wird zu einem geistigen Leib werden. Das göttliche Licht
und Wesen wird den ganzen Körper durchdringen und ihn zu einem heiligen,
herrlichen, schönen Körper machen. Das ist das wunderbare Ende, auf das wir uns
freuen. Christus wird seine allmächtige Macht einsetzen, um dieses Ergebnis
herbeizuführen. Er, dem selbst Tod und Verderben unterworfen sind, wird uns von
allen Übeln dieser Welt befreien und uns mit den geistigen Leibern seiner
Herrlichkeit bekleidet nach Hause bringen.[3]
Zusammenfassung: Der
Apostel warnt vor judaisierenden Lehrern, erklärt, dass er mehr Grund hat, sich
zu rühmen, als sie, dass er aber alles andere um des Besitzes Christi willen
freudig verworfen hat; er stellt sich selbst als Typus und Beispiel vor seine
Leser und drängt sie, in der Heiligung voranzuschreiten und so das himmlische
Ziel mit seinen Herrlichkeiten zu erreichen.
Festigkeit
und Einmütigkeit sind geboten (4,1-3)
1 Also, meine lieben und gewünschten
Brüder, meine Freude und meine Krone, besteht also in dem HERRN ihr Lieben! 2 Die
Evodia ermahne ich, und die Syntyche
ermahne ich, dass sie eines Sinnes seien in dem HERRN. 3 Ja, ich bitte auch
dich, mein treuer Geselle, stehe ihnen bei, die samt mir über dem Evangelium
gekämpft haben mit Clemens und den anderen meinen Gehilfen, welcher Namen sind
in dem Buch des Lebens.
Der Apostel zieht hier die Schlussfolgerung
aus der vorangegangenen Ermahnung: Darum, meine geliebten und ersehnten Brüder,
meine Freude und meine Krone, steht fest in dem Herrn, Geliebte. Welch eine
Welt der Freundlichkeit steckt in diesen ansprechenden Worten, in denen der
Apostel die Philipper nicht nur als seine Geliebten anspricht, sondern auch die
Zärtlichkeit seiner Zuneigung zu ihnen zeigt, indem er schreibt, dass er sich
mit Heimweh nach ihnen sehnt, dass sein Herz bei ihnen sein möchte. Sie sind seine
Freude, sie haben ihm immer Anlass zur Freude gegeben. Sie sind die Krone
seiner Arbeit, wie sie treuen Hirten als große Ehre zuteil
wird. Deshalb sollen sie in ihrem christlichen Glauben und Leben fest
stehen; sie sollen sich nicht von den Irrlehrern und ihren Anhängern verführen
lassen; sie sollen beide Extreme, Selbstsucht und Fleischeslust, meiden. Der
Apostel hat das Vertrauen in sie, dass sie seine Erwartungen erfüllen werden.
Der allgemeinen Ermahnung zur Festigkeit,
die aus der Einmütigkeit erwächst, fügt der Apostel eine besondere Ermahnung
hinzu: Euodia ermahne ich, und Syntyche
ermahne ich, dasselbe in dem Herrn zu denken. Er möchte, dass diese beiden
Frauen ihre Differenzen ablegen. Beide waren bekannte, aktive Mitglieder der
Gemeinde in Philippi. Aber es gab einen Riss in den Lauten, wahrscheinlich
aufgrund von Eifersucht; es gab Meinungsverschiedenheiten, die sich mit der
Reinheit des Gemeindelebens umso tiefer abzusenken drohten. So ermahnt Paulus
sie, in Harmonie zu arbeiten, einmütig zu sein, ihre Entfremdung, ihre
Entfremdung abzulegen. Das Gleiche geschieht auch in unseren Tagen, dass
nämlich die Frauen in den verschiedenen Organisationen der Kirche von
Eifersucht geplagt werden und so die Ruhe der konstruktiven Arbeit stören. Eine
vorsichtige, aber entschiedene Ermahnung kann eine Störung verhindern.
Die Angelegenheit bereitete dem Apostel
einige Sorgen, wie seine nächsten Worte zeigen: Ja, ich bitte dich auch, mein
aufrichtiger Jochgenosse, hilf diesen Frauen, die mit mir im Evangelium
gestritten haben, mit Clemens und den anderen Mitarbeitern, deren Namen im Buch
des Lebens stehen. Die Meinungsverschiedenheiten waren so groß, dass Paulus zu
befürchten schien, die schriftliche Ermahnung allein könne in diesem Fall
keinen Erfolg haben; deshalb bittet er seinen Jochgenossen, einen der Bischöfe
oder Presbyter der Gemeinde in Philippi, ernsthaft, sich dieser Sache
anzunehmen. Anmerkung: Das Wort, das mit „Jochgenosse“ übersetzt wird, kann ein
Eigenname sein, Synzygos, der Name eines der Bischöfe
oder eines anderen bekannten Mitglieds. Er sollte diesen Frauen in ihren
Schwierigkeiten helfen, ihnen beistehen, ihnen einen Ausweg aus ihren
tatsächlichen oder vermeintlichen Missständen zeigen. Wenn nötig, sollten
Clemens und alle anderen Mitarbeiter, wahrscheinlich das gesamte Presbyterium,
angerufen werden, um den Streit zu schlichten und die Harmonie
wiederherzustellen. Die Namen dieser Mitarbeiter des Apostels stehen im Buch
des Lebens, sie sind in die Liste der Auserwählten zur Errettung eingetragen.
Markus: Von diesen beiden Frauen wird gesagt, dass sie mit dem Apostel im
Evangelium Jesu Christi eifrig gearbeitet haben. Frauen sind keineswegs von der
aktiven Teilnahme an der Arbeit der Kirche ausgeschlossen, aber ihre taktvolle
Arbeit kann viel dazu beitragen, die Sache des Evangeliums voranzubringen, wenn
sie sich nicht in eifersüchtige Streitigkeiten verwickeln lassen.
Die
Freude der Christen, besonders in ihrer Gemeinschaft mit Christus
(4,4-9)
4 Freut euch in dem HERRN allewege; und
abermals sage ich: Freut euch! 5 Eure Lindigkeit lasst kund sein allen
Menschen. Der HERR ist nahe. 6 Sorgt nichts, sondern in allen Dingen lasst eure
Bitte im Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kund werden. 7 Und der Friede
Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in
Christus Jesus!
8 Weiter, liebe Brüder, was wahrhaftig ist,
was ehrbar, was gerecht, was keusch, was lieblich, was wohl lautet, ist etwa
eine Tugend, ist etwa ein Lob, dem denkt nach. 9 Welches ihr auch gelernt und
empfangen und gehört und gesehen habt an mir, das tut, so wird der HERR des
Friedens mit euch sein.
Die sorgenfreie Freude der Gläubigen
(V. 4-7): Hier bringt der Apostel noch einmal das Thema des Briefes zum
Ausdruck. Er war gezwungen, diese Warnung vor Disharmonie aufzunehmen, aber
sein Herz war von Liebe und Freude gegenüber den Philippern erfüllt. Und so
bricht er in einen weiteren Appell aus: Freuet euch in dem Herrn allezeit;
abermals sage ich: Freuet euch! Bei den Christen ist die Freude immer im Herrn
und um des Herrn willen. Das ist das Grundgefühl ihres ganzen Lebens, sich über
das Heil zu freuen, das ihnen durch das Sühnewerk Christi zuteil geworden ist,
jubelnde Freude über die Gemeinschaft mit seiner heiligmachenden Kraft zu
empfinden. Damit die Philipper nicht den Einwand erheben, es sei unmöglich,
sich inmitten der Trübsal dieses Jammertals immer zu freuen, wiederholt Paulus
seine Ermahnung und schneidet damit alle Einwände ab: Die Christen können und
sollen sich immer freuen. Vgl. 2. Kor. 4,8. 9
Aus diesem Gefühl heraus, das ihr ganzes
Leben beherrscht, folgt: Eure Milde verkündet allen Menschen; der Herr ist
nahe. In dem griechischen Wort, das Paulus hier gebraucht, ist so viel
enthalten: Mäßigung, Nachsicht, Sanftmut, Geduld, Selbstlosigkeit, Gerechtigkeit,
Milde; es ist jene Eigenschaft, mit der ein Christ immer das Beste aus allem
herausholt. Dies soll vor allen Menschen offenbar werden, es folgt aus der
Freude des Glaubens, aus der Erkenntnis ihrer Annahme bei Gott. Allen Menschen
gegenüber sollten sie dieses Gefühl zeigen, denn es ist die einzige
charakteristische Haltung, die dazu führen wird, Menschen für das Christentum
zu gewinnen. Natürlich muss es immer einen kompromisslosen Widerstand gegen
alles geben, was böse ist und vom Wort Gottes verurteilt wird, aber dies darf
nie in Grobheit und Härte enden, was mit dem Geist Christi unvereinbar wäre. In
diesem Zusammenhang sollten die Christen immer daran denken, dass Christus nahe
ist, dass sein Kommen unmittelbar bevorsteht. Er will seine Gläubigen von allem
Bösen erlösen. Sie werden immer bei dem Herrn sein. Dann werden alle
Bedrängnisse, alle Ängste, Sorgen und Nöte dieses Lebens vorbei sein.
Angesichts dieser Aussicht ist irdisches Gezänk und Gerangel völlig
unbedeutend. Dieser Gedanke sollte die Christen stets ermutigen und anspornen,
wahre Nachsicht zu üben.
Ein weiterer Gedanke ergibt sich aus den
dargestellten Tatsachen: Um nichts sollt ihr euch sorgen, sondern in allem
sollt ihr mit Flehen und Gebet und Danksagung eure Wünsche vor Gott kundtun.
Das ist eine klare und umfassende Aufforderung. Die Christen sollen nicht
ängstlich sein, sich nicht mit Sorgen und Ängsten um irgendetwas in diesem
Leben aufreiben. Die Philipper mögen Anlass zur Sorge gehabt haben, denn sie
litten unter der Feindseligkeit vieler Gegner. Aber anstatt sich um die Dinge
dieser Welt zu sorgen, sollten sie ihr ganzes Vertrauen auf den Herrn setzen
und alle Angelegenheiten seiner väterlichen Leitung und Fürsorge überlassen. Im
allgemeinen Gebet und im besonderen Flehen, verbunden mit Danksagungen, sollen
sie ihre Anliegen vor Gott kundtun. Selbst die kleinste, scheinbar unbedeutende
Kleinigkeit des täglichen Lebens wie auch die großen, bedeutsamen Tatsachen,
mit denen sie konfrontiert werden, sollten Gott zur Kenntnis gebracht werden.
Nichts ist zu klein für seine Aufmerksamkeit, wenn es das Wohlergehen seiner
Kinder oder der Kirche betrifft. Und das Danken darf niemals unterlassen
werden. Es ist ein wesentlicher Bestandteil des Gebetes, da die Gaben des Herrn
uns immer umgeben und wir nie ohne konkrete Gründe für eine Danksagung sind.
Wenn ein Christ dieses Gebot sorgfältig befolgt, wird er immer in der richtigen
Stimmung und im richtigen Geist sein, um allen Menschen gegenüber freundlich zu
sein.
Da es sich jedoch um Gaben handelt, die ein
Christ weder aus eigener Kraft erlangen noch aus eigener Kraft erhalten kann,
fügt der Apostel den Wunsch des Gebets hinzu: Der Friede Gottes, der alles
Verstehen übersteigt, bewahre eure Herzen und eure Gedanken in Christus Jesus.
Der Friede Gottes befähigt die Gläubigen zu dem, was sie aus eigener Vernunft
und Kraft nicht leisten können. Er bewahrt die Herzen der Christen in der
Gewissheit, dass seine Gegenwart und Verheißung jederzeit bei ihnen ist und
dass es nur notwendig ist, sich in kindlichem Glauben auf ihn zu verlassen. Der
Friede Gottes ist ein Zustand, der zwischen Gott und dem Menschen als Folge der
Errettung entstanden ist. Es gibt nun keine trennende Mauer der Feindschaft
mehr zwischen Gott und Mensch, sondern nur noch die Fülle des Friedens. Dieses
Bewusstsein bewegt und leitet die Christen in all ihren Beziehungen zu ihren
Mitmenschen, es hält ihre Herzen in einer wunderbaren Wache und Hut. Denn
dieser Friede Gottes übersteigt alles Verstehen. Er ist nicht nur zu wunderbar
für alles menschliche Verstehen und Begreifen, sondern er ist stärker als alles
menschliche Verstehen, er vermag weit mehr zu leisten als jeder menschliche
Verstand. Was der menschliche Verstand, die Vernunft und der Verstand nicht
vermag, das vermag der Friede Gottes mit Leichtigkeit zu tun. Er hält das Herz
im Zaum, er wacht über den Verstand, er bewahrt vor allen bloß menschlichen
Neigungen und sündigen Gedanken. Und das ist nur möglich, weil die Wirksamkeit
dieses Friedens auf seiner Verbindung mit Jesus Christus beruht. Er ruht in dem
Erlöser der Menschheit. Denn durch Christus ist der Friede Gottes, mit Gott,
gewonnen. Wenn wir fest in Christus Jesus stehen, werden wir so denken und
handeln, wie es ihm wohlgefällig ist. So durchdringt und beherrscht der Friede
Gottes die gesamte Existenz der Christen, er ist der primäre Einfluss auf ihr
Leben.[4]
Christliches Voranschreiten in allen
Tugenden (V. 8-9): Damit Friede und Freude in den christlichen Herzen und
in den christlichen Gemeinden bleiben, ist es notwendig, dass die Christen
alles vermeiden, was diese Harmonie des Geistes stören könnte. Ihre Gedanken
müssen ausschließlich auf Dinge gerichtet sein, die Gott wohlgefällig sind. Das
ist der Beweis für den wahren Fortschritt in der Heiligung: das zu suchen, was
Gott gefällt und dem Nächsten nützt. Der Apostel zählt die Tugenden auf, die
die Gläubigen im Auge behalten sollen, über die sie nachdenken sollen. Ihr
Denken soll sich mit Dingen beschäftigen, die wahr, wahrhaftig,
wahrheitsliebend, aufrichtig, freimütig und offen sind, besonders Gott
gegenüber, der die Herzen und den Verstand erforscht; mit Dingen, die ehrlich
oder ehrenhaft sind, die zur wahren christlichen Würde gehören und ihr
entsprechen, denn die Christen dürfen nie vergessen, was sie ihrer Stellung als
Kinder Gottes in der Welt verdanken; mit Dingen, die gerecht und richtig sind,
die mit allen gerechten Erwartungen der Menschen übereinstimmen, die mit dem
Gesetz übereinstimmen. Die Gläubigen sollen auch sorgfältig über Dinge
nachdenken, die rein, keusch, sauber in Worten und Taten sind, sich niemals
lasziver Anspielungen oder schmutziger Taten schuldig machen; über Dinge, die
lieblich, wohlgefällig sind, nicht nur alles eitle und leere Gerede, sondern
vor allem anstößige Geschwätzigkeit unterlassen; über Dinge, die von gutem Ruf
sind, die der christlichen Religion Ehre machen und die Menschen nicht dazu
bringen, das christliche Gespräch mit dem der Welt gleichzusetzen. All diese
Dinge werden die Christen zum Gegenstand ihrer Betrachtungen machen und ihnen
ihre Aufmerksamkeit widmen. Im Allgemeinen sollte alles, was ausgezeichnet und
lobenswert ist, der ständige Gegenstand der Gedanken eines jeden Christen sein.
In allen Dingen, zu allen Zeiten und an allen Orten soll die Heiligung der
Christen offensichtlich sein.
Um diese Ermahnung zu verdeutlichen, führt
Paulus sein eigenes Beispiel an: Was ihr gelernt und empfangen und gehört und
gesehen habt in mir, das tut; und der Gott des Friedens wird mit euch sein. Das
sind die Dinge, die er gerade aufgezählt hat. Er hat das gute Gewissen, dass er
in diesen Tugenden gewandelt ist, dass er den Philippern unter allen Umständen
und auf jede Weise ein gutes Beispiel gegeben hat. Das tägliche Leben und
Beispiel eines Pastors ist als Predigt in Taten von größter Bedeutung für die Arbeit
der Kirche. Auf diese Weise wird die Beziehung der Erlösten zu Gott
aufrechterhalten. Diese Punkte sind notwendig für die Erhaltung des Friedens
und der Harmonie in der Kirche. Die Gewissheit der Gegenwart Gottes, des Gottes
des Friedens, wird den Gläubigen gegeben, wenn sie den Worten des Apostels
folgen.
Anerkennung
der Freundlichkeit der Philipper (4,10-20)
10 Ich bin aber hoch erfreut in dem HERRN,
dass ihr wieder wacker geworden seid, für mich zu sorgen, wiewohl ihr allewege
gesorgt habt; aber die Zeit hat’s nicht wollen leiden. 11 Nicht sage ich das
des Mangels halben; denn ich habe gelernt, bei welchen ich bin, mir genügen
lassen. 12 Ich kann niedrig sein und kann hoch sein; ich bin in allen Dingen
und bei allen geschickt, beide, satt sein und hungern, beide, übrig haben und
Mangel leiden. 13 Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht, Christus.
14 Doch ihr habt wohl getan, dass ihr euch
meiner Trübsal angenommen habt. 15 Ihr aber von Philippi wisst, dass von Anfang
des Evangeliums, da ich auszog aus Mazedonien, keine Gemeinde mit mir geteilt
hat nach der Rechnung der Ausgabe und Einnahme als ihr allein. 16 Denn nach Thessalonich sandtet ihr zu meiner Notdurft einmal und
danach abermals. 17 Nicht, dass ich das Geschenk suche, sondern ich suche die
Frucht dass sie überflüssig in eurer Rechnung sei. 18 Denn ich habe alles und
habe überflüssig. Ich bin erfülle, da ich empfing durch Epaphroditus,
was von euch kam, ein süßer Geruch, ein angenehmes Opfer, Gott gefällig. 19 Mein
Gott aber erfülle alle eure Notdurft nach seinem Reichtum in der Herrlichkeit
in Christus Jesus! 20 Dem Gott aber und unserem Vater sei Ehre von Ewigkeit zu
Ewigkeit! Amen.
Wie Paulus sich jeder Situation anpasste
(V. 10-13): Dieser Abschnitt bringt den Dank des Paulus für die materielle
Hilfe, die die philippinische Gemeinde mit Epaphroditus
nach Rom geschickt hatte. Diese Gabe war der Anlass für den Brief, der den
Apostel zum Schreiben veranlasste: Ich habe mich in dem Herrn sehr gefreut,
weil nun endlich euer Denken an mich wieder aufgeblüht ist, woran ihr auch
gedacht hattet, aber die Gelegenheit fehlte. Die Freude des Paulus ist deshalb
so groß, weil ihre ängstliche Sorge um ihn wieder zu einer Aktivität aufgeblüht
ist, wieder einen Beweis für ihr Fortbestehen gegeben hat. Ihre Fürsorge und
Sorge um ihn hatte, wie bei früheren Gelegenheiten, wieder konkrete Formen
angenommen. Früher hatten sie sich bemüht, mit ihm zu teilen, aber in letzter
Zeit hatten die Umstände sie daran gehindert, sich an den gefangenen Apostel zu
erinnern, vor allem die Verfolgung, unter der sie litten. Umso mehr freut sich
Paulus, dass es ihnen nun gelungen ist. Er lobt sowohl ihren guten Willen als
auch die Tat, die sie vollbracht haben. Er freut sich über den Herrn, denn er
war es, der den Philippern eine so fröhliche und eifrige Bereitschaft ins Herz
gelegt hatte.
Zugleich beugt Paulus einem Missverständnis
vor: Nicht, dass ich von Mangel rede; denn ich habe gelernt, mit dem zufrieden
zu sein, was ich habe. Ich weiß mich ebenso gut erniedrigt, wie ich weiß, dass
ich Überfluss habe; überall und in allen Dingen habe ich mich daran gewöhnt,
sowohl Überfluss zu haben als auch Mangel zu leiden. Das ist die Summe der
Erfahrungen, die Paulus bis zur Abfassung dieses Briefes gemacht hat. Er hatte
nie wirklich Mangel gelitten. Er hatte genug zu essen und zu leben, aber aufgrund
seiner Gefangenschaft fehlten ihm viele Annehmlichkeiten. Und so hat er Grund,
dankbar und froh zu sein, weil dieser Mangel nun gestillt ist. Denn er hatte
gelernt, mit dem zufrieden zu sein, was er hatte, sich jeder Situation
anzupassen. Er war belehrt worden, er hatte die Lektion gelernt, sowohl niedrig
zu sein, das Elend der Armut zu ertragen, als auch Überfluss zu haben, mit den
Gütern dieser Welt gut versorgt zu sein, sowohl in einer niedrigen als auch in
einer erhabenen Position zu sein. Daran hat er sich durch lange Übung und
Gewohnheit gewöhnt. Ob er alles hat, was er braucht, und mehr, oder ob er
Hunger leidet, die Aussicht lässt ihn ungeschoren, weil er alles erfahren hat.
Der Grund, warum er sich über alle
Anforderungen des Lebens erheben kann, ist: Ich kann alles tun in dem, der mich
stärkt. Das ist die Zuversicht des Glaubens, ein Glaube, der über alle
Möglichkeiten des Elends und der Bedrängnis siegreich ist, durch den wir mehr
sind als Überwinder durch den, der uns geliebt hat, Röm. 8,37. Paulus ist in
allem stark, kann alles ertragen, aber nicht in seiner eigenen Kraft und
Fähigkeit, sondern in und durch Christus, seinen erhabenen Herrn, der ihn stark
macht, der ihm etwas von seiner eigenen Kraft überträgt. In dieser Kraft kann
er mutig sein, kann er den Angriffen seiner Feinde begegnen, kann er alle ihre
Versuchungen überwinden. Das ist die Haltung eines jeden Christen: Er ist
zufrieden mit dem, was Gott ihm schickt und gibt. Jeder Christ erlernt diese
Kunst, wird in dieser Fähigkeit geübt, weil Christus ihn stärkt.
Die Großherzigkeit der Philipper und
Gottes Lohn (V. 14-20): Der Apostel lenkt nun die Aufmerksamkeit seiner
Leser wieder auf die Philipper und ihre Gabe, wobei er ihnen mit seiner
Zartheit und seinem Feingefühl nicht den Eindruck vermitteln will, dass er ihre
Rücksichtnahme und Liebe nicht in vollem Umfang zu schätzen weiß: Trotzdem habt
ihr gut daran getan, dass ihr an meinem Leid teilgenommen habt. Es war ein
wahrhaft gutes Werk, ihm so zu gedenken. Es ist auch heute eine gute und
lobenswerte Sache, wenn alle Christen für ihre Seelsorger in den Gaben dieser
Welt gut sorgen. Das ist ein Beweis für ihre Liebe und Wertschätzung des
Evangeliums.
Paulus nennt nun Beispiele für die
Großzügigkeit der Philipper: Ihr wisst aber auch, Philipper, dass am Anfang des
Evangeliums, als ich aus Mazedonien wegging, keine Gemeinde mit mir in Bezug
auf Geben und Nehmen kommuniziert hat, sondern nur ihr. Denn auch in Thessalonich habt ihr einmal und ein zweites Mal zu mir
gesandt, um mir zu helfen. Paulus spricht lobend davon, dass die Philipper, die
er durch die Verwendung ihres Namens heraushebt, sich in diesem besonderen Werk
der Fürsorge für seine leiblichen Bedürfnisse ausgezeichnet haben. Es war in
den Tagen, als er zum ersten Mal nach Mazedonien kam, als er in Philippi das
Evangelium gepredigt hatte und dann weiter nach Thessalonich
reiste, das nur 100 römische Meilen (etwa 92 englische [ca. 148 km]) westlich
an der Via Egnatia lag. Während des Aufenthalts des
Paulus in Thessalonich hatte die Gemeinde in Philippi
ihn immer wieder mit Geschenken ihrer Dankbarkeit bedacht; sie hatten sich um
ihn gekümmert, als er in Not war, sicherlich ein großartiges Beispiel für alle
christlichen Gemeinden.
Aber wenn Paulus die Philipper lobt, will
er keinen falschen Eindruck erwecken: Nicht um die Gabe geht es mir, sondern um
die Frucht, die auf eure Rechnung geht. Das war nicht das Ziel von Paulus, wenn
er an ihre Freundlichkeit in der Vergangenheit erinnerte; er gab ihnen nicht
den Hinweis, ihm weitere Geschenke zu schicken. Es ging ihm nicht so sehr um
die äußere Gabe und um seine eigene Person, sondern um den Beweis, den sie als
Frucht ihres Glaubens darstellte, die ihnen angerechnet werden würde. Das Konto
zu ihren Gunsten würde durch solche Manifestationen ihres Glaubens an die Liebe
weitgehend erhöht werden. Sie würden zu gegebener Zeit ihre Gegenleistung
erhalten, den Lohn der Gnade in vollem Wert. Die Ewigkeit wird offenbaren, wie
viele Liebesgaben Einzelne und Gemeinden für die Sache und die Diener Christi
gemacht haben.
Es gab keinen Grund, sich seinetwegen
Sorgen zu machen: Ich aber habe alles und habe Überfluss; ich bin satt, da ich
von Epaphroditus das empfangen habe, was von euch
kommt, einen lieblichen Geruch, ein Opfer, das Gott wohlgefällig ist. Da der
Bote der philippinischen Gemeinde, Epaphroditus, ihre
Gaben überbracht hatte, verfügte Paulus nun über mehr, als seine unmittelbaren
Bedürfnisse erforderten; er hatte nichts mehr zu wünschen übrig, er hatte nicht
nur äußere Fülle, sondern auch innere Zufriedenheit. Er nennt ihre Gabe einen
süßen Geschmack, gleich den alttestamentlichen Opfern, die Cod wohlgefällig
waren. Ihr Werk der Liebe war Gott wohlgefällig, es fand Gefallen bei ihm; es
gefällt ihm, wenn Gemeinden ihre liebevolle Wertschätzung für die empfangenen
geistlichen Gaben dadurch zeigen, dass sie ihren Lehrern etwas von ihren
irdischen Gütern abgeben.
Paulus gibt nun so viel zurück, wie er zu
geben vermag: Mein Gott aber wird euch alle Not erfüllen nach seinem Reichtum
in Herrlichkeit in Christus Jesus. Gott aber und unserem Vater sei Ehre von
Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen. Dies ist ein Gebet, dass Gott alle Bedürfnisse der
Brüder in Philippi erfüllen möge. Was ihnen noch an geistlichen Gaben, an der
Erkenntnis Christi fehlt, wird Gott mit den unendlichen Möglichkeiten seines
Reichtums reichlich ergänzen. Wenn die Gläubigen die körperlichen Bedürfnisse ihrer
Hirten in einem Geist wahrer Liebe und wahren Glaubens erfüllen, wird Gott
dieses gute Werk zu ihrem geistlichen Wachstum beitragen lassen. Da er über
alle Reichtümer verfügt, sowohl im physischen als auch im geistlichen Bereich,
kann er geistliche Gaben in unendlicher Vielfalt und Reichhaltigkeit
bereitstellen und spenden. Denn die größten Reichtümer sind die in der
Herrlichkeit Jesu Christi. Was immer Gott an guten Gaben an geistlichem
Reichtum schenkt, ist durch das Mittlerwerk und stellvertretende Opfer Christi
möglich geworden. Alle geistlichen Gaben und Segnungen gehören uns in Ihm. Und
Gott gibt sie den Gläubigen um Christi willen. Deshalb soll Gott, der auch
unser Vater ist, der Vater aller Gläubigen in und durch Jesus, alle Ehre zuteil werden. Dieser Lobpreis und diese Herrlichkeit
sollen ihm für immer und ewig zustehen. Amen. So schließt Paulus nach seiner
Gewohnheit mit einer Doxologie, mit einem Lobpreis des Herrn, des Gebers aller
guten Gaben.
Grüße
und Schluss (4,21-23)
21 Grüßt alle Heiligen in Christus Jesus.
Es grüßen euch die Brüder, die bei mir sind. 22 Es grüßen euch alle Heiligen, besonders
aber die von des Kaisers Haus. 23 Die Gnade unsers HERRN Jesus Christus sei mit
euch allen! Amen.
In der abschließenden Anrede des Apostels
wird an jeden Heiligen, an jedes Mitglied der Gemeinde in Philippi gedacht. Als
Gläubige sind sie Heilige, gereinigt und geheiligt durch das Blut Christi. Auch
die Geschwister in Rom wollten nicht vergessen werden. Obwohl sie die
philippinischen Christen nicht persönlich kannten, fühlten sie sich mit ihnen
in der Gemeinschaft des gemeinsamen Glaubens und der Liebe verbunden. Besonders
die Christen, die zum Haushalt Cäsars gehörten, mit denen Paulus zweifellos am
vertrautesten war und die er öfter persönlich sah als viele andere, sandten
ihre Grüße. Bis in den Palast des Kaisers, der die Christen hasste, hatte sich
die Nachricht von Christus verbreitet und zu Bekehrten gemacht. Ob es sich
dabei nur um Bedienstete handelte oder ob auch Mitglieder der kaiserlichen
Familie für Christus gewonnen wurden, wie es die Überlieferung behauptet, geht
aus diesem Abschnitt nicht hervor. Der Apostel schließt mit dem aufrichtigen
Wunsch, dass die Gnade Jesu Christi, des Herrn, die höchste Gabe und der größte
Segen des Heils, den Geist seiner Leser begleiten möge. Vgl. Gal. 6,18; Röm.
16,24; 2. Kor. 13,13.[5]
Zusammenfassung: Der
Apostel schließt seinen Brief mit allgemeinen Ermahnungen zur Pflege aller
christlichen Tugenden, empfiehlt den Philippern ihre Freigebigkeit und schließt
mit den üblichen Grüßen.
A Entnommen aus: Dr. Martin Luthers Sämtliche Schriften. Hrsg. von Joh. Georg Walch. Nachdr. der 2., überarb. Aufl. St. Louis, Missouri. Bd. 14. Groß Oesingen: Verl. der Lutherischen Buchhandlung Heinrich Harms. 1987. Sp. 116-117
[1] Fürbringer, Einleitung in das Neue Testament, 72; vgl. Luther, 14, 116. 117.
[2] Für VV.3-11, vgl. Homiletisches Magazin, 1901, 321 bis 335; Luther, 12, 466-477.
[3] Für VV. 17-21, vgl. Homiletisches Magazin, 1906, 289; Luther, 12, 948-963.
[4] Für VV.4-7, vgl. Homiletisches Magazin, 1902, 353; Luther, 12, 80-99.
[5] Der Kommentar zum Philipperbrief ist im Wesentlichen eine Abschrift von unveröffentlichten Anmerkungen von Dr. Stöckhardt.