Der zweite Brief
des Apostels Paulus an die Korinther
Luthers Vorrede auf die zweite
Epistel an die Korinther
Das sogenannte „Soziale Evangelium (Social Gospel)“
1522A
1. In der
ersten Epistel hat St. Paulus die Korinther hart gestraft in vielen Stücken und
scharfen Wein in die Wunden gegossen und sie erschreckt; nun aber ein Apostel
soll ein tröstlicher Prediger sein, die erschrockenen und einfältigen Gewissen
aufzurichten, mehr als zu schrecken, darum lobt er sie nun wiederum in dieser
Epistel und gießt auch Öl in die Wunden und tut sich wunderfreundlich zu ihnen
und heißt den Sünder mit Liebe wieder aufnehmen.
2. Im ersten
und zweiten Kapitel zeigt er seine Liebe gegen sie, wie er alles geredet, getan
und gelitten habe zu ihrem Nutz und Heil, dass sie ja sich alles Besten zu ihm
versehen sollen.
3. Darnach
preist er das evangelische Amt, welches das höchste und tröstlichste Werk ist,
zu Nutz und Heil der Gewissen, und zeigt, wie dasselbe edler sei als des
Gesetzes Amt, und wie dasselbe verfolgt wird und doch zunimmt an den Gläubigen
und eine Hoffnung macht, durchs Kreuz zu der ewigen Herrlichkeit. Aber mit dem
allen rührt er die falschen Apostel, welche das Gesetz gegen das Evangelium
treiben, und eitel äußerliche Heiligkeit (das ist, Heuchelei) lehrten, und
ließen die inwendige Schande des Unglaubens stehen. Das tut er im dritten,
vierten und fünften Kapitel.
4. Im sechsten und siebten ermahnt er sie, dass
sie solcher Predigt Folge tun mit Werken und Leiden. Und beschließt es mit
ihrem Lob, dass sie reize, fortzufahren.
5. Im achten
und neunten ermahnt er sie, dass sie auch mit zeitlicher Nahrung Steuer und
Hilfe täten den Heiligen zu Jerusalem, in der teuren Zeit, welche von Anfang
ihre Güter alle hatten übergeben, Apg. 4,32.
6. Im
zehnten, elften [und] zwölften hat er mit den falschen Aposteln zu schaffen.
7. Im
dreizehnten droht er denen, die gesündigt hatten und sich nicht besserten.
Nachdem Paulus seinen ersten Brief an die
Korinther abgeschickt hatte, entweder mit Timotheus und seinen Begleitern oder
mit Stephanas, Fortunatus und Achaikus, den
Abgesandten der korinthischen Gemeinde, blieb er noch einige Zeit in Ephesus.
Timotheus und Erastus befanden sich in Mazedonien und hatten die Absicht, so
bald wie möglich nach Korinth zu gehen; sie müssen die Reise tatsächlich
gemacht und ihr Ziel in sehr kurzer Zeit erreicht haben, denn Timotheus war bei
Paulus, als er den zweiten Brief schrieb, Kap. 1,1. Titus war ebenfalls vom
Apostel gesandt worden, Kap. 7,13.14; 12,18, und auf seine Rückkehr hatte
Paulus mit großer Sorge gewartet. Zur festgesetzten Zeit, 1. Kor. 16 5.8, war
der Apostel von Ephesus aufgebrochen, um sich nach Mazedonien zu begeben, Apg.
20,1. Als Titus ihm in Ephesus nicht begegnete, setzte er seine Reise nach
Mazedonien fort, wo ihm sein treuer Schüler die Nachricht von der Wirkung des
ersten Briefes überbrachte und den Bericht des Timotheus ergänzte, der sich
wahrscheinlich mit den Angelegenheiten der Gemeinde im Allgemeinen befasst
hatte, Kap. 7,5.6.
Die von Titus überbrachte Nachricht war
sowohl gut als auch schlecht. Der anmaßende, böswillige Sünder war
exkommuniziert worden, Kap. 2,6.7, und es waren die notwendigen Schritte
unternommen worden, um eine Geldsumme für die bedürftigen Brüder in Judäa zu
sammeln, Kap. 8 und 9. 8 und 9, wenn auch nicht mit der Energie, die man hätte
erkennen müssen. Andererseits herrschten weiterhin einige ungünstige
Bedingungen: Einige der Mitglieder waren weiterhin gegen Paulus voreingenommen,
Kap. 3,1.2; andere fühlten sich durch seinen apostolischen Tadel verletzt, Kap.
2,1-4; 7,8-12; die judaisierenden Gegner waren von großer Bitterkeit gegen ihn
erfüllt, überhäuften ihn mit Beschimpfungen und Vorwürfen und rebellierten
gegen seine Autorität, Kap. 10-13. Und wie es oft der Fall ist, wenn Laxheit in
der Kirchenzucht festgestellt wird, war die Neigung zu heidnischen Bräuchen und
Unmoral und die Teilnahme an weltlichem, sündigem Verhalten noch nicht
beseitigt, Kap. 6,14-18; 7,1; 12,20.21. Deshalb schickte Paulus Titus ein
zweites Mal, begleitet von mehreren Brüdern, um ein wenig mehr Interesse für
die Sache der Sammlung zu wecken, Kap. 8,16-24. Und er war von den
verschiedenen Berichten und den Schlussfolgerungen, die er daraus ziehen
konnte, so ergriffen, dass er vor seiner Abreise aus Mazedonien einen zweiten
Brief schrieb, wahrscheinlich aus Philippi, Kap. 8,l; 9,4, im Spätsommer des
Jahres 57, Kap. 8,10; 9,2; Apg. 19,21.22.
Der Brief lässt sich in drei ungleiche
Teile gliedern. Der erste Teil befasst sich vor allem mit dem Dienst des
Apostels, der von seinen Gegnern angegriffen worden war. Er verweist auf seine
Befreiung aus einer großen Gefahr, gibt den Grund für sein verspätetes Kommen
an, ermahnt die Gemeinde, dem reuigen Sünder zu vergeben und ihn wieder
aufzunehmen, und schildert dann in einem großartigen und ergreifenden Abschnitt
das Wesen und die Herrlichkeit des evangelischen Amtes, wobei er besonders auf
sein apostolisches Amt eingeht. Er fährt fort mit der Ermahnung, die angebotene
Gnade Gottes anzunehmen und ihre Kraft im christlichen Verhalten unter Beweis
zu stellen. Im zweiten Teil drängt der Apostel auf die energische Fortsetzung
der Armensammlung, wobei er auf die Bereitschaft der Gemeinden in Mazedonien,
auf die Segnungen, die mit der freiwilligen Ausübung der Nächstenliebe
einhergehen, und auf das Beispiel Christi hinweist. Der dritte Teil des Briefes
ist ganz seinen böswilligen Verleumdern gewidmet. Paulus rechtfertigt sein
Verhalten und seinen Dienst gegen alle falschen Anschuldigungen, hebt den Wert
seiner Dienste hervor und droht den Verleumdern mit dem Bannfluch. Der Brief
schließt mit einigen allgemeinen Worten der Ermahnung und den üblichen Grüßen.
Insgesamt ist dieser Brief der ergreifendste und persönlichste aller Schriften
des Apostels, der wie kein anderer die persönliche Größe des Apostels und die
göttliche Kraft des Evangeliums zum Ausdruck bringt.
Anrede, Danksagung und Tröstung (1,1-11)
1 Paulus, ein Apostel Jesu Christi durch den Willen Gottes, und Bruder
Timotheus: der Gemeinde Gottes zu Korinth samt allen Heiligen in ganz Achaja. 2 Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm
Vater, und dem HERRN Jesus Christus!
3 Gelobt sei der Gott und Vater unseres HERRN Jesus Christus, der Vater
der Barmherzigkeit und Gott alles Trostes, 4 der uns tröstet in aller unserer
Trübsal, dass wir auch trösten können, die da sind in allerlei Trübsal, mit dem
Trost, damit wir getröstet werden von Gott. 5 Denn gleichwie wir des Leidens
Christi viel haben, so werden wir auch reichlich getröstet durch Christus. 6
Wir haben aber Trübsal oder Trost, so geschieht es euch zugut. Ist’s Trübsal,
so geschieht es euch zu Trost und Heil; welches Heil beweist sich, wenn ihr
leidet mit Geduld dermaßen, wie wir leiden. Ist’s Trost, so geschieht es euch
auch zu Trost und Heil. 7 Und steht unsere Hoffnung fest für euch, dieweil wir
wissen, dass, wie ihr des Leidens teilhaftig seid, so werdet ihr auch des
Trostes teilhaftig sein.
8 Denn wir wollen euch nicht vorenthalten, liebe Brüder, unsere Trübsal,
die uns in Asien widerfahren ist da wir über die Maßen beschwert waren und über
Macht, so dass wir auch am Leben verzagten 9 und bei uns beschlossen hatten,
wir müssten sterben. Das geschah aber darum, dass wir unser Vertrauen nicht auf
uns selbst stellten, sondern auf Gott, der die Toten auferweckt, 10 welcher uns
von solchem Tod erlöst hat und noch täglich erlöst; und hoffen auf ihn, er werde
uns auch hinfort erlösen 11 durch Hilfe eurer Fürbitte für uns, damit über uns
für die Gabe, die uns gegeben ist, durch viele Personen viel Dank geschehe.
Die Anrede des Briefes (V. 1-2): Wie
im ersten Brief und in den meisten seiner anderen Briefe veranlasst Paulus sein
persönliches Interesse und seine tiefe Liebe zu den Menschen, die er durch
seine Arbeit für Christus gewonnen hat, dazu, die übliche kurze Anrede am
Anfang eines griechischen Briefes zu erweitern. Er nennt sich selbst einen
Apostel Jesu Christi; er wurde von dem großen Herrn der Kirche selbst
ausgesandt, beauftragt. Und er hat dieses Amt, vor allem auch in Bezug auf die
Korinther, durch den Willen Gottes inne, nicht durch eine leichtfertige Wahl.
Timotheus, seinen Assistenten, nennt er als Bruder, nicht als Mitverfasser,
sondern als Mitarbeiter, und als einen, der den Korinthern in dieser
Eigenschaft gut bekannt war. Paulus wendet sich an die Kirche oder Gemeinde
Gottes, die ihre Existenz dem Wirken Gottes durch das Evangelium verdankt.
Diese Gemeinde war in Korinth gegründet worden; sie war eine organisierte
Körperschaft von solchen, die sich zu Jesus Christus bekannten. In zweiter
Linie richtet sich der Brief aber auch an alle Heiligen, an alle durch den
Glauben geheiligten Gläubigen in der ganzen Provinz Achaja,
an alle anderen Gemeinden, die von Korinth aus als Zentrum gegründet wurden und
mit den korinthischen Christen durch das Band ihres gemeinsamen Glaubens und
Bekenntnisses eng verbunden sind. Obwohl es sich nicht um einen Rundbrief im
vollen Sinne des Wortes handelte, war er doch für einen großen Kreis von
Christen bestimmt, die in der gemeinsamen Sache des Meisters vereint waren.
Der einleitende Gruß und Wunsch des
Apostels bezieht sich auf die größten und wunderbarsten Gaben, die die Christen
besitzen: Gnade und Friede sei mit euch von Gott, unserem Vater, und dem Herrn
Jesus Christus. Für die Gläubigen ist Gott der gemeinsame Vater, sie sind alle
seine Kinder durch den Glauben an Jesus Christus, den Herrn; sie sind durch das
Band der gemeinsamen Liebe zu ihm und zueinander verbunden. „Die Gnade ist der
Grundton des Evangeliums, und der Friede, der traditionelle und schöne Gruß des
Ostens, bedeutet auf christlichen Lippen nicht nur den irdischen Frieden,
sondern den Frieden Gottes, Phil. 4, 7.“[1]
Danksagung und Trost (V. 3-7): Der
vorherrschende Ton im Leben eines Christen sollte zu jeder Zeit die Dankbarkeit
gegenüber dem Herrn für seine Güte und sein Erbarmen sein. Das gilt in
besonderem Maße für Paulus, der bis auf zwei Ausnahmen alle seine Briefe mit
dem Ausdruck seiner tiefen Dankbarkeit gegenüber Gott beginnt. So auch in
diesem Fall: Gepriesen sei Gott und der Vater unseres Herrn Jesus Christus. Der
Segen, den der Gläubige Gott zukommen lässt, umfasst Ruhm, Lob und Ehre. Als
Gott, den einen wahren Gott, preisen wir ihn, als den Herrn des ganzen
Universums und besonders als den Vater unseres Herrn Jesus Christus, durch den
er die Beziehung wahrer Vaterschaft zu uns eingegangen ist, die eines gnädigen,
liebenden Vaters. Als Gott der Barmherzigkeit preisen wir ihn, die Quelle, aus
der alle zärtliche Barmherzigkeit über uns fließt, in der Zeit und in der
Ewigkeit, denn Barmherzigkeit ist das Kennzeichen der Vorsehung unseres
himmlischen Vaters. Als Gott allen Trostes preisen wir Ihn, die Quelle, aus der
aller Trost, alles Glück und alle Seligkeit reichlich auf uns herabfließt, und
das in jeder Form von Not und Bedrängnis.
Der letzte Name, der auf Gott angewandt
wird, wird nun ausführlich erklärt: Der uns tröstet in all unserem Leid.
Welches Unglück auch immer über einen Christen kommen mag, welche Prüfungen
auch immer ihn bedrängen mögen, er kann sicher sein, den richtigen und
angemessenen Trost zu finden, wie Paulus und seine Gefährten ihn immer wieder
und immer wieder erfahren haben. Obwohl er von Sorgen und Gefahren an Leib und
Seele umgeben war, konnte er sich doch des Trostes Gottes in seinem Wort
erfreuen und so alle seine Bedrängnisse überwinden. Und Gottes letzte Absicht,
den Apostel und seine Gefährten wie auch alle Christen auf eine so besondere
Weise zu führen, war, dass auch sie fähig sein sollten, die zu trösten, die in
irgendeiner Bedrängnis waren, durch den Trost, mit dem sie selbst von Gott
getröstet wurden. Das ist immer das Endziel Gottes, wenn er zulässt, dass
Prüfungen über seine Kinder kommen, dass der Trost, den er dann aus dem Wort
seiner Gnade vermittelt, ein Segen nicht nur für den Bedrängten ist, sondern
durch ihn auch für andere, die vielleicht noch nicht das ruhige Gottvertrauen
erreicht haben, das einen Christen zu allen Zeiten auszeichnen sollte.
Diejenigen, die im Schmelztiegel Gottes geprüft wurden und gelernt haben, sich
in unerschütterlichem Glauben auf seine Verheißungen zu verlassen, sind in
einer Position, in der sie die ihnen zuteil gewordenen Wohltaten weitergeben
können. Es ist die goldene Kette der barmherzigen Tröstungen des Herrn, die
seine Gläubigen hier auf Erden miteinander verbindet.
Der Grund, warum dieser Trost von oben so
sicher ist und so wunderbare Qualifikationen für den einzelnen Christen
beinhaltet, ist gegeben: Denn wie die Leiden Christi auf uns überströmen, so
überströmt auch unser Trost durch Christus. Dass es das Los der Christen ist,
an seinen Leiden hier auf Erden teilzuhaben, ist ein Gedanke, der sich im
ganzen Neuen Testament findet: Matth. 16,24; Röm.
8,17; Phil. 3,10; Kol. 1,24; denn sie sind ein Teil der Verfolgungen, die sie
um der Gerechtigkeit willen in ihrem Kampf mit den Mächten der Finsternis
treffen. Auf diese Weise fließen die Leiden Christi auf uns über. Da aber diese
Gemeinschaft mit Christus auch den Trost und die Kraft einschließt, die aus der
Vereinigung mit Christus fließen, so bringt schon das Vorhandensein der Leiden
unsagbaren Trost durch Christus, Trost in reichem Maße. Die Leiden mögen
zahlreich sein, während der Trost zu allen Zeiten ein und derselbe ist, und
doch übertrifft der letztere den ersteren, Phil. 4,4.
In dieser freudigen Gewissheit konnte
Paulus schreiben: Ob wir aber Trübsal ertragen, so geschieht es um eures
Trostes und eures Heiles willen; oder ob wir getröstet werden, so geschieht es
um eures Trostes willen, der im geduldigen Ertragen derselben Leiden, die auch
wir erleiden, wirksam ist; und unsere Hoffnung für euch ist unerschütterlich,
da wir wissen, dass, wie ihr der Leiden teilhaftig seid, so auch des Trostes.
Paulus ist so vollkommen und vollständig in Dinge vertieft, die ihrem Nutzen
dienen, dass er sowohl seine Leiden als auch seine Tröstungen nur insoweit in
Betracht zieht, als sie ihnen zum Nutzen gereichen werden. Er ist bereit,
Trübsal zu ertragen, wenn sie nur getröstet und gerettet werden; er freut sich
über jeden Trost, wenn er ihnen nur so vermittelt wird, dass er in ihnen
Standhaftigkeit und Ausdauer im Ertragen der Leiden Christi bewirkt. 1. Petr. 5,9,
das gemeinsame Los aller Gläubigen. Und mit wahrhaft christlichem. liebendem
Optimismus hegt der Apostel die feste Hoffnung auf sie, seine Hoffnung auf sie
ist unerschütterlich, weil sie auf dem Wissen beruht, dass auch sie an den
Leiden, die er erduldet, teilhaben, nicht nur in Sympathie, sondern in der Tat,
1. Kor. 12,26. und werden daher auch an dem Trost teilhaben, den er genießt. So
ist die ganze Kirche eine Bruderschaft des gemeinsamen Trostes im gemeinsamen
Leiden.
Des Paulus kurz zurückliegenden Trübsale
(V. 8-11): Paulus erzählt hier ein Stück persönlicher Geschichte, über die er
die korinthischen Christen nicht im Unklaren lassen will; er teilt ihnen
freimütig seine Sorgen mit, wobei er sich im Voraus ihrer betenden Anteilnahme
versichert. Er hatte den vielen Widersachern in Ephesus widerstanden, 1 Kor.
16, 9, er war der Feindschaft der Juden entkommen, Apg. 19,9. Aber der Sturm
brach los in dem Aufstand, den Demetrius und seine Gesellen gegen ihn erhoben,
Apg. 19,23. Es war eine Bedrängnis, die in seiner Geschichte ihresgleichen
sucht: Über die Maßen, über die Kräfte hinaus wurden wir bedrängt, unterdrückt,
verzweifelt. Die Verfolgung war eine übergroße Last der Bedrängnis, und sie
ging über alle Kraft des menschlichen Ertragens hinaus, sie ließ den großen
Helden im Glauben sogar am Leben verzweifeln, er sah keinen Weg, durch den sein
Leben gerettet werden konnte.
Jetzt wiederholt er denselben Gedanken in
positiver Form: Nicht nur, dass wir keine Möglichkeit sahen, unser Leben zu
retten, sondern wir selbst hatten das Urteil des Todes in uns; Paulus war
überzeugt, dass die Zeit gekommen war, in der er sterben musste, und zwar einen
unrühmlichen Tod: Es schien keinen Ausweg zu geben. Diese Formulierung ist im
Fall des Paulus so ungewöhnlich, dass viele Ausleger darauf bestanden haben,
dass ihm eine ganz außergewöhnliche Gefahr widerfahren sein müsse. Aber sein
Fall war nur die normale Erfahrung des durchschnittlichen Christen, in dessen
Leben sich Zeiten heroischen Glaubens und Zuversicht mit Zeiten tiefster
Bedrängnis abwechseln, wie wir in den Psalmen sehen. „Denn auch Paulus hatte
mannigfache Gefahren und Bedrängnisse erlebt, war auch auf verschiedene Weise
daraus errettet worden; manchmal zeigt er sich mit einem großen und mächtigen
Mut, dass er nichts fürchtet.... Dort ist sein Herz voller Freude und er möchte,
dass sich alle mit ihm freuen und getröstet werden.... Aber auf der anderen
Seite sagt er 2. Kor. 1,8.9: Wir waren über die Maßen bedrängt, über unsere
Kräfte hinaus, so dass wir sogar am Leben verzweifelten; auch: Wir hatten das
Urteil des Todes in uns. Aber das ist geschehen, sagt er, damit wir nicht auf
uns selbst vertrauen, sondern auf Gott, der die Toten auferweckt. Was ist das,
lieber Paulus? Warum bist du nicht glücklich und voller Trost? Warum ermutigst
du die anderen nicht? Soll Paulus, der große Apostel, so gedemütigt werden,
dass er lieber sterben als leben will? Er, der eben noch voll des Heiligen
Geistes war, scheint jetzt ganz ohne Geist zu sein.“[2]
Der Zweck Gottes, der zuließ, dass der
Apostel in eine solche Gefahr und Bedrängnis geriet, wird klar dargelegt: Dass
wir unser Vertrauen nicht auf uns selbst setzen, sondern auf Gott, der die
Toten auferweckt. Der Ernst der Lage, in der sich Paulus in Ephesus befand, war
so groß, dass ihm klar wurde, dass es völlig sinnlos ist, sein Vertrauen
irgendwo anders als auf Gott zu setzen, der allein Macht über Leben und Tod
hat. Da er die Macht hat, von den Toten aufzuerwecken, die Toten wieder zum
Leben zu erwecken, ist er viel eher in der Lage, die Pforten des Todes vor den
Sterbenden zu schließen. Ihm gibt Paulus daher auch in diesem Fall alle Ehre:
Der uns aus einem so großen Tod errettet hat und errettet, auf den wir unsere
Hoffnung gesetzt haben, dass er noch erlösen wird. Das Bild, das Paulus
zeichnet, ist das eines kraftvollen Herausreißens aus einer Gefahr, der er
ausgesetzt war, ein Herauskommen aus ihren Zähnen oder Kiefern durch die
allmächtige Kraft des Herrn. Diese Zuversicht hat er, in diese Richtung richtet
sich seine vertrauensvolle Hoffnung. Zugleich vertraut er auf die Fürbitte der
korinthischen Geschwister: Während auch ihr durch euer Flehen gemeinsam für uns
eintretet. Ihr eindringliches Flehen würde ihm in seiner Lage zu jeder Zeit
eine große Hilfe sein; er würde Kraft für seine Arbeit erhalten. Inmitten von
Bedrängnissen gedeiht die Gemeinschaft des Gebets, und deshalb waren gerade die
Leiden des Paulus für die Brüder eine Wohltat: Damit von vielen Personen,
wörtlich: Gesichtern (im Dankgebet zu Gott gewandt), für die Gabe, die uns
zuteil geworden ist, durch viele in unserem Namen gedankt werde. Die
Gnadengabe, nämlich die Befreiung des Apostels, die Bewahrung seines Lebens,
bewirkte den aufrichtigen Dank der vielen Menschen, die sich im Bittgebet für
sein Leben zusammengeschlossen hatten, ein Ergebnis, das genau dem Ziel des
Herrn entspricht, denn Gott will durch seine Gebetserhörung den dankbaren
Lobpreis der Gläubigen hervorrufen.
Paulus
rechtfertigt sein Verhalten und Leben
(1,12-24)
12 Denn unser Ruhm ist der, nämlich das Zeugnis unsers Gewissens, dass
wir in Einfältigkeit und göttlicher Lauterkeit, nicht in fleischlicher
Weisheit, sondern in der Gnade Gottes auf der Welt gewandelt haben, allermeist
aber bei euch. 13 Denn wir schreiben euch nichts anderes, als was ihr lest und
auch befindet. Ich hoffe aber, ihr werdet uns auch bis ans Ende so befinden,
gleichwie ihr uns zum Teil befunden habt 14 Denn wir sind euer Ruhm, gleichwie
auch ihr unser Ruhm seid auf des HERRN Jesu Tag.
15 Und auf solch Vertrauen dachte ich jenes Mal zu euch zu kommen, damit
ihr abermals eine Wohltat empfingt, 16 und ich durch euch nach Mazedonien
reiste und wieder aus Mazedonien zu euch käme und von euch geleitet würde nach
Judäa. 17 Hab’ ich aber eine Leichtfertigkeit angewandt, da ich solches dachte,
oder sind meine Anschläge fleischlich? Nicht so, sondern bei mir ist Ja Ja, und Nein ist Nein. 18 Aber, o ein treuer Gott, dass
unser Wort an euch nicht Ja und Nein gewesen ist! 19 Denn der Sohn Gottes, Jesus
Christus, der unter euch durch uns gepredigt ist, durch mich und Silvanus und
Timotheus, der war nicht Ja und Nein, sondern es war Ja in ihm. 20 Denn alle
Gottesverheißungen sind Ja in ihm und sind Amen in ihm Gott zu Lob durch uns.
21 Gott ist’s aber, der uns befestigt samt euch in Christus und uns
gesalbt 22 und versiegelt und in unsere Herzen das Pfand, den Geist, gegeben
hat. 23 Ich rufe aber Gott an zum Zeugen auf meine Seele, dass ich euch
verschont habe in dem, dass ich nicht wieder nach Korinth gekommen bin. 24
Nicht, dass wir Herren seien über euren Glauben, sondern wir sind Gehilfen
eurer Freude; denn ihr steht im Glauben.
Die Ernsthaftigkeit seines Vorhabens
(V. 12-14): Indem Paulus erwartete, dass die Korinther seinetwegen für eine
überbrachte und wiederhergestellte Gnadengabe danken würden, schätzte er seinen
eigenen Wert nicht gering ein, aber er wusste, dass sein Rühmen von einer Art
war, die ihn nicht zuschanden machen würde. Denn sein Rühmen bestand darin,
dass er das Zeugnis seines Gewissens hatte, dass er sich in Heiligkeit und
Aufrichtigkeit Gottes, nicht in fleischlicher Weisheit, sondern in Gottes
Gnade, den Korinthern gegenüber aber reichlicher (als gegenüber irgendeinem
anderen) verhalten hatte. Paulus konnte diese Rücksicht von den Christen
Achaias erwarten, er konnte sich ihres Gebetes und ihrer Dankbarkeit freudig
gewiss sein, weil sein sittliches Verhalten über jeden Vorwurf erhaben war, wie
ihm sein Gewissen bezeugte. Die Heiligkeit und Aufrichtigkeit, die sein
Verhalten kennzeichneten, waren göttliche Eigenschaften, sie waren ein Geschenk
Gottes an ihn, von dem er den richtigen Gebrauch machte. Und er bediente sich
nicht fleischlicher Weisheit, sondern verhielt sich wie unter dem Einfluss der
Gnade Gottes, die ihm zur Erfüllung seines apostolischen Werkes gegeben worden
war. Von dem treuen christlichen Verhalten des Apostels konnten die Korinther
selbst Zeugnis ablegen, denn in Korinth hatte er mehr Gelegenheit als anderswo,
die Heiligkeit und Aufrichtigkeit des christlichen Lebens unter Beweis zu
stellen. „Nicht als ob sein christlicher Umgang mit ihnen durch etwas
Außergewöhnliches gekennzeichnet gewesen wäre oder über das hinausgegangen
wäre, was er an anderen Orten gezeigt hatte. Er wollte einfach sagen: Wenn es
jemanden gibt, dem ich nicht als ein einmütiger und aufrichtiger Diener Christi
erschienen bin, so könnt ihr es nicht sein (vgl. 1. Korinther 9,2); denn wo in
der ganzen Welt bin ich vollkommener bekannt gewesen als bei euch?“[3]
Paulus ist ganz offen zu den Korinthern,
weil er weiß, dass sein Zeugnis nicht angreifbar ist: Denn nichts anderes
schreiben wir euch, als was ihr lest oder gar anerkennt. Er meint, was er sagt,
es gibt keinen versteckten Sinn in seinen Briefen; und in all seinen anderen
Beziehungen zu ihnen hat er sich nicht der Zweideutigkeit bedient; die Worte
seiner mündlichen Lehre und die Mitteilungen seiner Briefe stimmten genau
überein. Und dieser Zustand wird fortbestehen, denn er hofft, dass sie ihn bis
zum Ende anerkennen werden, so wie auch einige von euch diese Anerkennung
gegeben haben. Für sich selbst bittet er um Standhaftigkeit, in der reinen
Lehre und im gottgefälligen Leben fortzufahren; für sie, dass sie mit dankbarem
Herzen anerkennen, was Gott ihnen in der Person und durch das Werk des Apostels
gegeben hat. Denn, wie Paulus sagt: Wir sind euer Grund zum Rühmen; die
korinthische Gemeinde konnte stolz darauf sein, dass er ihr erster Lehrer
gewesen war. Und andererseits stellten sie seinen Grund zur Ehre am Tag des
Herrn Jesus Christus dar. Sogar vor dem Thron Gottes wird er sich zu ihnen
bekennen und sich ihrer rühmen; in ihrer Gesellschaft
will er vor dem Gericht des Herrn erscheinen und sie stolz als Werke der
göttlichen Gnade ausstellen.
Paulus kann nicht der Wankelmütigkeit
bezichtigt werden (V. 15-20): Weil Paulus seinen ursprünglichen Plan für
seinen Besuch in Korinth geändert hatte, versuchten einige seiner persönlichen
Feinde in dieser Stadt, ihn als unzuverlässige Person darzustellen. Aber er hat
seine Verteidigung bereit: Und in dieser Zuversicht war es mein Wille, zuerst
zu euch zu kommen. In der Gewissheit, dass sie sein tadelloses Verhalten
anerkennen und dass die Korinther ihn in gebührender Dankbarkeit als Grund für
ihren Ruhm betrachten, hatte Paulus geplant, über Korinth nach Mazedonien zu
reisen und dort zuerst Halt zu machen, damit sie zum zweiten Mal in den Genuss
und den Segen seiner Anwesenheit und Unterweisung kämen. Dieser Plan war schon
beim Schreiben des ersten Briefes, 1. Kor 16,5, aufgegeben worden, und er hatte
vor, nach seiner Rückkehr aus Mazedonien noch einmal nach Korinth zu kommen und
von dort aus in Begleitung einer Abordnung der Gemeinde nach Judäa zu reisen.
Er gibt zu, dass er seine Pläne geändert hat, aber das spricht nicht für
Wankelmütigkeit.
Diesen Vorwurf weist Paulus mit feierlichem
Nachdruck zurück: Als ich nun diese Absicht hatte, habe ich mich da des
Leichtsinns bedient? Oder habe ich mein Vorhaben, meinen Plan, nach dem Fleisch
gemacht, wie die Unbekehrten Pläne und Versprechungen machen, dass bei mir Ja
und Nein ungefähr auf dasselbe hinauslaufen? Sind meine Pläne wie die eines
Weltmenschen gemacht, um nach meinem Gutdünken geändert zu werden, heute
bejahend, morgen verneinend? Die Unterstellung seiner Feinde war, dass Paulus
entweder nicht ausreichend über seinen Plan und die Art und Weise seiner
Ausführung nachgedacht oder ihn ohne triftige Gründe geändert und daher die
Verbindlichkeit von Versprechen wenig beachtet habe. Aber Paulus behauptet,
dass seine Gegner im Unrecht sind, wenn sie ihm ein solches wankelmütiges
Verhalten unterstellen. Unbeständigkeit ist in der Tat das Kennzeichen des
fleischlichen, selbstsüchtigen Menschen, und auf ihn ist kein Verlass. Aber in
seinem eigenen Fall ist diese Schlussfolgerung falsch, wie Paulus feierlich
feststellt: Da aber Gott treu ist, ist unser Wort euch gegenüber nicht Ja und
Nein. So gewiss Gott treu und wahrhaftig ist, so gewiss sind alle Worte und
Weisungen, die er gegenüber den Korinthern gebraucht hat, zuverlässig. Diese
umfassendere Erklärung wird vom Apostel absichtlich verwendet; denn wenn er
tatsächlich in so kleinen Dingen wie Versprechungen, seinen persönlichen
Angelegenheiten, unzuverlässig war, dann könnte er in den größeren Dingen
seines Wortes an sie, in jeder Form der Lehre, unzuverlässig sein. Andererseits
beteuert er feierlich, dass jedes seiner Worte an sie aufrichtig war, sogar
sein Versprechen, zu ihnen zu kommen, bevor er nach Mazedonien reiste.
Die Gefahr, dass die Korinther dazu
verleitet werden könnten, ihn für unzuverlässig in seinen Versprechungen zu
halten und diese Annahme dann auf seine Lehre auszudehnen, veranlasst Paulus,
die Wahrheit und Zuverlässigkeit der von ihm gelehrten Lehre des Evangeliums zu
betonen: Denn Gottes Sohn, Christus Jesus, der durch uns, durch mich und
Silvanus und Timotheus, unter euch gepredigt wurde, war nicht Ja und Nein,
sondern Ja ist in ihm. Jesus Christus, der Sohn Gottes, der Inhalt aller
apostolischen und evangelischen Verkündigung, ist kein unsicheres Fundament,
keine unzuverlässige Basis. Recht und Unrecht, Wahrheit und Lüge, Gewissheit
und Unzuverlässigkeit sind in ihm nicht gleichzeitig zu finden; er ist kein vom
Wind geschütteltes Schilfrohr, sondern ein Fels, der unbewegt bleibt, auch wenn
er von den heftigsten Angriffen der Pforten der Hölle angegriffen wird. Diese
Botschaft des Evangeliums war den Korinthern von Paulus, Silvanus und Timotheus
überbracht worden, um nur drei ihrer Lehrer zu nennen, und sie alle hatten
trotz der unterschiedlichen Begabungen denselben Jesus auf dieselbe Weise
gepredigt, ohne sich zu widersprechen. In ihm haben wir die positiven Vorteile
der göttlichen Weisheit, der Gerechtigkeit, der Heiligung, des Heils und der
Verherrlichung. In Jesus ist das göttliche und ewige Ja zu einem wahren
Menschen geworden; das Christentum ist die einzige positive, sichere Religion.
Denn, so fährt Paulus in seiner tröstlichen Zusage fort: Wie zahlreich auch die
Verheißungen Gottes sein mögen, in ihm ist das Ja, darum auch durch ihn das
Amen zu Gott zur Herrlichkeit durch uns. Jesus Christus ist in seiner eigenen
Person die Verkörperung und Erfüllung aller Verheißungen Gottes an die
Menschheit; er hat sie entweder persönlich erfüllt oder ihre Erfüllung durch
seine Diener sichergestellt. Und weil Christus somit die Vollendung aller
göttlichen Verheißungen ist, ist er auch das Amen, weshalb alle unsere Gebete
in seinem Namen passenderweise mit diesem Bekenntnis unseres Vertrauens in die
Bereitschaft Gottes, uns alle geistlichen Segnungen zu geben, die wir in
unserem Leben brauchen, geschlossen werden. Der positiven Erfüllung aller
Verheißungen Gottes zur Erlösung der gefallenen Menschheit stimmen die
Gläubigen durch ihr Bekenntnis am Ende aller Glaubensbekenntnisse und Gebete
freudig zu. Und so erklingen die Verheißungen des Evangeliums zur Ehre und zum
Lobe Gottes aus dem Munde der Gläubigen, bis die ganze Welt mit Hymnen zu
seiner Ehre erklingt.
Gott selbst ist Zeuge für Paulus (V. 21-24): Der Inhalt der Verkündigung des Evangeliums, der so unzweifelhaft zuverlässig ist, lässt natürlich auf den Urheber seiner herrlichen Botschaft schließen: Der, der uns mit euch in Christus festhält und uns gesalbt hat, ist Gott. Das ist der letzte Grund für die Standhaftigkeit des Paulus und aller Christen. Lehrer und Hörer sind gleichermaßen durch die Kraft Gottes fest in Christus verankert; sie sind in ihm geerdet und verwurzelt; sie sind von ihm gesalbt und mit geistlichen Gaben ausgestattet worden. Vgl. 1. Joh. 2,27. Zugleich hat Gott auch uns, d.h. alle Gläubigen, versiegelt und uns den Ernst des Geistes in unsere Herzen gegeben. Die von Paulus verwendeten Begriffe sind zum Teil juristische Ausdrücke, um eine bestimmte Garantie zu bezeichnen. In Christus hat Gott uns durch die Salbung des Geistes den Vorschuss für unsere Erlösung gegeben, und nun garantiert er die Erfüllung dieser Erlösung, die Vollendung unserer christlichen Hoffnung.[4] Anmerkung: Eine eindeutigere Verheißung und Zusicherung der Heilsgewissheit für diejenigen, die die Erlösung durch Christus im Glauben annehmen, kann man sich kaum vorstellen: Gott bezahlt das Angeld mit dem Blut seines Sohnes, er salbt uns, damit wir seinen Plan für die Erlösung der Welt kennen und glauben, er besiegelt diese Erkenntnis in unseren Herzen, er garantiert uns den vollen Genuss all unserer Hoffnungen. Dies war der Höhepunkt der Botschaft des Paulus, mit deren Verkündigung er seinen Anspruch auf den Besitz eines unbefleckten moralischen Charakters untermauerte.
In dieser Situation konnte der Apostel nun sein feierliches Bekenntnis ablegen: Aber ich rufe Gott als Zeugen gegen meine Seele an. Nachdem er sich oben, in V. 18, auf die Treue Gottes berufen hatte, geht er hier noch einen Schritt weiter. Wenn das, was er jetzt sagt, unwahr ist, so möge Gott als Zeuge gegen seine Seele auftreten, um sie durch sein gerechtes Urteil zu verurteilen. Dieser feierliche Eid war in diesem Fall gerechtfertigt, weil Paulus' Glaubwürdigkeit als Apostel in Frage gestellt worden war und damit wesentlich die Ehre Christi, der ihn gesandt hatte, und die Sache Gottes, die er in Korinth vertrat, verbunden war. Er war nicht aus Leichtsinn oder Wankelmut nicht wie geplant nach Korinth gekommen, sondern er hatte den Gedanken aufgegeben, zu kommen, um sie zu schonen. Er hatte gehofft, dass sein erster Brief die korinthischen Christen wieder in das richtige Verhältnis zu ihm bringen würde, und dass es nicht nötig werden würde, dass er mit der Rute käme, 1. Kor 4,21. Seine Behandlung der Korinther, indem er sie nicht wieder aufsuchte, war also keineswegs das Ergebnis einer selbstsüchtigen Gesinnung, sondern ein Ausdruck seiner nachsichtigen Liebe. Und damit diese Aussage nicht wieder so missverstanden wird, als ob er sich Rechte über sie anmaßte, die er nicht besaß, fügt er in einer Klammerform hinzu: Nicht dass wir Herren über euren Glauben wären; es gehört nicht zu seinem apostolischen Amt, ihren Glauben, ihr religiöses Leben, ihre Beziehung zur christlichen Wahrheit zu kontrollieren. Aber wir sind Mithelfer eurer Freude; es war seine größte Freude, ihnen dienen zu können, indem er ihnen die Freude des Glaubens ins Herz brachte. Denn durch euren Glauben steht ihr; das gesteht Paulus ihnen gerne zu. Würden sie sich in dieser Hinsicht der Autorität eines anderen unterwerfen, wäre es unmöglich, dass sie eine so einheitliche Standhaftigkeit zeigen. Man beachte, dass der Apostel allgemein spricht, wenn er sich auf den christlichen Charakter seiner Leser bezieht, wobei er um der Nächstenliebe willen immer davon ausgeht, dass seine Aussage auf alle zutrifft.
Zusammenfassung: Nach der Ansprache eröffnet der Apostel seinen Brief mit einer Danksagung an Gott, die als Wort des Trostes für seine Leser fortgesetzt wird; er rechtfertigt sein Verhalten und sein Leben und die Änderung seiner Pläne in einem Abschnitt, der die Gewissheit der Verheißungen des Evangeliums betont.
Des Paulus apostolische Güte (2,1-11)
1 Ich dachte aber solches bei mir, dass ich nicht abermals in
Traurigkeit zu euch käme. 2 Denn so ich euch traurig mache, wer ist, der mich
fröhlich mache, außer der da von mir betrübt wird? 3 Und das habe ich euch
geschrieben, damit ich nicht, wenn ich käme, traurig sein müsste, über welche
ich mich billig sollte freuen, da ich mich des zu euch allen versehe, dass
meine Freude euer aller Freude sei. 4 Denn ich schrieb euch in großer Trübsal
und Angst des Herzens mit viel Tränen, nicht dass ihr solltet betrübt werden,
sondern damit ihr die Liebe erkenntet, welche ich besonders zu euch habe.
5 So aber jemand eine Betrübnis hat angerichtet, der hat nicht mich
betrübt, außer zum Teil, damit ich nicht euch alle beschwere. 6 Es ist aber
genug, dass dieser von vielen so gestraft ist, 7 dass ihr nun hinfort ihm desto
mehr vergebt und tröstet, damit er nicht in allzu große Traurigkeit versinke. 8
Darum ermahne ich euch, dass ihr die Liebe an ihm beweist. 9 Denn darum habe
ich euch auch geschrieben, dass ich erkennte, ob ihr rechtschaffen seid,
gehorsam zu sein in allen Stücken. 10 Welchem aber ihr etwas vergebt, dem
vergebe ich auch. Denn auch ich, wenn ich etwas vergebe jemandem, das vergebe
ich um euretwillen an Christi Statt, 11 damit wir
nicht übervorteilt werden vom Satan; denn uns ist nicht unbewusst, was er im
Sinn hat.
Paulus fährt mit seiner Erklärung fort
(V. 1-4): Paulus hatte erklärt, er habe seine Absicht, sie zuerst zu besuchen,
noch einmal überdacht und seinen Plan geändert, um sie zu verschonen. Und hier
fügt er einen weiteren Punkt hinzu, den sie bedenken sollten: Ich habe es aber
um meinetwillen beschlossen, um nicht noch einmal im Kummer zu euch zu kommen.
Sein nächster Besuch sollte nicht die schmerzliche Erfahrung sein, die sein
letzter war. Es scheint also, dass Paulus während seines langen Aufenthalts in
Ephesus einen kurzen Besuch in Korinth gemacht hatte und von den dortigen
Verhältnissen zutiefst verletzt und betrübt war. Er war gezwungen gewesen,
Strenge anzuwenden, um ihnen Kummer zu bereiten. 1. Kor. 4,21. Und so bittet er
in aller Sanftmut: Wenn ich euch betrübt habe, wer ist es dann, der mich froh
macht, der mich erfreut, wenn nicht der, der von mir betrübt wurde? Seine Liebe
zu den Korinthern hatte ihn veranlasst, ihre Sünden und Fehler zu rügen, sie zu
betrüben, denn er hatte ihre Umkehr im Sinn, die wiederum sein Herz erfreuen
würde. Wäre er aber zu dem Zeitpunkt gekommen, zu dem er sie zu besuchen
beabsichtigte, so hätten ihm gerade die Menschen, auf die er angewiesen war, um
ihn aufzumuntern, um ihm eine Quelle der Zufriedenheit und Freude zu sein,
erneut Schmerzen bereitet, denn die Missstände, die er beseitigen wollte,
wurden damals noch von ihnen geduldet. Indem er seine Pflicht als ihr
geistlicher Vater erfüllte und ihnen die Züchtigung auferlegte, die die
Verhältnisse verdienten, wäre er der Freude beraubt worden, die ihm die
korinthischen Christen als seine Kinder bereiteten. Aber wie die Dinge lagen,
hatte sein Brief zwar Kummer verursacht, aber die Dinge waren inzwischen in
Ordnung gebracht worden, und Paulus blieb der persönliche Umgang mit dem Kummer
erspart.
Dieser Gedanke wird im nächsten Vers noch
deutlicher herausgestellt: Und gerade das habe ich euch geschrieben, damit ich
nicht, wenn ich komme, von denen, von denen ich mich freuen sollte, betrübt
werde, in der festen Überzeugung, dass meine Freude über euch alle ist. Der
Wunsch, sie zu verschonen und sich selbst Schmerz zu ersparen, hatte den
Apostel veranlasst, seinen Tadel schriftlich zu übermitteln, wie er es im
ersten Brief getan hatte. Diese Vorgehensweise machte es für beide Seiten
leichter: Sie ersparte ihm eine unangenehme Erfahrung, die umso schwerer wog,
als ihr Verhältnis zu ihm stets von aufmunternder Natur gewesen sein musste.
Wie viel das für ihn bedeutete, geht aus der Tatsache hervor, dass er fest
davon überzeugt war, dass er zu ihnen allen das größte Vertrauen hatte, dass
seine Freude die Freude von allen war. Er war sich des Bandes der Sympathie
zwischen ihnen sicher; sie würden ihn immer fröhlich und glücklich sehen
wollen, und er, der sie alle als seine Freunde betrachtete, wäre sicher bereit,
ihnen eine leidvolle Erfahrung zu ersparen.
Den Zustand, in dem er seinen ersten Brief
schrieb, wollte der Apostel nicht noch einmal erleben: Denn ich habe euch in
großer Bedrängnis und Herzensangst mit vielen Tränen geschrieben. Viele
Abschnitte des ersten Briefes mögen hart erscheinen und alles andere als ein
Gefühl der Freude hervorrufen; aber seine Liebe zu den Korinthern machte sein
Wehklagen über ihr Unglück und seine Furcht vor ihrer Gefährdung umso größer.
Er hatte sich absichtlich zurückgehalten, damit seine Gegner ihm nicht den
Vorwurf der Impulsivität und der unkontrollierten Gefühle machten. Dennoch
waren die Begleitumstände so, wie sie der Apostel soeben geschildert hat, und
es war seine Absicht, sie zu diesem Zeitpunkt zu erzählen: Nicht, dass ihr
betrübt werdet, sondern dass ihr die Weisheit erkennt, die ich so reichlich
gegen euch habe. Wie die Liebe der Mutter zu dem kranken und schwachen Kinde am
zärtlichsten ist, wie der Hirte die Tiefe seiner Liebe besonders darin zeigt,
dass er den Verlorenen sucht, so hat Paulus in seiner Sorge für alle Gemeinden,
Kap. 11,28, doch eine besondere Liebe zu den Korinthern, weil sie am
liebesbedürftigsten waren und ihm die größte Sorge bereiteten. Dieselbe
seelsorgerliche Liebe wird heute in Tausenden von Fällen gezeigt, die von
denjenigen, die Gegenstand dieser liebevollen Fürsorge sind, wahrscheinlich
ebenso wenig gewürdigt werden.
Die Sache mit dem traurig-bekannten
Sünder (V. 5-11): Dieser Abschnitt ist ein Muster an liebevollem,
seelsorgerlichem Takt und Feingefühl. Es kann kaum ein Zweifel daran bestehen,
dass Paulus sich auf die inzestuöse Person bezieht, über die er im ersten
Brief, Kap. 5,1-5, so scharf geschrieben hat. Und doch schreibt er: Wenn aber
jemand Kummer gemacht hat. Er nennt weder das Vergehen noch den Übeltäter und
zieht es vor, die Angelegenheit zu verdrängen, die so zufriedenstellend und mit
dem geringstmöglichen Aufsehen geregelt worden war. Denn der Übeltäter, der ihm
Kummer bereitet hat, hat ihn nicht betrübt - Paulus war nicht der unmittelbare
Adressat des Vergehens -, sondern in gewissem Maße (damit ich ihn nicht zu sehr
belaste) euch alle. Der Apostel hatte die Sünde nur insofern empfunden, als sie
der korinthischen Gemeinde schadete und damit die ganze Kirche Gottes betrübte.
Er hat nicht die Absicht, dem reuigen Sünder eine größere Last aufzubürden, als
es die Umstände unbedingt erfordern. Und schon gar nicht will Paulus weiter
klagen, nachdem sich die Trauer der Gemeinde durch die Reue des Sünders in
Freude verwandelt hat.
Und deshalb fügt der Apostel die
freundliche Ermahnung hinzu: Einem solchen genügt diese Strafe, diese
Bestrafung, seitens der Mehrheit. Offensichtlich waren die Anweisungen des
Apostels, wie mit dem Inzestler umzugehen sei,
befolgt worden, denn die Mehrheit der Mitglieder war bereit, den Worten ihres
Lehrers zu folgen. Ob der Mann jedoch tatsächlich aus der christlichen Gemeinde
ausgeschlossen wurde oder die Zurechtweisung durch die Gemeinde annahm, lässt
sich nicht feststellen. Jedenfalls war er streng gemaßregelt worden, er hatte
in irgendeiner Form die Strafe, die Strafe für seine Sünde, getragen und war
noch immer in Ungnade. Paulus hält also inne; es ist genug getan, das Ziel ist
erreicht. Die Zeit der Strenge ist vorbei, jetzt müssen Milde und Güte walten:
Ihr sollt vielmehr freundlich zu ihm sein und ihn trösten, damit er nicht vor
lauter Kummer verschluckt wird. Sobald der Übeltäter ein volles und freies
Sündenbekenntnis abgelegt hat, soll man alle Härte vergessen und nichts als
tröstende Güte walten lassen. Andernfalls kann der Schuldige zur Verzweiflung
getrieben werden, und der ganze Zweck der Disziplinarmaßnahmen wird vereitelt.
Wenn dem reuigen Sünder nicht die volle und unmissverständliche Zusicherung der
göttlichen Gnade und Vergebung gegeben wird, kann er alle Hoffnung auf Erlösung
und alle Bemühungen, das ewige Leben zu erlangen, aufgeben und sich mit einem
für immer gegen Christus und die christliche Kirche verbitterten Herzen vom
Evangelium abwenden. Je betrübter und niedergeschlagener ein Gewissen ist, weil
es im Zustand der Exkommunikation den Zorn Gottes und die Macht Satans spürt,
desto glühender sollte die Verkündigung der Gnade Gottes in Christus Jesus
erfolgen: „Darum sollen die Hirten die Gefallenen zwar nachdrücklich und streng
schelten und zurechtweisen; Wenn sie aber merken, dass sie über ihre Sünden
trauern und ein besseres Leben führen wollen, sollen sie sie ihrerseits trösten
und ihnen helfen, indem sie ihre Sünden so klein und leicht wie möglich machen,
nämlich so, dass die Barmherzigkeit Gottes, der seinen eigenen Sohn nicht
verschont hat, sondern ihn für uns alle hingegeben hat, größer ist als alle
Sünde, damit die Gefallenen nicht in allzu große Trauer versinken.“[5]
In diesem Sinne schreibt Paulus: Darum
ermahne ich euch, die Liebe zu ihm zu erweisen. Durch einen förmlichen
Beschluss sollte der Schuldige nun wieder in die Gemeinschaft der Kirche
aufgenommen werden; auf diese Weise sollte sich ihre Liebe zu dem Bruder
geltend machen; so wie die Gemeinde die Macht, zu binden, angewandt hatte,
sollte auch die Macht, zu lösen, angewandt werden. Und der Apostel untermauert
seinen Appell in sehr geschickter Weise: Denn dazu habe ich auch geschrieben,
damit ich den Beweis von euch erkenne, ob ihr in allen Dingen gehorsam seid.
Indem er ihnen die Anweisungen des ersten Briefes gab, wollte er sie auf die
Probe stellen, ob sie seine apostolische Autorität bereitwillig annehmen und
danach handeln würden. Jetzt, da der Zweck der disziplinarischen Maßnahmen
vollständig verwirklicht war, würde keine Spur von Rachsucht zurückbleiben, und
sie würden sicher auch die jetzigen Anweisungen mit ebenso gehorsamer
Fröhlichkeit ausführen, sie würden sich als so loyal erweisen, wie er es von
ihnen erwartete.
Um ihnen das Gefühl zu geben, dass er mit
ihnen in ihrem öffentlichen Akt der Vergebung vereint war, fügt Paulus hinzu:
Wem ihr aber etwas vergebt, dem vergebe auch ich; denn auch ich, was ich
vergeben habe (wenn ich etwas vergeben habe), um euretwillen vor dem Angesicht
Christi, damit wir nicht vom Satan übervorteilt werden; denn seine List ist uns
nicht unbekannt. Die Bereitschaft der Gemeinde zur Vergebung und der Trost des
reuigen Sünders werden hier vom Apostel gestärkt. Die Glieder der korinthischen
Gemeinde sollten sicher sein, dass sie ihre Macht, das Amt der Schlüssel,
richtig gebrauchen, wenn sie seine Anweisungen befolgen, denn hier wird seine
eigene Vergebung ausgesprochen. Und sie könnten sich für alle Zeiten daran
erinnern, dass er sich keine Autorität über sie anmaßt, dass er keine
Herrschaft über sie in solchen Angelegenheiten ausübt. In der Form eines
Prinzips erklärt er seinen Standpunkt, dass er, wenn Vergebung angebracht ist,
mit ihnen in der Absolution übereinstimmen würde. Um ihretwillen und in
Gegenwart und vor den Augen Christi, des Erlösers der Welt, würde er dem
reuigen Sünder vergeben. Und um sich selbst nicht zu widersprechen, fügt er in
V. 5 in einem Nebensatz hinzu: Wenn wir annehmen, zugegeben, dass ich etwas
vergeben habe. Es ist so notwendig, alle evangelische Nachsicht walten zu
lassen, wegen der vielen Fallstricke des Teufels, der die Situation sicher
ausnutzen würde, indem er einen ernsthaften Versuch unternähme, den Schuldigen
zu fangen. Die Verzweiflung würde ihn direkt in die Arme des Teufels führen,
schreibt der Apostel, und er hatte einige Erfahrung und Kenntnis in dieser
Angelegenheit; er war mit den Plänen des Widersachers der menschlichen Seelen
vertraut. Weit davon entfernt, den reuigen Übeltäter als willkommenes Opfer den
Machenschaften des Satans auszuliefern, wollte er jede Vorsichtsmaßnahme
ergreifen, um seine Annäherungen zu vereiteln und seine Pläne zu vereiteln.
Anmerkung: Derselbe Geist der liebevollen Barmherzigkeit sollte jeden Pastor
und jede Gemeinde in Bezug auf jeden reuigen Sünder kennzeichnen, egal wie groß
das ursprüngliche Vergehen gewesen sein mag.
Des
Paulus Sieg in Christus (2,12-17)
12 Da ich aber nach Troas kam, zu predigen das Evangelium Christi, und
mir eine Tür aufgetan war in dem HERRN, 13 hatte ich keine Ruhe in meinem
Geist, da ich Titus, meinen Bruder, nicht fand, sondern ich machte meinen
Abschied mit ihnen und fuhr aus nach Mazedonien. 14 Aber Gott sei gedankt, der
uns allezeit Sieg gibt in Christus und offenbart den Geruch seiner Erkenntnis
durch uns an allen Orten. 15 Denn wir sind Gott ein guter Geruch Christi,
beide, unter denen, die selig werden, und unter denen, die verloren werden: 16
Diesen ein Geruch des Todes zum Tode, jenen aber ein Geruch des Lebens zum
Leben. Und wer ist hierzu tüchtig? 17 Denn wir sind nicht wie etliche viele,
die das Wort Gottes verfälschen, sondern als aus Lauterkeit und als aus Gott,
vor Gott reden wir in Christus.
Paulus kehrt hier zu der Beschreibung seines eigenen geistlichen Zustands zurück, als er den ersten Brief schrieb und seine Reise nach Mazedonien antrat. Er hatte die Stadt Troas in Mysien am Ägäischen Meer erreicht, wo er auf seiner zweiten Missionsreise eine Vision hatte, die ihn nach Europa rief (Apg 16,8-11). Aber obwohl er um des Evangeliums Christi willen dorthin gekommen war, mit der Absicht, das Evangelium zu verkünden, und obwohl ihm im Herrn die Tür der Gelegenheit geöffnet war, hätte er genügend Gelegenheit gefunden, in dem Bereich, der ihm so sehr am Herzen lag, tätig zu sein, so hatte er doch keine Ruhe in seinem Geist, er konnte die Unruhe nicht abschütteln, die seine Arbeit verhinderte. Der Hauptgrund für diesen Zustand war, dass er Titus in Troas nicht so vorfand, wie er es erwartet hatte. Titus sollte ihm die Informationen über die Lage in Korinth bringen, und er hatte gehofft, ihn im Hafen zu treffen. Seine zunehmende Unruhe, seine Sorge um die Gemeinde in Korinth, veranlasste ihn, sich von den Brüdern in Troas zu verabschieden, die trotz ihrer Sehnsucht, den geliebten Apostel in ihrer Mitte zu haben, seine Ungeduld respektierten. So war er nach Mazedonien gekommen, wo er den vorliegenden Brief schrieb. Anmerkung: Die Tatsache, dass Paulus, obwohl er ein inspirierter Apostel des Herrn und Lehrer der christlichen Kirche aller Zeiten war, dennoch Versuchungen, Zeiten der Bedrückung des Geistes und der Niedergeschlagenheit ausgesetzt war, ist ein Trost für uns und drängt uns, inmitten ähnlicher Angriffe der Schwäche stark zu sein.
Alle Sorgen des Apostels wurden durch die Informationen des Titus, den Paulus in Mazedonien traf, zerstreut, wie seine triumphierenden Worte zeigen: Gott aber sei Dank, der uns immer in Christus triumphieren lässt, wörtlich: uns in einem Triumphzug führt. Die Betonung liegt auf „immer“. Egal, welche Ängste und Nöte die Christen heimsuchen, sie haben immer Anteil am Sieg Gottes, und sei es in der Rolle eines der Gefangenen, eines der durch das Evangelium für den Herrn gewonnenen Gläubigen. Und Gott bedient sich nicht nur des Apostels in dieser Eigenschaft, sondern er lässt auch den Geruch, den Geschmack der Erkenntnis Christi durch den Apostel und seine Gefährten an jedem Ort offenbar werden. Die Erkenntnis Jesu Christi, des Erlösers, wie sie von Paulus in den Ländern von Jerusalem bis zum Ägäischen Meer und darüber hinaus verbreitet wird, ist ein Geruch des Opfers, der Gott wohlgefällig ist. Vgl. Mal. 1,11. Seine Wirkung mag vor den Augen des Menschen verborgen sein, aber der allwissende Gott freut sich über ein solches Opfer, und alle, die geistlich gesinnt sind, nehmen seine Kraft zur Kenntnis. „Denn was die Gegenwart, das Wirken und die Gaben des Heiligen Geistes betrifft, so sollen und können wir nicht immer ex sensu [aus dem Gefühl heraus] urteilen, wie und wann sie im Herzen erfahren werden; weil sie aber oft verdeckt sind und in großer Schwachheit auftreten, sollen wir aus und nach der Verheißung gewiss sein, dass das gepredigte und gehörte Wort Gottes [wirklich] ein Amt und Werk des Heiligen Geistes ist, durch das er gewiss wirksam ist und in unseren Herzen wirkt.“[6]
Paulus dankt Gott, weil er ein Diener des siegreichen Wortes war, der Gott ganz nebenbei ein Opfer von süßem Geruch darbrachte: Denn wir sind ein süßer Geruch Christi für Gott. Die Erkenntnis Christi war ein Geruch, der Gott wohlgefällig war; aber auch der ganze Dienst des Paulus, in dem er so unermüdlich war, war ein süßer Geruch für den Herrn; sein ganzes Leben hatte den Geruch der Heiligkeit; der Geruch Christi durchdrang ihn und all sein Tun. Alle Gläubigen, soweit sie von der Erkenntnis Christi und Gottes erfüllt sind, haben an dieser wunderbaren Eigenschaft teil: Der Geruch der Heiligkeit sollte jederzeit von ihrem ganzen Leben und Verhalten ausgehen. Paulus aber sagt von sich und seinen Mitarbeitern, dass sie ein süßer Geruch Christi sind bei denen, die gerettet werden, und bei denen, die verloren gehen, bei denen, die gerettet werden und verloren gehen; für die einen ein Geruch aus dem Tod in den Tod, für die anderen aber ein Geruch aus dem Leben in das Leben. Der herrliche Geruch des Namens und der Botschaft Christi geht auf alle Menschen mit gleicher Süße aus, aber es gibt einen großen Unterschied in der Wirkung. Diejenigen, die gerettet werden, werden dieses Heils teilhaftig, weil sie durch den barmherzigen Geruch, der überall dort aufsteigt, wo das Evangelium gepredigt wird, Leben empfangen. Diejenigen aber, die verloren gehen, nehmen absichtlich Gift aus demselben herrlichen Duft, der ursprünglich nur für das Leben bestimmt ist. Weil sie in ihrem Unglauben verharren und die Wahrheit der Erlösung nicht annehmen wollen, hat der Geruch, der allein Leben geben kann, eine tödliche Wirkung auf ihre Herzen und ihren Verstand. Den Verlorenen wird dieselbe Gnade angeboten, die alle Sünder rettet, aber das Evangelium bewirkt bei ihnen nur Abscheu, Widerstand, Widerspruch gegen die heilige Liebe Gottes, so dass das Wort vom Kreuz für sie eine Torheit und ein Ärgernis ist, 1. Kor. 1,23. Christus ist für sie ein Zeichen, gegen das man spricht, Luk. 2,34, ein Stein des Anstoßes und ein Fels des Ärgernisses, 1 Petr. 2, 8, und so bringen sie die Verurteilung der Blindheit über sich, Joh. 9,39.
Kein Wunder, dass Paulus, der sich dieses Ergebnisses seiner Arbeit voll bewusst ist, ausruft: Und wer ist für diese Dinge ausreichend? Die Antwort ist teilweise angedeutet: Also einer von sich selbst, und gewiss nicht solche, die das Wort Gottes verfälschen. Aber zur Verteidigung seiner selbst und der anderen Lehrer fügt er hinzu: Denn wir sind nicht wie die Mehrheit, einschließlich der falschen Apostel in Korinth, die das Wort Gottes verfälschen, die die göttliche Botschaft, wie sie im Evangelium enthalten ist, verderben. Damals wie heute gab es viele, die um des schnöden Gewinns willen zu solchen Tricks griffen, die dem Lam die Kraft nahmen und dem Evangelium die Schönheit und den Trost. Mit solchen Leuten wollte Paulus nicht identifiziert werden. Aber als von Aufrichtigkeit, sondern als von Gott, vor Gad, in Christus, sprechen wir. Sein persönliches Empfinden und seine Haltung waren von strikter Aufrichtigkeit geprägt, sein ganzes Wirken war vor den Augen aller Menschen offen. Sein Auftrag war von Gott; er hatte das Amt weder begehrt noch gesucht, sondern tat sein Werk als ein von Gott Gesandter. Er war sich stets der Gegenwart Gottes bewusst und der daraus folgenden Notwendigkeit, vor ihm untadelig zu wandeln. Und in Christus sprach er, in Gemeinschaft mit ihm, als Liebhaber der Wahrheit und als Feind der Falschheit; in Christus hatte er den kostbaren Inhalt des Evangeliums gefunden, und diesen Schatz versuchte er durch seine Lehre an andere weiterzugeben. So triumphierte er in Christus und gab Christus und Gott alle Ehre, wie es alle treuen Diener Jesu bis zum heutigen Tag tun sollten.
Zusammenfassung: Paulus setzt seine Erklärung für seine Planänderung fort, drängt auf die freundliche Annahme des reuigen Sünders, beschreibt die ungewöhnliche Depression, die er in Troas erlebte, und stellt die Erkenntnis und den Dienst Christi als einen Geschmack zum Leben und zum Tod dar.
Die Herrlichkeit des neutestamentlichen Predigtamtes (3,1-18)
1 Heben wir denn abermals an, uns selbst zu preisen? Oder bedürfen wir,
wie etliche, der Empfehlungsbriefe an euch oder Empfehlungsbriefe von euch? 2
Ihr seid unser Brief, in unser Herz geschrieben, der erkannt und gelesen wird
von allen Menschen, 3 die ihr offenbar geworden seid, dass ihr ein Brief
Christi seid, durch unser Predigtamt zubereitet und durch uns geschrieben,
nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes, nicht in
steinerne Tafeln, sondern in fleischerne Tafeln des Herzens.
4 Ein solch Vertrauen aber haben wir durch Christus zu Gott. 5 Nicht,
dass wir tüchtig sind von uns selber, etwas zu denken als von uns selber,
sondern dass wir tüchtig sind, ist von Gott, 6 welcher auch uns tüchtig gemacht
hat, das Amt zu führen des Neuen Testaments, nicht des Buchstabens, sondern des
Geistes. Denn der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig.
7 So aber das Amt, das durch die Buchstaben tötet und in die Steine ist
gebildet, Klarheit hatte, so dass die Kinder Israel nicht konnten ansehen das
Angesicht Moses um der Klarheit willen seines Angesichtes, die doch aufhört, 8
wie sollte nicht viel mehr das Amt, das den Geist gibt, Klarheit haben? 9 Denn
so das Amt, das die Verdammnis predigt, Klarheit hat, viel mehr hat das Amt,
das die Gerechtigkeit predigt, überschwängliche Klarheit. 10 Denn auch jenes
Teil, das verklärt war, ist nicht für Klarheit zu achten gegen diese
überschwängliche Klarheit. 11 Denn so das Klarheit hatte, das da aufhört, viel
mehr wird das Klarheit haben, das da bleibt.
12 Dieweil wir nun solche Hoffnung haben, bedienen wir uns großer
Freudigkeit 13 und tun nicht wie Mose, der die Decke vor sein Angesicht hing,
dass die Kinder Israel nicht ansehen konnten das Ende des, der aufhört. 14
Sondern ihre Sinne sind verstockt; denn bis auf den heutigen Tag bleibt diese
Decke unaufgedeckt über dem Alten Testament, wenn sie
es lesen, welche in Christus aufhört. 15 Aber bis auf den heutigen Tag, wenn
Mose gelesen wird, hängt die Decke vor ihrem Herzen. 16 Wenn es aber sich
bekehrte zu dem HERRN, so würde die Decke abgetan. 17 Denn der HERR ist der
Geist. Wo aber der Geist des HERRN ist, da ist Freiheit. 18 Nun aber spiegelt
sich in uns allen des HERRN Klarheit mit aufgedecktem Angesicht; und wir werden
verklärt in dasselbe Bild von einer Klarheit zu der anderen als vom Geist des
HERRN.
Der Empfehlungsbrief des Apostels (V. 1-3): Der Apostel wurde oft zur Selbstverteidigung getrieben, und
deshalb machte er auch Aussagen über sein Werk, die seine Gegner, die immer auf
der Suche nach Fehlern und Mängeln waren, böswillig als Selbstverherrlichung
auslegten, vgl. 1. Kor. 9,15; 14,18; 15,10. Da Paulus also gerade geschrieben
hatte, dass seine Verkündigung des Evangeliums in aller Aufrichtigkeit geschah,
und die Gegner die Gelegenheit ergreifen könnten, ihren Vorwurf zu wiederholen,
schützt er sich vor ihrer Unterstellung: Fangen wir wieder an, uns zu rühmen?
-, dessen er fälschlicherweise beschuldigt worden war. Seine Frage macht
deutlich, dass in seinen Erklärungen nicht ein Körnchen sündhafter Anmaßung zu
finden ist. Und er wiederholt, mit Nachdruck: Oder brauchen wir etwa
Empfehlungsschreiben an Sie oder von Ihnen, wie gewisse andere Leute? Das ist
eine feine Ironie gegen die falschen Apostel und judaisierenden Lehrer, denn es
scheint, dass einige von ihnen bei ihrer Ankunft in Korinth solche Briefe
vorlegten, die von prominenten Mitgliedern der älteren Gemeinden geschrieben
worden waren, insbesondere von Männern mit judaisierenden Tendenzen. Aber
Paulus verwirft die Idee, dass er, „der das Evangelium zuerst nach Korinth
gebracht hat, der korinthischen Gemeinde formale Beglaubigungsschreiben
vorlegen müsste; und es wäre ebenso abwegig, dass er von ihnen Empfehlungen
einholen würde“.[7] Der Gedanke war absurd, absurd. Das Zeugnis seines Charakters und seines
Amtes übertrifft bei weitem alles, was ihm von irgendeiner Gemeinde gegeben
werden könnte.
Mit gewinnendem Takt wendet sich der Apostel nun an die Korinther mit
der Aussage. Ihr seid unser Brief, geschrieben in unsere Herzen, bekannt,
anerkannt und gelesen von allen Menschen Die Gläubigen in Korinth waren ein
Zeugnis, ein Empfehlungsschreiben, besser als alles, was die Eindringlinge
vorweisen konnten. Ihr ganzes Dasein in Christus verdankten sie seinem Werk des
Pflanzens und Bauens, des Lehrens und Erziehens. Wozu brauchte Paulus weitere
Briefe? Sie waren seine Beglaubigung, in sein Herz geschrieben, er selbst war
Schreiber, Überbringer und Empfänger dieses Briefes. Das Wohl und Wehe, das
Wohlergehen der Gemeinde in Korinth, das war die ständige Sorge des Apostels;
das trug er in seinem Herzen mit liebendem Gebet. Und der Brief, den er so als
fortwährendes Zeugnis mit sich trug, stand der Welt als solcher offen und
konnte ohne Schwierigkeiten gelesen werden: Sowohl die Handschrift als auch der
Inhalt konnten von allen Betrachtern, die sich für eine Untersuchung
interessierten, erkannt und angeeignet werden. „Tatsachen sprechen lauter als
Worte.“
Der Apostel erklärt dies noch ausführlicher: Offenbar bist du ein Brief
Christi, zubereitet durch unseren Dienst: Christus war der Verfasser, Paulus
fungierte als sein Sekretär. Und der Brief selbst wurde nicht mit Tinte auf
lange Streifen oder Papyrusstücke geschrieben, wie es damals üblich war,
sondern durch den Geist des lebendigen Gottes. Durch das Wirken des Geistes ist
die Wahrheit des Evangeliums in ihre Herzen eingeprägt worden, wie der Apostel
sagt: Nicht auf steinerne Tafeln, sondern auf Tafeln, die Herzen aus Fleisch
sind. Christus, der Urheber, der Heilige Geist, der Überbringer der göttlichen
Kraft, Paulus, der Sekretär und Diener: auf diese Weise wurde dieser wunderbare
Brief verfasst. Der Hinweis, den Paulus verwendet, erinnert an ein Ereignis in
der Geschichte Israels, als der Dekalog durch den Finger Gottes auf Steintafeln
geschrieben wurde. Aber hier wird das Evangelium, die gnädige Nachricht von der
Sühne durch die Erlösung Christi, als dauerhafter Segen in das Herz
eingepflanzt: Christus wohnt durch den Glauben im Herzen.
Der Geist im Unterschied zum Buchstaben
(V. 4-6): Das Werk, das Paulus in Korinth als Diener Gottes getan hatte, war
aller Anerkennung würdig. Und doch vermeidet er selbst den Verdacht der
Selbstverherrlichung, indem er schreibt: Solche Zuversicht aber haben wir durch
Christus zu Gott. Das war das Vertrauen, die stille Gewissheit, die Paulus
hatte, dass die korinthische Gemeinde sein Empfehlungsbrief war, dass ihr
Zustand in Lehre und Leben ein fortwährendes Zeugnis für sein Wirken war. Aber
diese Zuversicht war nicht das Ergebnis eines falschen Selbstbewusstseins, sie
war vielmehr eine Überzeugung gegenüber Gott, dem Urheber des Werkes, und durch
Christus, in dessen Kraft er so große Dinge in Korinth vollbrachte. „Dieses
Rühmen sollte jeder Prediger haben, dass er gewiss ist und dass auch sein Herz
in diesem Vertrauen steht und sagen kann: Diese Zuversicht und diesen Mut habe
ich gegenüber Gott in Christus, dass meine Lehre und Verkündigung wirklich
Gottes Wort ist. So muss auch, wenn er andere Ämter in der Kirche ausübt, ein
Kind tauft, einem Sünder die Absolution erteilt und ihn tröstet, auch das in
dem sicheren Vertrauen geschehen, dass es Christi Gebot ist.“[8] 8)
Die Worte des Paulus über das Amt des Neuen
Testaments verurteilen allen Stolz, jede Anmaßung, jeden Dünkel und jedes
falsche Vertrauen, wie Luther sagt, und schreiben alle Ehre und Herrlichkeit
Gott zu: Nicht, dass wir von uns selbst hinreichend wären, uns eine Meinung
über uns selbst zu bilden, sondern unsere Hinlänglichkeit ist von Gott. Der
Eindruck, als würde er sich selbst loben und seine eigenen Anstrengungen
preisen, als würde er seinen Erfolg in Korinth als seinen eigenen Fähigkeiten
verdanken, wird hier zurückgewiesen. Im Gegenteil, er sagt von sich selbst und
von allen Predigern des Evangeliums nicht nur, dass es ihnen an der Eignung für
den Dienst des Wortes fehlt, sondern dass sie nicht einmal in der Lage sind,
die richtigen Meinungen zu haben, die richtigen Urteile zu fällen in allem, was
mit dem Amt zusammenhängt, sei es groß oder klein, wie von sich selbst. Wenn
ein Prediger des Evangeliums sich auf seine eigene natürliche Fähigkeit, seine
eigene angesammelte Weisheit, seinen eigenen praktischen Scharfsinn verlässt,
dann fehlt ihm noch völlig jene Hinlänglichkeit, die der Herr für den richtigen
Dienst an Ihm verlangt, dessen unabänderliche Forderung die Anerkennung der
eigenen Unzulänglichkeit und Unwürdigkeit ist. Es gibt nur einen Weg, wie ein
Mensch hinreichend werden kann, wie er die richtige Qualifikation für das Werk
der Verkündigung des Evangeliums erlangen kann, und das ist durch die freie
Gabe Gottes. Alles, was ein Prediger denkt, tut und in seinem Amt erfolgreich
ausführt, ist ihm von Gott gegeben, wird durch ihn von Gott vollbracht, dem
daher alle Ehre und Herrlichkeit zu jeder Zeit gegeben werden muss.
Im Übrigen aber sorgt Gott für das Werk,
das er schwachen Menschenhänden, schwachen Menschengeistern anvertraut hat: Er
hat auch uns hinreichend gemacht, uns die rechte Befähigung gegeben, als Diener
des Neuen Bundes, als Diener nämlich, nicht des Buchstabens, sondern des
Geistes; denn der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig. Gott muss
denen, die Diener sind, die im Werk des Evangeliums dienen, wirklich die
Fähigkeit, die notwendigen Qualifikationen geben und tut dies auch,
vorausgesetzt, sie sind Diener des Evangeliums in Wahrheit und nicht nur dem
Namen nach. Er befähigt sie, Diener des Neuen Bundes zu sein, ihre Zeit und
Energie seiner Ausbreitung zu widmen, der Verteilung der neutestamentlichen
Gnadengaben. Das Wort "neu" deutet darauf hin, dass der Apostel hier
das gegenwärtige Amt mit dem des Alten Bundes vergleicht, der mit den Kindern
Israels am Berg Sinai geschlossen wurde. Von dem ersten Bund sagt er, dass er
ein Bund des Buchstabens war; von dem zweiten, dass er ein Bund des Geistes
ist; er stellt das Gesetz und das Evangelium einander gegenüber. „Denn er
gebraucht das Wort ‚Buchstabe‘ etwas verächtlich von dem Gesetz (das doch auch
Gottes Wort ist) gegenüber dem Amt und der Predigt des Evangeliums.... Denn ‚Buchstabe‘
ist das, was genannt wird und ist, jede Form von Gebot, Lehre und Predigt, die
nur im Wort oder auf dem Papier und im Buchstaben bleibt, und nichts danach
getan wird.... So muss auch das Gebot Gottes, da es nicht gehalten wird, obwohl
es die höchste Lehre und der ewige Wille Gottes ist, doch leiden, dass die
Menschen einen bloßen Buchstaben und eine leere Hülle daraus machen, denn ohne
Herz und Frucht bringt es kein Leben und Heil.... Auf der anderen Seite gibt es
eine ganz andere Lehre und Predigt, die er den Dienst des Neuen Testaments und
des Geistes nennt, die nicht lehrt, was ihr tun sollt (denn das habt ihr schon
gehört); sondern sie weist euch darauf hin, was Gott tun und euch geben will,
ja schon getan hat, und zwar so, dass er seinen Sohn, Christus, für uns gegeben
hat, weil wir wegen unseres Ungehorsams gegenüber dem Gesetz, das kein Mensch
erfüllt, unter Gottes Zorn und Verdammnis standen, dass er für unsere Sünden
bezahlt, Gott versöhnt und uns seine Gerechtigkeit gegeben hat.“[9] Diesen Gegensatz bringt
der Apostel in einem kurzen Satz auf den Punkt: Der Buchstabe tötet: das Gesetz
ist das Werkzeug des Todes, Röm. 5,20; 7,9; 8,2, weil kein Mensch fähig ist,
seine Forderungen zu erfüllen, und daher jeder Mensch unter seiner Verurteilung
zum Tode steht; der Geist gibt Leben: das Evangelium bringt uns die herrliche
Nachricht von der freien Gnade Gottes in Christus Jesus, von der vollständigen
Erfüllung des Gesetzes, von der Bezahlung aller Schuld, von der Aneignung der
vollkommenen Gerechtigkeit, des Lebens und des Heils. Und das Evangelium bringt
den Heiligen Geist in die Herzen, seine Kraft ist die des Geistes, der ein
neues geistliches Leben in dem Sünder wirkt, ihm das freudige Vertrauen gibt,
Gott als seinen lieben Vater zu erkennen und ein Leben der Dankbarkeit, der
Gerechtigkeit und der Reinheit zu führen.
Die Herrlichkeit des Amtes der
Gerechtigkeit (V. 7-11): Der Gegensatz von V. 6 wird hier im Detail
ausgeführt, wahrscheinlich wegen der judaisierenden Gegner in Korinth, deren
Ziel es war, die Gesetzesverkündigung zu verherrlichen, sie als heilsnotwendig
neben das Evangelium zu stellen. Der Apostel gibt zu: Wenn aber das Amt des
Todes, das in Buchstaben auf Steinen eingraviert ist, in Herrlichkeit war oder
entstand, so dass die Kinder Israels wegen der Herrlichkeit, des Glanzes seines
Gesichtes, so vergänglich es auch war, nicht fest auf das Gesicht des Mose
schauen konnten. Das Amt und die Verkündigung des Gesetzes ist ein Amt bis zum
Tod, denn so wie die Verhältnisse hier auf Erden inmitten der gefallenen
Menschheit sind, kann kein Mensch das Gesetz halten, und deshalb sind alle
Menschen unter seiner Verdammung. Das Gesetz ist und muss für den sündigen
Menschen ein toter Buchstabe bleiben, der kein Leben geben kann. Es wurde zwar
in Form des Dekalogs durch den Finger des Herrn selbst auf steinerne Tafeln
gemeißelt, 2. Mose 32,16. Aber gerade diese Tatsache zeigt dem Apostel, dass
das Gesetz, soweit es die Menschen betrifft, für sie etwas Äußerliches ist und
bleibt. Es ist ein fester Buchstabe, geformt und in Stein gemeißelt; es kann
dem Sünder nicht das Leben und die Kraft vermitteln, es zu halten, es kann
keine geistigen Fähigkeiten bewirken. Es ist wahr, dass das Gesetz und sein
Dienst in der Herrlichkeit entstanden sind; denn als der Herr dem Mose das
ganze Gesetz mit allen seinen Erklärungen gegeben hatte und als Mose dann in
das Lager der Kinder Israel zurückkehrte, hatte die Haut seines Gesichts einen
solchen Glanz angenommen, weil er in der Gegenwart der Herrlichkeit Gottes
gewesen war, Ex. 34, 29. 30, so dass die Kinder Israel Mose nicht lange ansehen
konnten, weil sie von der Helligkeit seines Gesichts geblendet waren. Doch
dieser Glanz war von vorübergehender Natur, er war sichtbar, wenn Mose aus der
göttlichen Gegenwart kam, und verblasste, wenn die Gelegenheit vorbei war.
Das Argument des Paulus lautet nun: Wenn
schon dieser Dienst, wie er hier beschrieben wird, mit göttlicher Herrlichkeit
verbunden war, wenn auch von vorübergehendem Charakter, wie sollte dann nicht
vielmehr der Dienst des Geistes mit Herrlichkeit verbunden sein? Wenn das Amt,
das nur dem Tod dienen konnte, herrlich war, so ist doch das Amt, das den Geist
Gottes gibt, das ihn mit allen seinen Gaben in die Herzen der Gläubigen
überträgt, viel eher zu dieser Auszeichnung berechtigt. Das Amt des Neuen Testaments
ist in der Tat nicht mit einem äußeren, körperlichen Glanz des Antlitzes
verbunden, sondern es besitzt eine geistliche Herrlichkeit, die jeden
körperlichen Glanz weit übersteigt, eine Herrlichkeit, die dem Geist, dem
Herzen und dem Körper eines jeden Gläubigen vermittelt wird und sein Leben zu
einem Abglanz der göttlichen, ewigen Herrlichkeit macht. „Die Herrlichkeit des
Herrn ist die Erkenntnis Gottes. Auch Mose hat Herrlichkeit, nämlich die
Erkenntnis und das Verständnis des Gesetzes. Wenn ich die Erkenntnis des
Gesetzes habe, sehe ich darin sein Antlitz deutlich, ich schaue in sein helles
Licht. Nun aber sind wir durch dieses hindurchgegangen und haben eine höhere
Erkenntnis Christi, des Herrn; wer ihn kennt als den, der hilft, der die Kraft
gibt, das Gesetz zu erfüllen, durch den wir Vergebung der Sünden empfangen
haben, da spiegelt sich seine Herrlichkeit in uns, das heißt: Wie sich der
Glanz der Sonne im Wasser oder in einem Spiegel spiegelt, so spiegelt sich
Christus und wirft seinen Glanz in unser Herz, dass wir von einer Herrlichkeit
zur anderen verherrlicht werden, dass wir täglich wachsen und den Herrn immer
deutlicher erkennen.“[10]
Der Apostel wiederholt denselben Gedanken
mit einer etwas anderen Betonung: Denn wenn das Amt der Verurteilung eine
Herrlichkeit ist, so übertrifft das Amt der Gerechtigkeit die Herrlichkeit noch
um vieles mehr. Das Amt des Gesetzes ist ein Amt der Verurteilung, es kann
nicht anders, als alle Menschen zu verurteilen, da alle Menschen Übertreter des
Gesetzes sind; es muss feststellen, dass alle Menschen unter dem Fluch stehen,
dass sie alle gesündigt haben und der Herrlichkeit Gottes nicht gerecht werden,
dass sie seinen Zorn und sein Missfallen, den zeitlichen Tod und die ewige
Verdammnis verdient haben. Wenn also schon dieser Dienst herrlich ist und
solche unausweichlichen Folgen hat, wie viel herrlicher muss dann der Dienst
des Evangeliums sein! Denn die Predigt des Evangeliums ist ein Dienst der
Gerechtigkeit: Sie zeigt uns, wie wir vor Gott gerecht werden können; sie
rechnet uns die vollkommene Gerechtigkeit zu, die unser Erlöser für uns
erworben hat; sie offenbart uns die Gerechtigkeit, die durch den Glauben allen
und auf alle kommt, die glauben, Röm. 3,22. Auf der einen Seite das Urteil der
Verdammnis, das uns Tod und Hölle eröffnet; auf der anderen Seite das Urteil
der Barmherzigkeit, das uns die Gewissheit des ewigen Heils gibt: Wie sehr
übertrifft das letztere das erstere!
So nachdrücklich will der Apostel die
Überlegenheit des neutestamentlichen Amtes herausstellen, dass er sich zu einem
Höhepunkt steigert: Denn das, was verherrlicht wurde, das Amt des Alten Bundes,
ist in dieser Hinsicht nicht verherrlicht worden, wegen der überragenden
Herrlichkeit (des neutestamentlichen Amtes); denn wenn das Vergängliche in
Herrlichkeit war, so ist das Bleibende erst recht in Herrlichkeit. Der Apostel
will damit sagen, dass, wenn man den Vergleich wirklich in allen seinen Zügen
und von allen Seiten durchführt, man schließlich zu dem Ergebnis kommt, dass
für das Amt des Alten Bundes wirklich keine Herrlichkeit mehr übrig ist; seine
Herrlichkeit verschwindet, wenn man sie neben die des neutestamentlichen Amtes
stellt, so wie das Licht der Sterne vor der Majestät der aufgehenden Sonne
verblasst. „Wenn man diesen Glanz und diese Heiligkeit richtig betrachtet, die
wir in Christus durch die Verkündigung des Evangeliums haben, dann ist jener
Teil der Herrlichkeit, nämlich der des Gesetzes (der nur eine kleine,
vorübergehende, vergängliche Herrlichkeit ist), wirklich eine
Nicht-Herrlichkeit, vielmehr nichts als dunkle Wolken neben dem Licht Christi,
das uns jetzt den Weg aus Sünde, Tod und Hölle zu Gott und ewigem Leben
erhellt.“[11]
Denn wenn das Vergängliche, das Amt des Gesetzes, das nur für eine kurze
Zeitspanne bestimmt war, Herrlichkeit hatte, so wird das, was bleibt, das Amt
des Evangeliums, das Amt, das wirkt, solange die Welt besteht, und dessen
Früchte ewig sind, in Herrlichkeit bleiben. „“Es ist auch ein besonders
tröstliches Wort, wenn er sagt, dass das Amt und die Predigt des Gesetzes ein
solches Amt ist, das vergeht; denn wenn das nicht der Fall wäre, so wäre nichts
als ewige Verdammnis da. Das Vergehen aber geschieht, wenn die Verkündigung des
Evangeliums von Christus beginnt; dem muss Mose weichen und ihm die
Oberherrschaft überlassen, damit er nicht mehr mit seinem Schrecken im Gewissen
der Gläubigen herrsche, ... damit die Herrlichkeit Christi mit seinem süßen,
tröstlichen Licht ins Herz leuchte.“[12]
Die Wirkung der beiden Ämter (V. 12-18): Obwohl der Apostel die Vollendung aller christlichen Hoffnung nicht wirklich beschrieb, sondern nur die Art und Weise ihrer Verwirklichung aufzeigte, war die endgültige Glückseligkeit doch angedeutet. Und deshalb fährt er fort: Da wir nun eine solche Hoffnung haben, gebrauchen wir eine große Kühnheit der Rede. Die Hoffnung, die die Diener des Neuen Testaments haben, erstreckt sich auf die künftige Verherrlichung Christi und der Gläubigen in den Wohnungen des Himmels, wenn die geistlichen Gaben des Evangeliums, die Gerechtigkeit und das Leben, vor aller Welt offenbart werden. Und darum gebrauchen die Diener des Wortes eine große Offenheit, eine große Kühnheit der Rede. Weil Paulus die endgültige Erfüllung der bestimmten Verheißungen des Evangeliums vor Augen hatte, konnte er mit aller Offenheit und uneingeschränkter Zuversicht sprechen. Es gab nichts zu verbergen, nichts zu unterdrücken, er konnte mit äußerster Klarheit die Botschaft von Christus und der in ihm enthaltenen Fülle des Heils verkünden. So wie er nicht zögerte, den Donner des Sinai über das Haupt des reuelosen Sünders rollen zu lassen, so hielt er auch dem armen Sünder, dessen Selbstgerechtigkeit und Stolz durch solch freimütiges Predigen beseitigt worden war, keine Silbe der rettenden Wahrheit vor.
In dieser Hinsicht unterschieden er und die anderen Lehrer sich von Mose, der, obwohl er mit der vollen Amtsgewalt eines Dieners Gottes ausgestattet war, doch einen Schleier über sein Gesicht legte, und zwar zu dem Zweck, dass die Kinder Israels nicht beständig auf das Ende dessen blicken sollten, was vergeht. Nicht nur, dass der Anblick des göttlichen Glanzes auf dem Antlitz des Mose den Kindern Israels vorenthalten wurde, weil sie durch ihr früheres Verhalten einer solchen Gunst unwürdig geworden waren und den Glanz eines solchen sündlosen Abglanzes nicht ertragen konnten, sondern auch, dass die Herrlichkeit auf dem Antlitz des Mose verblasste, während er noch mit dem Volk sprach. Mose war sich dieser Vergänglichkeit des Phänomens bewusst; er erkannte, dass diese Tatsache den vorbereitenden Charakter des alttestamentlichen Dienstes symbolisierte, und sein Handeln stand im Einklang mit dem Willen Gottes. Den Kindern Israels wurde der weitere Genuss der göttlichen Reflexion verwehrt, weil sie sich weigerten, die Worte des Propheten anzunehmen. Auf diese Weise wurde Mose in seinem Werk behindert und konnte die Botschaft des Evangeliums nicht so verkünden, wie sie heute von den Dienern des Neuen Testaments verkündet wird.
Dass das Volk Israel die Schuldigen waren, und nicht Mose, geht aus den nächsten Worten hervor: Aber ihr Verstand war verblendet; ihr Denken war abgestumpft, verhärtet. Es war ihnen unmöglich, die wichtigen Dinge zu erkennen, die sie für ihr Heil hätten wissen müssen. Die ganze Geschichte der Wüstenwanderung ist ein Bericht über die wunderbare, geduldige Barmherzigkeit Gottes und den hartnäckigen Widerstand der Kinder Israels. Das Urteil der Verstockung wurde also in gewisser Weise schon in der Wüste vollstreckt. Und das ist noch nicht alles: Denn bis heute bleibt derselbe Schleier beim Lesen des Alten Testaments ungelüftet, denn er ist erst in Christus weggetan. Der Apostel sagt von den Juden seiner Zeit, was bis heute praktisch unverändert geblieben ist: Auf den Herzen der Kinder Israels liegt noch immer ein Schleier, der sie daran hindert, die Vergänglichkeit des Alten Testaments zu erkennen. Sie wollen nicht anerkennen, dass das Zeitalter vor Christus nur ein Zeitalter der Vorbereitung, der Vorbilder und der Prophezeiungen war. Sie wollen sich nicht an den Herrn wenden, um eine offene Vision zu erhalten, um Christus als den Erlöser der Welt zu erkennen. Bis zum heutigen Tag liegt der Schleier auf ihren Herzen, wenn in ihren Synagogen aus Mose gelesen wird. Und es bleibt wahr und sollte bei aller Missionierung der Kinder Abrahams nach dem Fleisch bedacht werden, dass, wann immer Israel sich dem Herrn zuwendet, der Schleier weggenommen werden wird. Wenn sie sich nur in wahrer Bekehrung Christus zuwenden und ihn als den verheißenen Messias annehmen, dann wird ihnen die offene Sicht gegeben, das gesamte Alte Testament im Licht des Neuen zu verstehen, die Prophezeiung im Licht der Erfüllung. Der Apostel spricht nicht von einem einzigen Ereignis, als ob sich alle Juden auf einmal dem wahren Herrn und ihrem Heiland Jesus Christus zuwenden würden, sondern von den einzelnen Fällen, wie oft sie auch in der Zeit des Neuen Bundes, Röm. 11,26, vorkommen mögen, wenn Gott den Schleier vom Herzen eines Gliedes des jüdischen Geschlechts wegnimmt, wenn er den Stolz des falschen Verständnisses und der Selbstgerechtigkeit wegnimmt und die rechte Erkenntnis der Sünde herbeiführt und so den Weg zu Christus, dem Heiland, weist. „Paulus lehrt 2. Kor. 3,15 f., dass der Schleier, der das Antlitz des Mose bedeckte, nicht weggenommen werden kann, außer durch den Glauben an Christus, durch den der Heilige Geist empfangen wird.“[13] Man beachte, dass die Schriften des Mose und das gesamte Alte Testament hier als eine bekannte Sammlung, als ein einziges Buch bezeichnet werden.
Was das Abnehmen des Vorhangs bedeutet, erklärt der Apostel zum Schluss: Der Herr aber, der Jehova Israels, Christus, der Erlöser der Menschheit, ist der Geist; er ist der Urheber des Neuen Bundes der Barmherzigkeit und der Gnade, er ist derjenige, der durch das Evangelium mit allen seinen Segnungen, mit der Fülle des Heils gegeben wird. Wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit, da ist nicht mehr die Knechtschaft des Gesetzes. Jeder Mensch, der dem Ruf des Evangeliums folgt, hat freien Zugang zu Gott, ohne irgendeinen Schleier dazwischen, ohne Furcht vor Verdammnis. Das Argument des Apostels wurde von einem Kommentator wie folgt formuliert: Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit: Da der Herr der Geist ist, hat derjenige, der sich dem Herrn zuwendet, diesen Geist; daher muss er frei sein und wird nicht mehr durch den Schleier behindert, der das Handeln der Seele bedeckt und kontrolliert. Das ist die Wirkung, die bei den Juden und bei allen, die wie sie für die Herrlichkeit des Evangeliums verblendet sind, eintreten muss.
Was aber die Christen betrifft: Wir alle, die wir mit unverhülltem Antlitz die Herrlichkeit des Herrn wie in einem Spiegel betrachten, werden in dasselbe Bild verwandelt, von einer Herrlichkeit zur anderen, wie vom Herrn, dem Geist. Vor dem Gesicht der Gläubigen des Neuen Testaments hängt nicht mehr der Schleier des Mose und der Kinder Israels; er ist durch die Barmherzigkeit Gottes weggenommen worden. Und nicht nur das, sondern sie reflektieren auch, wie in einem Spiegel und daher etwas unvollkommen, aber dennoch sicher, die Herrlichkeit des Herrn Jesus Christus; in ihrem ganzen Leben sind Beweise seiner Macht und seines Glanzes zu finden. Und so werden sie in sein Bild verwandelt, nicht auf einmal, sondern schrittweise, wobei der Prozess der Heiligung das ganze Leben einnimmt. Die Gläubigen werden sowohl in der Erkenntnis als auch in der Gerechtigkeit und Heiligkeit erneuert, nach dem Bild Gottes und Christi, ihres Erlösers. 1. Joh. 3,2; Kol. 3,10; Eph. 4,24. So wird das Werk des Geistes unaufhörlich weitergehen, bis die Vollkommenheit des Gnadenreiches zur Vollkommenheit des Reiches der Herrlichkeit wird, Röm. 8,29, „dass der Heilige Geist unsere Herzen erleuchte, reinige, stärke, dass er neues Licht und Leben in den Herzen wirke, und die wahre evangelische, christliche Vollkommenheit ist, dass wir täglich zunehmen im Glauben, in der Gottesfurcht, im treuen Fleiß in unserer Berufung und unserem Amt, das uns anvertraut ist.“[14]
Zusammenfassung: Paulus erklärt, dass die Korinther sein Empfehlungsschreiben sind, verweist seine Genügsamkeit im Hirtenamt auf Gott, preist seine Herrlichkeit und beschreibt seine Wirkungen.
Die Evangeliumsbotschaft von
Licht und Leben (4,1-18)
1 Darum, weil wir ein solch Amt haben, nachdem uns Barmherzigkeit
widerfahren ist, so werden wir nicht müde 2 sondern meiden auch heimliche
Schande und gehen nicht mit Schalkheit um, fälschen auch nicht Gottes Wort,
sondern mit Offenbarung der Wahrheit und beweisen uns wohl gegen aller Menschen
Gewissen vor Gott. 3 Ist nun unser Evangelium verdeckt, so ist’s in denen, die
verloren werden, verdeckt, 4 bei welchen der Gott dieser Welt der Ungläubigen
Sinn verblendet hat, dass sie nicht sehen das helle Licht des Evangeliums von
der Klarheit Christi, welcher ist das Ebenbild Gottes. 5 Denn wir predigen
nicht uns selbst, sondern Jesus Christ, dass er sei der HERR, wir aber eure
Knechte um Jesu willen. 6 Denn Gott, der da hieß das Licht aus der Finsternis
hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben, dass
(durch uns) entstünde die Erleuchtung von der Erkenntnis der Klarheit Gottes in
dem Angesicht Jesu Christi.
7 Wir haben aber solchen Schatz in irdischen Gefäßen, damit die
überschwängliche Kraft sei Gottes und nicht von uns. 8 Wir haben allenthalben
Trübsal, aber wir ängstigen uns nicht; uns ist bange, aber wir verzagen nicht;
9 wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen; wir werden
unterdrückt, aber wir kommen nicht um. 10 Und tragen um allezeit das Sterben
des HERRN Jesus an unserm Leib, damit auch das Leben des HERRN Jesus an unserm
Leib offenbar werde. 11 Denn wir, die wir leben, werden immerdar in den Tod
gegeben um Jesu willen, damit auch das Leben Jesus offenbar werde an unserem
sterblichen Fleisch. 12 Darum, so ist nun der Tod mächtig in uns, aber das
Leben in euch.
13 Dieweil wir aber denselben Geist des Glaubens haben (nachdem
geschrieben steht: Ich glaube, darum rede ich), so glauben wir auch, darum so
reden wir auch 14 und wissen, dass der, so den HERRN Jesus hat auferweckt, wird
uns auch auferwecken durch Jesus und wird uns darstellen samt euch. 15 Denn es
geschieht alles um euretwillen, damit die überschwängliche Gnade durch vieler
Danksagen Gott reichlich preise. 16 Darum werden wir nicht müde, sondern ob
unser äußerlicher Mensch verwest, so wird doch der innerliche von Tag zu Tag
erneuert. 17 Denn unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine
ewige und über alle Maßen wichtige Herrlichkeit 18 uns, die wir nicht sehen auf
das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Denn was sichtbar ist, das ist
zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig.
Paulus verkündet seine Botschaft offen
und frei (V. 1-6): Ein Diener dieses Amtes zu sein, das er gerade so hoch
gelobt hat, war das Vorrecht des Paulus: Da wir nun dieses Amt haben, werden
wir, wie wir Barmherzigkeit empfangen haben, nicht müde. Es war ein
unverdienter Akt der Barmherzigkeit Gottes, der ihn zum Diener des Evangeliums
machte, Eph. 3,8. Er hatte dieses Amt nicht aus irgendeinem Grund erhalten,
dessen er sich rühmen könnte, sondern durch eine freie Gabe Gottes. Diese
Tatsache gab ihm inmitten der Schwierigkeiten und Prüfungen seiner
Amtspflichten Halt und bewahrte ihn davor, endgültig und endgültig entmutigt zu
werden. Demütiges Heldentum war der Grundton des Charakters des Paulus; seine
erhabene Stellung erfüllte ihn nicht mit Stolz. Die Barmherzigkeit und Gnade
Gottes, dessen Kraft in der Schwachheit vollkommen ist, war die unerschöpfliche
Quelle seiner Stärke und seines Mutes.
Aber Paulus hat nicht nur ein gewisses
Mittel gegen Entmutigung und Ohnmacht, sondern auch gegen die Übel, die er bei
den Irrlehrern sah: Wir aber haben das Verborgene der Schande entsagt,
verleugnet. Er wollte, dass Offenheit, Offenheit, Freimütigkeit in seiner
ganzen Arbeit im Vordergrund stehen. Denn wenn die Arbeit eines Pastors nicht
immer in dieser Weise ausgeführt wird, wird er mit verborgenen Dingen
identifiziert werden, mit Dingen, die das Licht der Sonne scheuen und die so
Schande über ihn und sein Amt bringen oder bringen. Dieses Verhalten wird fast
ausnahmslos mit solchen falschen Propheten in Verbindung gebracht, die
versuchen, in organisierte Gemeinden einzubrechen und die Herzen der Mitglieder
zu stehlen. Und in Bezug auf dieselben Leute schreibt Paulus: Er wandelt nicht
in List und betrügt das Wort Gottes nicht. Er befasste sich nicht mit Intrigen
und Ränken, mit denen Menschen ohne Gewissen versuchten, sich einen Weg zu
bahnen und Einfluss zu gewinnen; er versuchte nicht, sich durch falschen
Ehrgeiz in einflussreiche Positionen einzuschleichen. Er verfälschte auch nicht
das Wort Gottes zu solchen Zwecken, indem er predigte, um sich beim Volk
beliebt zu machen, statt das Gesetz in seiner ganzen Strenge und das Evangelium
in seiner ganzen Schönheit zu verkünden, 2 Tim. Vielmehr empfahl er sich durch
die Offenbarung der Wahrheit buchstäblich jedem Gewissen der Menschen vor Gott,
jeder möglichen Spielart des menschlichen Gewissens. In seiner öffentlichen und
privaten Lehre brachte er die Wahrheiten des Evangeliums so deutlich zum
Ausdruck, dass niemand über den Weg des Heils im Zweifel sein konnte. So
empfahl er sich jeder Art von menschlichem Gewissen; sie mussten seine
Aufrichtigkeit anerkennen, sie mussten ihm dieses Zeugnis geben, dass seine
Motive über jeden Vorwurf erhaben waren, dass seine Lehre den höchsten Idealen
der Wahrheit und der Pflicht entsprach. Er wusste auch, dass sein ganzes Wirken
vor Gott geschah, dass Gott jederzeit anwesend war, um ihn zu hören. Die
Menschen erkannten die Wahrheit und Aufrichtigkeit seiner Verkündigung, und vor
Gott hatte er ein reines Gewissen.
Da diese Tatsache feststeht, kann Paulus
noch einmal auf seine Worte in Kap. 1,15.16 und 2,12-18 beziehen, indem er
sagt: Wenn aber auch unser Evangelium verhüllt ist, so ist es doch in denen,
die verloren gehen, verhüllt. Das Evangelium an sich ist alles andere als
dunkel und verdunkelt, Kap. 3, 13; es ist ein Licht, das in der Finsternis
dieser Welt leuchtet, um die Herzen aller Menschen zu erhellen. Aber der
Widerstand der Menschen, ihre Weigerung, die einfache Aussage der Gnade
anzunehmen, legt den Schleier der vorsätzlichen Unwissenheit vor die helle
Schönheit des Evangeliums und verhindert so, dass seine klaren Strahlen in ihre
Herzen eindringen. So ist es die Strafe ihrer eigenen Schuld, dass sie verloren
sind, 1. Kor. 1,18; sie sind schon gerichtet, Joh. 3,18. „Es muss aber so sein,
das Wort Gottes muss das eigentümlichste Ding im Himmel und auf Erden sein;
darum muss es beides zugleich tun, im höchsten Grade die erleuchten und ehren,
die es glauben und ehren, und im höchsten Grade die blenden und zuschanden
machen, die ihm nicht glauben. Für die ersteren muss sie das Sicherste und
Bekannteste sein, für die letzteren das Unbekannteste und Verborgenste. Die
ersteren loben und preisen ihn in höchstem Maße, die letzteren lästern und
schmähen ihn in höchstem Maße, so dass seine Werke voll zur Geltung kommen und
nicht unbedeutende, sondern eigentümliche, schreckliche Werke in den Herzen der
Menschen sind.“[15]
Die Ursache für diesen Zustand liegt ganz
eindeutig nicht im Evangelium selbst, sondern im Menschen, und zwar durch die
Machenschaften des Teufels: In ihm hat der Gott dieser Welt, dieses Zeitalters,
den Verstand der Ungläubigen verblendet. Satan ist der Gott, der Fürst dieses
Zeitalters, Kap. 2,11; Joh. 12,31; 14,30. Er hat sein Werk in den Kindern des
Unglaubens, Eph. 2 2; 5,6; 1. Joh. 3,10; sie geben ihm willigen Gehorsam. Aber
er hat seinerseits, als angemessenen Lohn, den Verstand der Ungläubigen verblendet.
Weil sie sich der Ablehnung der Wahrheit schuldig gemacht haben, konnte die
Verblendung in ihren Herzen Fortschritte machen, konnte ein Gericht über sie
sein; denn Satan konnte diese Bosheit in den Herzen der Gläubigen, derer, die
gerettet werden, nicht vollbringen, weil ihnen das Evangelium nicht verhüllt
ist. Und es ist die Absicht des Teufels, die Herzen der Ungläubigen zu
verblenden: Dass das Licht des Evangeliums von der Herrlichkeit Christi, der
das Ebenbild Gottes ist, nicht leuchtet, dass es ihnen nicht dämmert, dass sie
es nicht klar sehen, dass es vor ihnen verborgen bleibt. Die Gesamtsumme, der
Inhalt des Evangeliums ist der Glanz der Herrlichkeit Gottes in Christus Jesus,
die herrliche Offenbarung Jesu als des Erlösers der Welt. Aber so gut ist der
Plan Satans in den Kindern des Unglaubens verwirklicht, dass diese Herrlichkeit
Christi, der auch in Bezug auf sein Werk das vollkommene Ebenbild Gottes ist,
von ihnen nicht gesehen wird, nicht in ihr Verständnis eindringt.
Um zu rechtfertigen, dass er das von ihm
gepredigte Evangelium die Verkündigung der göttlichen Herrlichkeit nennt,
schreibt der Apostel nun: Denn nicht uns selbst predigen wir, sondern Christus
Jesus, den Herrn, und uns selbst, eure Knechte, um Jesu willen. Wenn Paulus
sich selbst, seine eigene Weisheit gepredigt hätte, wenn er Ehre und Ruhm für
sich selbst gesucht hätte, wäre es eine böse Anmaßung von ihm gewesen,
diejenigen, die sich weigerten, seine Lehre anzunehmen, als auf dem Weg ins
Verderben zu verurteilen. Aber sein einziger Gedanke, sein einziges Ziel war
es, Christus Jesus vor seinen Zuhörern als den Herrn darzustellen, dem sie
aufgrund seiner Erlösung den Gehorsam des Glaubens schuldeten. Und weit davon
entfernt, irgendeine Autorität, Macht oder Herrschaft über sie zu beanspruchen,
erklärte er im Gegenteil, dass er sich und seine Mitlehrer als Diener der
Gemeinden betrachte, nicht als absolute Sklaven, die verpflichtet sind, ihren
Willen zu tun, wie sie es diktieren, sondern als Diener um Jesu willen, als
Diener Christi, als Verwalter der Geheimnisse Gottes. Und in diesem Sinne ist
auch jeder wahre Prediger des Herrn Jesus Christus ein Diener der ihm
anvertrauten Gemeinde, indem er allen alles wird, um Seelen für Christus zu
gewinnen, 1. Kor. 9,19.
Es gibt noch einen anderen Grund, der
Paulus veranlasst, in seinem Dienst so furchtlos und offen zu sein: Denn Gott
ist es, der gesagt hat: Aus der Finsternis soll das Licht leuchten, das in
unsere Herzen geleuchtet hat zur Erleuchtung der Erkenntnis der Herrlichkeit
Gottes in dem Angesicht Jesu Christi. Am Anfang der Welt war es die
schöpferische Kraft des Wortes Gottes, die das Licht aus der Finsternis
aufleuchten ließ, 1. Mose 1,3. Und derselbe Gott, der auf diese Weise das
physische Licht schuf, ist der Urheber des wahren geistlichen Lichts. Er hat
nicht nur eine sterbende Glut zur Flamme geblasen, wie Luther sagt, sondern er
hat das Licht aus der Finsternis hervorgebracht. Im Herzen des Paulus, wie in
dem aller Menschen, herrschte von Natur aus Finsternis, geistliche Finsternis
und Tod. Aber Gott hat bei seiner Bekehrung geistliches Leben und Licht in
seinem Herzen geschaffen; und dieser Abglanz der Herrlichkeit Gottes wird nun
benutzt, um andere zu erleuchten; Gott hat den Predigern des Evangeliums die
Fähigkeit gegeben, anderen das Licht der Erkenntnis Gottes durch Christus, wie
es sich in Christus offenbart hat, zu geben. Anmerkung: Diese Funktion der
bekehrten Menschen ist nicht auf die Pastoren beschränkt, sondern jeder
Gläubige, der die erleuchtende Kraft Gottes in seinem eigenen Herzen erfahren
hat, wird seinerseits als Lichtturm wirken, um andere dazu zu führen, Christus
als ihren Herrn zu erkennen und gerettet zu werden. Beachten Sie auch den
Kontrast in der gesamten Passage: Der Gott dieser Welt, der Teufel, macht
blind; der Dienst des Evangeliums gibt Licht. Ohne das Evangelium und seine
erleuchtende Kraft wird das Herz des Menschen für immer in geistlicher
Finsternis bleiben; wenn aber diese Kraft die Finsternis beseitigt, gibt es
eine Fülle von Licht und Herrlichkeit.
Des Paulus körperliche Schwachheit
(V. 7-12): Hier zeigt sich erneut die große Demut des Paulus, der sagt, dass
das herrliche Amt, mit dem er sich identifiziert, schwachen und verfallenden
Gefäßen anvertraut wurde. Das Licht der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes wird
von den Dienern in irdenen Gefäßen getragen, wie der Apostel ihren Körper
nennt, Gefäße aus Ton, billig und zerbrechlich. Diese Beschreibung passt auf
den menschlichen Körper im Allgemeinen und auf den des Apostels im Besonderen,
wie seine Demut ihn zu schreiben veranlasst. Es mag seltsam erscheinen, dass
ein so großer Schatz in einem so zerbrechlichen und verderblichen Gefäß wie dem
menschlichen Körper zur Verteilung aufbewahrt wird, aber die Tatsache zeigt das
Prinzip der göttlichen Absicht: Dass die überragende Größe der Kraft (die sich
im Werk des Evangeliums zeigt) von Gott kommt und nicht von uns. „Unsere Hände
und Zungen sind zwar vergänglich und sterblich, aber durch diese Mittel, durch
diese vergänglichen und irdenen Gefäße, will der Sohn Gottes seine Macht
zeigen.“[16]
Gerade die Tatsache der Schwäche und Unbedeutendheit der menschlichen Gefäße
der barmherzigen Verkündigung Gottes lässt also seine eigene Herrlichkeit umso
deutlicher hervortreten. „Nicht die Vorzüglichkeit des Gefäßes, sondern der
große Wert des Schatzes; nicht die Person des Verkünders, sondern der Name, den
die Verkündigung verkündet; nicht die natürliche Kraft und Fähigkeit des
Menschen, sondern die Gnade Gottes und Gottes mächtiges Wort: Seht die
überreiche Kraft, die über die Substanz dieser Welt triumphiert, die von den
Verkündern des Evangeliums ausgeht und sie über die Leiden ihrer Berufung
erhebt.“[17]
Diese Leiden, mit denen die Diener des
Herrn zu kämpfen haben, werden nun vom Apostel in seiner gewohnten,
wirkungsvollen Weise dargestellt: Von allen Seiten bedrängt, aber nicht
eingeklemmt; verwirrt, aber nicht völlig verzweifelt; verfolgt, aber nicht überholt;
niedergeworfen, aber nicht vernichtet. Paulus hat bei diesen Bildern
wahrscheinlich wieder die Isthmischen Spiele im Sinn, wie in 1. Kor 9,24-27. Er
und seine Mitarbeiter, wie übrigens alle Christen, sind wie Ringer. Ihre Gegner
mögen sie von allen Seiten bedrängen und ihnen einen tödlichen Griff zu geben
drohen, aber es gelingt ihnen nie ganz, den tödlichen Griff zu erlangen; sie
mögen manchmal durch die Geschicklichkeit der Gegner verwirrt werden, aber sie
geben den Kampf nicht auf, sie werden nicht überwunden. Sie sind wie Läufer in
einem Wettlauf, die das Ziel fast vor Augen haben und die ihre Gegner zu
überholen und hinter sich zu lassen versuchen; aber es gelingt ihnen
schließlich, als Erste ins Ziel zu kommen. Sie sind wie Boxer, die gelegentlich
von ihren Gegnern niedergeschlagen werden, aber dennoch mit unerschrockenem Mut
aufstehen, um den Kampf fortzusetzen und Sieger zu werden. All das erleben die
Diener des Evangeliums in reichem Maße, und alle gläubigen Christen haben
ebenfalls Anteil an solchen Schwierigkeiten. In Bedrängnissen, in Verwirrungen,
in Verfolgungen, in Verlusten und Prüfungen jeder Art geht der Kampf weiter;
unter tausend Umständen scheint eine Niederlage bevorzustehen, aber das Ende
ist immer ein Sieg für das Evangelium und seine Anhänger.
Und nun erreicht der Apostel den Höhepunkt
seiner Beredsamkeit: Immer das Sterben Jesu am Leib tragend, damit das Leben
Christi auch an unserem Leib offenbar werde; denn immer sind wir, die wir
leben, dem Tod übergeben um Jesu willen, damit das Leben Jesu auch an unserem
sterblichen Fleisch offenbar werde. Weil sie das Evangelium verkündeten, weil
sie den Schatz des Evangeliums verteilten, waren die Boten des Herrn stets den
Leiden unterworfen, die auch Christus erduldete; denn der Jünger steht nicht über
seinem Meister. Täglich, stündlich um seinetwillen dem Tod ausgeliefert zu
sein, 1. Kor. 15,31, den ganzen Tag über getötet zu werden, Röm. 8, 36, das ist
das Vorrecht der Menschen, die ihr Leben dem Herrn und seinem Werk gewidmet
haben. Denn nur durch eine solche absolute Selbstverleugnung in seinem Dienst
wird es möglich, dass das wahre Leben Christi mit der Fülle seiner Kraft sich
in den Dienern Christi zeigt, Phil. 3,10; Kol. 1,24. Ihr Fleisch mag sterblich
sein, dem Tod und der Verwesung unterworfen, aber in ihrem Geist lebt die
unsterbliche, allmächtige Kraft des Herrschers des Reiches der Kraft, des
Königs der Gnade, und deshalb gehen sie von Stärke zu Stärke voran, predigen
das Evangelium, bauen das Reich auf, suchen nur Gottes Ehre, ohne an sich
selbst zu denken. Und das Ergebnis, soweit es ihre Zuhörer betrifft, ist: Der
Tod ist in uns wirksam, aber das Leben in euch. Der Tod wirkte in dem Apostel,
weil er immer dem Tod ausgesetzt war und nichts anderes wollte; das war eine
notwendige Begleiterscheinung seiner Arbeit für den Herrn, er erwartete nichts
anderes. Das befriedigte ihn auch deshalb, weil ganz nebenbei das Leben, das
wahre, geistliche Leben, durch seinen Dienst in ihnen wirkte, als Wirkung
seiner Predigt. Es war das Leben des auferstandenen Christus, das hier auf
Erden seinen Anfang genommen hatte und im Reich der Herrlichkeit vollendet
werden würde. Das ist das Beispiel des Opfers des Paulus für seinen Herrn.
Wie sich der Apostel über jede Schwäche hinweg aufschwingt (V. 13-18): Die Erwähnung des Lebens in und mit Christus erhebt den Apostel in die Höhe einer jubelnden Erklärung: Da wir aber denselben Geist des Glaubens haben (wie der Psalmist), nach dem, was geschrieben steht: Ich habe geglaubt, also habe ich auch geredet, so glauben auch wir, und darum reden auch wir. Der Apostel zitiert Ps. 116,10, wo die Osterfreude der alttestamentlichen Gläubigen zum Ausdruck kommt, und erklärt, dass derselbe Geist des freudigen und zuversichtlichen Glaubens auch in ihm lebte. Sein Glaube, der so fest gegründet und in seiner Hoffnung so sicher war, konnte nicht schweigen; er musste in einem Bekenntnis mit dem Mund hervorbrechen. Wie ein Kommentator sagt: Kaum ist der Glaube da, beginnt er zu anderen zu sprechen, und während er spricht, erkennt er sich selbst und gewinnt an Kraft. Wie der Psalmist von Feinden umgeben war, so war Paulus inmitten von Gefahren; aber in beiden Fällen konnte ihr Glaube nicht schweigen; es ist für den wahren Gläubigen unmöglich, über die wunderbaren Dinge, die er gesehen und gehört hat, still zu sein, Apg. 4,20 Und der Glaube ist keine unsichere Hoffnung, die auf bloßem Gefühl beruht, sondern auf einer Erkenntnis, die im Wort Gottes begründet ist: Denn wir wissen, dass der, der den Herrn Jesus auferweckt hat, auch uns mit Jesus auferwecken und uns mit euch zusammen darstellen wird. Was Paulus in Kap. 15 des ersten Briefes an die Christen in Korinth ausführlich dargelegt hatte, wiederholt er hier in aller Kürze: Die Auferstehung Christi ist eine Garantie für unsere eigene Auferstehung; sie ist unsere Gewissheit, dass wir am Leben des auferstandenen Herrn teilhaben werden. Wie Gott Jesus, unseren Herrn, auferweckt hat, so wird er am letzten Tag auch uns auferwecken, damit wir seiner Auferstehung teilhaftig werden, und alle Gläubigen werden gemeinsam vor den Thron des Vaters und des Lammes gestellt werden. All diese herrlichen Tatsachen sind in der Botschaft enthalten, deren Überbringer Paulus ist, obwohl er sich selbst für ein schwaches und unwürdiges Gefäß hält. Beachte: Die Hoffnung und der Glaube der Gläubigen des Alten und des Neuen Testaments beruhen auf demselben Fundament, dem Wort und den Verheißungen Gottes; sie verlangen dasselbe Glaubensbekenntnis und sehen derselben Herrlichkeit entgegen.
Alle diese Herrlichkeiten werden jedoch von Paulus verkündet, wie er erklärt: Denn alles ist um euretwillen, damit die Gnade, die durch die größere Zahl von euch überreichlich wird, den Dank zur Ehre Gottes überströmen lasse. Bei all seinem Tun hatte der Apostel den Segen und den Nutzen seiner Leser im Sinn, der Christen, in deren Interesse er arbeitete; alles geschah um ihretwillen. Aber der Zweck und das Ziel, das er als Endziel vor Augen hatte, war, dass die Gnade, die ihm zuteil geworden war und die ihm so wunderbare Kraft und Ausdauer verlieh, durch die Kraft ihrer vielen zusätzlichen Gebete zu einer noch reicheren Danksagung zur Ehre Gottes führen sollte. Je größer die Zahl derer ist, die an den Segnungen der Gaben Gottes teilhaben und ihm den Dank ihrer Lippen und Hände darbringen, desto nachdrücklicher wird die Herrlichkeit des Herrn vor der ganzen Welt und über das Ende der Welt hinaus bis in die Ewigkeit hervortreten. Auf diese Weise „kann die Dankbarkeit der vielen Bekehrten mit den Segnungen, die sie empfangen haben, Schritt halten und überhandnehmen, wie diese Segnungen überhandgenommen haben“.
Paulus kehrt nun zu dem Gedanken von V. 1 zurück. Weil er von dieser herrlichen Hoffnung getragen wird, wird er nicht müde, er gibt nicht auf: Denn wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch unser innerer Mensch Tag für Tag erneuert. Der Gegensatz besteht nicht zwischen Fleisch und Geist, sondern zwischen dem allmählichen Verfall des leiblichen Organismus und dem entsprechenden Wachstum des geistlichen Selbst. Der verborgene Mensch des Herzens, 1. Petr. 3,4, wird Tag für Tag vom Wort Gottes genährt und gestärkt und gewinnt so ständig an Kraft. Gleichzeitig schreitet der sterbliche Körper, das irdene Gefäß, stetig dem physischen Tod entgegen; jeder neue Tag bedeutet einen Tag weniger bis zum unausweichlichen Ende; die endgültige Auflösung ist immer nur eine Frage der Zeit. Aber da die Betonung des Apostels auf dem zweiten Teil seiner Aussage liegt, macht ihm dieser Gedanke offensichtlich keine Sorgen. Seine Haltung ist vielmehr die eines jeden wahren Gläubigen, der dieses ganze Leben nur als Vorbereitung auf das kommende ewige Leben betrachtet.
Deshalb schreibt er im gleichen Tonfall des Jubels: Denn unsere gegenwärtige, leichte Last der Trübsal bereitet uns von einem Übermaß zum anderen eine ewige, schwere Last der Herrlichkeit vor. Alle Bedrängnisse, die über uns Christen kommen können, begleiten uns nur in dieser Zeit, für die Dauer dieses flüchtigen Lebens, schlimmstenfalls für einen Augenblick im Vergleich zum kommenden ewigen Leben. Und es ist leicht, leicht zu ertragen, vergleichsweise gesprochen. Aber es kommt die Zeit, und zwar bald, da wird uns die ewige Herrlichkeit offenbart werden, und diese ist so wunderbar, so groß und umfassend, so gewichtig und endlos, dass die leichte Bedrückung des irdischen Lebens vergessen sein wird, Röm. 8,18. Das Wunder ist so groß, das auf diese gegenwärtige Trübsal folgen soll, als ob es durch sie hervorgebracht worden wäre, obwohl es eine Belohnung der Gnade ist, dass Paulus nicht genug Worte finden kann, um den Gedanken auszudrücken, der nach Äußerung schreit. Überaus, überreichlich, von einem Übermaß zum anderen wird Gott uns die Herrlichkeit geben, die er seit Grundlegung der Welt für die bereitet hat, die ihn lieben.
Und das Ergebnis ist, dass wir mit dem Apostel nicht mehr auf die sichtbaren Dinge schauen, auf die sichtbaren Formen dieses gegenwärtigen Universums, sondern auf die, die wir nicht sehen können, außer in der Hoffnung, mit dem Auge des Glaubens. Denn alles Sichtbare, das wir mit unseren Sinnen erfassen können, ist vergänglich, es ist nur für diese Welt und dieses Zeitalter gemacht. Was aber nicht gesehen wird, was für uns jetzt unsichtbar ist, das ist ewig. Vgl. Röm. 8,24; Hebr. 11,l. Sich um die vergänglichen, verderblichen Dinge dieser Welt zu kümmern und dabei die wahren und bleibenden Werte des Himmels zu verlieren, spricht für eine falsche Einschätzung der Werte, für einen Verlust der Substanz in dem vergeblichen Bemühen, den Schatten zu ergreifen. Paulus, als Prediger mit der Botschaft des Evangeliums von Licht und Leben, wollte, dass seine Leser das große Ziel und den Zweck ihres Daseins, das Leben mit Gott in der Fülle der himmlischen Herrlichkeit, immer vor Augen haben.
Zusammenfassung: Der Apostel lehnt jede Verbindung mit List und Verfälschung des Wortes ab; trotz der vielen Gefahren, die ihn bedrohen, verkündet er das Evangelium von der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes; dabei wird der Glaube seines Herzens im Bekenntnis seines Mundes ausgesprochen, und er sieht der endgültigen Erlösung und der ewigen Herrlichkeit entgegen.
Des Paulus Verlangen nach der zukünftigen Herrlichkeit (5,1-10)
1 Wir wissen aber, so unser irdisches Haus dieser Hütte zerbrochen wird,
dass wir einen Bau haben, von Gott erbaut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht,
das ewig ist, im Himmel. 2 Und über demselben sehnen wir uns auch nach unserer
Behausung, die vom Himmel ist, und uns verlangt, dass wir damit überkleidet
werden. 3 So doch, dass wir bekleidet und nicht bloß erfunden werden. 4 Denn
dieweil wir in der Hütte sind, sehnen wir uns und sind beschwert, da wir
wollten lieber nicht entkleidet, sondern überkleidet werden, damit das
Sterbliche würde verschlungen von dem Leben. 5 Der uns aber zu demselben
bereitet, das ist Gott, der uns das Pfand, den Geist gegeben hat.
6 Wir sind aber getrost allezeit und wissen, dass, solange wir im Leib
wohnen, so wallen wir dem HERRN. 7 Denn wir wandeln im Glauben und nicht im
Schauen. 8 Wir sind aber getrost und haben vielmehr Lust, außer dem Leib zu
wallen und daheim zu sein bei dem HERRN. 9 Darum befleißigen wir uns auch, wir
sind daheim oder wallen, dass wir ihm wohl gefallen. 10 Denn wir müssen alle
offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, damit ein jeglicher empfange, je
nachdem er gehandelt hat bei Leibesleben, es sei gut oder böse.
Des Paulus Erwartung eines
verherrlichten Leibes (V. 1-5): In seinem Vergleich zwischen den Leiden der
gegenwärtigen Zeit und der zukünftigen Herrlichkeit, Kap. 4,17, hatte Paulus
die ersteren als leicht, unbedeutend im Vergleich zu den letzteren erklärt. Und
deshalb sieht er selbst mit dem Glauben der Hoffnung auf die Verwirklichung
dieser Herrlichkeiten an seinem eigenen Leib: Denn wir, die Christen, wissen,
dass, wenn unser irdisches Haus der Zeltwohnung aufgelöst wird, wir einen Bau
von Gott haben, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, ewig, in den Himmeln. Der
Apostel spricht von den Leibern der Christen als von fadenscheinigen und
unbeständigen Zelten, die die Seele für eine Zeit beherbergen, Jes. 38,12. Die
Zeit wird kommen, und zwar sehr bald, wenn dieses Zelt, dieser sterbliche Leib,
durch den physischen Tod zerstört wird. Aber er hat die feste Gewissheit, dass
an seine Stelle ein festes Gebäude treten wird, ein richtiges Haus, das nicht
durch die natürlichen Prozesse des körperlichen Wachstums aufgebaut wird,
sondern durch die direkte Gabe Gottes. Die neue Wohnung, in die er einzutreten
hofft, wird nicht grob und vorübergehend sein, sondern sie wird dauerhaft sein,
sie wird ewig dauern; und statt in dieser Welt mit ihren Illusionen und ihrer
Eitelkeit wird sie im Himmel sein, im Haus Christi und des Vaters, wo die
einzigen wahren und dauerhaften Freuden zu finden sein werden. Unser irdischer,
sterblicher Leib wird ins Grab gelegt werden, um eine Beute der Würmer zu
werden, aber der Leib, den wir aus Gottes Hand erhalten werden, der Leib der
Auferstehung, wird an der Unsterblichkeit Christi selbst teilhaben.
Dass dies der Sinn des Apostels ist, geht
aus den nächsten Aussagen klar hervor: Denn in der Tat seufzen wir in diesem
(Zelt) und sehnen uns aufrichtig danach, mit unserer Behausung, die vom Himmel
ist, bekleidet zu werden. Solange der Gläubige noch im Fleisch dieses Lebens
ist, seufzt und seufzt er voller Sehnsucht nach der Zeit, in der der himmlische
Leib, der ihn oben erwartet, gleichsam über das sterbliche Fleisch angezogen
wird, wie ein Gewand, das seine vergängliche Natur für immer verhüllt. Paulus
drückt hier denselben Gedanken aus wie in 1. Korinther 15, 52, wo er von einer
Verwandlung spricht, durch die unser jetziger, unedler Leib geistig und
unsterblich wird. Die Gläubigen werden am letzten Tag „das Kleid des Herrn
ihrer himmlischen Wohnung über den Mantel des Knechtes der irdischen Hütte
anziehen, so wie die menschliche Natur Christi im Schoß der Jungfrau Maria zur
Wohnung der ewigen Herrlichkeit wurde“.[18] Aber der Apostel fügt
eine Bedingung hinzu: Wenn es so ist, dass wir bekleidet und nicht nackt
gefunden werden. Während ihres ganzen Erdenlebens haben die Gläubigen Christus
und das Kleid seiner Gerechtigkeit durch das Wort und die Sakramente angezogen,
Gal. 3,27: Röm. 13,14. Ohne diese Bedeckung mit der Unschuld und Gerechtigkeit
Christi wird die Schande der Nacktheit des Menschen offenbar, Offb. 3,18, und
es wird kein Anziehen des Gewandes der himmlischen Herrlichkeit Christi geben.
Der Grund für unser Seufzen und Stöhnen
wird vom Apostel genannt: Denn wir, die wir im Zelt wohnen, seufzen, weil wir
belastet sind, nicht weil wir entkleidet werden wollen, sondern überkleidet,
damit das Sterbliche vom Leben verschlungen wird. Solange wir hier auf Erden
sind, ist der sterbliche Leib mit seinen vielen Schwächen und Gebrechen eine
Last für die Seele. Was Paulus aber seufzend wünschte, war nicht, von dieser
Last befreit zu werden, indem man ihm das schwere Kleid durch den physischen
Tod abnimmt, sondern dass sein sterblicher Leib, ohne durch den Tod zu gehen,
in dem himmlischen Leib aufgehen möge, von dem er wusste, dass er ihn
erwartete. Gott hatte ihm nicht offenbart, ob er sterben oder leben würde bis
zum großen Tag der endgültigen Offenbarung der Herrlichkeit Gottes. Er war auch
durchaus bereit, sich an Gottes Entscheidung in dieser Angelegenheit zu halten;
dennoch war es sein großer Wunsch, nicht durch den Tod zu gehen, sondern an der
wunderbaren Verwandlung des letzten Tages teilzuhaben, durch die sein
sterblicher Leib unmittelbar in den geistigen, himmlischen Leib verwandelt
werden würde. Auf diese Weise würde sein sterblicher Leib von dem Leben der
Ewigkeit verschlungen werden. Aber auf welche Weise auch immer er in den
Zustand der Unsterblichkeit im Himmel eintreten würde, eines war Paulus gewiss:
Derjenige, der uns vollendet hat, der uns für dasselbe vollkommen zugerüstet
hat, ist Gott, der uns den Ernst des Geistes gegeben hat. Die Gläubigen sind
für dieses Ziel vorbereitet, das ist der Zweck, für den Gott sie durch das
Werk, das er an ihnen vollbracht hat, bestimmt hat: Sie sollen zum ewigen Leben
bewahrt werden, sie sollen die Seligkeit des Himmels genießen. Für diese
Tatsache haben wir eine Garantie in Form des Heiligen Geistes, der uns in den
Gnadenmitteln gegeben wurde und diese Gewissheit in unseren Herzen bewirkt hat.
Er ist es, der uns unseres Erbes im Himmel gewiss macht und gewiss hält. So
sicher, wie der Geist in unseren Herzen nicht lügen kann, so sicher wird unsere
Sehnsucht nach dem ewigen Leben und nach der herrlichen Freiheit der Kinder
Gottes zu dem von Gott festgelegten Zeitpunkt gestillt werden.
Vertrauen, von Christus angenommen zu
werden (V. 6-10): Die Zuversicht der Gläubigen wird hier in aller
Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht: Da wir nun allezeit guten Mutes sind und
wissen, dass wir, während wir im Leibe wohnen, nicht in der Wohnung des Herrn
sind. Weil Paulus und alle Gläubigen den Ernst des Geistes haben, seine
tröstende Gegenwart in ihren Herzen durch das Wort zu allen Zeiten spüren, sind
sie immer zuversichtlich im Trost. Und das, obwohl sie wissen, dass sie zwar in
diesem Körper zu Hause sind, aber nicht in der wahren, bleibenden Heimat im
Herrn. In dieser Welt haben wir nur einen kurzen, vorübergehenden
Aufenthaltsort, den wir vorläufig Heimat nennen; aber es gibt eine Sehnsucht
nach der Heimat, ein Heimweh nach dem Himmel, das die Gläubigen immer
kennzeichnet. Dies wird auch durch den Nebensatz verdeutlicht: Denn durch den
Glauben wandeln wir, nicht durch den Schein. Der Glaube ist die Sphäre, in der
wir hier auf Erden unser Dasein haben, der Zustand, in dem wir uns allezeit befinden
müssen; wenn aber die Erfüllung kommt, werden wir sehen und schauen von
Angesicht zu Angesicht, was wir hier gehofft und geglaubt haben. Jetzt sind wir
abwesend vom Herrn, fern von zu Hause; dann werden wir zu Hause sein, wo unser
Bürgerrecht seit unserer Bekehrung ist, Phil. 3,20.
Aber
wie die Christen, die die Bürgschaft des Geistes besitzen, zu allen Zeiten das
Gefühl des Mutes und der Zuversicht in ihrem Herzen haben, so tritt dieses
Gefühl besonders und mit voller Kraft in den Vordergrund, wenn die Zeit der
Heimkehr kommt: Wir sind guten Mutes und freuen uns vielmehr, unsere leibliche
Heimat zu verlassen und bei dem Herrn zu Hause zu sein. Als Pilger und Fremde
leben wir in diesem fadenscheinigen Zelt unseres sterblichen Körpers und ziehen
von einem Ort zum anderen, da wir hier keine bleibende Stadt haben. Die
Aussicht auf den Tod ist daher weit davon entfernt, uns mit Furcht und
Schrecken zu erfüllen, sondern sollte vielmehr neue Hoffnung, Zuversicht und
Mut in unseren Herzen wecken, da wir wissen, dass er uns trotz seines schrecklichen
Aussehens nur die Türen zum Haus unseres Vaters öffnet. Deshalb freuen wir uns
vielmehr, weil wir wissen, dass der Herr uns als sein Eigentum annehmen wird
und dass seine Gnade, die uns schon hier mit den Kleidern des Heils bekleidet
hat, uns in jener herrlichen Heimat oben mit den Kleidern seiner Herrlichkeit
überziehen wird. Wir werden bei dem Herrn zu Hause sein, vor dessen Angesicht
die Freude in Fülle ist und zu dessen Rechten die Wonne in Ewigkeit ist, Ps.
16,11.
Aber mit einem solchen Ziel vor Augen hält
der Apostel sein Herz und seinen Geist auf die wahre Heimat oben gerichtet:
Darum wollen auch wir uns bemühen, dass wir ihm wohlgefällig sind, ob wir zu
Hause oder in der Fremde sind. Diese Gesinnung ist notwendig, wenn wir unsere
Hoffnungen und Bestrebungen verwirklichen wollen; sie bedeutet, dass wir mit
Furcht und Zittern an unserem eigenen Heil arbeiten, mit einem einzigen Herzen,
das sich nicht von seinem Ziel abbringen lässt. Denn ob der Herr uns bei seiner
Ankunft im Körper vorfindet, wo wir noch im Zelt dieses sterblichen Fleisches
leben, oder außerhalb des Körpers, wo der Tod die Seele von ihrer
zerbrechlichen Behausung getrennt hat, eines ist gewiss, nämlich, dass wir
jetzt danach streben, so zu leben, dass wir ihm gefallen. Und hier werden wir
durch den Gedanken an das Endgericht angetrieben: Denn wir müssen alle vor dem
Richterstuhl Christi offenbar werden, damit ein jeder das empfange, was er am
Leibe getan hat, nach dem, was er getan hat, es sei gut oder böse. Christus
kommt, um alle zu richten, die Lebenden und die Toten: Sie werden alle vor ihm
erscheinen müssen. Ihr Charakter, sogar ihre geheimen Gedanken, werden der
Welt, allen Menschen und auch ihnen selbst offenbart werden, so wie sie dem Richter
immer bekannt waren. Und wenn das Urteil gesprochen ist, wird jeder den Lohn
für seine Werke erhalten, die er im Körper getan hat, während er in dieser Welt
war. Man beachte, dass die Gerichtsgewalt, obwohl sie gewöhnlich dem Vater
zugeschrieben wird, gegen den sich alle Sünden richten, Ps. 61,13; Jer. 17,10,
hier wie in Joh. 5,22; Matth. 25,31-46 und anderswo
dem Sohn zugeschrieben wird, eine Tatsache, die seine Gottheit außer Frage
stellt. Das Gericht ist unausweichlich, und es wird in jeder Hinsicht äußerst
gerecht sein. Diejenigen, die ihren Unglauben durch schlechte und böse Taten bewiesen
haben, werden mit einer Strafe belohnt werden, die im Verhältnis zu ihren bösen
Taten steht. Diejenigen aber, die Gutes getan und damit den Glauben ihres
Herzens unter Beweis gestellt haben, werden durch den Richter einen Gnadenlohn
erhalten, der sie der himmlischen Herrlichkeit teilhaftig macht. So ist der
Gedanke an das künftige Gericht einer der Gründe, die einen Christen zu einem
Leben der Heiligung anspornen und anfeuern.
Paulus,
ein Botschafter Christi (5,11-21)
11 Dieweil wir denn wissen, dass der HERR zu fürchten ist, fahren wir
schön mit den Leuten; aber Gott sind wir offenbar. Ich hoffe aber, dass wir
auch in eurem Gewissen offenbar sind. 12 Dass wir uns nicht abermals loben,
sondern euch eine Ursache geben, zu rühmen von uns, damit ihr habt zu rühmen
gegen die, so sich nach dem Ansehen rühmen und nicht nach dem Herzen. 13 Denn
tun wir zu viel, so tun wir’s Gott; sind wir mäßig, so sind wir euch mäßig. 14
Denn die Liebe Christi dringt uns so, da wir halten, dass, wenn einer für alle
gestorben ist, dann sind sie alle gestorben. 15 Und er ist darum für sie alle
gestorben, damit die, so da leben, hinfort nicht sich selbst leben, sondern
dem, der für sie gestorben und auferstanden ist.
16 Darum von nun an kennen wir niemand nach dem Fleisch; und ob wir auch
Christus gekannt haben nach dem Fleisch, so kennen wir ihn doch jetzt nicht
mehr. 17 Darum, ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur. Das Alte
ist vergangen; siehe, es ist alles neu worden. 18 Aber das alles von Gott, der
uns mit ihm selber versöhnt hat durch Jesus Christus und das Amt gegeben, das
die Versöhnung predigt. 19 Denn Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit
ihm selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns
aufgerichtet das Wort von der Versöhnung. 20 So sind wir nun Botschafter an
Christi Statt; denn Gott ermahnet durch uns. So
bitten wir nun an Christi Statt: Lasst euch versöhnen mit Gott! 21 Denn er hat
den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, damit wir würden
in ihm die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt.
Die Liebe Christi ist sein vorherrschendes
Motiv (V. 11-15): Der Apostel wiederholt zunächst seine Behauptung über die
Aufrichtigkeit seiner Absichten in seinem Dienst: Da wir nun die Furcht des
Herrn kennen, überreden wir die Menschen. Dies ist keine sklavische Furcht,
sondern die wahre Ehrfurcht eines Dieners, der zugleich ein liebes Kind des
Herrn ist. Denn nicht die Furcht vor dem Zorn des Richters quält die Herzen
derer, die vor dem kommenden Zorn gerettet wurden, sondern das Gedenken an den
Richterstuhl weckt eine ehrfürchtige Ehrfurcht vor dem heiligen und herrlichen
Gott und veranlasst alle wahren Diener zu Wachsamkeit und Wachsamkeit in ihrem
Wirken. In diesem Sinne überzeugen sie die Menschen von ihrer Aufrichtigkeit,
wie Paulus es tat; sie beweisen ihnen ihre Gesinnung. Wir aber sind Gott
offenbart worden, sagt der Apostel: Gott kennt die Beweggründe, die ihn in
seinem Dienst leiten. Und er hofft und vertraut darauf, dass er auch im
Gewissen der korinthischen Christen offenbar geworden ist, die gewiss genügend
Gelegenheit hatten, die Beweise für seine Aufrichtigkeit einzuschätzen, unter
denen er so viele Beweise für den Geist, der in ihm lebte, gegeben hat.
Aber indem er sich auf diese Weise auf ihr
Zeugnis beruft, will der Apostel noch einmal deutlich machen, dass er nicht
seinen eigenen Ruhm sucht: Denn wir rühmen uns nicht wieder vor euch, sondern
wollen euch Anlass geben, euch unseretwegen zu rühmen. Paulus sorgte sich nicht
um seinen eigenen Ruhm und seine Ehre, denn das lag in den Händen des Herrn,
vor dem alles offenbart wurde. Er suchte nicht nach einer Empfehlung
ihrerseits, aber seine Erinnerung an die Tatsachen seines Dienstes könnte ihnen
durchaus als Hinweis dienen und ihnen Anlass geben, sich im Namen des Paulus zu
rühmen, damit sie einen Grund hätten, sich gegen diejenigen zu rühmen, die sich
nur äußerlich und nicht im Herzen rühmen. Paulus hat hier seine Gegner in
Korinth vor Augen, die sich ganz auf den äußeren Eindruck verließen, während
ihrem Herzen die einfache Aufrichtigkeit fehlte, die das Werk des Apostels
kennzeichnete. Diese Männer konnten sich besonderer Offenbarungen rühmen, oder
der Beredsamkeit, oder der Briefe des Lobes, oder der jüdischen Herkunft.
Paulus aber rühmte sich der Treue seines Wirkens als Gesandter Jesu Christi.
Diese Tatsache unterstreicht er jetzt noch
einmal: Denn ob wir außer uns sind, das ist für Gott; oder ob wir nüchtern
sind, das ist für euch. Der Eifer des Paulus für seinen Meister hat ihn
manchmal zu solchen Höhen der Begeisterung getrieben, dass manche ihn für
verrückt hielten, wie Festus es tat. Aber er
beteuert, dass er in solchen Stimmungen höchster Hingabe immer noch Gott dient,
dass die Glut seines Geistes nicht die Begeisterung eines Fanatikers ist.
Andererseits mögen ihn manche Leute für zu trocken und nüchtern im Umgang mit
ihm gehalten haben; sie vermissten die Wirkung einer bewussten Rhetorik. Aber
Paulus sagt, dass dieses Verhalten auch in ihrem Interesse lag, dass er auch in
dieser Hinsicht als wahrer Seelsorger handelte, dem das Wohl aller seiner
Gemeindemitglieder stets am Herzen liegt. Mit zu Gott erhobenem Herzen und doch
in wahrer Liebe mit dem Nächsten verbunden, verrichtete Paulus das Werk seiner
Berufung, missverstanden von vielen, denen das wahre geistliche Verständnis
fehlte, und doch glücklich in dem Bewusstsein, dass sein Werk von den wahren
Kindern des Herrn anerkannt wurde.
Das höchste Motiv des Apostels war jedoch
das der Liebe Christi: Denn die Liebe Christi treibt uns an, da wir zu dem
Schluss kommen, dass einer für alle gestorben ist, also sind alle gestorben.
Das war der Hauptgrund für die Aufrichtigkeit seines Dienstes, das Beispiel
seines Herrn und Erlösers. Diese Liebe Christi, die so reichlich bewiesen
wurde, so unaufhörlich aktiv war, drängte den Apostel dazu, alle Treue in
seinem Dienst zu nutzen, nichts als Opfer zu betrachten, wenn es in seinem
Dienst getan wurde. Und das Argument des Paulus aus der Liebe Christi in seiner
Anwendung auf die Arbeit des Amtes ist stark. Christus starb als Stellvertreter
für alle Menschen; deshalb starben in seinem Tod alle Menschen; sein Tod war
tatsächlich die Strafe für alle Sünder, die Sühne für ihre Schuld. Wenn dies
wahr ist, dann gilt auch der zweite Satz: Und für alle ist er gestorben, damit
die Lebenden nicht mehr sich selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben
und auferstanden ist. Der Zweck des Sühneopfers, das für alle Menschen bestimmt
ist, wird also nicht vollständig verwirklicht oder erfüllt, wenn der Mensch
nicht im Glauben und Gehorsam darauf reagiert. Alle Menschen, die das
Evangelium hören und erfahren, dass Christus an ihrer Stelle und für ihr Heil
gestorben ist, sollten dadurch angeregt werden, ihr Leben nicht irgendwelchen
selbstsüchtigen Bestrebungen zu widmen, sondern dem Dienst dessen, dessen Tod
und Auferstehung ihnen das ewige Leben gebracht hat. Dies ist der mächtigste
Appell, der einem Christen, der seinen Erlöser kennengelernt hat, gemacht
werden kann, und er sollte von allen mit freudiger Bereitschaft befolgt werden.
Es war das Motiv, das Paulus in seinem Werk anspornte, und es sollte als
Beispiel für alle Zeiten dienen.
Das Amt der Versöhnung (V. 16-21): Paulus hat sich so sehr auf den Geist des stellvertretenden Werkes Christi eingelassen, dass er dessen praktische Forderungen auf alle Lebensumstände anwenden will: Damit wir von nun an niemanden mehr nach dem Fleisch kennen. Weil er bei seiner Bekehrung die Überzeugung empfangen hat, dass die Gläubigen niemandem außer Christus leben sollen, und weil in seinem Dienst die Liebe Christi das einzige zwingende Motiv ist, lässt er daher keine fleischlichen Erwägungen sein Urteil und seinen Umgang mit anderen beeinflussen. Es macht für ihn keinen Unterschied, ob sein Nachbar oder ein anderer Mensch von edler Geburt ist, eine einflussreiche Position innehat, gesellschaftlich prominent ist, reich ist, eine beeindruckende Art hat, mit Menschen umzugehen - all diese Dinge haben keinen Einfluss auf ihn. Er hat absolut keine egoistischen Motive; er sucht nicht das Seine. „Jemanden nach dem Fleisch zu kennen, heißt, ihn nicht weiter zu kennen, als das Fleisch es vermag. Nun ist aber das Fleisch nicht imstande, mehr zu tun, als bei jedem das Seine zu suchen; es hasst, es ist eifersüchtig, es tut dem Feind übel, wo es nur kann; aber es sucht bei jedem das Begehren, das Wohlwollen, den Genuss, die Freundschaft zu seinem eigenen Nutzen.“[19] Diese fleischlichen Überlegungen hat Paulus hinter sich gelassen. Und noch mehr: Wenn wir auch Christus nach dem Fleisch gekannt haben, so kennen wir ihn doch jetzt nicht mehr so. Es gab eine Zeit, in der Paulus den verheißenen Messias auch auf diese fleischliche Weise betrachtet hatte, als er ihn nur als irdischen Fürsten und Befreier von der Herrschaft der Römer gesehen hatte. Aber jetzt hatte er eine bessere Kenntnis von Christus erlangt, sowohl von seiner Person als auch von seinem Amt. Der gekreuzigte Jesus war für ihn nicht mehr ein Ärgernis wie in den Tagen vor seiner Bekehrung, sondern er erkannte in ihm die Grundlage seines Heils.
Die Folge dieser Erkenntnis für ihn und alle Gläubigen ist: Wenn jemand in Christus ist, so ist er eine neue Kreatur. Das ist das Ergebnis der richtigen Sicht auf Christus: Jeder Mensch, alle Menschen, egal wie viele, die Christus durch den Glauben angenommen haben und somit in ihn hineingepflanzt wurden, sind neue Kreaturen, neue Schöpfungen Die Bekehrung ist eine neue Schöpfung, eine Wiedergeburt; bei der Bekehrung werden Herz und Verstand völlig verändert; bekehrte Menschen sind Gottes Werk, geschaffen in Christus Jesus, Eph. 2,10. Die Erkenntnis Christi durch den Glauben, so unvollkommen sie auch noch sein mag, bewirkt dieses Wunder: Das Alte ist vergangen, siehe, es ist neu geworden. Die alte fleischliche Gesinnung des alten Adam ist vergangen, auch wenn es noch notwendig ist, sie durch tägliche Reue und Buße zu entfernen. Und so ist jeder Christ ein Wunder in seinen eigenen Augen: die Schöpfung des neuen Menschen ist vollendet, und er gewinnt jeden Tag an Kraft und Stärke, Eph. 4,23.24. Das alles geschieht durch das Wort der Gnade und durch den Dienst des Evangeliums.
Aber die letzte Quelle der Segnungen ist der Herr selbst: Alles aber von Gott, der uns mit sich selbst versöhnt und uns den Dienst der Versöhnung gegeben hat. Gott ist der Schöpfer all der wunderbaren Dinge, die dem Menschen bei seiner Bekehrung zuteil werden. Durch einen zweifachen Akt bewirkt er die geistige Schöpfung im Herzen des Menschen. Erstens hat er die ganze Menschheit durch Christus mit sich selbst versöhnt. Es war Gott selbst, der die Erlösung, die Versöhnung der Menschheit durch das Opfer Christi geplant hat. Alle Menschen waren aus eigenem Verschulden seine Feinde und wollten nichts von ihm wissen. Da aber seine Gerechtigkeit und Heiligkeit sie zur ewigen Strafe hätte verurteilen müssen, fand er diesen Weg, um die Feindschaft zu beseitigen und die von ihm von Anfang an beabsichtigten freundschaftlichen Beziehungen herzustellen. Diese Versöhnung wurde von Christus für alle Menschen durch sein stellvertretendes Werk herbeigeführt; sie ist eine historische Tatsache. Und nun kommt der zweite Akt der Barmherzigkeit Gottes in Betracht, dass er nämlich dem Apostel und seinen Mitarbeitern, den Dienern des Evangeliums zu allen Zeiten, den Dienst der Versöhnung gegeben hat, dass er ihnen das Amt anvertraut hat, die Tatsache der Versöhnung aller Menschen zu verkünden, die Tatsache, dass Gott tatsächlich mit allen Menschen durch Christus versöhnt ist. Die Aufgabe des Evangeliumsdienstes ist also nur eine, nämlich die bestehende Versöhnung bekannt zu machen und damit die Menschen zum Glauben an Christus zu bewegen.
Der Apostel erklärt diese Aussage und gibt damit den Inhalt aller Evangeliumsverkündigung an: Dass Gott in Christus eine Welt mit sich versöhnt hat. Er beseitigte die Feindschaft, die den Menschen von seinem Schöpfer getrennt hatte. Und die tatsächliche, praktische Art und Weise, in der diese Versöhnung vollzogen wird, ist: Indem er ihnen ihre Sünden nicht zurechnet. Die Menschen machen sich ständig vor Gottes Angesicht schuldig, ihre Übertretungen sollten auf der Sollseite des Rechnungsbuches Gottes verzeichnet sein. Aber Gott rechnet den Menschen, die die Versöhnung annehmen, ihre Übertretungen nicht zu: Er trägt sie nicht unter ihrem eigenen Namen ein, sondern unter dem Namen Christi, und da die Versöhnung vollkommen ist, ist die Schuld getilgt. In die Hände der Apostel und aller Diener des Evangeliums hat Gott also das Wort der Versöhnung gelegt; er hat ihnen die Botschaft der Versöhnung anvertraut, das Wort, durch das er alle Menschen in das rechte Verhältnis zu ihm zurückrufen will.
Erfüllt von der Herrlichkeit dieser göttlichen Tatsachen sendet Paulus daher seine klingende Einladung aus: Im Namen Christi sind wir also Botschafter, als ob Gott durch uns flehen würde. Sie sind Stellvertreter Christi und bringen den Menschen das Wort, das Angebot der Versöhnung, die inständige Bitte Gottes, seine Barmherzigkeit und Gnade in Christus Jesus anzunehmen: Wir bitten euch im Namen Christi: Lasst euch mit Gott versöhnen! Was für eine seltsame Situation: Der heilige, gerechte Gott, der durch die zahllosen Sünden der Menschen aller Zeiten unzählige Male beleidigt worden ist, bittet um Versöhnung; der allmächtige, eifersüchtige Gott, der jede Sünde mit der Verdammnis der Hölle zu bestrafen vermag, bietet stattdessen die Fülle seiner Liebe und das ewige Leben und die Seligkeit an! Das ist sicherlich ein Geheimnis des Evangeliums, das jedes Verständnis übersteigt; das ist eine Botschaft, die den verstocktesten Sünder mit der unaussprechlichen Herrlichkeit der Liebe Gottes beeindrucken sollte.
Und damit niemand an der Tatsache der Versöhnung, an der Möglichkeit einer vollen und vollständigen Versöhnung unter solchen Bedingungen zweifelt, erklärt der Apostel das Wunder in einem Satz: Den, der keine Sünde kannte, hat er für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm die Gerechtigkeit Gottes werden können. Auf diese Weise wurde das Wunder der Versöhnung vollbracht. Gott selbst sandte seinen eigenen Sohn, der vollkommen sündlos und heilig war, dem jeder Widerspruch und Widerstand gegen den Willen Gottes völlig fremd war, der auch vor Gott rein und heilig war, und legte auf ihn die Schuld der ganzen Welt, Jes. 53,6, er hat ihn stellvertretend für uns zur Sünde gemacht. Die Übertretungen wurden auf Ihn gelegt, die Schuld wurde Ihm zugerechnet; Er war der Stellvertreter der Sünde der ganzen Welt, der größte Übeltäter, der je auf Erden gelebt hat, und das alles durch Sein stellvertretendes Werk. Und so vollkommen war die Sühne, so vollständig die Versöhnung, dass wir in Ihm wiederum zur Gerechtigkeit Gottes geworden sind. Um Christi willen werden wir nun als so heilig und vollkommen angesehen wie der Sohn Gottes selbst, ohne einen einzigen Fehler oder Makel, der uns verdammen könnte, ohne eine einzige Übertretung, die uns angelastet wird. Das ist, kurz gesagt, die wunderbare Zusammenfassung der Versöhnungsbotschaft, das ist das Evangelium, das die Diener des Herrn in der Fülle seiner Schönheit und Herrlichkeit verkünden sollen, das ist die Einladung, die sie ohne die geringste Einschränkung an alle Menschen richten sollen. Und wir wiederum sollten die herrliche Nachricht in dem Geist annehmen, in dem sie uns angeboten wurde, und unsererseits sicher sein, von nun an nicht für uns selbst zu leben, sondern für den, der für uns gestorben und auferstanden ist.
Zusammenfassung: Paulus bringt die Sehnsucht seines heimwehkranken Herzens nach der zukünftigen Herrlichkeit zum Ausdruck, nennt als Hauptmotiv seines Wirkens die Liebe Christi, die er erfahren hat, und spricht seine ernste Einladung aus, die Botschaft der Versöhnung anzunehmen.
Der Dienst des Paulus inmitten von Schwierigkeiten (6,1-10)
1 Wir ermahnen aber euch als Mithelfer, dass ihr nicht vergeblich die
Gnade Gottes empfangt. 2 Denn er spricht: Ich habe dich in der angenehmen Zeit
erhört und habe dir am Tag des Heils geholfen. Seht, jetzt ist die angenehme
Zeit, jetzt ist der Tag des Heils.
3 Lasst uns aber niemand irgendein Ärgernis geben, damit unser Amt nicht
verlästert werde; 4 sondern in allen Dingen lasst uns beweisen als die Diener
Gottes: in großer Geduld, in Trübsalen, in Nöten, in Ängsten, 5 in Schlägen, in
Gefängnissen, in Aufruhren, in Arbeit, in Wachen, in Fasten, 6 in Reinheit, in
Erkenntnis, in Langmut, in Freundlichkeit, in dem Heiligen Geist, in ungefärbter Liebe, 7 in
dem Wort der Wahrheit, in der Kraft Gottes, durch Waffen der Gerechtigkeit zur
Rechten und zur Linken; 8 durch Ehre und Schande, durch böse Gerüchte und gute
Gerüchte; als die Verführer und doch wahrhaftig; 9 als die Unbekannten und doch
bekannt; als die Sterbenden, und siehe, wir leben; als die Gezüchtigten und
doch nicht ertötet; 10 als die Traurigen, aber allezeit fröhlich; als die
Armen, aber die doch viele reich machen; als die nichts innehaben und doch
alles haben.
Mitarbeiter Gottes (V. 1-2): Paulus
hatte soeben eine zusammenfassende Beschreibung des ihm anvertrauten Dienstes
der Versöhnung gegeben und eine eindringliche Aufforderung ausgesprochen, die
Gnade Gottes anzunehmen. Jetzt macht er die Anwendung in einer Ermahnung zur
Heiligung: So bitten auch wir, die wir mit ihm zusammenarbeiten, euch nicht
vergeblich, die Gnade Gottes zu empfangen. Im Vollzug des Evangeliumsdienstes,
in der dringenden Aufforderung des Herrn, die vollbrachte Versöhnung
anzunehmen, sind Paulus und alle Diener des Evangeliums Helfer Gottes, die mit
ihm für das Heil der Seelen der Menschen arbeiten. „Darum ist Gott der wahre
Meister im Innern, im Herzen, der das beste Werk vollbringt; und wir helfen und
dienen ihm zu diesem Zweck äußerlich durch den Dienst der Verkündigung.“[20] Es ist also notwendig,
der Darlegung des Evangeliums eine Ermahnung hinzuzufügen, wie es der Apostel
hier tut, indem er die Korinther bittet und sie auffordert, die Botschaft von
der Gnade Gottes nicht ohne Nutzen zu hören. „Die Gnade Gottes vergeblich
anzunehmen, kann nichts anderes sein, als das reine Wort Gottes zu hören, in
dem die Gnade Gottes angeboten wird, und dennoch teilnahmslos zu bleiben und
sie nicht anzunehmen, sondern zu bleiben, wie man vorher war.“[21] Die Gnade Gottes wird
unabhängig vom Glauben und Gehorsam des Menschen angeboten, aber wenn sie von
den Hörern nicht angenommen wird, wird sie, statt ihnen zu nützen, ihre ewige
Verdammnis zur Folge haben, Kap. 2,16a. Wenn jemand Interesse an der Vergebung
der Sünden vortäuscht, aber seine Sünden nicht wirklich bereut; wenn er sich
auf den Erlöser zu berufen pflegt, aber selbst auf seine eigenen Verdienste
vertraut; wenn er Mitglied einer Gemeinde ist und die Mittel der Gnade benutzt,
aber nebenbei ein Leben führt, durch das die Barmherzigkeit Gottes in Ungnade
fällt, dann gehört er zu der Klasse derer, die die Warnung des Apostels trifft.
Um seiner evangelischen Ermahnung das
richtige Gewicht zu verleihen, untermauert Paulus sie mit einer Stelle aus dem
Alten Testament: „Zu einer guten Zeit habe ich dich erhört, und am Tag des
Heils habe ich dir geholfen“, Jes. 49,8. Dieses Wort des Propheten erfüllte
sich vor den Augen der Korinther, wie es auch heute der Fall ist, denn er
spricht von der Zeit des Neuen Testaments als der Zeit der Gnadenspendung. Was
Gott seinem großen Knecht, dem Messias, verheißen hat, das wird durch die Gnade
all denen gegeben, die Christus im wahren Glauben annehmen. Siehe, jetzt ist
die annehmbare Zeit; siehe, jetzt ist der Tag des Heils; das ist die Erklärung
und der Kommentar des Paulus. Seit Christus im Fleisch erschienen ist, ist die
günstige Zeit gekommen, die Zeit seines Wohlgefallens, die Zeit seines guten
Willens zu den Menschen, in der er seine Barmherzigkeit, Macht und Herrlichkeit
offenbaren will. Die gegenwärtige christliche Dispensation ist der Tag des
Heils, an dem Gott allen Sündern, die seinen Ruf hören wollen, seine gnädige
Hilfe frei gewährt. Die Wiederholung des Wortes „siehe“ unterstreicht, dass die
gegenwärtige Zeit diejenige ist, in der Gott seine Gnade und Barmherzigkeit so
sehr annimmt und austeilt. Jetzt haben sie freien Zugang zur Erlösung Christi,
Hebr. 4,16; Röm. 5,2. Jetzt, heute, sollen sie sich entscheiden und an seiner
Gnadengabe teilhaben, die ihnen gereichte Hand der Versöhnung annehmen. Merke:
Wenn die Zeit der Gnade vernachlässigt wird, wenn ihre Einladung ignoriert
wird, kann sie bald für immer vorbei sein, um von einer Zeit des Zorns und der
Verdammnis gefolgt zu werden. „Da Gott uns nun seine Barmherzigkeit in so
reichem Maße geschenkt hat, ... ist es wahrlich notwendig, dass wir die Gnade
Gottes nicht zunichte machen und ihn vergeblich
anklopfen lassen. Er steht vor der Tür: gut für uns, wenn wir ihm öffnen. Er
grüßt uns: Wohl dem, der antwortet. Wenn wir sein Vorübergehen übersehen, wer
wird ihn zurückbringen?“[22]
Das Beispiel des Paulus inmitten von
Schwierigkeiten (V. 3-10): Paulus führt hier sein eigenes Beispiel an,
teils zur Rechtfertigung seines eigenen Verhaltens, teils in der Absicht, zur
Nachahmung anzuregen. Er verhält sich so, dass er niemandem Anlass zum
Straucheln gibt, denn jede bewusste Handlung dieser Art hätte sich auf das
Evangelium ausgewirkt. Er konnte ja die Selbstgerechten und Eingebildeten nicht
daran hindern, am Wort vom Kreuz Anstoß zu nehmen und sowohl das Amt als auch
seine Diener zu lästern, 1. Kor. 4,12.13. Aber er hat die unermüdlichste
Wachsamkeit in Lehre und Leben an den Tag gelegt, damit nicht jemand einen
Grund findet, ihn zu tadeln; er hat auf sich selbst am gewissenhaftesten
geachtet, damit nicht jemand seinetwegen stolpert und fällt.
Der Apostel spricht nun ausführlich über
die besonderen Merkmale seines apostolischen Amtes: In allen Dingen aber, die
uns als Gottes Diener empfehlen, handelte er so gewissenhaft in allen Dingen,
die sein Amt und sein ganzes Leben betrafen, dass er sich nicht zu sehr rühmte,
sich zu bewähren. Er und seine Mitarbeiter waren Beispiele für alles, was in
ihrem Amt und in ihrem täglichen Verhalten gut war. Wie es sich für die Diener
Gottes gehörte, war ihr ganzes Leben ein Zeugnis für das Amt, mit dem sie betraut
worden waren. Das galt vor allem für das Ertragen äußerer Mühen. Sie
verrichteten ihre Arbeit in großer Geduld, in entschlossener Ausdauer, in
unerschütterlicher Gelassenheit, da dies notwendig war, um die besonderen
Schwierigkeiten, denen sie begegnen mussten, zu ertragen und zu überwinden. Sie
arbeiteten in Bedrängnissen, die durch den Hass ihrer Feinde hervorgerufen
wurden; in Bedrängnissen, in verschiedenen Schwierigkeiten, die das Los der
Verfolgten sind; in Schwierigkeiten, aus denen es kein Entrinnen zu geben
schien und die sie ratlos zurückließen, wie sie vorgehen sollten. Den Feinden
des Evangeliums gelang es auch, ihre Feindschaft an der Person des Paulus
festzumachen, durch Schläge, wenn er geschlagen wurde, Apg. 22,24; durch
Verhaftungen, Apg. 16,24; durch Tumulte, wenn das Volk nicht auf das Urteil der
Obrigkeit wartete, sondern den Pöbel zu einer Demonstration gegen die Person
und das Werk der christlichen Lehrer aufstachelte, Apg. 13,50; 14,5.19; 16,22;
17,5; 18,12. Er war auch geplagt von harter Arbeit, sowohl in der Verkündigung
des Evangeliums als auch im Unterhalt, was seinen Körper ermüdete und seine
Kräfte erschöpfte, 1. Kor. 15,10; Apg. 20,26; von Wachen, wobei ihm so manche
schlaflose Nacht angerechnet wurde, da er Tag und Nacht tätig war, Apg. 20,7.31,
für die ihm anvertrauten Seelen; im Fasten, das er freiwillig auf sich nahm,
teils als eine schöne äußere Übung, Apg. 14,23, teils, um seinen Körper in
Unterordnung zu halten, 1. Kor. 9,27, teils auch, um seinen Körper zu stärken,
damit er die Strapazen aushalten könne, Kap. 11,27. Welch ein Beispiel für alle
Amtsträger aller Zeiten! Und wie ernsthaft tadelt dieser Bericht die
Oberflächlichkeit und Äußerlichkeit vieler moderner Christen!
Als Nächstes zeigt der Apostel sein
Verhalten als wahrer Diener Christi in den inneren Gaben und Eigenschaften: in
der Lauterkeit des Gemüts und des Lebens, in der sittlichen Reinheit, die sich
von jeder Verunreinigung des Fleisches und des Geistes reinigt; in der
Erkenntnis, die im Wesentlichen das rechte Verständnis des guten,
wohlgefälligen und vollkommenen Willens Gottes ist, die Fähigkeit, sich im
Lichte des Wortes Gottes ein richtiges Urteil über die verschiedenen Zustände
und Umstände der Menschen zu bilden; in der Langmut, die für einen Missionar
von besonderem Wert ist, da sie ihn befähigt, die Schwächen der Unwissenden zu
ertragen und seinen gerechten Zorn über Beleidigungen zurückzuhalten; in der
Güte, nach der der Apostel seine gütige Sanftmut zeigte, indem er das Wohl
seines Nächsten, ob Freund oder Feind, suchte und förderte. Alle diese
Eigenschaften sind keine natürlichen Fähigkeiten des Apostels, sondern sie sind
Gaben des Heiligen Geistes, der auch die ungeheuchelte Liebe wirkt, die wahre,
echte Liebe, die nichts von Heuchelei und Verstellung kennt, 1. Kor 13; Kol
3,12. Und als Besitzer dieser Gaben und Eigenschaften tut Paulus sein Werk im
Wort der Wahrheit, in seiner Tätigkeit als Bote des Herrn, denn er predigte nur
die reine, unverfälschte, göttliche Lehre, Kap. 4,2; in der Kraft Gottes, die
ihn befähigt, das Werk seines Dienstes zu tun, die ihn veranlasst, alle eigene
Vernunft und Fähigkeit unter den Gehorsam Christi gefangen zu nehmen, Kap.
10,5; Röm. 1,16.
Ein weiteres Merkmal des Wirkens des
Apostels war, dass er sich als Diener Gottes mit den Waffen der Gerechtigkeit
zur Rechten und zur Linken empfahl, indem er den Kampf des Herrn nicht mit
fleischlichen Mitteln führte, sondern mit den Mitteln, die der Gerechtigkeit
der Sache des Herrn angemessen sind, und sie sowohl zum Angriff als auch zur
Verteidigung einsetzte. Dabei war er unerschrocken, gleichviel, ob der Weg
seines Dienstes durch Ehre oder Unehre, durch böse oder gute Berichte führte;
war er verleumderischen, böswilligen Zungen ausgesetzt, so nahm er es in dem
Geiste an, der seinen Herrn kennzeichnete, als ein Zeugnis dafür, dass er sein
Werk als ein Diener Gottes und nicht der Menschen tat, Gal. 1,10; Joh. 15,18.
So bewies Paulus, dass sein Charakter dem,
was seine Feinde ihm nachsagten, diametral entgegengesetzt war. Er wurde als
Betrüger verleumdet, so wie es sein Meister vor ihm war. Joh. 7,12, als jemand,
der versuchte, das Volk durch falsche Lehren zu betrügen, indem er neue Götter
lehrte, Apostelgeschichte 17, 18; und doch war er wahrhaftig, sowohl in den
Augen Gottes als auch in denen der Menschen, die durch das Wort der Wahrheit
gewonnen wurden. Er war unbekannt, wurde verkannt, missverstanden, als eine undurchsichtige
Person ohne richtige Zeugnisse dargestellt, als Lehrer einer Sekte, die überall
verpönt war, Apg. 28,22; 24,14; und doch war er bekannt vor dem, der seinen
Namen in den Himmel eingeschrieben hatte, Luk. 12,20, und auch bei denen, die
die Kraft des Evangeliums in ihren Herzen gespürt hatten, Gal. 4,15. Er lag im
Sterben, war von allen Seiten von Feinden umgeben, die ihm nach dem Leben
trachteten, und wurde oft für tot erklärt, und er selbst gab oft jede Hoffnung
auf Leben auf, Apg. 27,21; 2. Kor 1,8: und doch, siehe, durch ein Wunder Gottes
lebte er, er hatte bis jetzt über den Tod triumphiert. Er verrichtete sein Werk
als Gezüchtigter, geplagt von den Folgen der Sünde an seinem Leibe, wie ihn
seine Widersacher sicher verspotteten, 2. Kor. 12,7, und doch tötete ihn die
Züchtigung des Herrn nicht, Ps. 118,18, sie hatte vielmehr die Absicht, ihn in
Leben und Werk zu läutern, um ihn wertvoller zu machen für das Amt, das ihm
anvertraut war. Traurig war er in der Tat; denn die Feindschaft der Menschen,
die bösen Berichte, die Bedrängnisse und Verwirrungen, die Züchtigungen des
Herrn machten ihm Kummer nach dem Fleisch; und doch freute er sich immer, denn
alle Schwierigkeiten dieses Lebens konnten ihm die Freude am Herrn und die
selige Hoffnung auf Erlösung nicht rauben, Phil. 4,4. Arm war er an den Gütern dieser
Welt, ein Bettler, was das Geld dieses Lebens anging, aber er machte viele
reich, über die Träume des Geizes hinaus, an geistlichen Segnungen, an den
Schätzen des Himmels. Ja, er war einer von denen, die nichts hatten, was in den
Augen dieser Welt gezählt wird, weder Reichtum noch gesellschaftliche Stellung;
und doch besaß er alles, 1. Kor. 3,22, und hatte den Reichtum der Gnade Gottes
in Christus Jesus als einen Schatz, den ihm niemand nehmen konnte. Anmerkung:
Was Paulus hier von sich selbst und seinen Amtsbrüdern sagt, gilt für alle
Boten des Evangeliums zu allen Zeiten und in gewissem Maße auch für alle wahren
Gläubigen. Sie sollen daher durch die Gefahren und Verfolgungen, durch die
Prüfungen und Bedrängnisse der Welt hindurchgehen und dabei ihre Augen auf die
himmlische Herrlichkeit richten, die ihnen als Lohn der Barmherzigkeit in ihrem
Erlöser Jesus Christus verheißen ist.[23] Es lohnt sich, auch in
diesem Abschnitt zu bemerken, wie die Begeisterung des Apostels ihn auf einer
Welle der Beredsamkeit vorwärts trägt: „Wenn Paulus‘ Herz vor Leidenschaft
brannte, wie im zweiten Korintherbrief, häufte er Partizipien auf wie
Felsbrocken an einem Berghang, eine Art Vulkanausbruch.... Aber es gibt immer
einen Weg durch diese Partizipien. Paulus wollte sich nicht in einem Netz
bloßer grammatikalischer Feinheiten verfangen. Wenn nötig, brach er die Regel
und ging weiter. Aber Moulton hat Recht, wenn er sagt, dass dies alles ‚mehr
eine Frage des Stils als der Grammatik‘ ist. Es ist Rhetorik.“[24]
Ermahnung,
die Gemeinschaft mit den Ungläubigen zu fliehen (6,11-18)
11 O ihr Korinther, unser Mund hat sich zu euch aufgetan; unser Herz ist
getrost. 12 Unserthalben dürft ihr euch nicht ängstigen. Dass ihr euch aber
ängstigt, das tut ihr aus herzlicher Meinung. 13 Ich rede mit euch als mit
meinen Kindern, dass ihr euch auch so gegen mich stellt und seit auch getrost.
14 Zieht nicht am fremden Joch mit den Ungläubigen! Denn was hat die
Gerechtigkeit für Teilhabe an der Ungerechtigkeit? Was hat das Licht für
Gemeinschaft mit der Finsternis? 15 Wie stimmt Christus mit Belial? Oder was
für ein Teil hat der Gläubige mit dem Ungläubigen? 16 Was hat der Tempel Gottes
für einen Zusammenhang mit den Götzen? Ihr aber seid
der Tempel des lebendigen Gottes, wie denn Gott spricht: Ich will in ihnen
wohnen und in ihnen wandeln und will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk
sein. 17 Darum geht aus von ihnen und sondert euch ab, spricht der HERR, und
rührt kein Unreines an, so will ich euch annehmen 18 und euer Vater sein, und
ihr sollt meine Söhne und Töchter sein, spricht der allmächtige HERR.
Der Enthusiasmus des inspirierten Schreibers hat ihn zu einer wunderbaren Höhe der Beredsamkeit geführt, wenn er die wahre Treue im Dienst des Evangeliums schildert. Bevor der Apostel den Appell von V. 1 auf die verschiedenen Lebensbereiche anwendet, gibt er hier etwas von der Zuneigung preis, die er vor ihnen nicht verbergen kann: Unser Mund ist offen für euch, ihr Korinther, unser Herz ist weit. Er fühlt sich genötigt, offen und ohne Vorbehalt zu ihnen zu sprechen; denn es ist seine Liebe, die ihn veranlasst, so offen und freimütig zu sprechen, die es nicht duldet, dass er schweigt, sondern die ihn drängt, ihnen gegenüber so viel Vertrauen zu zeigen. Ein ähnlicher Gedanke ist in dem Gedanken an die Erweiterung seines Herzens für sie enthalten, denn der Ausdruck zeigt die Ausweitung seiner Sympathie für sie an. Indem er so offen zu ihnen sprach, war sich Paulus wirklich der Tiefe und des Umfangs seiner Zuneigung zu ihnen bewusst geworden.
Aus dieser Tatsache ergibt sich der andere Gedanke: Ihr seid nicht beengt in uns, sondern ihr seid in eurer eigenen Zuneigung beengt; ihr habt keinen geringen Raum in uns, aber ihr habt sehr wenig Raum für uns in euch selbst. Das Herz des Apostels war weit in seiner Liebe zu ihnen, es weitete sich in seiner Sympathie und Liebe zu ihnen aus und umfasste sie alle, aber sie ihrerseits empfanden nicht die gleiche Liebe und Sympathie für den Apostel. Er war kein Mann mit beschränkten Sympathien, wie seine Gegner vielleicht meinten, aber der Mangel an Sympathie war ganz auf ihrer Seite. Und doch hatte er ein Recht darauf, dies zu erwarten: Aber als eine Vergeltung, eine Belohnung, der gleichen Art (ich spreche von meinen Kindern) sei auch ihr vergrößert. Weil die Kinder verpflichtet sind, die Liebe des Vaters zu erwidern, weil sie sich verpflichtet fühlen sollten, das gleiche Maß an Liebe zurückzugeben, das sie erhalten haben, fordert er sie auf, ein größeres Herz zu haben und ihm gegenüber eine größere Zuneigung zu zeigen. Das hat er erwartet.
Dass sich seine Ermahnung nur auf ihn selbst und sein Werk bezieht und nicht auf die unangemessene Toleranz, die die Anbetung falscher Götter zulassen würde, zeigt der Apostel nun in einem Abschnitt voller Brillanz auf: Seid nicht uneins mit den Ungläubigen. Das ist die These, das Thema des ganzen Abschnitts. Wenn sie sich mit Ungläubigen zusammentun sollten, wäre es ein ungleiches Zusammenjochen. Der Apostel denkt an die Vorschrift des jüdischen Zeremonialgesetzes, nach der das Zusammenjochen von reinen und unreinen Tieren verboten war, 5. Mose 22,10. Wenn die Gläubigen, die Glieder der christlichen Gemeinde, sich in irgendeiner Weise mit den Heiden in ihrer Götzenverehrung verbinden sollten, wenn sie sich mit ihnen in einer Weise zusammentun sollten, die den wesentlichen Unterschied zwischen Christen und Heiden verwischt, dann wäre diese Verbindung absurd und böse, mit der Gefahr verbunden, zur Verleugnung zu führen, und sollte deshalb von den Christen nicht praktiziert werden.
Der Apostel unterstreicht seinen Gedanken, indem er die Unvereinbarkeit von Christentum und Heidentum in fünf Gegensätzen illustriert. Er fragt: Denn was für eine Gemeinschaft, was für eine Gemeinschaft haben Gerechtigkeit und Gesetzlosigkeit? Was haben sie gemeinsam? Auf der einen Seite gibt es die aktive Bereitschaft, nach dem göttlichen Willen zu leben; auf der anderen Seite gibt es keine Erkenntnis des göttlichen, heiligenden Willens und daher nichts als Ungerechtigkeit. Es ist also offensichtlich, dass es keine Teilhabe zwischen beiden geben kann; sie sind Gegensätze. Oder welche Gemeinschaft hat das Licht mit der Finsternis? Auf der einen Seite ist das Licht und das Heil mit Gott, auf der anderen Seite ist die Finsternis und das Verderben mit Satan; die beiden können sich niemals vereinen, ohne ihre Substanz zu zerstören.
Eine dritte Frage, die den Sohn Gottes dem Widersacher seiner selbst und der ganzen Menschheit gegenüberstellt: Was ist aber die Übereinstimmung Christi mit Belial? Wie kann es jemals eine Übereinstimmung geben zwischen Christus, dem Meister des Rechten und Guten, der für das Heil des Menschen bestimmt ist, und dem größten Widersacher Christi? Die Personifizierung der Gerechtigkeit und der Vollkommenheit gegen die Personifizierung der Ungerechtigkeit und der Gesetzlosigkeit - dieser Abgrund kann niemals überbrückt werden. Die letzten beiden Fragen betreffen den Gegensatz zwischen denen, die gerettet werden, und denen, die vernichtet werden: Welchen Anteil hat der Gläubige an dem Ungläubigen? Welches ist aber die Übereinstimmung des Tempels Gottes mit den Götzen? Der Christ, der an Christus glaubt, kann keinen Anteil an den Heiden haben, die keinen Glauben haben. Ihr Charakter, ihr Besitz, ihre Interessen unterscheiden sich so sehr, dass eine Verbindung der beiden gegensätzlichen Parteien nicht vorstellbar ist. Und ebenso absurd ist die Vorstellung, dass der Tempel Gottes irgendetwas mit den Götzen gemeinsam haben sollte. Man könnte ebenso gut daran denken, im Heiligtum Gottes Götzen aufzustellen, wie diejenigen, die dem Herrn geweiht sind, mit den Heiden in irgendeinem Teil ihrer falschen Anbetung zu vereinen.
Um den gesamten Abschnitt zu unterstreichen, erläutert der Apostel seinen letzten Vergleich: Denn wir sind der Tempel eines lebendigen Gottes. Ein Einverständnis mit der Anbetung toter und machtloser Götzen, egal in welcher Form, kommt daher nicht in Frage. Und dass Paulus Recht hat, wenn er den Leib der wahren Gläubigen als Tempel Gottes darstellt, beweist er mit einer Stelle aus dem Alten Testament, die er in freier Übersetzung zitiert: Ich will in ihnen wohnen und in ihnen wandeln, und ich will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein, 3. Mose 26,11.12. Die Gläubigen sind eine Behausung Gottes durch den Geist, Eph. 2,22. Gott selbst, die dreieinige Gottheit, hat seine Wohnung in ihnen gemacht, Joh. 14,23. Vgl. Hes. 37,26-28; Hos. 2,23; Jer. 24,7. Gott lebt mitten in seiner Gemeinde im Wort und in den Sakramenten; sein Wort ist in ihnen durch den Dienst des Wortes wirksam, um den Glauben und ein heiliges Leben zu bewirken. Die Gläubigen denken nicht an einen anderen Gott und haben kein Interesse an einem anderen Gott als dem, der in ihnen wohnt, und der, der sie zu seinem Volk gemacht hat, will auch weiterhin ihr Gott sein.
Aus dieser Beziehung aber folgt, was Paulus in Form eines zwingenden Gebots des Herrn hinzufügt: Darum geht hinaus aus ihrer Mitte und sondert euch ab, spricht der Herr, und rührt nichts Unreines an. Paulus verschmilzt hier, wie Luther sagt, viele Verse zu einem Haufen und wirft einen solchen Text daraus, der den Sinn der ganzen Heiligen Schrift wiedergibt. Der Gedanke ist der von Jes. 52,11.12, wo die Befreiung der Israeliten aus Babylon als eine Erlösung dargestellt wird. Die bloße Berührung des Unreinen macht den Gläubigen zu einem Teilhaber an der fremden Unreinheit und zu einem Verleugner des Herrn. „Die Ermahnung hier ist, dass sie sich auf die entschiedenste Weise von der ganzen Sphäre des heidnischen weltlichen Lebens lösen, sich im Geiste von ihren heidnischen Nachbarn trennen, alle heidnischen Praktiken meiden sollen, die die Gott geweihten Menschen verunreinigen könnten, und sich besonders aller götzendienerischen Feste enthalten sollen.“[25]
Das Ergebnis dieser kompromisslosen Haltung der Gläubigen wird schließlich auch in einer Kombination von Schriftstellen aus dem Alten Testament dargelegt: Und ich will euch aufnehmen, und ich will euch ein Vater sein, und ihr sollt mir Söhne und Töchter sein, spricht der Herr, der Allmächtige. Vgl. 2. Mose 4,22; Jer. 31,9; Hos. 1,10; Jes. 43,6. Die Verheißung Gottes, die in allen Teilen seines heiligen Wortes enthalten ist, besteht nicht nur darin, dass seine Gnade die Gläubigen zu einer ihm geweihten Gemeinde machen wird, sondern er verheißt ihnen auch die Stellung von Söhnen und Töchtern, zusammen mit dem Erbe des Himmels, Gal. 4,4.5. Und es kann kein Zweifel daran bestehen, dass er seine Verheißung, uns in seinen Haushalt aufzunehmen und uns alle Segnungen wahrer Kinder zu geben, erfüllen kann, denn er ist der Herr, der allmächtige Lenker aller Dinge, 2. Sam. 7,8. Anmerkung: Die Art und Weise, in der der Apostel das Alte Testament zitiert, steht ganz im Einklang mit seinem eigenen inspirierten Charakter. „Die abschließenden Verse dieses Kapitels sind ein lehrreiches Beispiel für die Art und Weise, in der die neutestamentlichen Autoren das Alte Testament zitieren. 1. Sie zitieren oft eine Übersetzung, die sich nicht streng an das Original hält. 2. Sie zitieren oft nach dem Sinn und nicht nach dem Buchstaben. 3. Sie vermischen oft verschiedene Stellen der Schrift, so dass sie nicht den Sinn einer einzelnen Stelle, sondern den kombinierten Sinn von mehreren Stellen wiedergeben. 4. Sie geben manchmal nicht den Sinn einer bestimmten Stelle oder mehrerer Stellen, sondern sozusagen den allgemeinen Sinn der Schrift an. Im Alten Testament gibt es zum Beispiel keine solche Stelle, wie sie in diesem letzten Vers enthalten ist, aber der Sinn wird oft und deutlich ausgedrückt. 5. Sie zitieren als Autorität nie etwas anderes als die kanonischen Bücher des Alten Testaments.“ (Hodge.) Beachte auch: Die Sprache des Paulus in diesem gesamten Abschnitt ist so majestätisch gehalten und zeigt gleichzeitig seine Beherrschung der griechischen Sprache in so klarer Weise, dass sie zu Recht als eine der schönsten in allen seinen Briefen angesehen wird. Und schließlich: Diese Passage wird im Falle einer falschen Vereinigung mit sektiererischen Kirchen richtig angewendet. Denn insofern eine Gemeinde das Unreine in Form einer falschen Lehre oder einer bibelwidrigen Praxis in ihrer Mitte hat, insofern ist sie verunreinigt und kann verunreinigend werden. Wenn es für Gläubige schon eine Verunreinigung ist, mit Ungläubigen in Dingen vereint zu sein, die die götzendienerischen Ideen der letzteren fördern, so ist der Unionismus der heutigen Zeit noch viel mehr zu verurteilen, der die Unterschiede im Glaubensbekenntnis und in der Praxis mit dem fadenscheinigen Vorwand ignoriert, die Kirche müsse eine Macht in der Welt sein. Nur wenn die Kirche sowohl die Lehre als auch das Leben in größtmöglicher, ja absoluter Reinheit bewahrt, wird sie ihren Auftrag, Salz in der Welt zu sein, erfüllen können. Wenn aber das Salz seinen Geschmack verloren hat, womit soll es dann gesalzen werden? Mark. 9,50.
Zusammenfassung: Paulus zeigt, dass er und seine Amtsbrüder inmitten aller Schwierigkeiten, die sie bedrängen, die Arbeit ihres Amtes tun; er appelliert an die Gläubigen, jede Gemeinschaft mit den Ungläubigen und ihren Praktiken zu vermeiden.
Des Paulus Trost und Freude wegen der Korinther (7,1-16)
1 Dieweil wir nun solche Verheißung haben, meine Liebsten, so lasst uns
von aller Befleckung des Fleisches und des Geistes uns reinigen und fortfahren
mit der Heiligung in der Furcht Gottes. 2 Gebt uns Raum [in euren Herzen]! Wir
haben niemand Unrecht getan; wir haben niemand Schaden getan; wir haben niemand
betrogen. 3 Nicht sage ich solches, euch zu verdammen; denn ich habe droben
zuvor gesagt, dass ihr in unserm Herzen seid, mitzusterben
und mitzuleben. 4 Ich rede mit großer Freudigkeit zu
euch; ich rühme viel von euch; ich bin erfüllt mit Trost; ich bin überschwänglich
in Freuden in aller unserer Trübsal.
5 Denn da wir nach Mazedonien kamen, hatte unser Fleisch keine Ruhe,
sondern allenthalben waren wir in Trübsal: auswendig Streit, inwendig Furcht. 6
Aber Gott, der die Geringen tröstet, der tröstete uns durch die Ankunft des
Titus. 7 Nicht allein aber durch seine Ankunft, sondern auch durch den Trost,
damit er getröstet war an euch, und verkündigte uns euer Verlangen, euer
Weinen, euren Eifer um mich, so dass ich mich noch mehr freute. 8 Denn dass ich
euch durch den Brief habe traurig gemacht, reut mich nicht. Und ob’s mich
reute, so ich aber sehe, dass der Brief vielleicht eine Weile euch betrübt hat,
9 so freue ich mich doch nun, nicht darüber, dass ihr seid betrübt geworden,
sondern dass ihr seid betrübt worden zur Reue. Denn ihr seid göttlich betrübt
worden, dass ihr von uns ja keinen Schaden irgend worin nehmt. 10 Denn die
göttliche Traurigkeit wirkt zur Seligkeit eine Reue, die niemand gereut; die
Traurigkeit aber der Welt wirkt den Tod. 11 Siehe, dasselbe, dass ihr göttlich
seid betrübt worden, welchen Fleiß hat es in euch gewirkt, dazu Verantwortung,
Zorn, Furcht, Verlangen, Eifer, Rache! Ihr habt euch bewiesen in allen Stücken,
dass ihr rein seid an der Tat. 12 Darum, ob ich euch geschrieben habe, so ist’s
doch nicht geschehen um deswillen, der beleidigt hat, auch nicht um deswillen,
der beleidigt ist, sondern um deswillen, dass euer Fleiß gegen uns offenbar
würde bei euch vor Gott.
13 Deshalb sind wir getröstet worden, dass ihr getröstet seid. Überschwänglicher
aber haben wir uns noch mehr gefreut über die Freude des Titus; denn sein Geist
ist erquickt an euch allen. 14 Denn was ich vor ihm von euch gerühmt habe, bin
ich nicht zuschanden geworden; sondern gleichwie alles wahr ist, was ich mit
euch geredet habe, so ist auch unser Rühmen vor Titus wahr geworden. 15 Und er
ist überaus herzlich wohl an euch, wenn er denkt an euer aller Gehorsam, wie
ihr ihn mit Furcht und Zittern habt aufgenommen. 16 Ich freue mich, dass ich in
allem euch vertrauen darf.
Ein offener und dringender Aufruf zur Heiligung (V. 1-4): Der erste Vers schließt den Appell von Kapitel 6 ab, die Gnade Gottes nicht vergeblich zu empfangen. Und um seine Bitte besonders eindrucksvoll und überzeugend zu machen, schließt der Apostel sich selbst in die Ermahnung ein: Da wir nun diese Verheißungen haben, Geliebte, lasst uns uns reinigen von aller Befleckung des Fleisches und des Geistes und die Heiligkeit vollenden in der Furcht Gottes. Große, erhabene Verheißungen waren es, an die der Apostel sie erinnert hatte, vor allem an die Tatsache, dass sie der Tempel des lebendigen Gottes sind. Dieses große Vorrecht verpflichtete sie natürlich, wie alle Christen, nämlich alle Verunreinigungen abzulegen, die aus allen bösen Verbindungen mit Ungläubigen und Heiden aller Art entstehen. Eine solche Gemeinschaft verunreinigt die absolute Reinheit der persönlichen Gemeinschaft des Gläubigen mit Gott; sie verunreinigt nicht nur den Geist, sondern auch den Körper; sie ist unvereinbar mit dem richtigen Empfang der Gnade Gottes, wie sie im Evangelium angeboten wird. Jeder Christ muss vielmehr die Notwendigkeit spüren, Tag für Tag in der richtigen Furcht und Ehrfurcht vor Gott zu wachsen und so in der Heiligkeit vollkommener zu werden. Das sollte der Geisteszustand, die Gesinnung aller Gläubigen sein, dass sie danach streben, vor Gott zu wandeln und vollkommen zu sein, 1. Mose 17,1. Die Weihe an Gott, die durch den Glauben in der Taufe begonnen wurde, muss während des ganzen Lebens verwirklicht, entwickelt und vervollkommnet werden, und zwar immer mit dem Gefühl der Nähe, der Gegenwart Gottes, vor dem nichts verborgen ist.
Mit diesem Gedanken, der sie zur Nachahmung auffordert, wiederholt Paulus nun seinen Appell aus Kap. 6,13: Nehmt uns auf, d.h. macht uns Platz in euren Herzen; die frühere unangenehme Enge der Sympathie soll der Vergangenheit angehören. Er ist bestrebt, ihre Liebe zu besitzen, er ist besorgt über die Tatsache, dass sie durch seinen Brief betrübt waren, er ist erfreut darüber, ihrer Zuneigung versichert zu sein: Keinem Menschen habe ich Unrecht getan, keinen Menschen haben wir verdorben, keinen Menschen haben wir ausgenutzt. Das ist der Grund dafür, dass sein Appell von ihnen angenommen wird, in ihre Herzen. Alle Anschuldigungen gegen sein moralisches Verhalten waren unbegründet. Denn er hatte niemandem Unrecht getan, er hatte in seinem Umgang mit ihnen niemandes Rechte durch eine unnötige Strenge der Zucht verletzt; er hatte niemanden durch eine falsche Lehre verführt, er war kein Betrüger; in all seinem Umgang mit ihnen hatte er nicht versucht, irgendeinen Vorteil aus ihnen zu ziehen, weder indem er sie an ihre Pflicht erinnerte, für ihre Lehrer zu sorgen, noch indem er ihnen eine Methode empfahl, systematisch für die Armen in Jerusalem zu sammeln.
Aber damit die korinthischen Christen nicht gerade in dieser Verteidigung des Apostels ihr Unrecht darin sehen, ihn nicht gegen die Angriffe seiner Verleumder verteidigt zu haben, beeilt er sich hinzuzufügen: Ich sage das nicht, um euch zu verurteilen; denn ich habe schon früher gesagt, dass ihr in unseren Herzen seid, um gemeinsam zu sterben und gemeinsam zu leben. Sie sollten seine Worte nicht als Verurteilung auffassen; er warf ihnen nicht vor, ihm zu misstrauen. Vielmehr blieb es wahr, was er ihnen zuvor versichert hatte, Kap. 1, 6; 6, 11, dass sein Herz in liebevoller Sympathie für sie groß war, so wie er sich ihrer Zuneigung zu ihm sicher fühlte. Ihr Bild war in seinem Herzen, sie waren so untrennbar mit ihm in Liebe verbunden, dass sie weder im Tod noch im Leben von seinem Herzen getrennt sein würden. Und das griechische Wort, das er verwendet, deutet an, dass dieses Gefühl auf Gegenseitigkeit beruhte, dass seine Hingabe an ihr Wohlergehen ihrer Liebe zu ihm gleichkam. Diese Tatsache lässt ihn mit aller Freude fortfahren: Groß ist meine Freimütigkeit euch gegenüber, groß ist mein Ruhm in eurem Namen. Die Gewissheit ihrer liebevollen Sympathie gibt ihm die Zuversicht, sich ihnen gegenüber so freimütig auszusprechen, sich so vertrauensvoll in ihrem Namen zu rühmen, nicht nur in diesem Brief, sondern auch bei seinen Besuchen in anderen Gemeinden. Die Freude seines Herzens über ihre geistlichen Fortschritte war so groß, dass er ausrief: Ich bin von Trost erfüllt, ich bin mehr als erfüllt, ich fülle mich mit Freude in all unserem Elend. Not, Bedrängnis, Kummer gibt es in der Tat immer für den treuen Diener, sowohl wegen der Verfolgung durch die Welt als auch wegen Abtrünnigkeit und Feindschaft innerhalb der Gemeinden. Aber all das wird überschattet von dem Trost, der sich aus dem Erfolg des Evangeliums ergibt, wodurch das Herz des Apostels bis zum Überfließen mit Freude erfüllt wird; es konnte sein Gefühl nicht in der Stille halten, sondern musste in glücklichem Ausruf ausbrechen. Es ist die Erfahrung aller Seelsorger, die in der Ausübung ihres Amtes unbeirrbar treu sind, dass Trost und Freude das Leid der Trauer überschatten.
Paulus ist getröstet darüber, dass sie seine Zurechtweisung angenommen haben (V. 5-8): Paulus vertieft hier den Gedanken aus V. 4, dass er von Trost erfüllt ist. Er war von Ephesus nach Mazedonien in einer alles andere als glücklichen Gemütsverfassung aufgebrochen, und seine Besorgnis wurde noch größer, als er Titus in Troas nicht gefunden hatte, Kap. 2,12. Selbst als er nach Mazedonien hinübergefahren war, hatte sein armer, schwacher, geplagter Körper mit seiner schwachen und ängstlichen Seele also keine Entspannung gespürt. Seine geistliche Unruhe wurde durch die Ungeduld seines Fleisches noch vergrößert: "Aber von allen Seiten wurden wir bedrängt; außen waren Kämpfe, innen waren Ängste. In jeder Hinsicht, von allen Seiten, wurde er bedrängt; alle Umstände schienen sich gegen ihn zu vereinen, ihm das Leben schwer zu machen. Außen waren Kämpfe, die Widerstände von Heiden, Juden und falschen Brüdern; in seinem eigenen Geist und Herzen waren Ängste, Besorgnis wegen des Erfolgs seines Briefes, „Ängste, dass die Strenge des Briefes ihre Zuneigung ihm gegenüber völlig entfremden könnte; Ängste, dass die Partei des Unzüchtigen die Oberhand gewinnen könnte; Ängste, dass die Lehre der falschen Apostel ihren Geist von der Einfachheit der Wahrheit abbringen könnte; alles war Ungewissheit, alles Beklemmung: und der Geist Gottes hielt es nicht für angebracht, die Ursachen dieser Befürchtungen auf irgendeine außergewöhnliche Weise zu beseitigen.“[26]
Doch schließlich kam die Erleichterung: Aber der, der die Niedergeschlagenen tröstet, tröstete uns, nämlich Gott, durch die Ankunft des Titus. Gott hatte nicht zugelassen, dass sein Diener über seine Kräfte versucht wurde, 1 Kor. 10,13, sondern er hatte Titus rechtzeitig kommen lassen, um die Ängste des Apostels zu zerstreuen, wofür er dem Herrn gebührend dankbar war, von dem er sagt, er mache es sich zur Aufgabe, die zu trösten, die des Trostes bedürfen, die demütig und niedergeschlagen sind. Ps. 148,6: Schon die Tatsache, dass Titus kam, verschaffte Paulus die Erleichterung, die er brauchte und herbeisehnte: Allein die Begegnung war ein Anlass zu einer Freude, wie sie Menschen nur selten im Leben erleben. Aber der Apostel wurde nicht nur durch die Ankunft des Titus getröstet, sondern auch durch die tröstlichen Nachrichten, die er brachte. Durch den Trost, mit dem er über euch getröstet wurde. Das Verhalten der korinthischen Gemeinde war für Titus eine Quelle tröstlicher Genugtuung gewesen, die er seinem väterlichen Freund umgehend mitgeteilt hatte: Als er uns von eurer Sehnsucht, eurer Trauer, eurem Eifer um mich erzählte, freute ich mich umso mehr. Der Brief des Apostels hatte die gewünschte Wirkung: Die korinthischen Christen waren sofort von dem ernsten Wunsch erfüllt, den Apostel zu sehen und den bösen Zustand in ihrer Mitte zu korrigieren; sie waren durch seine Rüge ihrer Nachlässigkeit zu Klage und Trauer getrieben worden: Sie waren mit neuem Eifer für seine Person und seine Autorität erfüllt, mit der Energie, den Schaden, den sie ihm zugefügt hatten, wiedergutzumachen und ihm so nach all dem Kummer, den sie ihm bereitet hatten, Freude zu bereiten. So wurde seine Freude über die Ankunft des Titus noch größer.
Der Apostel erklärt nun das Gefühl, das er bei diesem Schreiben hatte: Denn obwohl ich euch mit meinem Brief traurig gemacht habe, bereue ich es nicht; obwohl ich es bereut habe (denn ich merke, dass dieser Brief euch traurig gemacht hat, wenn auch nur für eine Weile). Er wusste, dass sein Brief sie traurig gemacht hatte, und es hatte Zeiten gegeben, in denen er geneigt war, seine scheinbare Härte zu bereuen. Aber im Großen und Ganzen bedauerte er nichts, zum einen, weil ihr Kummer nur vorübergehend war, bis sie die Liebe spürten, die ihn zu seiner Strenge veranlasst hatte, und zum anderen, weil sein Ziel erreicht worden war. Er hatte wie ein geschickter Chirurg gehandelt, der die Notwendigkeit einer schweren Operation bedauert und dem Patienten lieber die damit verbundenen Schmerzen ersparen würde, aber weiß, dass das Ziel, das er anstrebt, auf keine andere Weise erreicht werden kann.
Des Paulus Freude über das Ergebnis seiner Maßnahmen (V. 9-12): Der Apostel führt hier seinen zweiten Gedanken ausführlicher aus, dass er sich trotz aller Bedrängnis über alle Maßen freute, V. 4. Er hatte die Unruhe abgeschüttelt, die er wegen seiner Zärtlichkeit für sie empfunden hatte, und erklärte offen, dass er sich nun freute, nicht weil sie bereut worden waren, denn der Fall erforderte so strenge Maßnahmen, sondern weil ihr Kummer sie zur Umkehr geführt hatte. Als Paulus seinen Brief schrieb, gab es noch keine Anzeichen für einen Sinneswandel bei ihnen, und es bestand die Gefahr, dass sie starrköpfig werden könnten. Jetzt aber, da sie die Zurechtweisung angenommen und Buße getan haben, sieht Paulus seinen Wunsch erfüllt, sein Ziel erreicht, und kann daher singen: Denn ihr seid nach Gott bereut worden, so wie Gott den Sünder sehen will und wie er selbst wirkt, damit ihr in nichts von uns Schaden nehmt. Die korinthischen Christen waren keineswegs zu ihrem Schaden betroffen, sondern hatten vielmehr Grund zur Freude über den Nutzen, der ihnen durch die Maßnahmen des Apostels zuteil geworden war. Leid und Trauer sind in diesem Fall an sich ein Segen, und der gesamte Prozess ist heilsam. Beachten Sie, dass es Gott ist, der die Umkehr bewirkt, und dass sein Ziel die Bekehrung und damit auch die Rettung des Sünders ist.
Dieser Gedanke wird im nächsten Vers hervorgehoben, wo eine Begründung für diese Aussage gegeben wird: Denn die Traurigkeit, die Gott entspricht, die von Gott gewirkt wird, die Trauer über die Sünde als Vergehen gegen Gott empfindet, bewirkt eine Reue zum Heil, die nicht zu bereuen ist. Die wahre Reue über die Sünden besteht nicht in der Erwartung einer Strafe, sondern ist im Wesentlichen ein Gefühl des Elends und der Niedergeschlagenheit wegen der Beleidigung, die Gott durch die Übertretung widerfahren ist. Eine solche Reue bringt den Sünder auf den Weg des Heils, denn ein solcher Sünder ist bereit, die Botschaft der Erlösung zu empfangen. Deshalb bringt diese richtige Reue keine Reue mit sich. Die Reue der Welt hingegen führt dem entsetzten Sünder die schreckliche Konsequenz seiner Übertretung in Form von zeitlichen und ewigen Strafen vor Augen. Wenn dieses Gefühl den Sünder überkommt, sieht er nichts als die Schwärze des Todes und der Zerstörung vor sich: Er verzweifelt, wie wir im Fall von Kain und noch mehr im Fall von Judas sehen. „Und damit die Buße oder die Schrecken des Gesetzes nicht in Verzweiflung umschlagen, muss die Verkündigung des Evangeliums hinzugefügt werden, damit sie eine Buße zur Rettung ist.“[27]
Die Korinther selbst geben ein Beispiel für den Wert der gottgefälligen Traurigkeit: Denn seht, das ist dasselbe, dass ihr nach göttlicher Art bereut. Ihr eigener Fall war ein ausgezeichnetes Beispiel für den Punkt, den der Apostel zu machen versuchte: Welcher Fleiß hat in euch gewirkt; wie schnell war ihre frühere Untätigkeit und Trägheit der Tätigkeit gewichen, besonders in der Sache der damaligen Zucht! Und nicht nur das, sondern auch die Verteidigung; wie sehr hatten sie sich beeilt, sich von dem in ihrer Mitte gefundenen Fehler reinzuwaschen, um sich vor Titus und damit vor dem Apostel zu rechtfertigen! Wie entrüstet waren sie über sich selbst, weil sie diese Sache in ihrer Mitte so lange ignoriert und geduldet hatten! Wie sehr fürchteten sie sich vor dem Kommen des Apostels mit der Rute, 1. Kor. 4,21! Welch sehnsüchtiges Verlangen; wie sehr hatten sie ihn und seinen apostolischen Beistand nötig, sobald sie ihren Zustand erkannt hatten! Welcher Eifer; wie eifersüchtig waren sie auf Gott und seine Ehre in ihrer Gemeinde geworden! Wie rächend, wie strafend, wie sie sich beeilten, ihr Unrecht wiedergutzumachen, indem sie dem Übeltäter die von Paulus geforderte Strafe auferlegten! So hatten die Korinther einen Beweis für die Frömmigkeit ihres Kummers gegeben; so hatten sie sich selbst als rein in dieser Sache erwiesen, indem sie sich von der Schuld in dieser Angelegenheit freisprachen.
Aber gerade die Tatsache, dass sie so schnell auf alle seine Ratschläge reagiert hatten, dass seine Ermahnungen so reiche Früchte in ihrer Mitte hervorgebracht hatten, würde auch die Korinther veranlassen, die liebevolle Absicht des Schreibers anzuerkennen: So habe ich euch zwar geschrieben, aber nicht um desjenigen willen, der das Unrecht getan hat, noch um desjenigen willen, der das Unrecht erlitten hat, sondern damit euer Eifer für uns vor Gott offenbar werde. Die Sünde, auf die sich Paulus bezog, war in der Tat eine abscheuliche Schlechtigkeit: Der Sohn lebte mit seiner Stiefmutter in einer Beziehung, die nur in der Ehe erlaubt war, und das offenbar, während sein Vater noch lebte! Aber obwohl Paulus auch die Vergebung der Sünde des einen und die Wiedergutmachung des dem anderen zugefügten Schadens im Sinn hatte, war sein Hauptgrund für das Schreiben, die korinthische Gemeinde zu einer Erkenntnis dessen anzuregen, was ihrem Gründer, dem Apostel, und ihrem Herrn gebührt. Er hatte sich in seiner Einschätzung nicht geirrt; die von ihnen angewandte Disziplin hatte das Gefühl der Gemeinschaft untereinander gestärkt und sie enger an den Apostel gebunden. Sie hatten sich in ihren eigenen Augen und in seinen Augen gerechtfertigt. Und es war keine eitle, leere Form, kein bloßer Schein, denn ihre Überlegungen und Beschlüsse hatten vor den Augen, in der Gegenwart, Gottes stattgefunden. Anmerkung: Dieser letzte Punkt sollte in allen Fällen von Kirchenzucht beachtet werden.
Die Freude des Titus über die guten Nachrichten, die er brachte (V. 13-16): Die ersten Worte von V. 13 sind eigentlich die abschließende Aussage des vorherigen Abschnitts: Darum sind wir getröstet worden. Das war das Ergebnis des ganzen Vorgangs, soweit es den Apostel betraf. Aber neben seinem eigenen Trost hatte er umso mehr Grund zu großer Freude über die Freude des Titus, des Überbringers der guten Nachricht aus Korinth. Seine neue Freude, die zu seinem früheren Trost hinzukam, war größer als der Trost selbst, denn der Geist des Titus war durch sie alle erfrischt worden. Der Vertreter des Apostels war von allen Mitgliedern der korinthischen Gemeinde gut aufgenommen und mit größter Freundlichkeit und Achtung behandelt worden. Von einem starrsinnigen und eingebildeten Verhalten war keine Spur, und so war er in ihrem Namen völlig beruhigt.
Diese Tatsache erfreute den Apostel umso mehr: Denn wenn ich mich in irgendetwas für euch gerühmt habe, so wurde ich nicht zuschanden. Wie Paulus sich in anderen Städten der Vortrefflichkeit der korinthischen Gemeinde gerühmt hatte, so hatte er auch vor Titus seine jetzigen Leser gelobt. Hätte dieser also die Dinge nicht so gefunden, wie sein Lehrer sie so glühend geschildert hatte, wäre das Lob, das Paulus ihnen zuteil werden ließ, als leere Torheit, als bloße Eitelkeit empfunden worden. Nun aber ist er zufrieden: Wie wir alles wahrheitsgemäß zu euch geredet haben, so hat sich auch unser Rühmen vor Titus als wahr erwiesen. In diesem Punkt war Paulus sehr empfindlich. Als er Titus nach Korinth geschickt hatte, hatte er ihn durch die Beschreibung der guten Eigenschaften der korinthischen Christen ermutigt. Das war es, was ihn jetzt so zufrieden machte, denn es stellte sich heraus, dass die Korinther den Erwartungen ihres Lehrers voll entsprochen hatten.
Die Genugtuung, die Paulus empfand, wurde durch die Zufriedenheit, die das Herz von Titus erfüllte, noch übertroffen: Und sein Herz ist euch umso mehr zugeneigt, als er an den Gehorsam denkt, den ihr alle geleistet habt, wie ihr ihn mit Furcht und Zittern aufgenommen habt. Titus war der Überbringer einer harten Botschaft, so wie der Brief des Paulus in seiner Strenge kompromisslos war, was den Skandal in ihrer Mitte betraf. Und so hatten sie ihn mit tiefer Ehrfurcht empfangen und den Vorschlägen, die er als Vertreter des Apostels zu unterbreiten hatte, allen Gehorsam erwiesen. Die ganze Angelegenheit war also gut ausgegangen, und Paulus schließt: Ich freue mich, dass ich in allem guten Mut zu euch habe. Die Ermutigung, die er dadurch erhalten hatte, dass er sein Vertrauen nicht enttäuscht sah, gab ihm eine glückliche Kühnheit vor ihnen; es gab keinen Grund mehr zu befürchten, dass sie wieder von ähnlichen Dingen hin- und hergeworfen werden würden. Wenn die Dinge in einer Gemeinde so weit fortgeschritten sind, dass die erste ernste Krise überstanden ist, sind die Bedingungen für ein stetiges Wachstum in der christlichen Erkenntnis und Heiligung gewöhnlich günstig.
Zusammenfassung: Paulus ermahnt die Korinther, in der Heiligung Fortschritte zu machen; er versichert ihnen, dass er und auch Titus durch ihre gottesfürchtige Reue und ihren fröhlichen Gehorsam in Sachen Gemeindezucht mit Trost und Freude erfüllt worden sind.
Des Paulus taktvoller Aufruf und Empfehlung wegen der Sammlung (8,1-24)
1 Ich tue euch kund, liebe Brüder, die Gnade Gottes, die in den
Gemeinden in Mazedonien gegeben ist. 2 Denn ihre Freude war da überschwänglich,
da sie durch viel Trübsal arm waren, haben sie doch reichlich gegeben in aller
Einfältigkeit. 3 Denn nach allem Vermögen (das zeuge ich) und über Vermögen
waren sie selbst willig 4 und flehten uns mit vielem Ermahnen, dass wir
aufnähmen die Wohltat und Gemeinschaft der Handreichung, die da geschieht den
Heiligen. 5 Und nicht, wie wir hofften, sondern ergaben sich selbst zuerst dem
HERRN und danach uns durch den Willen Gottes, 6 dass wir mussten Titus
ermahnen, damit er, wie er zuvor hatte angefangen, so auch unter euch solche
Wohltat ausrichtete.
7 Aber gleichwie ihr in allen Stücken reich seid, im Glauben und im Wort
und in der Erkenntnis und in allerlei Fleiß und in eurer Liebe zu uns, so
schafft, dass ihr auch in dieser Wohltat reich seid. 8 Nicht sage ich, dass ich
etwas gebiete, sondern dieweil andere so fleißig sind, versuche ich auch eure
Liebe, ob sie rechter Art sei. 9 Denn ihr wisst die Gnade unseres HERRN Jesus
Christus, dass, ob er wohl reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, damit
ihr durch seine Armut reich würdet. 10 Und mein Wohlmeinen hierin gebe ich.
Denn solches ist euch nützlich, die ihr angefangen habt seit vorigem Jahr,
nicht allein das Tun, sondern auch das Wollen.
11 Nun aber vollbringt auch das Tun, damit, gleichwie da ist ein
geneigtes Gemüt zu wollen, so sei auch da ein geneigtes Gemüt zu tun von dem,
was ihr habt. 12 Denn so einer willig ist, so ist er angenehm, nachdem er hat,
nicht nachdem er nicht hat. 13 Nicht geschieht das der Meinung, dass die
anderen Ruhe haben und ihr Trübsal, sondern dass es gleich sei. 14 So diene
euer Überfluss ihrem Mangel diese (teure) Zeit lang, damit auch ihr Überschwang
hernach diene eurem Mangel, und geschehe, was gleich ist. 15 Wie geschrieben
steht: Der viel sammelte, hatte nicht Überfluss, und der wenig sammelte, hatte
nicht Mangel.
16 Gott aber sei Dank, der solchen Fleiß für euch gegeben hat in das
Herz des Titus! 17 Denn er nahm zwar die Ermahnung an; aber dieweil er so sehr
fleißig war, ist er von selber zu euch gereist. 18 Wir haben aber einen Bruder
mit ihm gesandt; der das Lob hat am Evangelium durch alle Gemeinden; 19 nicht
allein aber das, sondern er ist auch verordnet von den Gemeinden zum Gefährten
unserer Fahrt in dieser Wohltat, welche durch uns ausgerichtet wird dem HERRN
zu Ehren und (zum Preis) eures guten Willens. 20 Und verhüten das, dass uns
nicht jemand übel nachreden möge solcher reichen Gabe wegen, die durch unseren
Dienst durchgeführt wird. 21 Und wir sehen darauf, dass es redlich zugehe,
nicht allein vor dem HERRN, sondern auch vor den Menschen. 22 Auch haben wir
mit ihnen gesandt unseren Bruder, den wir oft gespürt haben in vielen Stücken,
dass er fleißig sei, nun aber viel fleißiger. 23 Und wir sind großer Zuversicht
zu euch, es sei des Titus wegen, welcher mein Geselle und Gehilfe unter euch
ist, oder unserer Brüder wegen, welche Gesandte sind der Gemeinden und eine
Ehre Christi. 24 Erzeigt nun den Beweis eurer Liebe und unseres Ruhms von euch
an diesen, auch öffentlich vor den Gemeinden.
Das Beispiel der mazedonischen Gemeinden (V. 1-6): Neben der Verkündigung des Evangeliums und der Ausbreitung des Reiches Christi war das Hauptanliegen des Paulus auf seiner dritten Missionsreise die Sammlung, die er überall im Interesse der armen Brüder in Jerusalem empfahl. Schon als der erste Brief an die Korinther geschrieben wurde, war die Sammlung auch in Korinth eingeleitet worden (1. Kor 16,1), und Paulus hatte ernsthaft eine systematische Anstrengung empfohlen, damit die akute Armut in Jerusalem so bald wie möglich gelindert werden konnte. In Korinth verlief die Arbeit nicht so zufriedenstellend, wie man es erwarten konnte, und deshalb richtet Paulus in diesem Kapitel einen besonderen Appell, indem er in sehr taktvoller Weise die Hauptgründe nennt, warum die Christen von Korinth sich mit allem Eifer an der Sammlung beteiligen sollten. Wir verkünden euch aber, liebe Brüder, die Gnade Gottes, die in den Gemeinden Mazedoniens gegeben ist. Die Gemeinden in Philippi, Thessalonich und Beröa waren, wie Paulus auf der Reise erfahren hatte und nun den Korinthern mitteilt, in jeder Hinsicht vorbildlich, wenn es darum ging, die laufende Sammlung zu einem Erfolg zu machen. Nicht so, als ob die Menschen in Mazedonien von Natur aus mehr zu guten Werken geneigt wären als andere Menschen. Es war das Werk Gottes, wie der Apostel ausdrücklich sagt, eine Manifestation der göttlichen Gunst, die ihre Herzen vergrößerte. Dass Christen einander helfen, den Bedürftigen etwas zukommen lassen, ist kein Beweis ungewöhnlicher Freigebigkeit, kein besonderes Verdienst, dessen sie sich rühmen können, sondern es ist das Werk der Gnade Gottes, eine Gnade, um die alle Christen und alle christlichen Gemeinden in ehrlichem Gebet bitten und flehen sollten.
Es war eine ungewöhnlich reiche Gnade, die den mazedonischen Gemeinden zuteil geworden war: Dass in einer großen Prüfung der Bedrängnis die Fülle ihrer Freude und ihre tiefe Armut zum Reichtum ihrer Freigebigkeit anwuchsen. Die Christen in Mazedonien hatten mit außergewöhnlichen Schwierigkeiten zu kämpfen; sie wurden von ihren heidnischen Nachbarn verfolgt und belästigt, und sie waren arm an den Gütern dieser Welt. Aber diese Tatsachen entmutigten sie nicht und veranlassten sie nicht, sich von der Kollekte zurückzuziehen, sondern stellten ihren Glauben und ihre Liebe auf eine Probe, die die Aufrichtigkeit beider bewies. Sie waren so erfüllt und überströmt von der Freude, die sie in der Gemeinschaft mit Christus hatten, dass sie ihre Herzen weit öffneten und großzügig für die Hilfe ihrer Brüder spendeten. Sie überwanden das Handicap der Bedrängnis und ihrer großen Armut so gründlich, dass ihre Freigebigkeit in einem solchen Maße wuchs, dass sie weit über diejenigen hinausging, die einen größeren Überfluss an Geld und Besitz dieser Welt besaßen.
Sie haben sich in dieser Hinsicht so sehr hervorgetan, dass Paulus von ihnen Zeugnis ablegen kann: Denn ich bezeuge, dass sie nach ihren Kräften und über ihre Fähigkeiten hinaus bereit waren, aus eigenem Antrieb und mit großem Flehen von uns die Gunst und die Teilnahme am Dienst für die Heiligen zu erbitten. Hier ist ein wunderbares Zeugnis aus dem Munde des Apostels, der offensichtlich mit den finanziellen Verhältnissen der mazedonischen Christen gut vertraut war. „Der Grund, warum sie so arm waren, lag wahrscheinlich darin, dass sie Opfer von Verfolgungen geworden waren und es wegen des Hasses der Ungläubigen schwer hatten, ihren normalen Berufen erfolgreich nachzugehen.“[28] Aber diese Tatsache hielt sie nicht davon ab, sich an dem edlen Werk zu beteiligen, das der Apostel beschrieben hatte. Sie gingen nicht nur bis an die Grenze ihrer Fähigkeiten, sondern sogar darüber hinaus und übertrafen das Maß ihrer Kräfte in ihrem Eifer, den Brüdern zu Hilfe zu kommen, die noch ärmer waren als sie. In anderen Fällen ist es gewöhnlich notwendig, und leider allzu oft in unseren Tagen, dass Christen gebettelt und angefleht und gedrängt und ermahnt und beschwatzt und überredet werden müssen, von ihrem Überfluss zu geben. Die mazedonischen Christen entschlossen sich nicht nur aus eigenem Antrieb zu ihrem Handeln, sondern sie baten Paulus sogar um die besondere Gunst, ihnen die Güte zu erweisen, sich an diesem Werk des Dienstes an den Heiligen beteiligen zu dürfen: Ihre Almosengabe war wirklich eine Mitteilung der Liebe und stand unter dem göttlichen Segen. Welch ein Beispiel für die Kirchen unserer Tage!
Aber den Höhepunkt ihrer Freigebigkeit beschreibt der heilige Paulus, wenn er sagt: Aber nicht, wie wir es erwartet haben, sondern sie selbst haben zuerst dem Herrn und uns nach dem Willen Gottes gegeben. Das ist der wichtige Punkt, um den sich der ganze Abschnitt dreht. Die mazedonischen Christen haben zunächst sich selbst dem Herrn geopfert, ihre Talente, ihre Kräfte, ihre Fähigkeiten und damit auch ihren weltlichen Besitz, so wie er war: Sie haben sich selbst und alles, was sie hatten, ohne jede Einschränkung Gott und dem Apostel zur Verfügung gestellt. Es war ein Akt schlichter Aufopferung, der selbst die kühnsten Hoffnungen des Apostels weit übertraf, selbst nachdem er ihrer Bitte entsprochen hatte, sich an der „Fahrt“ nach Jerusalem zu beteiligen. Und dies geschah nicht aus einem Geist der Selbstverherrlichung heraus, sondern weil sie ein solches Vorgehen als mit dem Willen Gottes übereinstimmend ansahen. Ihr Impuls zum treuen Dienst wird somit auf Gottes Gnade zurückgeführt, wie es unter ähnlichen Umständen immer der Fall sein sollte.
Ein solch beispielloses Beispiel von Bereitschaft hat Paulus fast überwältigt: So haben wir Titus (jetzt) ermahnt, dass er, wie er zuvor den Anfang gemacht hat, auch unter euch dieselbe Gnade vollenden soll. Ursprünglich hatte Paulus wohl die Absicht, Titus die Leitung der Sammlung in Mazedonien zu überlassen. Aber da die Verhältnisse in dieser Provinz so waren, wie er sie eben geschildert hatte, hatte er nicht das geringste Zögern, die Sache ganz in die Hände dieser Gemeinden zu legen. Aber in Korinth brauchte der Enthusiasmus allem Anschein nach eine gewisse Unterstützung. Was lag also näher, als dass der Apostel Titus, der mit der Sammlung in Achaja begonnen hatte, nach Korinth zurückschickte, um sie auch in dieser Gnade der christlichen Freigebigkeit zu vervollkommnen, so wie er sich gefreut hatte, in ihnen die Gnade der Reue und des guten Willens zu sehen. Denn die Gabe der christlichen Freigebigkeit gehört nicht zu den besonderen Gnaden des apostolischen Zeitalters, sondern kann durch ernsthafte Beschäftigung mit dem Wort Gottes und durch Gebet erlangt werden und sollte eifrig gepflegt werden, damit der Satan uns nicht wegen unseres Geizes in Versuchung führt. Beachten Sie die Feinfühligkeit des Apostels: „Als der Apostel sah, dass die Mazedonier auch unter großen Anfechtungen in allen Dingen so heftig und eifrig waren, sandte er Titus, um die Korinther zu ermutigen, damit sie sich gleichstellten. Das sagt er zwar nicht, aber er deutet es an und zeigt damit die Größe und Zartheit seiner Liebe, die nicht zulassen konnte, dass die Korinther unterlegen waren.“ (Chrysostomus.)
Ein Beweis ihrer Liebe zu Christus (V. 7-10): Das bisherige Argument wird hier erweitert und mit einem noch eindrucksvolleren verbunden: Sondern wie ihr euch in allem übertrefft, im Glauben und in der Rede und in der Erkenntnis und in allem Fleiß und in der Liebe von euch zu uns, so übertrefft ihr euch auch in dieser Gnadengabe. Alle diese Gaben waren bei den Korinthern in reichem Maße vorhanden: Der Glaube, nicht so sehr der rettende Glaube, als vielmehr der heroische Glaube, der manchmal von Gott geschenkt wird (1. Kor. 12,9); die Rede, die Fähigkeit, die Botschaft des Evangeliums darzulegen und anzuwenden; die Kenntnis der göttlichen Dinge, die zur Erbauung dienen sollte; der ganze Fleiß und Ernst, bei der Ausführung des Werkes Gottes nicht hinter einem anderen zurückzubleiben; die Liebe zu ihrem Lehrer, von der er reichlich Zeugnis abgelegt hatte. Es ist ein sehr geschicktes Argument, das Paulus verwendet, wenn er alle diese Vorzüge aufzählt und dann sagt, dass sie sicher nicht wollen, dass es ihnen an dieser einen Gabe der christlichen Freigebigkeit mangelt.
Und damit sie sich nicht schon durch diese Formulierung beleidigt fühlen, beeilt sich Paulus, hinzuzufügen: Ich spreche nicht als Gebot, sondern um durch den Fleiß der anderen die Echtheit eurer Liebe zu prüfen. In der Frage der christlichen Heiligung hätte Paulus konkrete Anweisungen geben können, 1. Kor 14,37. Aber er unterlässt es bei dieser Sammlung, um ihnen nicht die Freude am freiwilligen Geben zu verderben. Er wollte durch den Ernst und den Eifer der anderen, d.h. der mazedonischen Gemeinden, ihre Liebe prüfen. Denn er wusste, dass der Eifer der Mazedonier die Korinther zu einem ähnlichen Eifer anspornen sollte, und so sollte sich erweisen, ob ihre Liebe echt war. Wenn sie zuließen, dass ärmere Brüder ihre Bemühungen um diese Sammlung überschatteten, wäre es ziemlich sicher, dass ihre Liebe zum Apostel und vor allem zu Christus nicht von der richtigen Art war.
Damit ist das gewichtigste Argument von allen eingeführt: Denn ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, dass er um unseretwillen arm geworden ist, obwohl er reich war, damit ihr durch seine Armut reich werdet. Diese Tatsache war den Korinthern bekannt, denn sie gehörte zu den grundlegenden Lehren des Apostels, wie sie auch in der gesamten Verkündigung des Evangeliums in vielfältiger Abwandlung wiederholt wird. Der Apostel erinnert sie an die Gnade des Herrn Jesus Christus, die freie Güte und Gunst, deren einziger Grund und Beweggrund seine ewige Liebe zu den sündigen Menschen ist. Diese Gnade wurde so offenbart und verwirklicht, dass er um ihretwillen, um aller Menschen willen, arm wurde, sich der tiefsten Armut unterwarf, und das, obwohl er reich war. Der reiche Herr des Himmels, der Besitzer der Fülle der göttlichen Herrlichkeit und der Fülle aller Schätze, wurde arm, versagte sich selbst den Gebrauch und den Genuss auch des gewöhnlichen Wohlstandes und lebte sein ganzes Leben in tiefster Armut. Aber nebenbei schüttete er das volle Maß des geistlichen Reichtums in den himmlischen Örtern über uns aus und gab uns umso mehr von den geistlichen Schätzen, als es ihm an irdischen Schätzen mangelte. Was konnten die Korinther, was können die Christen aller Zeiten angesichts eines solchen Beispiels höchster Selbstaufopferung tun, als mit aller ihnen zur Verfügung stehenden geistlichen Kraft danach zu streben, dem großen Vorbild nachzueifern und in die Fußstapfen ihres großen Herrn zu treten?
Anstatt zu befehlen, schreibt der Apostel daher: Und meine Meinung gebe ich in dieser Sache, denn das ist für euch von Nutzen, da ihr nicht nur im Tun, sondern auch im Wollen die Ersten wart, die den letzten Gang eingelegt haben. Der Apostel hat sich in diesem Fall bewusst dafür entschieden, keine konkreten und detaillierten Anweisungen zu geben, weil sein Rat zu diesem Zeitpunkt besser, zweckmäßiger und gewinnbringender für seine Zwecke wäre. Denn schon vor einem Jahr, als Paulus ihnen zum ersten Mal die Frage einer Sammlung für Jerusalem vorgelegt hatte, hatten sie ihre Bereitschaft bekundet. Sie hatten so viel Vorsprung vor den Mazedoniern, nicht nur bei der Ausführung des Plans, sondern auch bei der ursprünglichen Absicht. In einem solchen Fall, in dem die Menschen voll und ganz bereit sind, das Richtige zu tun, haben sie einen größeren moralischen Vorteil von einem Ratschlag als von einer Aufforderung. Hier ist ein Hinweis auf seelsorgerisches Taktgefühl für Pfarrer und Kirchenvorstände wie auch für Gemeindemitglieder im Allgemeinen.
Der Grundsatz der Gleichheit (V. 11-15): Der Rat des Paulus ist nicht weniger wirksam, weil ihm die Kraft eines konkreten Gebots fehlt; er gewinnt vielmehr gerade dadurch an Kraft. Denn er weist die korinthischen Christen darauf hin, dass sie sich bereit erklärt haben, sich an der Sammlung zu beteiligen; sie haben die notwendigen Vorbereitungen getroffen: Was liegt da näher, als zu erwarten, dass sie ihre guten Absichten auf eine substanziellere Weise unter Beweis stellen. Deshalb sagt Paulus: Nun aber vollendet auch das Tun, damit, wie die Bereitschaft zum Wollen da war, so auch das Vollbringen von dem, was ihr habt. Die Sache mit der Kollekte wurde von Tag zu Tag dringlicher und dringender, und da sie zweifellos die aufrichtige Absicht hatten, ihren Teil zur Linderung des Leids in Jerusalem beizutragen, sollten sie sich beeilen, konkrete Beweise für ihre Absicht zu erbringen. Sie sollten die Sache durch schnelles und entschiedenes Handeln zu Ende bringen, und ihre Leistung sollte ihrer Bereitschaft entsprechen: Sie sollten nach ihren Fähigkeiten frei beitragen; denn Gott nimmt den guten Willen an, wo es an Mitteln zur Ausführung der Tat fehlt. Oder, wie Paulus es selbst erklärt: Denn wenn die Bereitschaft vorhanden ist, so ist er nach dem, was ein Mensch hat, annehmbar, nicht nach dem, was er nicht hat. Gott schaut auf die Bereitschaft des Herzens, Mark. 12,43, und misst die Gabe nach diesem Maßstab. Die fürstliche Summe, die ein reicher Mann aus seinem Überfluss gibt, mag verhältnismäßig kleiner sein als die Kupfermünze, die für eine arme Witwe Entbehrung und Opfer bedeuten mag.
Dieser Gedanke wird nun weiter verdeutlicht: Denn es geht nicht darum, dass die anderen entlastet und ihr unter Druck gesetzt werdet, sondern darum, Gleichheit zu erlangen, indem euer Überfluss jetzt für ihren Mangel ist, damit ihr Überfluss sich als für euren Mangel erweisen kann, damit Gleichheit herrscht. Dieser Satz ist vor allem um des unwilligen, murrenden Beitragszahlers willen hinzugefügt worden, der sich gewöhnlich darüber beklagt, dass er durch das Geben für andere arm wird, von denen er annimmt, dass sie durch seine Beiträge an Reichtum zunehmen. Paulus wollte keineswegs, dass die Gemeinde in Jerusalem sich sorglos zurücklehnte und sich an den Gaben erfreute, die aus den Gemeinden in Asien, Mazedonien und Achaja einströmten, während letztere durch das Geben über ihre Verhältnisse mit Sorge bedrängt wurden. Er vertrat einfach das Prinzip der Gleichheit, der Gegenseitigkeit. Die Gemeinden, die sich an dieser Sammlung beteiligten, waren in der Lage, den Armen in Jerusalem zu helfen, und sollten daher bereit sein, diese Hilfe zu leisten; die Zeit könnte kommen, in der sich die Dinge umkehren, und dann würde er von den Christen in Jerusalem und Judäa eine Gegenleistung erwarten. Das gleiche Prinzip wird auch heute noch angewandt. Wenn bestimmte Gemeinden von einer Missernte betroffen sind oder wenn sie von zerstörerischen Stürmen heimgesucht werden und nicht in der Lage sind, aus eigener Kraft ihr Leben zu erhalten oder ihr Kircheneigentum wieder aufzubauen, ist es angemessen, dass die anderen Gemeinden ihnen zu Hilfe kommen.
Paulus veranschaulicht diesen Grundsatz durch ein Zitat aus dem biblischen Bericht über die Sammlung des Mannas in der Wüste: Wie geschrieben steht: „Wer viel sammelte, hatte nichts übrig, und wer wenig sammelte, dem fehlte nichts“ (2. Mose 16,18). Als der Herr den Kindern Israels in der Wüste Manna zu essen gab, sammelten die Fleißigen einen größeren Vorrat, während andere nicht so viel ins Lager zurückbringen konnten. Und doch war der Bedarf der einzelnen Familien je nach ihrer Größe unterschiedlich. Aber der Unterschied wurde bei der Rückkehr ins Lager ausgeglichen, so dass jede Familie bis zum nächsten Tag genug Manna für ihren Bedarf hatte. Genauso will der Herr innerhalb der Gemeinden, dass der Überschuss der einen den Mangel der anderen ausgleicht, und wann immer in einem Teil des Landes oder überall dort, wo das Werk des Evangeliums vorangetrieben wird, Not herrscht, sollten die Gemeinden in den anderen Teilen ihre Bereitschaft zeigen, den Grundsatz zu beherzigen, der hier zu ihrer Anleitung niedergelegt ist.
Empfehlung des Titus und seiner Begleiter (V. 16-24): Nachdem Paulus die Gründe genannt hat, die die Korinther veranlassen sollten, die Sache der Sammlung mit aller Eile und Energie in Angriff zu nehmen, beweist er nun seinen praktischen Sinn und seine Sorgfalt, vor allem wenn es darum geht, einen schlechten Eindruck zu vermeiden, den Anschein von Praktiken, die nicht ganz offen und ehrlich sind. Zu diesem Zweck sendet er hier eine förmliche Belobigung an Titus: Gott aber sei Dank, der denselben Eifer für euch in das Herz des Titus gelegt hat! Denn er hat nicht nur unsere Bitte angenommen (V. 6), sondern er ist auch selbst mit umso größerem Eifer zu euch gegangen. Paulus spricht hier nach der damaligen Art, Briefe zu schreiben, nach der sich der Schreiber immer in die Lage des Empfängers des Briefes versetzte, was auch für die Zeitform gilt. Er hält hier seinen Dank an Gott fest, dass er Titus die gleiche ernsthafte Sorge für sie geschenkt hat, die Paulus selbst empfand. Das beweist die Tatsache, dass Titus dem Wunsch des Paulus, nach Korinth zurückzukehren, ohne das geringste Zögern zugestimmt hat. Er reiste ohne weitere Aufforderung und aus freien Stücken und trug auch diesen Brief bei sich. Diese Tatsache allein hätte ausreichen müssen, um die Korinther zu Gunsten von Titus zu entscheiden.
Aber Paulus führt auch Beglaubigungsschreiben für die Begleiter des Titus an. Von dem ersten sagt er, dass er mit Titus einen Bruder geschickt hat, der ihnen gut bekannt war, einen Mann, dessen Lob des Evangeliums in allen Gemeinden verbreitet war. Es handelte sich also um einen Mann, der den allerbesten Ruf als fleißiger Arbeiter im Interesse des Wortes Gottes hatte und den alle Christen sehr schätzten. Die Identität dieses Bruders ist nicht bekannt, obwohl Lukas und Trophimus genannt werden. Dieser Mann war nicht nur in allen Gemeinden gut angesehen, was ihn für eine freundliche Aufnahme bei den Korinthern empfohlen hätte, sondern die mazedonischen Gemeinden hatten so viel Vertrauen in ihn gesetzt, dass sie ihn förmlich ausgewählt hatten, den Apostel auf seiner Reise nach Jerusalem zu begleiten. Paulus hatte die Absicht, die Reise nach Jerusalem in Begleitung der Überbringer des Geldes anzutreten, falls sich die Sammlung lohnen sollte, 1. Kor 16,3.4. Dieser Mann, der als Vertreter der mazedonischen Gemeinden ihre Gabe zu den armen Brüdern in Jerusalem bringen sollte, kam mit Titus. Und von der Gabe, die eingebracht worden war, sagt Paulus: Sie wird von uns zur Ehre des Herrn und als Beweis unserer Bereitschaft gespendet. Paulus war so sehr darauf bedacht, Gott alle Ehre zu geben, dass er diesen Zweck des guten Werkes zuerst erwähnt. Aber während der Beitrag, der gesammelt wurde, in erster Linie der Ehre des Herrn diente, bewies er nebenbei die Bereitschaft des Paulus, der sich nun durch das rege Interesse, das in den Gemeinden gezeigt wurde, in der Durchführung seines Vorhabens bestärkt sah. Er war von einer großen Last der Sorge befreit und fühlte sich zuversichtlich, dass das ganze Unternehmen nun um so leichter zu bewerkstelligen sein würde.
Gleichzeitig traf Paulus alle Vorkehrungen gegen einen falschen Verdacht: Wir wollen das vermeiden und Vorsorge treffen, dass uns jemand beschuldigt oder verleumdet wegen der großzügigen Kollekte, für die wir sorgen; denn wir sorgen nicht nur in den Augen des Herrn, sondern auch in den Augen der Menschen für Ehrlichkeit. Indem die Gemeinden vertrauenswürdige Mitstreiter wählten, die ihn auf seiner Reise begleiteten und mit ihm die gesammelten Gelder verwalteten, war jede Gefahr von unlauteren Anschuldigungen hinsichtlich seiner Ehrlichkeit und der ordnungsgemäßen Verwendung des Geldes gebannt. Der Apostel spürte die Weisheit dieser Vorsichtsmaßnahme umso mehr, als die Sammlung sehr reichlich zu werden versprach. Er wusste natürlich, dass er in den Augen Gottes von jeglichem Fehlverhalten rein war, dass ihn kein falscher Ehrgeiz antrieb, dass er nicht selbstherrlich handelte, dass ihm der Gedanke, sich auch nur einen Cent des Geldes anzueignen, fern lag. Aber er wusste auch, dass böse Zungen seine Arbeit leicht verletzen und der Sache des Evangeliums schaden konnten, indem sie Verdächtigungen verbreiteten, die nur durch sein unbewiesenes Wort widerlegt werden konnten. Aus diesem Grund zog er es vor, diese Zeugen bei sich zu haben. Diese Klugheit ist allen Gemeinden sehr zu empfehlen, besonders in geschäftlichen und finanziellen Angelegenheiten. Die Einsetzung von Finanz- und Rechnungsprüfungsausschüssen spricht nicht gegen die Ehrlichkeit des Schatzmeisters oder des Finanzsekretärs, sondern ist eine weise Politik, die diese Männer über Vorwürfe und Verdächtigungen erhaben hält, wenn die Arbeit in einem angemessenen christlichen Geist getan wird.
Von einem zweiten Mann, der als Begleiter des Titus nach Korinth kam, sagt Paulus, dass er ein Bruder sei, dessen Wert in vielen Fällen erprobt worden sei, dass er sich als von demselben Eifer erfüllt erwiesen habe wie Paulus selbst, und nun umso mehr, in noch höherem Maße, wegen des großen Vertrauens, das er zu den Korinthern hatte. Dieser Mann muss mit den Verhältnissen in Korinth vertraut gewesen sein, entweder durch einen persönlichen Besuch oder aufgrund der sehr ausführlichen Berichte, die er von Paulus und Titus gehört hatte. Vielleicht war es Tychikus, auf jeden Fall war er ein Abgesandter der beitragenden Gemeinden. Was schließlich Titus betrifft, so wird, falls jemand sein offizielles Verhältnis zu Paulus wissen will, hier gesagt, dass Titus ein Kollege und Mitarbeiter des Apostels ist, sein persönlicher Vertreter in der korinthischen Gemeinde; für ihn hat der Apostel persönlich die Verantwortung übernommen. Und von allen drei Brüdern sagt er, dass sie die Abgesandten der Gemeinden sind, dass sie jeweils ordnungsgemäß gewählt wurden, um ihre ganze Gemeinde zu vertreten. Sie sind also die Herrlichkeit Christi, ihre Arbeit wurde im direkten Dienst des Herrn getan und diente unmittelbar seiner Ehre. Paulus schließt mit der Ermahnung, dass die korinthischen Christen ihre Liebe nicht nur zu Paulus, sondern zu allen Brüdern unter Beweis stellen und ihn in seinem Rühmen in ihrem Namen unterstützen sollen, indem sie diesen Männern vor allen Gemeinden einen Beweis ihrer Liebe geben. In gleicher Weise sollte man den Brüdern, die aus einer Schwestergemeinde mit den entsprechenden Zeugnissen in eine christliche Gemeinde kommen, jede Rücksicht der Liebe und brüderlichen Güte erweisen, weil dadurch die Ehre Christi, des Herrn der Kirche, erhöht wird.
Zusammenfassung: Paulus appelliert taktvoll an die Korinther, mit der aktiven Arbeit an der Kollekte zu beginnen, indem er auf das Beispiel der mazedonischen Gemeinden, die ihnen von Christus erwiesene Liebe und den Grundsatz der Gleichheit hinweist; er schließt eine Empfehlung von Titus und seinen Gefährten ein.
Des Paulus abschließende Anweisungen für die Sammlung (9,1-15)
1 Denn von solchem Dienst, der den Heiligen geschieht, ist mir nicht
not, euch zu schreiben. 2 Denn ich weiß euren guten Willen, davon ich rühme bei
denen aus Mazedonien (und sage): Achaja ist vor dem
Jahr bereit gewesen. Und euer Beispiel hat viele gereizt. 3 Ich habe aber diese
Brüder darum gesandt, dass nicht unser Rühmen über euch zunichte
würde in dem Stück, und dass ihr bereit seid, gleichwie ich von euch
gesagt habe, 4 damit nicht, wenn die aus Mazedonien mit mir kämen und euch
nicht bereitet fänden, wir (will nicht sagen ihr) zuschanden würden mit solchem
Rühmen.
5 Ich habe es aber für nötig angesehen, die Brüder zu ermahnen, dass sie
voranzögen zu euch, zu verfertigen diesen zuvor verheißenen Segen, dass er
bereitet sei, so dass es sei ein Segen und nicht ein Geiz. 6 Ich meine aber
das: Wer da kärglich sät, der wird auch kärglich ernten; und wer da sät im
Segen, der wird auch ernten im Segen. 7 Ein jeglicher nach dem Willen seines
Herzens, nicht mit Unwillen oder aus Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat
Gott lieb.
8 Gott aber kann machen, dass allerlei Gnade unter euch reichlich sei,
dass ihr in allen Dingen volle Genüge habt und reich seid zu allerlei guten
Werken, 9 wie geschrieben steht: Er hat ausgestreut und gegeben den Armen;
seine Gerechtigkeit bleibt in Ewigkeit. 10 Der aber Samen reicht beim Säemann,
der wird je auch das Brot reichen zur Speise und wird vermehren euren Samen und
wachsen lassen das Gewächs eurer Gerechtigkeit, 11 dass ihr reich seid in allen
Dingen mit aller Einfältigkeit, welche wirkt durch uns Danksagung Gott.
12 Denn der Dienst dieser Gabe erfüllt nicht allein den Mangel der
Heiligen, sondern ist auch überschwänglich darin, dass viele Gott danken für
diesen unseren treuen Dienst 13 und preisen Gott über eurem untertänigen
Bekenntnis des Evangeliums Christi und über eurer einfältigen Gabe an sie und
an alle 14 und über ihrem Gebet für euch, welche verlangt nach euch, um der
überschwänglichen Gnade Gottes willen in euch. 15 Gott aber sei Dank für seine
unaussprechliche Gabe!
Das Beispiel, das die Bereitschaft der Korinther gegeben hat (V. 1-4): Des Paulus freundliche Diplomatie und seelsorgerliches Fingerspitzengefühl ist in jeder Zeile dieser Ermahnung zu spüren. Er schreibt fast apologetisch: Denn was den für die Heiligen bestimmten Dienst betrifft, so ist es überflüssig, dass ich euch schreibe. Von der Not der Brüder in Judäa und der Notwendigkeit der Sammlung für sie waren die Korinther längst überzeugt, abgesehen davon, dass sie sich ihrer christlichen Pflicht, allen Leidenden zu helfen, voll bewusst waren. Daher fühlte sich der Apostel nicht berufen, diese Tatsache zu betonen; in diesem Punkt brauchten sie keine weitere Belehrung. Seine Vorschläge betrafen nur den Zeitpunkt und die Art und Weise, wie das Opfer dargebracht werden sollte.
Der Apostel ergreift die Gelegenheit, ihre Haltung in Bezug auf diese Sammlung mit gebührendem Lob zu würdigen: Denn ich weiß um eure Bereitwilligkeit, die ich den Mazedoniern gegenüber rühme, dass Achaja schon vor einem Jahr vollständig vorbereitet war; und euer Eifer hat die Mehrheit gereizt. Es war für Paulus eine Quelle der größten Freude und Befriedigung, wenn er über irgendeine Person einen positiven Bericht abgeben konnte, besonders wenn diese Information dazu beitragen würde, andere zu ermutigen und anzuspornen, Fortschritte in der Heiligung zu machen. Und hier bot sich eine hervorragende Gelegenheit, da, wie er oben, Kap. 8,10.11 gesagt hatte, hatten die Christen von Korinth die Verpflichtung übernommen und ihre Bereitschaft erklärt, sich an der vorgeschlagenen Sammlung für die Armen in Jerusalem zu beteiligen, als er ihnen die Sache zum ersten Mal unterbreitete. Wie wir hier erfahren, hatte nicht nur die korinthische Gemeinde positive Beschlüsse zu dem Vorhaben gefasst, sondern auch die anderen Gemeinden der Provinz hatten sich bereit erklärt, sich ihnen bei ihrem wohltätigen Vorhaben anzuschließen, und Paulus konnte sich entsprechend rühmen. Das Ergebnis war, dass die Gemeinden Mazedoniens und die Mehrheit ihrer Mitglieder zu gleichem Eifer angespornt worden waren; sie waren umso schneller und großzügiger zur Stelle, wie Paulus oben geschrieben hatte, Kap. 8,1-4, geschrieben hatte; sie hatten sogar ihrerseits den Korinthern ein Beispiel gegeben, indem sie ihnen in der eigentlichen Ausführung des Dienstes vorausgegangen waren.
Deshalb sagt Paulus, der das Gefühl hat, dass die Korinther nur ermutigt werden müssen, um das Werk so schnell wie möglich zu vollenden, zu ihnen: Zugleich habe ich die Brüder gesandt, damit unser Rühmen über euch in dieser Hinsicht nicht hinfällig werde, damit ihr, wie ich gesagt habe, vollkommen zugerüstet seid, damit nicht, wenn irgendwelche Mazedonier mit mir kommen und euch unvorbereitet finden, wir (d.h. nicht ihr) in dieser Zuversicht zu Schanden gemacht werden. Wie der Apostel gesagt hatte, kannten die korinthischen Christen zwar ihre Pflicht und hatten sich bereit erklärt, sie zu erfüllen, aber er war darauf bedacht, dass sie ihre Absicht bald verwirklichten. Deshalb schickte er Titus und seine beiden Gefährten mit diesem Brief, um sie an ihr Versprechen zu erinnern und sie zu drängen, ihre Sammlung bis zu seiner Ankunft zu vollenden. Denn es war wahrscheinlich, dass einige der mazedonischen Brüder die Reise nach Korinth mit ihm antreten würden. Wenn sich dann bei seiner Ankunft mit diesen Brüdern, die von seinem zuversichtlichen Rühmen in Bezug auf die Korinther wussten, herausstellte, dass die Sammlung noch nicht abgeschlossen war, wäre die Situation äußerst peinlich. Es würde Schande über den Apostel bringen, der so zuversichtlich von ihrem Eifer gesprochen hatte, in dieser Notlage zu helfen; aber noch mehr würde es zur Schande der Korinther beitragen, nicht nur, weil sie seine Erwartungen nicht erfüllt hatten, sondern auch, weil sie vor den mazedonischen Brüdern als nachlässig in ihrer christlichen Pflicht dastehen würden. Paulus war sich übrigens sicher, dass ihre Liebe zu ihm stärker war als ihre Sorge um ihre eigene Ehre. Anmerkung: Obwohl die Liebe zu Christus immer das oberste Motiv einer christlichen Gemeinde in Bezug auf alle Werke der Heiligkeit sein sollte, kann die Tatsache, dass auch ihr Pastor wegen ihrer Nachlässigkeit in seinem guten Namen leiden könnte, unter Umständen ebenfalls angeführt werden.
Die Gaben der Christen sollten von der Größe ihrer Liebe zu Gott bestimmt sein (V. 5-7): Der Apostel gibt hier die genaue Aufgabe der von ihm gesandten Abgesandten an: Um nämlich die in V. 4 erwähnte Gefahr zu vermeiden, hatte er es für nötig gehalten, die Brüder, die Gefährten des Titus, zu bitten, ihm nach Korinth vorauszugehen, damit sie einige Zeit vor ihm selbst dort eintreffen könnten. Auf diese Weise konnten die drei Männer im Voraus das Geschenk vorbereiten, das die Korinther ihnen versprochen hatten. Es war eine Gabe, wörtlich: ein Segen, den sie versprochen hatten, weil sie ihn selbst als Segen aus der Hand Gottes empfangen hatten und weil er durch die Barmherzigkeit Gottes, die durch sie wirkte, den bedürftigen Brüdern zum Segen werden sollte. Indem die Korinther der Bitte des Paulus nachkamen, würden sie ihren Beitrag als wahre Gabe oder Wohltat bereit haben, als eine Sache der freien Liebe ihrerseits, und nicht als eine Sache der Erpressung, die durch das begehrliche Greifen des Apostels aus unwilligen Herzen und Händen gezogen wurde.
Dass nur die Gaben der freien Liebe vor Gott einen Wert haben, unterstreicht Paulus nun in Form eines Sprichwortes: Das aber sage ich: Wer sparsam sät, wird auch sparsam ernten, und wer reichlich sät, wird auch reichlich ernten. Vgl. Spr. 11,24.25. Es ist eine allgemeine Erfahrung, dass der Ertrag, der Lohn, dem Aufwand und der investierten Arbeit angemessen ist. Wenn ein Bauer am Saatgut spart und zu dünn sät, wird seine Ernte entsprechend mager ausfallen; sät er aber entsprechend der Fruchtbarkeit des Bodens, wird er einen reichen Ertrag für seine Arbeit haben. Die Anwendung auf den geistlichen Bereich ist nicht schwierig. Wenn jemand Werke der Liebe scheut, wenn er nur schwer zur Teilnahme an wohltätigen Unternehmungen zu bewegen ist, wird sein Lohn verhältnismäßig gering sein, sein Gnadenlohn wird minderwertig sein. Wer dagegen reichlich sät, mit Segen, als Gabe der freigebigen Liebe, der wird einen Gnadenlohn haben, der mehr als eine volle Entschädigung bedeutet. Vgl. Luk. 6,38. „Denn die Gesegneten werden Lohn haben, einer höher als der andere.“[29] Daran soll sich jeder Christ erinnern, besonders wenn er aufgerufen ist, einen praktischen Beweis für die Gemeinschaft des Glaubens und der Liebe zu geben, die alle Gläubigen vereint. In all unserem irdischen Besitz sind wir nur Verwalter Gottes, die verpflichtet sind, das uns anvertraute Geld nach seinem Willen zu verwalten.
Dass dieses Geben ohne das geringste Ärgernis geschehen muss, ergibt sich aus der Tatsache, dass es aus der Liebe fließt: Jeder so, wie er es in seinem Herzen gewollt hat, nicht mit Groll oder aus Zwang; denn einen fröhlichen Geber liebt Gott. Praktisch alles hängt von der Gemütsverfassung ab, mit der ein Mensch an den Werken der Barmherzigkeit teilnimmt, die uns vom Herrn zur Ausführung gegeben wurden. Wenn ein Mensch in einer mürrischen, düsteren Gemütsverfassung ist, wenn er von Traurigkeit erfüllt ist bei dem Gedanken, sich von dem zu trennen, was er gibt, oder wenn er sich unter Zwang sieht, weil er es nicht gut vermeiden kann, dann wird seine Gabe nicht auf die Zustimmung des Herrn stoßen. Jeder Christ sollte sich dazu entschließen, seinen Anteil an den Aufgaben des Herrn zu erfüllen, ohne zuzulassen, dass solche Gedanken in sein Herz eindringen oder es beherrschen. „Solche fadenscheinigen [heuchlerischen] Werke will Gott nicht [billigt er nicht], aber das Volk des Neuen Testaments soll ein williges Volk sein, Ps. 110,3, und frei opfern, Ps. 54,6.“[30] Die richtige Gesinnung ist diejenige, die ihre Bereitschaft an ihrer Liebe zu Gott misst und fröhlich, schnell und eifrig ist, gemäß dem Spruch, den die griechischen Übersetzer des Alten Testaments als Erläuterung zu Spr. 22,9 hinzugefügt haben. Vgl. 5. Mose 15,10. Auf der einen Seite wird es keinen ungebührlichen Zwang in Sachen karitativer Sammlungen geben, aber auf der anderen Seite wird es eine aufrichtige Freude sein, für den Herrn das zu tun, was jeder Geber nach Möglichkeit geben kann. In Bezug auf ihre Quelle ist sie Gnade; in ihrer Beziehung zum Leben der Kirche ist sie Gemeinschaft, Kommunikation; in ihrer Beziehung zu öffentlichen Dienern ist sie Dienst; in ihren segensreichen Zwecken ist sie Segen; als ein öffentlicher Akt der Frömmigkeit ist sie Dienst oder Gottesdienst.
Gott segnet großzügige Gaben (V. 8-11): Der Apostel ist so erfüllt von seinem Thema, dass seine Worte in einem überwältigenden Strom des Lobes über die vielfältigen Manifestationen der Gnade Gottes in und durch die Korinther hervorsprudeln: Gott hat die Macht, euch alle Gnade reichlich zuteil werden zu lassen. Die Macht und Kraft Gottes ist so groß, dass es für ihn ein Leichtes ist, sie mit jeder Gabe, sowohl zeitlich als auch geistlich, in reichem Maße zu segnen. Und das Ergebnis wird natürlich sein, dass sie, da sie immer alle Genüge haben, zu jedem guten Werk überfließen werden. Der Reichtum der Güte und Barmherzigkeit Gottes ihnen gegenüber ist das höchste Motiv, das die Christen anspornt, alle guten Werke freudig und freiwillig zu tun. Sie haben den Reichtum der Gnade Gottes in Christus Jesus; Gott gibt ihnen genug und mehr als genug an weltlichen Gütern und Gaben: was liegt da näher, als dass sie ihre Wertschätzung und Dankbarkeit in Übereinstimmung mit seinem Willen zeigen? Dieser Vers sollte von den Christen unseres Landes, in dem die große Mehrheit von ihnen so reich gesegnet ist, viel mehr beachtet werden; denn sie leben gewiss unter Bedingungen, die es rechtfertigen, vollkommen zufrieden zu sein, da sie einen ausreichenden Lebensunterhalt nicht nur für die Bequemlichkeiten des Körpers, sondern sogar für den eigentlichen Luxus besitzen.
Paulus veranschaulicht seine Bedeutung und wendet sie auf eine Stelle des Alten Testaments an: Er hat ausgestreut, er hat den Armen gegeben, seine Gerechtigkeit währt ewig, Ps. 112,9. Der wahrhaft barmherzige Mensch, jeder Christ in der Ausführung der guten Werke, die ihm zufallen, streut aus, wie ein Bauer, der sät: er verteilt reichlich nach allen Seiten. Wie Luther sagt, hat der heilige Paulus dieses Wort mit Bedacht gewählt, indem er die Christen ermahnt, reichlich zu geben, damit es ein wahrer Segen sei. Als ob er sagen wollte: Seid nicht so übervorsichtig mit den Pfennigen und Groschen. Wenn ihr geben wollt, gebt fröhlich, als wolltet ihr es in die Welt streuen. So wie den Armen und Bedürftigen unsere Hilfe zugute kommt, so soll sie auch gegeben werden. Und das Ergebnis ist, dass die guten Werke des Spenders als Lohn der Gnade vor Gott im Gedächtnis bleiben, sein gutes Verhalten wird als Schatz vor dem Herrn aufbewahrt. Die Anwendung des Textes ist umfassend: Wer dem Sämann reichlich Samen gibt und Brot zur Speise, der wird auch euren Samen mehren und die Früchte eurer Gerechtigkeit mehren. Wie Gott dem Bauern Saatgut gibt und ihn mit den Ergebnissen seiner Arbeit in Form von Brot und allen anderen Lebensmitteln segnet, so streckt er die Hand seines Segens auch auf dem geistlichen Feld aus. Er selbst, der Eigentümer allen Silbers und Goldes in der Welt, schenkt jedem seiner Verwalter ein solches Maß seiner Freigebigkeit, wie es in dem besonderen Bereich, in dem dieser Christ diese Segnungen anwenden soll, notwendig ist, im Falle der Korinther also in der laufenden Sammlung. Es ist also die Güte und Barmherzigkeit Gottes, die die Früchte der Gerechtigkeit in jedem Christen vervielfältigt und vermehrt. Gott hat also das Recht zu verlangen, dass die Gaben, die er uns anvertraut hat, so verteilt werden, wie er es für richtig hält, und zwar für die wohltätigen Zwecke, auf die er unsere Aufmerksamkeit lenkt.
Da die Korinther und alle Gläubigen fähig sind, in jedem guten Werk reichlich zu sein, folgt daraus auch: Sie werden in allem reich zu allem Wohlwollen, das durch uns Gott zum Dank dient. Reich werden die Gläubigen nicht nach dem Maß des Geldes, das sie gespart und gewonnen haben, sondern nach dem Maß ihrer Nächstenliebe; nicht reich im Horten, sondern reich im Wohlwollen, in der Freigebigkeit, so schätzt Gott die Werte ein. Und nur so wird die Wohltätigkeit der Christen zur Ehre Gottes gereichen, denn durch sie wird sich der Dank vieler zu Gott erheben in einem Hymnus der Dankbarkeit. Ein reines Wohlwollen, das mit einer vollkommenen Einfachheit oder Einfalt des Herzens einhergeht, kennt keine egoistischen Interessen oder schmerzliche Vorahnungen, sondern äußert sich in einer freien und reichlichen Versorgung der Bedürfnisse der anderen, wodurch in ihnen ein Geist der Danksagung an Gott entsteht.
Großzügige Gaben bringen den Segen der Empfänger (V. 12-15): Paulus fügt hier noch ein letztes Motiv für ihren freudigen Beitrag hinzu, nämlich den materiellen und moralischen Nutzen, den die Geschwister in Jerusalem daraus ziehen würden. Das Wort, das der Apostel für den Dienst verwendet, ist das, was sonst für die Formen des christlichen Gottesdienstes verwendet wird. Indem die Korinther sich an dieser Sammlung in der von ihm beschriebenen Weise beteiligten, würden sie tatsächlich am öffentlichen Gottesdienst, an ihrem Dienst für die christliche Gemeinschaft in Jerusalem teilnehmen. Sie würden nicht nur die Bedürfnisse der Heiligen befriedigen, indem sie ihnen das geben, was sie für ihren Lebensunterhalt brauchen, sondern ihr Dienst würde auch durch viele Danksagungen an Gott bereichert werden. Die Armen in Jerusalem hätten Grund, Gott in zweifacher Hinsicht zu danken: für die materielle Hilfe, die sie erhalten würden, und für den Geist, der dadurch von den Brüdern in der Ferne bekundet würde. Letzteres wird vom Apostel hervorgehoben: Denn sie verherrlichen Gott durch den Beweis, den dieser Dienst für den Gehorsam erbringt, der sich aus eurem Bekenntnis zum Evangelium Christi ergibt. Der Empfang dieser höchst willkommenen Hilfe von den Brüdern in der Ferne würde die Christen in Jerusalem notwendigerweise von der Tatsache überzeugen, dass sie in Wahrheit dem Evangelium gehorsam geworden waren, dass ihr Glaube an Jesus Christus in ihnen die wahren Früchte der Liebe wirkte, wovon ihr Akt der Nächstenliebe ein Bekenntnis war. Es war ein echter Gehorsam gegenüber dem Evangelium, den die Glieder der asiatischen, mazedonischen und achaischen Gemeinden durch ihr Handeln der Nächstenliebe, durch die Freigebigkeit ihrer Spende für die Armen in Jerusalem und für alle bekundeten; es zeigte das Vorhandensein einer wirklichen Gemeinschaft des Glaubens und der geistigen Interessen, die in so großartiger Weise tätig war, wo immer die Notwendigkeit der Hilfe bekannt wurde. Mit anderen Worten: „Diejenigen, die einen solchen Beweis erhalten, wie ihn dieser Dienst gibt, werden Gott die Ehre geben für euren Gehorsam gegenüber dem Bekenntnis, das ihr in Bezug auf das Evangelium Christi abgelegt habt, und für die gemeinsame Gemeinschaft mit ihnen und mit allen Christen, die eure einmütige Freigebigkeit zeigt.“
Dass das Gefühl der Gemeinschaft durch die Übergabe dieser Kollekte gestärkt wird, übersieht Paulus auch nicht: Während auch sie, mit Gebeten für euch, in eurem Namen nach euch verlangen wegen der überragenden Gnade Gottes über euch. Die Dankbarkeit der Christen in Jerusalem würde sie dazu veranlassen, Gottes Segen für diese Freunde in den fernen Ländern zu erbitten, von deren Liebe sie so reichlich Zeugnis hatten. Und ganz nebenbei würden sie sich mit einer Zuneigung nach diesen Wohltätern sehnen, an denen das reiche Wirken der Gnade Gottes so außergewöhnliche Ergebnisse gezeigt hatte. Es ist immer so: Wenn Christen die freien Gaben ihrer Liebe zur Linderung der Nöte und Sorgen entfernter Glaubensgenossen senden, werden diese mit ihnen im Geiste enger verbunden sein als zuvor, die gegenseitige Zuneigung wird verstärkt, die gegenseitigen Gebete werden inbrünstiger. Kontinente und Ozeane mögen die Christen trennen, aber das Bewusstsein desselben Glaubens, derselben Überlieferung, das durch ein Zeichen der Gemeinschaft zum Ausdruck kommt, wird ihre Herzen enger verbinden als die engste irdische Beziehung.
Als Paulus dieses wunderbare Ergebnis der göttlichen Gnade in der Gemeinde von Korinth betrachtet, erhebt sich aus der Tiefe seiner Seele ein Ausbruch heiliger Dankbarkeit: Gott sei Dank für seine unaussprechliche Gabe! Ohne das Evangelium von Jesus Christus und seiner Erlösung wäre ein solches Ergebnis in dieser Gemeinde nicht möglich gewesen, die noch wenige Jahre zuvor nicht einmal von den armen Gläubigen in Judäa gehört hatte. Aber die wunderbare Gabe Christi selbst, Joh. 3,16; Jes. 9,6, und das Heil in ihm hatte diese Verwandlung in den Herzen der korinthischen Christen bewirkt, hatte diese dankbare Wertschätzung bewirkt, die so reiche Frucht in ihrem Leben trug, die sie so bereitwillig machte, ihren Glauben durch die Gaben ihrer Hände zu bezeugen. Dieselbe Kraft ist auch heute in der christlichen Kirche am Werk und sollte zu jeder Zeit in anbetungsvoller Dankbarkeit gebührend anerkannt werden.
Zusammenfassung: Paulus erinnert die Korinther an ihre Bereitschaft, ihren Anteil an der Kollekte beizusteuern, die als Ansporn für andere gewirkt hat; er fordert sie auf, ihren Beitrag bis zu seiner Ankunft in Korinth bereitzuhalten; er erinnert sie daran, dass großzügiges Geben gesegnet ist, und ruft den Segen der Empfänger herbei.
Des Paulus apostolische Autorität (10,1-18)
1 Ich aber, Paulus, ermahne euch durch die Sanftmütigkeit und Lindigkeit
Christi, der ich gegenwärtig unter euch demütig bin, abwesend aber bin ich
dreist gegen euch. 2 Ich bitte aber, dass mir nicht not sei, gegenwärtig dreist
zu handeln und die Kühnheit zu gebrauchen, die man mir zumisst, gegen etliche,
die uns schätzen, als wandelten wir fleischlich. 3 Denn ob wir wohl im Fleisch
wandeln, so streiten wir doch nicht fleischlich. 4 Denn die Waffen unserer
Ritterschaft sind nicht fleischlich, sondern mächtig vor Gott, zu zerstören die
Befestigungen, 5 damit wir zerstören die Anschläge und alle Höhe, die sich
erhebt gegen die Erkenntnis Gottes und nehmen gefangen alle Vernunft unter den
Gehorsam Christi 6 und sind bereit, zu rächen allen Ungehorsam, wenn euer
Gehorsam erfüllt ist.
7 Richtet ihr nach dem Ansehen? Verlässt sich jemand darauf, dass er
Christus angehöre, der denke solches auch wiederum bei sich, dass, gleichwie er
Christus angehört, so gehören wir auch Christus an. 8 Und so ich auch etwas
weiter mich rühmte von unserer Gewalt, welche uns der HERR gegeben hat, euch zu
bessern und nicht zu verderben, wollte ich nicht zuschanden werden. 9 (Das sage
ich aber,) dass ihr nicht euch dünken lasst, als hätte ich euch wollen
schrecken mit Briefen. 10 Denn die Briefe (sprechen, sie) sind schwer und
stark; aber die Gegenwart des Leibes ist schwach und die Rede kraftlos. 11 Wer
ein solcher ist, der denke, dass, wie wir sind mit Worten in den Briefen in
Abwesenheit, so dürfen wir auch wohl sein mit der Tat gegenwärtig.
12 Denn wir wagen nicht, uns unter die zu rechnen oder zu zählen, die
sich selbst loben; aber dieweil sie sich bei sich selbst messen und halten
allein von sich selbst, verstehen sie nichts. 13 Wir aber rühmen uns nicht über
das Ziel, sondern nur nach dem Ziel der Regel, damit uns Gott abgemessen hat
das Ziel, zu gelangen auch bis an euch. 14 Denn wir fahren nicht zu weit, als
wären wir nicht gelangt bis zu euch; denn wir sind ja auch bis zu euch gekommen
mit dem Evangelium Christi. 15 Und rühmen uns nicht über das Ziel in fremder
Arbeit und haben Hoffnung, wenn nun euer Glaube in euch gewachsen ist, dass wir
unserer Regel nach wollen weiter kommen 16 und das Evangelium auch predigen
denen, die jenseits euch wohnen, und uns nicht rühmen in dem, was mit fremder
Regel bereitet ist. 17 Wer sich aber rühmt, der rühme sich des HERRN. 18 Denn
darum ist einer nicht tüchtig, dass er sich selbst lobt, sondern dass ihn der
HERR lobt.
Paulus will seine Autorität nicht mit Strenge ausüben (V. 1-6): Während Titus aus Korinth ermutigende Nachrichten über die Kirchenzucht und die anhaltende Bereitschaft der korinthischen Christen, sich an der Armensammlung in Jerusalem zu beteiligen, mitbrachte, war sein Bericht insofern weniger günstig, als er die judaisierenden Lehrer, die Gegner des Paulus, als immer noch gefährlich aktiv darstellte. Wir stellen also fest, dass sich der Ton der Rede des Apostels in diesem letzten Abschnitt seines Briefes entschieden geändert hat. Während seine Hingabe an die korinthische Gemeinde immer noch offensichtlich ist, sieht er sich gezwungen, zu strengen Befehlen zu greifen, die nicht ohne Ironie und Sarkasmus sind. Während er immer noch die Tendenz zeigt, zärtlich mit den Gliedern der Gemeinde umzugehen, ist er entschlossen, mit aller Strenge gegen diejenigen vorzugehen, die seine Autorität angegriffen haben.
Es ist ein dringender Appell, den Paulus an die Korinther richtet: Ich selbst, Paulus, beschwöre euch in der Demut und Sanftmut des Christus. Er stellt seine Person in den Vordergrund, und zwar ganz bewusst; er macht die Autorität, die er empfangen hat, zum Thema, um das er streitet. Deshalb lässt er den Plural weg, in den er gewöhnlich auch seine Mitarbeiter einschloss, und stellt sich selbst als Einzelperson gegen diese Irrlehrer. Er bittet oder fleht noch immer, obwohl er auch hätte befehlen können. Und er tut dies mit der Sanftmut oder Demut und mit der Sanftmut oder Milde von Christus. Der Geist Christi, der immer gütig und sanftmütig, langsam zum Zorn und eifrig zum Verzeihen war, lebte in dem Apostel und trieb ihn in dieser schwierigen Situation an. Mit einem Anflug von Sarkasmus nimmt er den Spruch auf, den die Gegner über ihn verbreitet hatten: Ich bin zwar vor eurem Angesicht demütig unter euch, aber da ich abwesend bin, bin ich kühn gegen euch. Das war die spöttische Rede, der die Korinther Gehör geschenkt hatten, denn seine persönlichen Feinde hatten die Schwäche, mit der er nach Korinth kam, als Feigheit, als Mangel an Vertrauen und Mut gedeutet, V. 10.
Deshalb wiederholt Paulus seinen Appell: Ich bitte euch aber, dass ich, der ich hier bin, nicht mit der Zuversicht, mit der ich mich kühn zu machen gedenke, gegen einige auftrete, die von uns denken, als ob wir nach dem Fleisch wandelten. Durch die Verwendung des Wortes „bitten“ oder „beten“ zeigt der Apostel hier seinen wachsenden Ernst an; er bittet sie, ihr Denken und Handeln gut zu überdenken. Denn wenn sie weiterhin auf die Verleumder seines guten Namens hören, bleibt ihm nichts anderes übrig, als der Situation mit Mut und Strenge zu begegnen, und zwar auf der Grundlage des Vertrauens, das unter den gegebenen Umständen notwendig erscheint. Er wird sich gezwungen sehen, entschlossen zu sein und gegen bestimmte Männer in ihrer Mitte mutig vorzugehen. Diese Männer bezeichnet er als Verleumder, weil sie mit ihrer Meinung über Paulus und die anderen wahren Lehrer andeuteten, dass das Verhalten und die Handlungsweise des Paulus nicht allein von geistlichen Erwägungen bestimmt waren, sondern dass Schwäche, Menschenfurcht, der Wunsch, in der Gunst aller Menschen zu bleiben, und andere fleischliche Motive die bestimmenden Faktoren waren.
Die Antwort des Paulus auf diese Andeutungen ist kurz, aber nachdrücklich: Denn wenn wir auch im Fleisch wandeln, so führen wir doch keinen Krieg nach dem Fleisch. Paulus lebte in der Tat hier auf der Erde, im Leib dieses schwachen Fleisches, mit all den sündigen Gebrechen, mit denen dieses Werkzeug immer zu kämpfen hat. Aber sein Verhalten als Apostel entspricht nicht dem Diktat einer schwachen und sündigen Natur. Mehr noch, obwohl er in der Tat einen Kampf führt und sein ganzes Amt in seinen zahlreichen Auseinandersetzungen mit den verschiedenen feindlichen Mächten ein Kampf gegen das Böse ist, wird er nicht von fleischlichen Erwägungen geleitet, wie seine Feinde meinen, die selbst von ihnen beseelt sind. Die Situation ist vielmehr die folgende: Denn die Waffen unseres Kampfes sind nicht fleischlich, sondern durch Gott mächtig zur Zerstörung von Festungen. Dies wird als Klammer hinzugefügt, um die Tatsache des Kriegführens zu erklären. In dem geistlichen Krieg, den die Kirche Christi und jeder Gläubige führen muss, ist nicht nur die physische, politische Macht ausgeschlossen, sondern auch jede Waffe, die sich auf menschliche Fähigkeiten, Verstand und Macht verlässt und von irgendeinem fleischlichen Motiv, der Liebe zur Ehre, zum Reichtum, zum Einfluss und anderem angetrieben wird. Von solchen Waffen wird die Kirche Christi und der einzelne Prediger niemals Gebrauch machen; sie gehören nicht zur Rüstung der Soldaten Christi. Unsere Kampfmittel sind vielmehr solche, die ihre außerordentliche Kraft von Gott erhalten, durch seine allmächtige Stärke, Eph. 6,11-18. Mit diesen Waffen, unter denen das Wort Gottes als unsere Rüstung an erster Stelle steht, werden alle Befestigungen und Festungen der Widersacher, vor allem solche, die den Fortschritt der Sache Gottes und das Werk der Erlösung behindern sollen, umgestürzt und völlig zerstört, wie der heidnische Götzendienst, die pharisäische Selbstgerechtigkeit und Heuchelei, der griechische Weisheitsstolz, die vielen Irrlehren Roms und die Heerscharen moderner Feinde der Bibelwahrheit.
Der Apostel setzt nun den Gedanken von V. 3 fort: Er stürzt alle Vernunft und alle hohen Mauern, die gegen die Erkenntnis Gottes errichtet sind, und führt alle Gedanken gefangen in den Gehorsam Christi. Die Überlegungen der menschlichen Weisheit sind das Zentrum der Macht des Feindes, weil sie dem geoffenbarten Wort Gottes unabänderlich entgegenstehen. Das Evangelium ist keine Zusammenfassung von Lehren, die man mit der Vernunft erklären kann: Obwohl es kein irrationales System ist, übersteigt es doch die Möglichkeiten der menschlichen Vernunft. Deshalb müssen alle vernünftigen Philosophien verworfen werden, wenn das Wort des Evangeliums Eingang in das Herz finden soll. So muss auch jede Höhe, jede menschliche Spekulation, die gegen die Erkenntnis Gottes, wie sie in der Heiligen Schrift offenbart ist, errichtet wird, niedergerissen und entfernt werden. Von der Mauer des Feindes muss ein Stein nach dem anderen niedergerissen werden, ganz gleich, wie sehr er sich bemüht, seinen Platz zu behaupten. Das militärische Bild von der Zerstörung herausragender Festungen oder Bollwerke, vom Niederreißen der Mauern feindlicher Städte, wird auch in den Worten fortgesetzt: Und führe gefangen, unterwerfe alle Gedanken dem Gehorsam Christi. Anstatt der Vernunft zu erlauben, die Autorität an sich zu reißen und das Wort Gottes zu beherrschen, muss der Intellekt, die Vernunft des Menschen, in allen Dingen von der geoffenbarten Wahrheit des Herrn geleitet werden. Nur wenn die menschliche Vernunft durch die Kraft des Geistes im Wort dem Gehorsam Christi unterworfen wird und sich in allem der geoffenbarten Wahrheit unterordnet, kann sie ihre Kräfte tatsächlich einsetzen, vor allem im direkten oder indirekten Dienst für Christus. Die von der Gotteserkenntnis erleuchtete Vernunft versucht nicht, in die Geheimnisse des Wesens Gottes einzudringen, sondern findet ihre Freude daran, die Schönheiten und Kräfte des Evangeliums und der Offenbarung Gottes in allen ihren Einzelheiten zu entfalten.
Dieser Forderung, dass alle der apostolischen Verkündigung unterworfen sein sollten, folgte der Apostel so weit, dass er sich bereithielt, allen Ungehorsam zu rächen, wenn der Gehorsam der Korinther erfüllt sein würde. Nicht alle Glieder der korinthischen Gemeinde waren dem Evangelium so gehorsam, wie Paulus es wollte; denn die Kraft des Evangeliums ist nicht die eines unwiderstehlichen Zwanges. Wenn es aber solche gab, die in ihrem Ungehorsam verharrten, erklärte sich Paulus hier bereit, das äußerste Mittel anzuwenden, den Ungehorsam durch Exkommunikation zu rächen. Er erwartet von der ganzen Gemeinde, dass sie ihren Gehorsam gegenüber Christus vollendet, dass sie in ihrer Treue zum Herrn fest und endgültig gefestigt ist. Sollte jemand bei seinem Kommen noch widerstrebend sein, so würde seine Bestrafung gewiss auf die Art und Weise erfolgen, wie die Kirche seit jeher mit denjenigen umgeht, die den Gehorsam gegenüber dem Evangelium im Glauben verweigern.
Des Paulus Autorität ist kraftvoll (V. 7-11): Mit diesem Gedanken, dass er allen Ungehorsam gegen seine apostolische Verkündigung gebührend rächen wird, kehrt Paulus zu dem Gedanken von V. 1 zurück, denn seine Verleumder hatten seine Nachsicht und Geduld als Feigheit ausgelegt. Er wendet sich deshalb an diejenigen, die auf die Verleumder hörten: Schaut ihr auf die Dinge, die vor eurem Gesicht liegen? Sie achteten auf Äußerlichkeiten und urteilten nach ihnen und taten ihm damit schweres Unrecht. Denn nicht ein souveränes Auftreten und die Fähigkeit, sich bei den Menschen einzuschmeicheln, bestimmen den Wert des Apostels, sondern die Tatsache der von Christus abgeleiteten Autorität. Wenn es solche in der Gemeinde in Korinth gab, wollte Paulus sie wissen lassen, dass, wenn jemand die Gewissheit, das Vertrauen hatte, zu Christus zu gehören, sei es seiner Person oder seinem Amt nach, er die Tatsache, die ihm zuvor gesagt wurde, noch einmal bedenken sollte, er sollte es in sich selbst begründen, dass Paulus und seine Lehrerkollegen ebenso eindeutig und sicher Jünger und Lehrer Christi waren. So viel zumindest sollten sie ihm zugestehen (mit einem weiteren sarkastischen Vorstoß), dass er einen Platz an ihrer Seite in der Kirche Christi erhält. Das war eine äußerst wirksame Art, seine apostolische Autorität zu bekräftigen.
Genauso sanft und wirkungsvoll bringt er dies aber auch im nächsten Satz zum Ausdruck: Wenn ich mich nämlich unserer Autorität, die uns der Herr zur Erbauung und nicht zu eurem Verderben gegeben hat, etwas mehr rühmen sollte, so soll ich mich nicht schämen, damit es nicht so aussieht, als ob ich euch durch meine Briefe erschrecken wollte. Sollten seine Gegner so weit gehen, ihm sogar das Recht abzusprechen, als Mitjünger an der Seite der korinthischen Christen zu stehen, könnte ihn diese Tatsache zu dem veranlassen, was er nicht tun wollte, nämlich sich zu rühmen. Sollte er aber tatsächlich so weit getrieben werden, dass er seine Person vorbringen muss, dass er auf seiner Autorität beharren muss, die, wie er seine Leser daran erinnert, den Zweck hat, zu ihrer Auferbauung im Glauben und in der Erkenntnis zu dienen und sie nicht zu stürzen, so wäre er in seinen zuversichtlichen Worten völlig berechtigt. Denn wenn er in einem so strengen Ton schreibt, will er sie nicht erschrecken oder einschüchtern, sondern aufbauen. Selbst wenn die Vollmacht zum Binden angewandt werden sollte, wäre ihr Zweck die Rettung von Seelen, nicht die Zerstörung und Zerstreuung der Gemeinde. Er war eher bereit, das Gerücht zu ertragen, er sei feige, als die ihm vom Herrn verliehene Vollmacht in ungerechtfertigter Weise anzuwenden.
Aber die Autorität war dennoch seine, wie er mit Bezug auf die Berichte behauptet, die von seinen Feinden verbreitet wurden, die sagten, dass seine Briefe gewichtig und mächtig seien, dass er in seinen Briefen Ausdrücke benutze und Drohungen ausspreche, die wichtig, eindrucksvoll und eindringlich seien. Aber sie rieten den Menschen, sich nicht einschüchtern zu lassen, denn seine körperliche Präsenz sei schwach und seine Rede verachtenswert. Sie deuteten an, dass seine körperliche Präsenz nicht befehlend war, dass es ihr an Kraft fehlte, genauso wie seine mündlichen Anweisungen mit Verachtung aufgenommen worden waren. Es scheint, dass Paulus zwar ein fähiger und wirksamer Redner war, dass aber seine übermäßige Demut in Korinth es nicht zuließ, dass diese Tatsachen richtig zur Geltung kamen, und das Ergebnis war, dass er in den Augen seiner Feinde geradezu lächerlich erschien. Aber die Antwort des Paulus an solche Leute lautet: Ein solcher Mensch möge bedenken, dass wir, wie wir in der Abwesenheit in Worten und Briefen schweigen, so auch in der Tat sind, wenn wir anwesend sind. Es würde ihm ein Leichtes sein, seine wohlwollende Sanftmut abzulegen und sowohl im Auftreten als auch in der Rede als Apostel des Herrn aufzutreten, ausgestattet mit einer Autorität, deren Macht sie bald spüren würden. Er würde ihnen die vollkommene Harmonie zwischen seinen Drohungen und der Ausführung seiner Worte zeigen; sein persönlicher Einfluss würde sich als ebenso wichtig und energisch erweisen wie der, den er in seinen Schriften gezeigt hatte.
Paulus kommt auf die Arbeit zu sprechen, die er gegenwärtig aus Apostel ausführt (V. 12-18): Paulus zeichnete sich dadurch aus, dass er sich im Gegensatz zu seinen arroganten Gegnern auf das ihm aufgetragene Werk beschränkte und sich nicht in die Angelegenheiten anderer einmischte. Mit feiner Ironie schreibt er: Denn wir wagen es nicht, uns die gleiche Würde anzumaßen, uns selbst zu zählen oder uns mit einigen zu vergleichen, die sich selbst loben. Er hat einfach nicht den Mut, sich in die Reihe derer zu stellen, die so hochzufrieden und zufrieden mit sich selbst sind: seine Schüchternheit würde es ihm nicht erlauben, sich in die gleiche Reihe, auf die gleiche Stufe zu stellen. Aber er weist sofort auf die Torheit der Haltung seiner Feinde hin: Sie aber, die sich an sich selbst messen und mit sich selbst vergleichen, sind nicht weise. Die Schwäche ihrer Position zeigt sich darin, dass sie keinen Maßstab haben, an dem sie ihre Leistungen in angemessener Weise messen können; sie kennen keinen anderen Maßstab als ihre eigene Meinung, und deshalb muss ihre selbstgefällige Selbstzufriedenheit zu einem falschen Urteil führen. So lässt Paulus sie in der Torheit ihrer Selbstbeweihräucherung zurück; jede Anstrengung zu ihren Gunsten scheint von vornherein vergeblich.
In scharfem Kontrast dazu sagt er von sich selbst: Aber wir rühmen uns nicht über das Maß hinaus oder ohne Anwendung eines angemessenen Maßstabs, sondern nach dem Maß der Regel, die Gott uns als Maßstab zugedacht hat, um auch euch zu erreichen. Im Gegensatz zu seinen Gegnern, die keinen Maßstab, kein Kriterium hatten, an dem sie sich orientieren konnten, sondern nur ihre eigene Selbstzufriedenheit, die sie daran hinderte, die Dinge richtig zu beurteilen, hatte Paulus eine bestimmte Regel und einen bestimmten Wirkungskreis, an dem und in dem er seine Leistungen in seinem Dienst messen konnte. Er hatte einen Einflussbereich, eine offizielle Aufgabe, die ihm von Gott zugewiesen worden war. Ihm war ein bestimmtes Gebiet zugewiesen worden, in dem er arbeiten sollte, und für die Arbeit, die er in diesem Bereich leistete, erwartete er kein Lob, das auf eingebildeter Vortrefflichkeit beruhte, sondern ein solches, das nach dem vom Herrn gesetzten Maßstab gegeben wurde. Durch diese Anordnung Gottes erstreckte sich das Maß des Paulus sogar bis nach Korinth, damals die äußerste westliche Grenze von Paulus' Predigttätigkeit. So baute er nicht auf dem Fundament eines anderen, Röm. 15,20, er erwartete kein Lob für ein Werk, das er nicht selbst vollbracht hatte, 1. Kor. 3,10. Und was Korinth betraf, so hatte ihn der Herr selbst in einer sehr ungewöhnlichen Weise für den Dienst in dieser Stadt bestätigt, Apg. 18,9.10.
Dieser Gedanke wird in den nächsten Versen noch ausführlicher ausgeführt: Denn nicht, als ob wir euch nicht erreichten, strecken wir uns über unser Maß hinaus. Als Paulus nach Korinth kam und in dieser Stadt missionierte, maßte er sich keine Rechte an und beanspruchte für sich ein Gebiet, das ihm nicht gehörte. Diese Tatsache hätte sein Rühmen eitel und tadelnswert gemacht, nämlich dann, wenn der Herr ihm dieses Feld nicht zur Arbeit gegeben hätte. In Wirklichkeit aber kam Paulus mit dem Evangelium Christi bis zu den Korinthern, und er kam als der erste Missionar, der in ihrer Mitte wirkte; das Evangelium Christi war das Element, in dem er sich bewegte, und die Botschaft, die er gerne verkündigte. Paulus hatte also recht, wenn er behauptete, dass er sich nicht über die Maßen rühmte, d.h. in der Arbeit anderer Menschen, eine Möglichkeit, die er immer mit größter Sorgfalt vermied, Röm. 15,20. Und so hatte er auch die Hoffnung, dass, wenn ihr Glaube gewachsen war, oder in dem Maße, in dem ihr Glaube wuchs, er in ihnen verherrlicht werden würde, das heißt, dass ihm die Arbeit, die er für den Herrn in ihrer Mitte getan hatte, gebührend angerechnet werden würde. Und nicht nur das, sondern er würde auch von ihren wachsenden Gemeinden mit ihrem wachsenden Glauben und ihrer wachsenden Kenntnis unterstützt werden, um weitere und wichtigere Ergebnisse zu erzielen. Mit ihrem wachsenden Glauben und der entsprechenden Zunahme seiner Kraft, seine Aufgaben zu erfüllen, würde er in der Lage sein, voranzuschreiten und den Bereich seiner Arbeit zu erweitern, um das Evangelium auch in Regionen zu predigen, die noch unbekannt waren, in Westgriechenland, in Italien, in Spanien. Er rühmte sich also nicht mit dem, was andere für ihn vorbereitet hatten, und hatte nicht die Absicht, sich die Früchte der Arbeit anderer anzueignen, wie es seine Gegner getan hatten, und sich so einen unverdienten Ruf der Größe zu verschaffen. Mit dieser Aussage nahm er auch seinen Gegnern allen Ruhm, als ob sie in Korinth unentbehrlich wären, denn die Gemeinde stand unter der apostolischen Obhut des Paulus und wurde vorbereitet, ohne dass es an irgendeiner Gabe der Barmherzigkeit fehlte.
Zum Schluss erinnert Paulus die Korinther an das prophetische Wort: Wer sich aber rühmt, der rühme sich in dem Herrn, Jer. 9,24. Das ist die allgemeine Regel in der Kirche. Es mag Zeiten und Umstände geben, in denen es notwendig ist, sich zu rühmen, aber es sollte nie in einer Weise geschehen, die die eigene Person übermäßig zur Geltung bringt. Alle Ehre gebührt Gott allein, und sie muss ihm zu jeder Zeit gegeben werden. Denn nicht der, der sich selbst rühmt, wird anerkannt, sondern der, den der Herr rühmt. Jeder Christ, der sich selbst und seine eigenen Errungenschaften in der Kirche zur Schau stellt; jeder Prediger, der sich selbst und nicht Jesus Christus, den Herrn, verkündet, wird nicht gelobt, sondern getadelt werden. Nur derjenige, der das Zeugnis des Herrn als treuer Diener empfangen hat, wie Paulus, Kap. 3,1-3, hat, kann das Gefühl haben, dass er die richtige Legitimation vom Herrn hat. "Gott lobt und preist nur die, die alles Lob, das ihnen zuteil wird, zurückweisen und auf Gott richten, die nicht wollen, dass man ihre Werke sieht, sondern nichts anderes wollen, als dass ihr Vater im Himmel gepriesen wird, dessen Namen sie lieben. Darum lobt und ehrt Gott sie auch.“[31]
Zusammenfassung: Paulus bittet und fleht die Korinther an, ihn nicht zur Strenge zu zwingen, denn seine apostolische Autorität ist echt und mächtig, und sein Auftrag ist ihm vom Herrn anvertraut worden.
Der wahre Apostel und die falschen Lehrer (11,1-15)
1 Wollte Gott, ihr hieltet mir ein wenig Torheit zugut! Doch ihr haltet mir’s wohl zugut. 2 Denn ich eifere um euch mit göttlichem
Eifer. Denn ich habe euch vertraut einem Mann, dass ich eine reine Jungfrau
Christus zubrächte. 3 Ich fürchte aber, dass, wie die Schlange Eva verführte
mit ihrer Schalkheit, also auch eure Sinne verrückt werden von der
Einfältigkeit in Christus. 4 Denn wenn, der da zu
euch kommt, einen anderen Jesus predigte, den wir nicht gepredigt haben, oder
ihr einen anderen Geist empfingt, den ihr nicht empfangen habt, oder ein
anderes Evangelium, das ihr nicht angenommen habt, so vertrügt ihr’s.
5 Denn ich achte, ich sei nicht weniger, als
die hohen Apostel sind. 6 Und ob ich ungeschickt bin mit Reden, so bin ich‘s
doch nicht in der Erkenntnis. Doch, ich bin bei euch allenthalben wohlbekannt.
7 Oder habe ich gesündigt, dass ich mich erniedrigt habe, damit ihr erhöht
würdet? Denn ich habe euch das Evangelium umsonst verkündigt 8 und habe andere
Gemeinden beraubt und Lohn von ihnen genommen, damit ich euch predigte. 9 Und
da ich bei euch war gegenwärtig und Mangel hatte, war ich niemand beschwerlich
(denn meinen Mangel erstatteten die Brüder, die aus Mazedonien kamen); und habe
mich in allen Stücken euch unbeschwerlich gehalten und will auch noch mich so
halten.
10 So gewiss die Wahrheit Christi in mir ist, so soll mir dieser Ruhm in
den Ländern Achajas nicht gestopft werden. 11 Warum
das? Dass ich euch nicht sollte liebhaben? Gott weiß es. 12 Was ich aber tue
und tun will, das tue ich darum, dass ich die Ursache abhaue denen, die Ursache
suchen, dass sie rühmen möchten, sie seien wie wir. 13 Denn solche falschen
Apostel und betrügerische Arbeiter verstellen sich zu Christi Aposteln. 14 Und
das ist auch kein Wunder; denn er selbst, der Satan, verstellt sich zum Engel
des Lichts. 15 Darum ist es nicht ein Großes, ob sich auch seine Diener
verstellen als Prediger der Gerechtigkeit; welcher Ende sein wird nach ihren
Werken.
Paulus tadelt den Geist, der der falschen Lehre Gehör schenkt (V. 1-4): Der Apostel hatte die falsche Prahlerei der Gegner verurteilt, die nach Korinth gekommen waren und die Wirkung seines Werkes zu verderben drohten. Nun fährt er mit demselben Thema und in ähnlichem Tonfall fort und erteilt den Korinthern eine Zurechtweisung, die er mit großem Geschick einführt: "Ich wünschte, ihr könntet mich in einigen Torheiten ein wenig ertragen; ja, ertragt mich! In seinem Bemühen, den Einfluss zu zerstören, der seinen Wünschen zuwiderlief, und die Arbeit der Irrlehrer zu untergraben, die ihn verunglimpften. Paulus unterstreicht seine apostolische Autorität mit leidenschaftlichem Ernst, während er sie offenbar auf die leichte Schulter nimmt. Es mag einigen von ihnen wie Unsinn erscheinen, was er hier erörtert, sein Appell mag ihnen wie Spott erscheinen, aber in Wahrheit ist es eine Verteidigung seiner Position, die von ihm durch die Heiligkeit der auf ihm ruhenden Verpflichtung verlangt wird. Um seinen Dienst zu rechtfertigen, müsste er in der Tat viel von sich selbst, von seinen Leiden und Erfolgen sprechen; aber das war nicht eitel, wie manche meinen könnten, sondern unter den gegebenen Umständen eine dringende Notwendigkeit.
Das geht schon aus den nächsten Worten hervor: Denn ich bin eifersüchtig auf euch mit göttlichem Eifer; denn ich habe euch mit einem Mann verlobt, um euch Christus als reine Jungfrauen darzustellen; aber ich fürchte, dass, wie die Schlange Eva durch ihre List verführte, euer Sinn von der Einfalt zu Christus verführt werden könnte. Paulus bezieht sich hier nicht auf die Eifersucht des Ehemannes, sondern auf den amtlichen Eifer des Paranphems oder Bräutigams, der sowohl bei den Juden als auch bei den Griechen die Verlobung arrangierte und es zur Ehrensache machte, dafür zu sorgen, dass die Jungfrauen ordnungsgemäß erzogen und auf das Eheleben vorbereitet wurden, und der vor allem dafür bürgte, dass ihre Keuschheit ungetrübt war. Paulus deutet also an, dass der gegenwärtige Stand der Dinge in Korinth auf seine Ehre zurückfällt, als hätte er seine Arbeit nicht gut gemacht, als wäre er nicht vorsichtig gewesen. Er deutet auch an, dass er sich über die Einmischung von Konkurrenten ärgert, die sich mit Angelegenheiten befassen, die nicht zu ihrem Geschäft gehören. Mit göttlichem Eifer war er eifersüchtig, er war besorgt im Namen Gottes. Denn als Teil seiner Amtspflichten hatte er die korinthischen Christen als christliche Gemeinde, als Teil der Kirche Christi, mit ihrem Herrn verlobt oder vermählt, in der Absicht und unter dem Eindruck, Christus eine reine, keusche Jungfrau zu schenken, unbefleckt von jeder Irrlehre oder Untreue im Leben. Luther sagt dazu: „Damit zeigt er, dass das Apostolat nichts anderes ist als das Amt eines Buhlers oder Bräutigams, der täglich seine Braut zubereitet und zu Christus führt.“
Aber Paulus drückt eine tiefe Enttäuschung und Furcht aus, dass nämlich die Reinheit und unbefleckte Jungfräulichkeit, auf die er so stolz war, durch das Wirken der Irrlehrer verdorben worden sein könnte, dass ihr Geist von der Einfalt und Einmütigkeit gegenüber Christus weggeführt worden sein könnte, so wie die Schlange Eva durch ihre vielen Künste völlig verführt hat, Gen 3. Wie im Garten Eden ist der Satan, der Versucher der Menschen, unaufhörlich tätig und verführt sie zu Unglauben, Verzweiflung und anderen großen Schandtaten und Lastern. Dies, so befürchtet Paulus, war in Korinth geschehen, denn es schien, dass die Glieder dieser Gemeinde sich nur allzu willig gezeigt hatten, fremden Lehren Gehör zu schenken; ihr Geist war nicht mehr mit lauterem Herzen auf Christus gerichtet, sondern sie schenkten vielmehr der Stimme des Verführers Gehör. Paulus will damit kurz und bündig sagen: „Aber etwas beunruhigt mich und macht mir Sorgen, ja, ich bin eifersüchtig und eifrig um euch (doch mit göttlichem Eifer, nicht aus Zorn oder Hass), dass ich euch niemandem sonst überlasse; denn ich fürchte nichts so sehr, als dass der Teufel euch von Christus weglockt. So wie es Eva im Paradies erging, die auch eine schöne Braut war, geschmückt mit vielfältigem Schmuck, sowohl äußerlich als auch geistlich, göttlich und gehorsam und Gott untertan. Aber der Teufel verführte sie und verleitete sie zur Sünde, so dass sie Gott verließ und dem Ehebrecher folgte und uns alle mit ihr in das Unglück führte, in dem wir jetzt stecken. Deshalb, sagt er, mache ich mir Sorgen um euch, die ihr wieder zu Christus gebracht und seine Braut geworden seid. Denn die Gefahr ist groß, da der Teufel die Christenheit unaufhörlich angreift und da wir schwach sind, und ihr müsst euch hüten und mit allem Eifer auf der Hut sein, damit ihr nicht durch die List und Tücke des Satans vom Wort und vom Gehorsam Christi, unseres Herrn, der euch geliebt und sich für euch hingegeben hat, weggeführt werdet.“[32]
Der Apostel erhärtet seinen Verdacht: Denn wenn derjenige, der kommt, einen anderen Jesus predigen würde, den wir nicht gepredigt haben, oder ihr einen anderen Geist empfangen würdet, den ihr nicht angenommen habt, oder ein anderes Evangelium, das ihr nicht angenommen habt, so könnt ihr ihn gut ertragen! Wankelmütigkeit und leichtgläubige Neugier scheinen Kennzeichen neu gegründeter Gemeinden zu sein, denn es fehlt ihnen noch das solide lehrmäßige Fundament, das notwendig ist, um gegen Versuchungen und Verfolgungen aller Art standhaft zu bleiben. Wenn jemand kommt, egal wer er ist und ob er eine Berufung oder Autorität hat oder nicht, zeigten die Korinther eine Toleranz und eine Bereitschaft, ihn zu hören, die sicherlich gut zu ihrer angenommenen Weisheit passte, wie der Apostel ironisch bemerkt. Denn da waren die Irrlehrer, die frech darauf bestanden, dass sie wirklich den vollständigen und vollkommenen Christus verkündeten, dass ihr Verständnis von Jesus so viel umfassender sei als das des Paulus. Dieser aber reißt ihnen die Maske vom Gesicht und erklärt, der Christus, den sie verkündeten, sei nicht der Christus des Evangeliums, sondern ein anderer Christus, ein Hirngespinst; denn Christus sei kein neuer Gesetzgeber. So behaupteten auch die Irrlehrer, dass sie den Geist richtig und in rechtem Maß vermittelten, wie es der Stadt Korinth mit ihren kulturellen und gelehrten Traditionen entsprach. Aber Paulus nennt das einen anderen Geist, der nichts mit dem wahren Geist der Heiligkeit gemein hat, der durch die reine Verkündigung des Evangeliums gegeben wird. Die Irrlehrer hatten sich stolz als die wahren Verkünder der Heilsbotschaft präsentiert; aber Paulus erklärt, dass ihre Verkündigung ein anderes Evangelium ist, das nichts mit der Botschaft der Erlösung durch das Blut Christi gemein hat. Vgl. Gal. 1,6-9. Anmerkung: Die Beschreibung der Irrlehrer, wie sie hier gegeben wird, passt in bemerkenswerter Weise zu den Lehrern unserer Tage, die sich in der Kirche erheben und seelenruhig einen neuen Christus, einen anderen Geist, ein soziales Evangelium verkünden. Und, ach! sie finden viele, deren leichtfertige Akzeptanz von Neuem sie dazu bringt, die glitzernden Phrasen fein zu ertragen.
Paulus ist nicht weniger als die „großen Apostel“ (V. 5-9): Der Apostel greift hier die Gründe auf, warum seine apostolische Autorität von den Irrlehrern in Frage gestellt wurde, nämlich, dass er kein geübter Redner war und dass er keine Unterstützung durch die Gemeinde in Korinth beansprucht hatte. Mit beißendem Sarkasmus schreibt er: Ich denke, dass ich in keinem Punkt hinter den sehr überlegenen, diesen superfeinen Aposteln zurückgeblieben bin. Die Irrlehrer beanspruchten nicht nur den apostolischen Rang, sondern legten auch einen übertriebenen Wert auf ihre Person und ihre Rechte. Je länger er über die Angelegenheit nachdenkt, erklärt Paulus mit einem weiteren ironischen Vorstoß, desto mehr ist er davon überzeugt, dass seine apostolische Autorität derjenigen, die diese Irrlehrer für sich beanspruchen, völlig ebenbürtig ist.
Wenn er nun den ersten Vorwurf aufgreift, er sei ungehobelt, stümperhaft, ungebildet, ungewandt in der Rede, es fehle ihm an professioneller Ausbildung, so lässt er das stehen; es stimmt, er spricht in schlichten, schnörkellosen Sätzen, er bemüht sich nicht um eine geschliffene Eleganz des Ausdrucks, die mehr durch den Klang als durch den Inhalt anspricht. Aber er behauptet, dass er in seiner Kenntnis und seinem Verständnis der göttlichen Dinge, der gesunden Wahrheiten des Evangeliums, nicht grob und ungelehrt ist. In der Tat war Paulus ein eindringlicher Redner (Apg. 19,12; 22,1; 24,10; 26,2), aber er vermied absichtlich die glänzenden Methoden der professionellen Redner. Und diese seine Methode war wirksam, wie die Tatsache beweist, dass er in allem die Erkenntnis Gottes und der geistlichen Dinge unter allen Menschen gegenüber den Korinthern offenbart hat, oder, in einer etwas anderen Konstruktion: Er und seine Mitarbeiter sind überall als solche bekannt gemacht worden, die die Wahrheit Gottes kennen.
Was die zweite Anklage betrifft, so fragt Paulus: Oder habe ich eine Sünde begangen, indem ich mich erniedrigt habe, damit ihr erhöht werdet, weil ich euch unentgeltlich das Evangelium Gottes verkündigt habe? Halten sie es für ein so schweres Unrecht, dass er auf sein Recht auf Unterhalt verzichtete, dass er sich in ihrer Mitte erniedrigte und seinen Lebensunterhalt mit seinen eigenen Händen verdiente, während er sie gleichzeitig in geistlichen Privilegien erhöhte, indem er ihnen die herrliche Botschaft des Heils verkündete? Werden sie darauf bestehen, es für einen Fehler zu halten, dass er ihnen nichts für seinen Unterhalt in Rechnung stellte, während er in ihrer Mitte arbeitete? Hat er das apostolische Amt entehrt, indem er sich zu unterwürfiger Arbeit für seinen eigenen Unterhalt herabließ? Werden sie sich beschweren, weil sie mit solch außergewöhnlicher Freundlichkeit behandelt wurden? Sicherlich würden sie nicht auf die Idee kommen, so töricht zu sein! Man beachte, dass in der Formulierung "das göttliche, kostbare Evangelium unentgeltlich predigen" ein höchst wirkungsvoller Kontrast zwischen dem, was umsonst ist, und dem, was von höchstem Preis und Wert ist, enthalten ist.
Paulus sagt es ganz offen: Andere Gemeinden habe ich beraubt, indem ich von ihnen Lohn annahm, damit ich euch dienen konnte. Er verwendet absichtlich das starke Wort „berauben“ oder „plündern“, um Scham in ihren Herzen zu wecken. Von anderen Gemeinden nahm er Lohn für Dienste an, die er für seinen Lebensunterhalt leistete, während er die ganze Zeit den Korinthern diente. Andere Christen trugen zu seinem Unterhalt bei, damit die Gläubigen von Korinth in ihrem geistlichen Wohlstand vorankamen. Wie demütigend für sie! Und Paulus erklärt weiter: Und da ich bei euch war und Not litt, fiel ich niemandem zur Last; er machte sie nicht auf seine finanziellen Nöte aufmerksam, er war auf niemanden in Korinth angewiesen, der ihn unterstützte. Für seinen Mangel sorgten die Brüder, die aus Mazedonien kamen, wahrscheinlich Silas und Timotheus, Apg. 18,5; Phil. 4,15. Infolgedessen hielt er sich in allem zurück, um den Christen in Korinth nicht zur Last zu fallen, und das wollte er auch beibehalten, wie er im letzten Abschnitt zeigt. Sein Argument ist hier: Wenn es richtig war, dass er inmitten des reichen Achaia einen Beweis seiner Selbstlosigkeit gab, obwohl dies zur Schande seiner Gegner führte, dann kann es nicht falsch gewesen sein, dass er von den Christen Mazedoniens Hilfe annahm, da diese dadurch ein bereitwilliges und freudiges Opfer zur Ehre und zum Lob des Evangeliums brachten.
Paulus besteht darauf, diesen Kurs wegen der Irrlehrer einzuhalten (V. 10-15): Es war keine bloße Laune eines unberechenbaren Genies, die Paulus dazu veranlasste, im Fall von Korinth so zu handeln, wie er nun darlegt. Zunächst erklärt er mit größtem Nachdruck, dass er seinen Weg fortsetzen wolle, wie er ihn begonnen habe, indem er die Wahrheit Christi, die in ihm lebe, gegen alle Falschheit und Heuchelei als Sicherheit für seine Erklärung verbürgt, dass diese besondere Prahlerei für ihn nicht behindert, nicht unterdrückt werden solle, soweit es die Gegenden von Achaja betreffe; niemandem solle es je gelingen, ihm den Mund zu stopfen, die Festigkeit dieses Vorsatzes zu ändern. Und damit nicht jemand in der korinthischen Gemeinde meint, dieser Entschluss richte sich aus einem persönlichen Grund gegen die Mitglieder als solche, beeilt er sich hinzuzufügen: Warum? Weil ich euch nicht liebe? Gott weiß es! Er ruft Gott zum Zeugen dafür auf, dass sein Entschluss, nichts von ihnen zu empfangen, nicht auf mangelnder Liebe zu ihnen beruht. Seine Zuneigung zu den Gliedern der Gemeinde als solche blieb unverändert: Sie war in dieser Angelegenheit in keiner Weise betroffen.
Der Apostel nennt nun den Grund für seinen Entschluss: Was ich aber tue, das tue ich, damit ich denen, die sich rühmen wollen, den Anlass abschneide, damit sie in ihrer Prahlerei ebenso befunden werden wie wir. Paulus war fest entschlossen, seinen Kurs fortzusetzen, keine finanzielle Hilfe von der korinthischen Gemeinde anzunehmen, weil er den Gegnern jeden triftigen Grund nehmen wollte, ihre Karriere der böswilligen Verdrehung fortzusetzen. Sie rühmten sich grundlos ihrer Selbstlosigkeit und Uneigennützigkeit, und deshalb war Paulus entschlossen, durch einen Kurs absoluter Uneigennützigkeit nicht nur jeden Anlass zu unterbinden, ihm gewinnsüchtige Motive zu unterstellen, sondern sie zu zwingen, in der Praxis eine ähnliche Haltung einzunehmen. Lasst sie tun, was Paulus tat, und es gäbe einen Grund, ihren Behauptungen Gehör zu schenken; lasst sie wenigstens so viel tun, bevor sie sich selbst als Beispiele für Überlegenheit und Vortrefflichkeit, als Aushängeschilder wahrer Apostel und vorbildlicher Arbeiter verkünden!
Das kam bei Männern, die nur ihren eigenen Vorteil suchten, natürlich nicht in Frage, und so charakterisiert Paulus sie in ihrem wahren Gesicht: Denn solche Menschen sind falsche Apostel, betrügerische Arbeiter, die sich nach außen hin in Apostel Christi verwandeln und sich als solche ausgeben. Das ist ihr eigentlicher Platz, das ist ihr wahrer Charakter. Indem sie sich als Apostel Christi ausgaben, logen sie; indem sie ihr Werk im Interesse des Herrn anpriesen, täuschten sie; obwohl sie nichts als niedere Heuchler waren, nahmen sie die Gestalt von Abgesandten Christi an. Ein Kommentator drückt es so aus: "Sie verstellten sich erstens in Bezug auf die Lehre, indem sie viele Worte und Namen beibehielten, die zum Christentum gehörten, die aber nur wie leere Schalen waren, die um einige Samen gewickelt waren, die nicht dorthin gehörten; zweitens in Bezug auf das Verhalten, indem sie äußerlich die Werke nachahmten, die die Apostel Christi vollbrachten, aber es fehlte ihnen an jener Wohltätigkeit, die die Vollkommenheit des Handelns eines Christen ausmacht."
Das findet der Apostel ganz natürlich: Und das ist kein Wunder! Denn Satan selbst nimmt die Gestalt eines Engels des Lichts an. So ist es nicht verwunderlich, dass seine Diener die Gestalt von Dienern der Gerechtigkeit annehmen, deren Ende nach ihren Werken sein wird. Die Verkleidung, die die falschen Propheten annehmen, entspricht ganz und gar ihrem Charakter. Satan ist eine Macht der Finsternis, Eph. 6,12; Apg. 26,18, aber aus eigenen Gründen, wie bei den verschiedenen Versuchungen, nimmt er die Gestalt und das Aussehen eines reinen und heiligen Engels an. Und so treten seine Agenten, die Irrlehrer, die gelernt haben, sich zu verstellen wie ihr Meister, in der Gestalt von Boten der Gerechtigkeit auf: Sie wehren sich gegen den Gedanken, dass sie Hochstapler sind, mit einem großen Anflug von gerechter Entrüstung. Aber das Verhängnis solcher falscher Apostel wird das ihres Herrn sein, Phil. 3,19; Röm. 6,21; 1. Petr. 4,17. Ihre vermeintliche Heiligkeit wird beim Jüngsten Gericht beseitigt werden, und sie werden die Strafe der Heuchler aller Zeiten erleiden. Merke: Der Geist unserer Zeit veranschaulicht treffend die Fähigkeit Satans, sich in die Gestalt eines Engels des Lichts zu verwandeln, denn gerade die Worte, die so viele Reformer heute in den Mund nehmen: Aufklärung, Fortschritt, Freiheit, Gleichheit, Kultur - sind Köder, um die Unvorsichtigen für den Unglauben zu fangen. Man beachte auch die kompromisslose Haltung des Apostels gegenüber Irrlehrern, die in völligem Gegensatz zu der falschen Nächstenliebe und dem Unionismus unserer Tage steht, die es für zweckmäßig halten, sogar Irrtümer zu akzeptieren, um eine äußere Vereinigung zu erreichen.
Paulus rühmt sich seiner apostolischen Berufung (11,16-33)
16 Ich sage abermals, dass nicht jemand wähne, ich sei töricht; wo aber
nicht, so nehmt mich an als einen Törichten, dass ich mich auch ein wenig
rühme. 17 Was ich jetzt rede, das rede ich nicht als im HERRN, sondern als in
der Torheit, dieweil wir in das Rühmen gekommen sind. 18 Da viele sich rühmen
nach dem Fleisch, will ich mich auch rühmen. 19 Denn ihr vertragt gern die
Narren, dieweil ihr klug seid. 20 Ihr vertragt, so euch jemand zu Knechten
macht, so euch jemand schindet, so euch jemand nimmt, so jemand euch trotzt, so
euch jemand in das Angesicht streicht.
21 Das sage ich nach der Unehre, als wären wir schwach geworden. Worauf
nun jemand kühn ist (ich rede in Torheit), darauf bin ich auch kühn. 22 Sie
sind Hebräer, ich auch. Sie sind Israeliten, ich auch. Sie sind Abrahams Same,
ich auch. 23 Sie sind Diener Christi; (ich rede töricht) ich bin wohl mehr. Ich
habe mehr gearbeitet, ich habe mehr Schläge erlitten, ich bin öfter gefangen,
oft in Todesnöten gewesen. 24 Von den Juden habe ich fünfmal empfangen vierzig
Streiche weniger eines. 25 Ich bin dreimal ausgepeitscht, einmal gesteinigt,
dreimal habe ich Schiffbruch erlitten, Tag und Nacht habe ich zugebracht in der
Tiefe (des Meers). 26 Ich bin oft gereist; ich bin in Gefahr gewesen zu Wasser,
in Gefahr unter den Mördern, in Gefahr unter den Juden, in Gefahr unter den
Heiden, in Gefahr in den Städten, in Gefahr in der Wüste, in Gefahr auf dem
Meer, in Gefahr unter den falschen Brüdern, 27 in Mühe und Arbeit, in viel
Wachen, in Hunger und Durst, in viel Fasten, in Frost und Blöße, 28 außer was
sich sonst zuträgt, nämlich dass ich täglich werde angelaufen und trage Sorge
für alle Gemeinden.
29 Wer ist schwach, und ich werde nicht schwach? Wer wird geärgert, und
ich brenne nicht? 30 So ich mich je rühmen soll, will ich mich meiner
Schwachheit rühmen. 31 Gott und der Vater unseres HERRN Jesus Christus, welcher
sei gelobt in Ewigkeit, weiß, dass ich nicht lüge. 32 Zu Damaskus verwahrte der
Landpfleger des Königs Aretas die Stadt der
Damaszener und wollte mich greifen; 33 und ich wurde in einem Korb zum Fenster
aus durch die Mauer niedergelassen und entrann aus seinen Händen.
Paulus missbilligt die Notwendigkeit, sich zu rühmen (V. 16-20): Der Apostel hat nun das Wesen der Irrlehrer hinreichend charakterisiert und ihre Ansprüche auf Beachtung zurückgewiesen. Im Gegensatz dazu legt er nun ein Zeugnis über seine eigenen apostolischen Bemühungen und Prüfungen ab, nicht zur Selbstverherrlichung, vgl. Kap. 10,17, sondern als notwendige Verteidigung gegen die Anschuldigungen und Unterstellungen seiner Feinde. Dabei kehrt er zu dem Gedanken von V. 1 zurück: "Ich sage abermals: Niemand soll mich für töricht und unvernünftig halten; wenn es aber nicht so sein kann, wenn ihr euch weigert, auf mein Flehen zu hören, wenn ihr darauf beharrt, mich für einen zu halten, der seines Verstandes beraubt ist, so nehmt mich doch als einen Narren an. Den nun folgenden Teil des Briefes will er mit allem Ernst betrachtet wissen, denn er will ihn zur Verteidigung vorbringen; wenn sie ihn aber für völligen Unsinn halten, dann sollen sie ihm wenigstens die Nachsicht gewähren, die man einem Schwachsinnigen zu gewähren pflegt, sollen sie sein Geschwätz anhören, wie sie es betrachten wollen, damit er sich auch ein wenig rühmen kann. Hier wird den falschen Aposteln ein Stoß versetzt, denn sie waren als Sklaven der Selbstsucht viel zu klug, um menschliches Leid zu ertragen, und viel zu träge und schwerfällig für einen Flug in himmlische Ekstase.
Fast jeder Satz zeigt, dass der Apostel mit seiner eigenen Demut und Zurückhaltung kämpft, wenn er seine eigene Person in eine so herausragende Stellung bringt. Das bringt er gleich zu Beginn zum Ausdruck: Was ich rede, das rede ich nicht nach dem Herrn, sondern wie in Torheit, in dieser Zuversicht des Rühmens. Was er in seinen Gedanken arrangiert hat, was er begonnen hat, in Worte zu fassen, ist von einer Art, für die er lieber keine Eingebung des Heiligen Geistes beanspruchen würde, so sehr entspricht sie nicht seinem eigenen Geschmack. Und doch hat ihn der Geist dazu bewegt, über seine eigenen Bemühungen zu schreiben, um die Irrlehrer zu verwirren. Für sich selbst würde er es lieber als eine Art von Torheit betrachten, dieses Vertrauen der Prahlerei, obwohl es zweifellos Vertrauen ist.
Zur weiteren Rechtfertigung seines ungewöhnlichen Anfalls von Prahlerei schreibt er: Da sich viele nach dem Fleisch rühmen, will auch ich mich rühmen. Das war das Merkmal, das bei den Irrlehrern so hervorstach: Sie machten es sich zur Gewohnheit, mit ihren Erfahrungen und Leistungen zu prahlen und sich zu rühmen. Bei ihnen war es eine Selbstverständlichkeit, bei Paulus erforderte es eine besondere Anstrengung. Sie waren immer darauf bedacht, das ganze Lob auf ihre eigene Person zu lenken; er hingegen lobt sein Amt, seine Mühen und Leiden, wodurch die Herrlichkeit des Evangeliums erhöht wurde. Die Korinther würden umso bereitwilliger über seine Torheit hinwegsehen, als sie gerade diese Neigung an den Tag legten: Denn ihr ertragt gern die Törichten, da ihr selbst weise seid. Die Worte sind in aufrichtiger Liebe und Freundlichkeit geschrieben, und doch mit sanftem Spott und Tadel. Sie ertrugen ohne ein Wort der Unzufriedenheit, dass sich falsche Lehrer vor ihnen rühmten und die Person und das Werk des Paulus verdammten. In dem Reichtum ihrer Erfahrung und Weisheit würden sie es daher sicher nicht übel nehmen, wenn er sich auch ein wenig rühmen und sich einmal in die Reihe der Narren einreihen würde; es konnte kein Zweifel daran bestehen, dass sie ihm die gleiche nachsichtige Toleranz entgegenbringen würden.
Der Apostel erinnert die Korinther nun an die Anmaßungen und Misshandlungen, die sie von diesen selbsternannten geistlichen Führern freudig erduldet hatten: Denn ihr ertragt es, wenn man euch zu Knechten (Sklaven) macht, wenn man euch verschlingt, wenn man euch gefangen nimmt, wenn man sich selbst überhebt, wenn man euch ins Gesicht schlägt. Während Paulus demütig erklärte, er wolle nur der Knecht der Gemeinde des Herrn sein, Kap. 4,5, haben sich die Irrlehrer bewusst die Herrschaft in der Gemeinde angemaßt; sie haben die Menschen geistlich versklavt, sie haben sie unter das Joch ihrer Irrlehre und Menschengebote gezwungen.[33] Während Paulus mit seinen eigenen Händen arbeitete und seinen Unterhalt selbst verdiente, waren diese Männer die Verkörperung des Geizes; sie beraubten die Glieder ihrer Substanz, indem sie gierig Unterstützung forderten; sie dachten nicht an das Heil ihres Volkes, sondern nur an ihren eigenen Vorteil und Nutzen. Während Paulus sich in jeder Weise dafür einsetzte, die individuelle Freiheit der Christen zu bewahren, da sie nur der Liebe Christi gehorchten, fingen diese Männer sie in den Netzen ihrer falschen Lehre ein; sie hüllten sich in das unschuldige Gewand von Schafskleidern und gewannen das Vertrauen der Menschen, bis sie sie zu ihren willigen Gefangenen gemacht hatten. Während Paulus zu allen Zeiten ein Vorbild an Demut war, überhöhten sich diese Männer auf Kosten ihrer Zuhörer und waren voller Stolz und Verachtung. Während Paulus immer alle Menschen mit aller Freundlichkeit behandelte, erreichten die Irrlehrer schließlich einen solchen Grad der Unverschämtheit, dass sie nicht zögerten, die armen Dummköpfe, die ihnen ihr Vertrauen geschenkt hatten, mit Gewalt zu schlagen; sie boten dem Volk die höchste Form der Beleidigung in Form eines Schlags ins Gesicht. Und all das mussten die Korinther erdulden, so wie die Menschen heute von falschen Lehrern ertragen, was sie von einem wahren Lehrer des Evangeliums nicht im Traum ertragen würden. Allein die Tatsache der selbstsüchtigen Unverschämtheit der Irrlehrer scheint ihr Volk in hilflosem Leiden gefangen zu halten.
Der Apostel lobt sich selbst (V. 21-28): Starke Ironie und eindringlicher Vorwurf sind in den ersten Worten dieses Abschnitts enthalten; denn im Vergleich zu solchen geistlichen Oberhäuptern muss er den Korinthern wirklich schwach erscheinen: Zur Schande (von euch) sage ich es, als ob es so wäre, dass wir schwach geworden sind. Es war eine Schande für die Korinther, dass der Apostel so schreiben musste, als ob er und seine Mitstreiter im Vergleich zu den falschen Aposteln schwach erschienen. Letztere waren in ihren Augen sehr hoch angesehen, von ihnen ließen sie das demütigendste Verhalten über sich ergehen, während die wahren Lehrer, denen sie ihren ganzen geistlichen Reichtum verdankten, in ihren Augen verachtet wurden.
Der Apostel wechselt nun zu einem Ton der meisterhaften Behauptung, um seine eigenen Ansprüche zu verdeutlichen: Aber in welchen Dingen auch immer jemand kühn ist und sich zu rühmen wagt, (ich spreche es töricht aus), so wage auch ich mich zu rühmen. Sein ganzes Leben seit seiner Bekehrung, der ganze Verlauf seines Dienstes, wird ihn rechtfertigen, wird zeigen, welche Mühen und Leiden er ertragen hat. Der Apostel spricht ganz allgemein; er fordert jeden der Irrlehrer heraus, obwohl er dessen Prahlerei für eine Torheit hält. Damit deutet er an, wie Luther sagt, dass die Gegner, die nichts vorzuweisen haben, was in irgendeiner Weise mit seinem Zeugnis vergleichbar wäre, mit ihrer Prahlerei schlimmer als Narren sind. Für seine eigene Person beginnt Paulus mit dem allergeringsten Vorteil: Hebräer sind sie? Ich auch. Israeliten sind sie? Ich auch. Der Same Abrahams sind sie? Auch ich. Was die Irrlehrer über die Maßen rühmten, stellt Paulus an die unterste Stelle; selbst in diesem gemeinsten und niedrigsten Vorzug waren sie ihm nicht voraus. Denn er war ein Hebräer, ein Angehöriger des jüdischen Volkes, der die jüdische Sprache und die jüdischen Sitten beibehielt; er war ein Israelit, ein Angehöriger des von Gott auserwählten Volkes des Alten Testaments; er war ein Nachkomme Abrahams, er erbte die messianischen Verheißungen, die Abraham gegeben wurden. In diesem Punkt konnten sich die falschen Apostel also nicht über Paulus erheben.
Aber es gibt noch einen wichtigeren Vergleich: Diener Christi sind sie? Das war ihre Prahlerei, und Paulus lässt sie um der Argumentation willen stehen, sagt aber seinerseits: Als einer neben sich spreche ich, ich bin mehr. Die große Demut des Apostels zwingt ihn, dieses starke Wort zu gebrauchen, indem er sich selbst des Wahnsinns bezichtigt, weil er sich anmaßt, in dieser heiligen Sache zu prahlen. Dennoch besteht er darauf, dass er in höherem Maße ein Diener Christi ist als seine Gegner: Er hat ein viel besseres Recht, sich Diener des Herrn zu nennen. Diese Behauptung beweist er nicht durch den Erfolg, den er in seiner Arbeit gehabt hat, nicht durch die Zahl der Seelen, die durch seine Predigt gewonnen wurden, sondern durch einen Hinweis auf seine Arbeit und seine Selbstverleugnung. Denn das ist der Prüfstein für die Treue eines Amtsträgers, dass er sich selbst um seines Herrn willen verleugnet, dass er freudig die Schande und Schmach, die Prüfungen und Leiden und Drangsale auf sich nimmt, die sein Amt zu begleiten pflegen. So konnte Paulus von sich selbst sagen: In Mühsalen überreichlich, in Gefängnissen überreichlich, in Schlägen über das Maß, in Todesfällen oft. Das war eine Zusammenfassung seiner Leiden: Nicht nur hin und wieder, sondern ständig kämpfte er unter der Last seiner Mühen; nicht nur einmal, sondern oft war er im Gefängnis, nicht nur in Philippi. Apg. 16,23, sondern auch an anderen Orten, wie die späteren Briefe zeigen; immer wieder war er Schlägen ausgesetzt; oft war er in Todesgefahr. In all diesen Tatsachen können die Irrlehrer nicht mithalten, denn sie hatten solche Erfahrungen in ihrem Wirken nicht gemacht.
Der Apostel führt nun einige Einzelheiten an, um seine Behauptung zu untermauern. Fünfmal war er auf Anordnung irgendeines Synagogenrates zu der in 5. Mose 25,3 erwähnten Prügelstrafe verurteilt worden, die übrigens mehr als vierzig Schläge verbot, weshalb die Juden mit heuchlerischer Vorsicht nur neununddreißig Schläge anwandten, um nicht gegen den Buchstaben des Gesetzes zu verstoßen. Diese Strafe war oft so hart, wie Josephus berichtet, dass sie zum Tode führte. Nicht nur die Juden misshandelten ihn, sondern auch die Heiden hatten ihn dreimal dazu verurteilt, mit Ruten geschlagen zu werden. Vgl. Apg. 16,23.37. Einmal wurde er gesteinigt, nämlich in Lystra, auf seiner ersten Missionsreise, Apg. 14,19. Dreimal erlitt er Schiffbruch, wobei alle diese Fälle sich von dem in Apostelgeschichte 27 geschilderten unterscheiden. In einem dieser Fälle hing sein Leben nur noch am seidenen Faden, da er eine Nacht und einen Tag in der Tiefe war; er klammerte sich an ein Stück Wrack und wurde fast vierundzwanzig Stunden lang von den Wellen hin- und hergeworfen, bevor er gerettet wurde.
Paulus nimmt nun seinen Beweis dafür wieder auf, dass er ein Diener Christi in einem höheren Sinn oder Grad war als seine Gegner. Er hatte viele Reisen unternommen, deren Umfang im Bericht des Lukas nur angedeutet wird; er war unermüdlich von einem Land zum anderen gezogen, um den Heiden das Evangelium zu bringen. Auf seinen Reisen hatte er Gefahren von Flüssen ertragen, wenn er gefährliche Sturzbäche überquerte; Gefahren von Räubern, die abgelegene Gebirgshöhen heimsuchten, wie im Taurusgebirge in Kleinasien; Gefahren von Seiten seines eigenen Volkes, der Juden, die oft versuchten, ihn zu töten, sowie von Seiten der Heiden, wie in Ikonium, Apg. 14,5, in Philippi, Apg. 16,20, und in Ephesus, Apg. 21,31; Gefahren in der Stadt, in bevölkerten Bezirken mit Polizeischutz; Gefahren in der Wüste, in wilden und abgelegenen Gegenden; Gefahren auf dem Meer, wie er sie soeben erwähnt hat; Gefahren unter falschen Brüdern, sehr wahrscheinlich den judaisierenden Lehrern, die sich nun als seine erbitterten Gegner erwiesen. Paulus hatte das Werk seines Dienstes in harter Arbeit und Mühsal verrichtet, oft ohne Gelegenheit zu ausreichendem Schlaf, da er die Nächte zur Arbeit mit seinen eigenen Händen nutzte. Er hatte Hunger und Durst ertragen, weil er keine Nahrung besaß oder sich keine beschaffen konnte. Er hat häufig gefastet, um seinen Körper gegen die Strapazen seiner Reisen und Arbeiten zu wappnen. Er litt unter Kälte und Nacktheit, weil er nicht die nötige Kleidung besaß, um für alle Wetterwechsel in den verschiedenen Ländern gerüstet zu sein. Vgl. 2. Tim. 4,13. So zeigte sich Paulus als ein Beispiel eines selbstverleugnenden Dieners Christi, dem keine Mühe, keine Arbeit zu groß war, den keine Mühsal abschrecken konnte, wenn es darum ging, dem Herrn zu dienen.
Aber Paulus ertrug auch Lasten und Sorgen, die ihm bei der Erfüllung seiner Pflicht täglich begegneten. Er zählt nicht alle Schwierigkeiten und Nöte des Körpers und des Geistes auf, sondern erinnert die Korinther nur daran, dass es die Geschäfte gab, die er Tag für Tag zu erledigen hatte, die vielen Einzelheiten, die von ihm persönlich entschieden werden mussten und die ihn natürlich bedrängten und ihm viele Stunden der Angst und Sorge bereiteten, was alle Gemeinden betraf, die er gegründet hatte.
Eine weitere Aufzählung von Härten und Schwierigkeiten (V. 29-33): Die ersten rhetorischen Fragen enthalten eine weitere Erklärung für die Tatsache, dass Paulus mit den Einzelheiten der Geschäfte vieler Gemeinden belastet war. Wenn eine wichtige Frage des Glaubens oder des christlichen Lebens zu entscheiden war, wenn es Streit gab oder wenn sein Rat in irgendeiner Angelegenheit erwünscht war, wurde der Apostel stets um seinen Beistand und seine Entscheidung gebeten. Doch nicht nur das Wohl und Wehe ganzer Gemeinden ruhte auf seinen Schultern, sondern auch das der einzelnen Christen. Sein apostolisches Mitgefühl galt denen, die im Glauben schwach waren; er fühlte mit ihnen ihre Schwäche; er fand das richtige Wort zur rechten Zeit; er wusste, wann er nachgeben und wann er Festigkeit anwenden musste; er wurde schwach mit den Schwachen. Wenn er aber hörte, dass jemand beleidigt wurde, dass jemand ins Straucheln geriet, dann entbrannte er in gerechter Entrüstung. Er empfand die Verletzung so, als wäre sie ihm selbst zugefügt worden. Als wahrer Seelsorger spürte er überall die geistlichen Nöte und Gefahren aller seiner Mitglieder und stand ihnen mit Gebet und Rat zur Seite.
Den Grundsatz, der den Apostel in seiner Verherrlichung bis jetzt geleitet hat, gibt er in dem Satz an: Wenn ich mich rühmen muss, so will ich mich meiner Schwachheit rühmen. Als ob er sagen wollte: Es ist nicht mein eigener freier Wille, es ist nicht meine eigene Wahl, mich zu rühmen, sondern ihr Korinther habt mich gezwungen, mich zu rühmen, damit das Evangelium Christi in eurer Mitte bleibt. Da es mir also als eine Notwendigkeit auferlegt ist, werde ich mich nicht rühmen, wie es andere Menschen tun, mit meiner Stärke, mit meinen Erfolgen, sondern mit dem, was zu meiner Schwäche gehört, mit meinen Leiden, mit den Verfolgungen und Bedrängnissen, die ich ertragen habe. Und hier beteuert der Apostel feierlich, dass er die Wahrheit sagt: Der Gott und Vater des Herrn Jesus, der in Ewigkeit selig ist, weiß, dass ich nicht lüge. Dieser Ausruf zeigt die Tiefe des Gefühls, das den Apostel bewegte. Gott ist sein Zeuge. Nicht seine eigene Person, nicht die Wahrheit seiner Lehre, sondern das Evangelium Jesu Christi, die Ehre seines Herrn ist in Gefahr, und deshalb diese feierliche Feststellung inmitten seiner leidenschaftlichen Rede.
Paulus fügt nun einen Bericht über eine Begebenheit hinzu, die ihm kurz nach seiner Bekehrung widerfuhr. Es war nach seiner Rückkehr aus Arabien, als er so offen und furchtlos in Damaskus predigte, dass die Juden den Rat fassten, ihn zu töten, Apg. 9,23-25. Ihr Einfluss in der Stadt war so groß, dass sie den Ethnarchen des Königs Aretas von Arabien, den Schwiegervater von Herodes Agrippa, dazu brachten, die Stadt zu bewachen, indem sie an allen Toren eine Wache aufstellten, während sie selbst die Stadt durchsuchten und alles versuchten, Paulus festzunehmen. Aber der Herr wachte über seinen Diener. Es scheint, dass eines der Mitglieder der christlichen Gemeinde in Damaskus in der Nähe der Stadtmauer wohnte, und so brachten ihn die Jünger in dieses Haus. Als es Nacht wurde, brachten sie ihn entweder zu einer Öffnung in der Stadtmauer oder zu einem Fenster des Hauses, das bündig mit der Mauer war, und ließen ihn in einem Korb hinunter. So entkam er aus der Stadt, und die Pläne seiner Feinde wurden vereitelt, sowohl die der Juden als auch die der Ethnarer. Beachten Sie, dass es für einen Christen und auch für einen christlichen Seelsorger richtig ist, in Zeiten der Verfolgung um sein Leben zu fliehen, wenn sich eine Gelegenheit bietet und dies ohne Verleugnung der Wahrheit möglich ist.
Zusammenfassung: Paulus tadelt den Geist, der es zuließ, dass die Korinther in die Irre geführt wurden; er behauptet, dass er seinen Gegnern in nichts nachsteht, obwohl er darauf bestand, sich selbst zu versorgen, eine Tatsache, die auch als Herausforderung für die falschen Apostel diente; er rühmt sich der Gefahren und Mühen seiner apostolischen Arbeit.
Paulus rühmt sich seiner Schwachheit (12,1-10)
1 Es ist mir ja das Rühmen nichts nütze; doch will ich kommen auf die
Gesichte und Offenbarungen des HERRN. 2 Ich kenne einen Menschen in Christus
vor vierzehn Jahren (ist er in dem Leib gewesen, so weiß ich’s nicht, oder ist
er außer dem Leib gewesen, so weiß ich’s auch nicht; Gott weiß es); derselbe
wurde entzückt bis in den dritten Himmel. 3 Und ich kenne denselben Menschen
(ob er in dem Leib oder außer dem Leib gewesen ist, weiß ich nicht; Gott weiß
es). 4 Er wurde entzückt in das Paradies und hörte unaussprechliche Worte,
welche kein Mensch sagen kann. 5 Davon will ich mich rühmen; von mir selbst
aber will ich mich nichts rühmen außer meiner Schwachheit.
6 Und so ich mich rühmen wollte, täte ich darum nicht töricht; denn ich
wollte die Wahrheit sagen. Ich enthalte mich aber des, damit nicht jemand mich
höher achte, als er an mir sieht oder von mir hört. 7 Und damit ich mich nicht
der hohen Offenbarung überhebe, ist mir gegeben ein Pfahl ins Fleisch, nämlich
des Satanas Engel, der mich mit Fäusten schlage, damit ich mich nicht überhebe.
8 Dafür ich dreimal zum HERRN gefleht habe, dass er von mir wiche; 9 und er hat
zu mir gesagt: Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft wird in
Schwachheit vollendet. Darum will ich mich am allerliebsten rühmen meiner
Schwachheit, damit die Kraft Christi bei mir wohne. 10 Darum bin ich guten Muts
in Schwachheiten, in Schmach, in Nöten, in Verfolgungen, in Ängsten um Christi
willen. Denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark.
Übernatürliche Offenbarungen (V. 1-5): Wie unangenehm dem Apostel diese Angelegenheit des Rühmens war, zu der ihn die Haltung der Korinther getrieben hatte, zeigt sich auch hier: Ich muss mich rühmen, obwohl es nicht angebracht ist. Nicht aus freiem Willen, nicht weil es ihm Spaß macht, berichtet er von seinen Leiden und Erfahrungen im Werk des Herrn, sondern wegen der Feindschaft der Irrlehrer und der Leichtgläubigkeit der Jünger in Korinth. Er ist sich dessen bewusst, dass es ihm keinen persönlichen Vorteil bringt, wenn er sich mit dem rühmt, was er ertragen hat und was der Herr ihm kundgetan hat, sondern er will nun einige Visionen und Offenbarungen des Herrn erwähnen, die ihm der Herr gewährt hat. Vgl. Apg. 2,17; 10,10; Offb. 1,10; 4,1; Apg. 9,3.
Eine Vision, von der Paulus nun berichtet, hebt sich durch ihren außergewöhnlichen Charakter von den anderen ab: Ich kenne einen Mann, der vor vierzehn Jahren in Christus war. Er ist sich der Tatsachen, die er hier erzählt, sicher, da er selbst der Christ war, dem der Herr diese Offenbarung gewährte, wobei seine Demut es ihm nicht erlaubte, seinen Namen im Zusammenhang mit einer so wunderbaren Vision zu nennen. Der Zeitpunkt hatte sich seinem Gedächtnis so eindringlich eingeprägt, dass er ihn nicht vergessen wird. Es scheint, dass er die Vision hatte, bevor er sein eigentliches Amt antrat, vielleicht während seines Aufenthalts in Tarsus, Apg. 9,30; 11,25. Die Absicht des Herrn war, diesem neuen Werkzeug seiner Barmherzigkeit durch einen Vorgeschmack der himmlischen Glückseligkeit einen solchen Beweis seiner Gnade und Macht zu geben, dass er inmitten der mannigfaltigen Drangsale, denen er ausgesetzt sein sollte, nicht verzweifeln würde. Es war eine außergewöhnliche, wunderbare Erfahrung; denn Paulus erklärt zweimal, dass er nicht weiß, ob er im Körper oder außerhalb des Körpers war; er konnte nicht sagen, ob er leiblich in den Himmel aufgenommen wurde und alle Herrlichkeiten mit den Augen seines Körpers sah, oder ob nur sein Geist, der vorübergehend von der Enge des sterblichen Körpers befreit war, die himmlische Glückseligkeit gesehen hatte. Der Apostel mag oft über die wundersame Erfahrung gerätselt haben, aber er war nicht in der Lage, zu einem Schluss zu kommen, und überließ die Sache deshalb Gott.
Die Vision selbst war anders als alle anderen, die er erlebt hatte: Er wurde in das Paradies entrückt und hörte unaussprechliche Worte, die keine menschlichen Lippen aussprechen können. In der Bibel ist oft vom Himmel im Plural die Rede, so auch im Vaterunser (im griechischen Text), aber welche Unterscheidungen und Abstufungen dabei zu beachten sind, lässt sich aus den verschiedenen Stellen nicht erkennen. Paulus wurde zweifellos in den dritten Himmel versetzt, ins Paradies, an den Ort, wo die erlösten Seelen in der innigsten Gemeinschaft mit Gott leben und ihren Erlöser von Angesicht zu Angesicht sehen. Paulus hatte in dieser Vision einen Vorgeschmack auf diese Seligkeit und Herrlichkeit bekommen. Und er hatte Worte gehört, die für jede menschliche Zunge unaussprechlich waren oder die derjenige, der sie gehört hatte, für immer als ein gesegnetes Geheimnis bewahren würde; der Inhalt der göttlichen Mitteilung bei dieser denkwürdigen Gelegenheit war so erhaben, dass er durch eine Wiederholung in menschlicher Sprache entweiht worden wäre.
Es war nur ein flüchtiger Blick auf die Seligkeit des Himmels, aber Paulus hatte zweifellos das Recht zu sagen: Um dieser Person willen will ich mich rühmen, aber um meinetwillen will ich mich nicht rühmen, außer in meinen Schwächen. Nur solche Begebenheiten wird der Apostel in einem Anflug von Rühmen erwähnen, an denen seine eigene Person nicht aktiv beteiligt war, die ihm allein durch die Barmherzigkeit Gottes zuteil wurden, als er aus seiner eigenen Individualität herausgehoben wurde und sich selbst fast als eine dritte Person betrachten konnte. Von sich selbst, in seinem normalen Zustand, hat er nur ein einziges Zeugnis zu geben, nämlich das seiner Schwäche, seiner Leiden. Und auch hier ist der Ruhm letztlich nur Gott vorbehalten; denn Leiden und Bedrängnisse können nur insofern Gegenstand des Rühmens sein, als sie mit der von Gott geschenkten christlichen Tapferkeit ertragen werden.
Ungewöhnliche Trübsale (V. 6-10): Paulus deutet an, dass es noch andere Dinge, Mühen und Erfahrungen gibt, die er durchaus zum Gegenstand des Rühmens machen könnte: Denn wenn ich mich rühmen will, so werde ich nicht töricht sein, denn ich werde die Wahrheit reden. Ohne sich der Torheit und des Wahnsinns schuldig zu machen, und mit voller und angemessener Rücksicht auf die Wahrheit, könnte er Aussagen machen, die gut als Grundlage zum Rühmen dienen würden. Anmerkung: Wenn die Gelegenheit es erfordert, dass man sich selbst rühmen muss, dann ist nicht derjenige töricht, der die Wahrheit behauptet, sondern derjenige, der sich gegen sie erhebt. Was aber seine eigene Person betrifft, so unterlässt es Paulus hier, damit niemand ihn höher einschätzt als das, was er sieht oder von ihm hört. Er will die Tatsachen seines mühsamen und schmerzhaften Lebens im Dienst des Evangeliums für sich sprechen lassen. Auf der Grundlage dessen, was die Korinther in ihm gesehen haben, was sie von ihm und seiner Tätigkeit als Apostel des Herrn wissen, will er beurteilt und geschätzt werden. Ein wahrer Diener Christi sucht nicht die Ehre für sich selbst, will das Ansehen, das er genießt, nicht auf seine eigenen Aussagen gründen, sondern auf das, was jeder rechtgesinnte Mensch in ihm sieht und von ihm hört. Sein einziges Bestreben ist immer, sich in Wort und Tat als treuer Diener Christi zu erweisen.
Der Herr selbst unterstützte den Apostel in seinem Bemühen um Demut: Und wegen der ungewöhnlichen Größe der Offenbarungen, damit ich mich nicht über die Maßen erhebe, ist mir ein Dorn ins Fleisch gegeben worden, ein Engel des Satans, damit er mich züchtigt, damit ich mich nicht übermäßig erhebe. Der Aufbau des Satzes und die Verwendung eines Substantivs anstelle eines Adjektivs betonen den außergewöhnlichen Charakter der besonderen Offenbarungen, die Paulus zuteil wurden. Aber er war ein Mensch, und als solcher war er den Versuchungen des Fleisches unterworfen; es bestand die Gefahr, dass er sich hochmütig und unverschämt über andere erhob, da der Herr ihn auf diese Weise ausgezeichnet hatte. Deshalb wurde ihm ein Gebrechen gegeben, anscheinend eine Art körperliches Gebrechen, über dessen genaue Beschaffenheit man viel spekuliert hat. Es handelte sich um einen Dorn, nicht um ein Aufspießen auf einen Pfahl, wie manche meinen, sondern um einen heftigen, stechenden Schmerz, eine lästige Irritation, die sich auf einen bestimmten Teil seines Körpers niederließ. Es war kein ständiger Schmerz, aber er wurde von ihm geplagt, er wurde mit Schlägen heimgesucht. Es war der Bote des Satans, der ihn schlug, wie er Hiob schlug. Der Satan durfte seinen Boten schicken, um den Leib des Knechtes Gottes zu plagen, damit Leib und Seele dem Herrn gehören.
Diese Bedrängnis war so heftig und quälend, dass Paulus nach Erleichterung suchte: Wegen dieser Sache habe ich den Herrn dreimal angefleht, dass sie von mir weichen möge. Bei drei besonderen Gelegenheiten hatte er dieses Gebrechen zum Gegenstand einer ausdrücklichen Bitte gemacht und um seine Beseitigung gebeten, und zweifellos war sein Flehen in der richtigen Weise, im wahren Glauben und im festen Vertrauen erfolgt. Schließlich erhielt er eine Antwort, die zwar nicht dem entsprach, was sein Geist ersehnte, die aber ausreichte, um ihn in seinem Kummer zu stärken und zu trösten: Und er sprach zu mir: Meine Gnade genügt dir; denn meine Kraft ist in der Schwachheit mächtig. Es war eine Antwort, die damals gegeben wurde und die bis zum heutigen Tag ihre Kraft behalten hat. Der Apostel hatte durch den Glauben die Gnade Gottes in Jesus erhalten; das war sein Besitz. Er wusste, dass Gott sein geliebter Vater war, dessen jedes Denken und Handeln in seinem Interesse lag. Inmitten von Trübsal und Bedrängnis wurde er daher auf die bestmögliche Weise versorgt; gerade in seiner Schwäche hatte die Kraft des Herrn Gelegenheit, wirksam zu werden. Er muss an den Punkt gebracht werden, an dem er an seiner eigenen Kraft, seinen Fähigkeiten und Talenten verzweifelt, dann kann die Allmacht des Herrn ihn als Werkzeug und Instrument der Barmherzigkeit gebrauchen. „Was stellst du dir darunter vor, lieber Paulus? Meine Kraft kann nur in deiner Schwäche wirksam werden. Du musst schwach sein, du musst leiden, seufzen, elend und schwach sein zu deinem eigenen Besten, damit du schließlich durch Leiden und Kämpfen den Sieg erringst und ein großer Apostel wirst. Wenn ihr nicht schwach sein wollt, kann Meine Macht nichts in euch tun. Wenn Ich euer Christus sein soll und ihr wiederum Mein Apostel, dann müsst ihr eure Schwäche mit Meiner Stärke, eure Torheit mit Meiner Weisheit, Mein Leben mit eurem Tod in Einklang bringen.“[34] Markus: Gott führt seine Kinder auf bemerkenswerte Weise, besonders solche, die er für wichtige Positionen in seiner Kirche vorsieht. Durch verschiedene Beweise seiner Barmherzigkeit und Gnade stärkt er sie für die Kämpfe und Leiden, die sie um seines Namens willen durchmachen müssen. Und doch schickt er ihnen auch besondere Prüfungen und Bedrängnisse, damit sie nicht dem geistlichen Hochmut verfallen. Als wahrer Vater erzieht und schult er so seine Kinder für die Ämter, die sie bekleiden sollen, immer mit dem Endziel, dass sein Name verherrlicht wird.
Und so schließt Paulus diesen Abschnitt ab: Ich will mich also lieber meiner Schwachheit rühmen, damit die Kraft Christi auf mir ruht, ihr Zelt über mir aufschlägt und in mir lebt. Kein Wort der Unzufriedenheit und der Klage wird der Apostel inmitten seiner Leiden äußern, denn er hat die Überzeugung des Glaubens, dass die Kraft Christi ihn schützt und ihm hilft. Er bekräftigt: Darum bin ich in Schwachheiten, in Beleidigungen, in Nöten, in Verfolgungen und Bedrängnissen um Christi willen völlig zufrieden; denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark. Gerade die Erfahrungen, die ein anderer Mensch als Beweise für den Zorn Gottes ansehen würde, seine eigenen verschiedenen Schwächen, die Beleidigungen, die er ertragen musste, die Nöte, in denen er sich befand, die Verfolgungen und Bedrängnisse, die von Juden und Heiden über ihn hereinbrachen, weiß Paulus als Beweise für die väterliche Zuwendung Gottes. Je mehr er sich seiner eigenen Schwäche und Unfähigkeit bei der Ausführung des ihm vom Herrn anvertrauten Werkes bewusst ist, desto mehr kann die Kraft des Meisters in ihm wirksam werden. „Die Worte des heiligen Paulus sind mehr als ein verbales Paradoxon: Sie bringen die Tatsache zum Ausdruck, die die Geschichte reichlich bezeugt, dass der Thron der Welt das Kreuz ist.“[35]
Was Paulus von den Korinthern erwartet (12,11-21)
11 Ich bin ein Narr geworden über dem Rühmen; dazu habt ihr mich
gezwungen. Denn ich sollte von euch gelobt werden, da ich nichts weniger bin,
als die „hohen Apostel“ sind; wiewohl ich nichts bin. 12 Denn es sind ja eines
Apostels Zeichen unter euch geschehen mit aller Geduld; mit Zeichen und mit
Wundern und mit Taten. 13 Welches ist’s, darin ihr geringer seid als die
anderen Gemeinden, außer dass ich selbst euch nicht habe beschwert? Vergebt mir
diese Sünde! 14 Siehe, ich bin bereit, zum dritten Mal zu euch zu kommen, und
will euch nicht beschweren; denn ich suche nicht das Eure, sondern euch. Denn
es sollen nicht die Kinder den Eltern Schätze sammeln, sondern die Eltern den
Kindern. 15 Ich will aber sehr gerne darlegen und dargelegt werden für eure
Seelen; wiewohl ich euch gar sehr liebe und doch wenig geliebt werde. 16 Aber
lass es so sein, dass ich euch nicht habe beschwert, sondern dieweil ich
tückisch war, habe ich euch mit Hinterlist gefangen.
17 Habe ich aber auch jemand übervorteilt durch deren etliche, die ich
zu euch gesandt habe? 18 Ich habe Titus ermahnt und mit ihm gesandt einen
Bruder. Hat euch auch Titus übervorteilt? Sind wir nicht in einem Geist
gewandelt? Sind wir nicht in einerlei Fußtapfen gegangen? 19 Lasst ihr euch
abermals dünken, wir verantworten uns? Wir reden in Christus vor Gott; aber das
alles geschieht, meine Liebsten, euch zur Besserung. 20 Denn ich fürchte, wenn
ich komme, dass ich euch nicht finde, wie ich will, und ihr mich auch nicht
findet, wie ihr wollt: dass nicht Hader, Neid, Zorn, Zank, Afterreden,
Ohrenblasen, Aufblähen, Aufruhr da sei; 21 dass ich nicht abermals komme, und
mich mein Gott demütige bei euch, und müsse Leid tragen über viele, die zuvor
gesündigt und nicht Buße getan haben für die Unreinigkeit und Hurerei und
Unzucht, die sie getrieben haben.
Ihre Liebe hätte ihn für seine Liebe zu ihnen loben sollen (V. 11-16): Paulus wendet hier die Tatsache seines Rühmens gegen die Korinther zu ihrem Vorwurf, indem er sagt, dass er auf diese Weise töricht geworden ist, und zwar in einer Weise, die er persönlich für skandalös hält, weil sie es unterlassen haben, ihn zu loben: Denn ich hätte von euch gelobt, gepriesen werden müssen; denn ich stehe in nichts hinter jenen vorzüglichen, jenen sehr überlegenen Aposteln zurück, denen ihr so bereitwillig Gehorsam geleistet habt, - das heißt, den judaisierenden Lehrern, den falschen Propheten, die die Korinther beunruhigt hatten. Und das, obwohl er sich selbst gering schätzt, so wie er sich den geringsten der Apostel nennt, 1. Kor 15,9. Er war sich völlig darüber im Klaren, dass er nichts war, dass nichts von seiner Person, seinen Fähigkeiten, seinen Talenten abhing, dass er für das Werk nicht unentbehrlich war, dass er nur ein Werkzeug der Gnade in den Händen seines Herrn war, dass Christus alles in allem war.
Was aber die falschen Apostel betrifft, gegen die sich die vorliegende Stelle richtet, so will er nicht einen Augenblick lang ihre Überlegenheit anerkennen: Die Zeichen eines Apostels sind in der Tat in aller Geduld unter euch gewirkt worden, sowohl durch Zeichen als auch durch Wunder und Kräfte. Die besonderen Zeichen seiner apostolischen Autorität, die Zeichen, die ihn sofort als Apostel des Herrn kennzeichneten, die Wunder und Kräfte, die den Dienern des Herrn als Siegel ihrer Berufung gegeben worden waren, Mark. 16,17.18, waren in Korinth durch ihn gewirkt worden. Welchen größeren Beweis hätten sie sich wünschen können? Warum haben sie ihm die entsprechende Anerkennung vorenthalten?
Paulus bezieht sich auch auf die strittige Frage, wie er seinen Lebensunterhalt bestreiten konnte, während er in Korinth predigte: Denn was ist es, worin ihr den anderen Gemeinden unterlegen seid, wenn nicht, dass ich selbst euch nicht belastet habe? Waren sie in ihrer kritischen Haltung so weit gekommen, dass sie sich beleidigt und zurückgesetzt fühlten, weil er darauf bestanden hatte, seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen, und ihnen das Geld, das sie ihm eigentlich schuldeten, erspart hatte? Wenn dies wirklich ihre Haltung war, dann sollten sie ihm, wie er ironisch hinzufügt, dieses Unrecht verzeihen; er bittet sie demütig um Verzeihung, weil er sie beleidigt hat. Aber anstatt seine Methode zu ändern, erklärt er ausdrücklich: Siehe, das ist das dritte Mal, dass ich bereit bin, zu euch zu kommen, und ich werde euch nicht zur Last fallen. Von seinem ersten Besuch wird in Apostelgeschichte 18 berichtet; von seinem zweiten wissen wir nichts, obwohl er sich darauf bezieht, Kap. 13,1.2; 2,1. Bei der Ausführung seiner Absicht, sie zu besuchen, hat er sich entschlossen, bei seiner Praxis zu bleiben und von ihnen kein Geld für seinen Unterhalt zu verlangen: Denn ich suche nicht das Eure, sondern Euch. Niemand soll ihm vorwerfen können, dass er ihr Geld, ihre Güter sucht. Sein einziges Motiv ist, sie für Christus zu gewinnen und sie in der Gemeinschaft mit Christus zu halten. Zur Untermauerung dieses Grundsatzes zitiert er ein Sprichwort: Denn nicht die Kinder sind verpflichtet, für die Eltern Schätze zu sammeln, sondern die Eltern für die Kinder. Vgl. Spr. 29,14. Er war ihr geistlicher Vater, und als solcher war er darauf bedacht, geistliche Schätze für sie zu sammeln und sie zu Erben der wunderbaren geistlichen Gaben zu machen, die ihm zu ihrem Nutzen anvertraut worden waren.
In diesem Sinne ist seine Haltung ihnen gegenüber: Ich aber will sehr gern für eure Seelen spenden und mich ganz und gar verausgaben. So groß ist die Liebe des Apostels zu den Korinthern, dass er nicht nur jeden Gedanken an Gewinn für sich selbst ausschließt, sondern auch bereit ist, mit herzlichem Wohlwollen alles, was er in der Welt hat, für sie aufzugeben, ja, sein Leben zu opfern, wenn er dadurch ihr geistliches Wohl fördern kann. Es ist dieselbe selbstlose Hingabe, die er auch zu anderen Zeiten an den Tag legte, 1. Thess. 2,8; Phil. 2,17; 2. Tim. 2,10. Aber er ist gezwungen, mit wehmütiger Traurigkeit hinzuzufügen: Wenn ich euch mehr geliebt habe, bin ich dann weniger geliebt? oder: Je mehr ich euch liebe, desto weniger werde ich geliebt. Er war bereit, alles zu tun, um ihre Vorurteile und ihre Feindseligkeit zu überwinden, aber er hatte nicht im gleichen Maße Erfolg, sondern im umgekehrten Verhältnis, was er sehr schmerzlich empfand. Doch seine Liebe ist fähig, auch dieses Opfer zu bringen: Aber sei es drum! Er hat wenigstens die Genugtuung, dass er sie nicht mit seinem Unterhalt belastet hat, und das müssen die Korinther zugestehen. Nun aber machten seine Gegner eine andere Unterstellung: Aber weil ich schlau bin, habe ich euch mit einer List überlistet. Sie unterstellten ihm, dass er auf seinen eigenen Vorteil bedacht sei, dass er keine direkte Unterstützung annehme, dass er aber nicht über jeden Verdacht erhaben sei, wenn es um die Sammlung gehe, die angeblich für die Armen in Judäa sei. Diese Angelegenheit greift er nun im letzten Teil des Kapitels auf.
Paulus hofft auf eine aufrichtige Buße von Seiten der Korinther (V. 16-21): Paulus begegnet den Verdächtigungen seiner Feinde mit direkten Fragen; denn so wie er sich seiner eigenen Integrität sicher ist, so fühlt er, dass er für seine Vertreter bürgen kann, weil er weiß, dass sie nicht den geringsten Anlass zu solchen Schlussfolgerungen gegeben haben, wie sie seine Feinde den Korinthern nahelegen wollten: Ist unter denen, die ich zu euch gesandt habe, einer gewesen, durch den ich euch übervorteilt habe? In seiner Erregung achtet der Apostel nicht auf die grammatikalische Konstruktion, so sehr berührt ihn die Sache. Seine Vertreter standen unter Beobachtung, solange sie sich in Korinth aufhielten; möge nun jemand aus der Gemeinde mit konkreten Vorwürfen vortreten. Für den Fall, dass einige von ihnen Unwissenheit darüber vortäuschen, worauf Paulus sich bezieht, sagt er offen: Ich habe Titus gebeten, auf diese Mission zu gehen, und mit ihm habe ich den Bruder (der ihn begleitete) gesandt. Sie waren seine Abgesandten, sie handelten an seiner Stelle. Paulus bezieht sich auf die Mission, von der Titus gerade zurückgekehrt war und seinen Bericht aus der Gemeinde in Korinth mitgebracht hatte. Hat Titus euch ausgenutzt? Wandeln wir nicht in demselben Geist, in denselben Schritten? Bei Titus hatte man dieselbe Art des Umgangs gefunden, die auch Paulus beseelt hatte, derselbe Heilige Geist leitete ihr Handeln und kontrollierte ihr Verhalten. Aber nun hatten die Korinther die Zielstrebigkeit und Aufrichtigkeit des Titus erkannt, Kap. 7,13, und deshalb konnte Paulus ihre gute Meinung auch zu seinen Gunsten auslegen, da Titus seine Anweisungen ausgeführt hatte. Paulus hatte nichts zu verbergen, und alle seine Handlungen und Motive waren über jeden Verdacht erhaben.
Der Apostel kann also auch das Ziel seines Rühmens angeben, nämlich sie zur Umkehr zu erbauen. Damit weist er zunächst einmal den Gedanken zurück, als ob er als Entschuldigung geschrieben hätte: Glaubt ihr, dass wir uns nach so langer Zeit bei euch entschuldigen? Das wäre in der Tat der Würde eines Apostels unwürdig, wenn er seine Autorität von ihrer Anerkennung abhängig gemacht hätte. Und deshalb sagt er ihnen, dass eine solche Vorstellung weit von seiner Absicht entfernt war; im Gegenteil: Im Angesicht Gottes reden wir in Christus. Er hat seine Macht und Autorität von Christus, er tut das Werk seines Dienstes nach Anweisungen von oben. Deshalb gilt auch: Alles aber, was wir reden und tun, Geliebte, tue ich zu eurer Erbauung. Der Gedanke, wie er mehr zu ihrem geistlichen Nutzen tun könnte, wie er sie in ihrem geistlichen Leben voranbringen könnte, steht für Paulus immer an erster Stelle.
Aber die Umstände neigen dazu, ihn an ihrem geistlichen Zustand und Wohlbefinden zweifeln zu lassen: Denn ich fürchte, dass ich, wenn ich komme, euch leider nicht so vorfinden werde, wie ich es möchte, und dass ich auch für euch so vorgefunden werden werde, wie ihr es nicht möchtet. Er drückt hier die liebevolle Sorge eines Vaters aus. Er würde feststellen, dass sie nicht dem Standard entsprechen, den er für sie festgelegt hat, und sie wiederum würden ihn vielleicht nicht so angenehm finden, wie sie erwartet hatten, sondern eher zu entrüsteter Strenge neigen wegen ihrer Haltung und wegen der unerfüllten Verheißungen ihres geistlichen Zustands. Die Begegnung versprach, für beide Seiten peinlich und schmerzhaft zu werden. Er nennt acht Arten von bösen Früchten, die gewöhnlich auf einem solchen Boden gedeihen, wie sie ihn in Korinth vorbereiteten, und die er zu finden fürchtete: Zwietracht, Zank jeder Art; Eifersucht, wobei jeder dem anderen gegenüber voller Misstrauen ist; Wutanfälle, heftiger, leidenschaftlicher Zorn; Parteigeist und durch solchen Geist hervorgerufene Spaltungen; Verleumdungen, üble Nachrede und böse Berichte; Einflüsterungen, durch die der gute Name des Nächsten verleumdet wird; Hochmut, sowohl in Bezug auf die Gaben als auch auf die Erkenntnis; Tumulte, Unruhen, die das Werk des Evangeliums ernsthaft beeinträchtigen würden. Diese Früchte konnten dort reifen, wo das Fleisch und der Teufel noch herrschten, und es gab Hinweise darauf, dass ihre Herrschaft in Korinth noch nicht gebrochen war.
Welche Auswirkungen das auf den Apostel haben würde, sagt er ihnen freimütig: Damit, wenn ich wiederkomme, mein Gott mich nicht vor euch demütigt. Es wäre wahrlich eine demütigende Erfahrung für Paulus, wenn er eine so dürftige Frucht seiner Arbeit für das Evangelium sehen würde. Er hatte diese Demütigung schon einmal durchgemacht und ist nicht darauf bedacht, diese unangenehme Erfahrung zu wiederholen. Denn dann müsste er um viele trauern, die schon gesündigt und ihre Unreinheit, Unzucht und Lüsternheit nicht bereut haben. Es scheint, dass er sie bei seinem früheren Besuch auf ihre Anfälligkeit für die Sünden des Fleisches aufmerksam gemacht und sie vor jeder Form von Unreinheit, Unzucht und Sinnlichkeit gewarnt hatte. Wenn zu seiner Trauer über sie und ihre Weigerung, Buße zu tun, dieser neue Kummer darüber hinzukäme, dass sich in Korinth andere Früchte des Fleisches durchsetzen, wäre das Maß seiner Demut sicher erreicht. Es ist für jeden treuen Pastor immer eine schmerzliche, traurige Angelegenheit, wenn offene Übeltäter, schamlose Sünder, in ihrer Unbußfertigkeit verharren, aber er wird die Hoffnung nicht aufgeben, bis er alle Mittel ausgeschöpft hat, die zu ihrer Erlösung führen könnten.
Zusammenfassung: In seinem Rühmen beruft sich Paulus auf besondere Offenbarungen, insbesondere auf eine außergewöhnliche Vision, die er hatte, sowie auf die Tatsache, dass der Herr ihn durch ein schweres Gebrechen demütig hält; er erklärt, dass ihre Liebe zu ihm sie dazu hätte drängen müssen, ihn zu loben, da seine Zuneigung zu ihnen echt war; er hofft auf eine erbauliche Reue ihrerseits.
Eine abschließende Ermahnung und Grüße (13,1-14)
1 Komme ich zum dritten Mal zu euch, so soll in zweier oder dreier
Zeugen Mund jegliche Sache bestehen. 2 Ich habe es euch zuvor gesagt und sage
es euch zuvor als gegenwärtig zum zweiten Mal und schreibe es nun in Abwesenheit
denen, die zuvor gesündigt haben, und den anderen allen: Wenn ich abermals
komme, so will ich nicht schonen. 3 Da ihr sucht, dass ihr einmal gewahr werdet
des, der in mir redet, nämlich Christus, welcher unter euch nicht schwach ist,
sondern ist mächtig unter euch. 4 Und ob er wohl gekreuzigt ist in der
Schwachheit, so lebt er doch in der Kraft Gottes. Und ob wir auch schwach sind
in ihm, so leben wir doch mit ihm in der Kraft Gottes unter euch.
5 Versucht euch selbst, ob ihr im Glauben seid, prüft euch selbst! Oder
erkennt ihr euch selbst nicht, dass Jesus Christus in euch ist? Es sei denn, dass
ihr untüchtig seid. 6 Ich hoffe aber, ihr erkennt, dass wir nicht untüchtig
sind. 7 Ich bitte aber Gott, dass ihr nichts Übles tut, nicht damit wir tüchtig
gesehen werden, sondern damit ihr das Gute tut, und wir wie die Untüchtigen
seien. 8 Denn wir können nichts gegen die Wahrheit, sondern für die Wahrheit. 9
Wir freuen uns aber, wenn wir schwach sind, und ihr mächtig seid. Und dasselbe
wünschen wir auch, nämlich eure Vollkommenheit. 10 Deshalb ich auch solches
abwesend schreibe, damit ich nicht, wenn ich gegenwärtig bin, Schärfe gebrauchen
müsse nach der Macht, welche mir der HERR, zu bessern und nicht zu verderben,
gegeben hat.
11 Zuletzt, liebe Brüder, freut euch, seid vollkommen, tröstet euch,
habt einerlei Sinn, seid friedsam, so wird der Gott der Liebe und des Friedens
mit euch sein. 12 Grüßt euch untereinander mit dem heiligen Kuss. 13 Es grüßen
euch alle Heiligen. 14 Die Gnade unsers HERRN Jesus Christi und die Liebe Gottes
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen! Amen
Paulus
kündigt seine Entschlossenheit an, alle Strenge zu gebrauchen, wenn es nötig
ist (V. 1-4): Paulus folgt hier seiner üblichen Methode, das Ende seiner
Briefe so eindrucksvoll wie möglich zu gestalten. In einer sehr förmlichen
Weise kündigt er an: Dies ist das dritte Mal, dass ich zu euch komme. Das ist
gewissermaßen eine Erinnerung an Matth. 18,15-17;
denn es waren zwei apostolische Besuche vorausgegangen, bei denen Paulus jede
Form der Belehrung, der Überredung, der Ermahnung angewendet hatte. Für seine
dritte Visite wählt er daher bewusst das Motto: Durch den Mund von zwei oder
drei Zeugen soll jede Aussage bewiesen werden. Das Disziplinarverfahren, das er
einzuleiten gedenkt, wird streng und präzise sein. Er zitiert dieses Wort nicht
als ein für das Neue Testament gültiges Gebot des Mose, sondern weil diese
Ordnung der Wahrheitsfindung durch eine ausreichende Zahl von Zeugen von
Christus für gut befunden wurde, Matth. 18,16. Vgl. 1.
Tim. 5,19.
Sehr
feierlich und nachdrücklich erklärt er erneut: Ich habe vorher gesagt und sage
jetzt vorher, wie ich zum zweiten Mal anwesend war, so auch jetzt in meiner
Abwesenheit, zu denen, die vorher gesündigt haben, und zu allen anderen: Wenn
ich wiederkomme, werde ich sie nicht verschonen. Mit großer Nachsicht hatte
Paulus die unverbesserlichen Übertreter in Korinth ertragen. Er hatte sie bei
seinem Besuch bei ihnen gewarnt, die bloße Anwesenheit seiner Vertreter war
gleichbedeutend mit einer Warnung; er hatte ihre Neigung zur Unsittlichkeit
getadelt, Kap. 12,21; er hatte sie gewarnt, weil sie dazu neigten, Fraktionen
und Parteien zu bilden. Seine jetzige Ermahnung ist also die letzte, denn es
kommt die Zeit, in der Geduld und Langmut keine Tugend mehr sind. Er kann sich
nicht länger mit bloßen Appellen zufrieden geben, die ignoriert werden; er kann
nicht zulassen, dass seine apostolische Autorität in Frage gestellt und in
Zweifel gezogen wird.
Den
Grund, warum er sie bei seinem nächsten Besuch nicht verschonen würde, sagt er
ihnen: Da ihr einen Beweis dafür sucht, dass Christus in mir spricht (und dies
durch euer Verhalten in Frage stellt). Nicht alle Mitglieder der korinthischen
Gemeinde waren so aufmüpfig geworden, aber sie hatten auch nicht die richtigen
Schritte unternommen, um den Aufruhr zu unterdrücken, der die Autorität des
Apostels zu untergraben drohte. Zu Recht schließt Paulus daher neben den
eindeutig Schuldigen auch die übrigen in seine Zurechtweisung ein. Sie stellten
seine Berufung, seinen Auftrag von Christus, in seinem Namen zu sprechen, in
Frage. Und das, obwohl, wie Paulus schreibt: Der euch gegenüber nicht schwach
ist, sondern stark in euch. War nicht allein die Existenz ihrer Gemeinde ein
Zeugnis für die Macht Christi in seinem Diener? Hatten die Zeichen eines
Apostels, die in ihrer Mitte geschahen, nicht ausgereicht, um sie zu
überzeugen? Christus war in der Tat nicht schwach, aber seine Gnade hatte sich
in ihrer Mitte als mächtig erwiesen. Christus, der durch das apostolische Wort
und den apostolischen Geist zu den Korinthern gekommen war und nun in ihrer
Mitte lebte, stand nun erneut vor der Tür und klopfte an, und nichts wäre von
ihrer Seite törichter gewesen als Ausweichen oder offene Feindseligkeit.
Zwei Beweise für die Gegenwart und die Macht Christi in ihrer Mitte führt Paulus an: Denn auch er ist aus Schwachheit gekreuzigt worden, aber er lebt durch die Kraft Gottes. Das ist der erste Grund: die Auferstehung Christi, durch die er sich als Sieger über den Tod erwiesen hat. Christus hat nämlich die Gestalt eines Knechtes angenommen, Phil. 2,7, auf sich genommen hatte, wurde als Folge dieser Schwäche, die er freiwillig um der Menschen willen auf sich nahm, ans Kreuz genagelt. Er beugte sich der Schwäche des Leidens und Sterbens aus jener wunderbaren Liebe heraus, die ihn veranlasste, unsere Schmerzen zu tragen und unsere Leiden zu ertragen, Jes. 53,4. Aber durch seine Auferstehung ist er in seine Herrlichkeit eingegangen, durch die göttliche Kraft dessen, der seinen Sohn von den Toten auferweckt hat, sowie durch die Kraft dessen, der den Tod besiegt und Leben und Unsterblichkeit ans Licht gebracht hat. Und als Folge dieser Offenbarung der Macht Christi gilt der zweite Grund: Denn auch wir sind schwach in ihm, aber wir leben mit ihm durch die Kraft Gottes für euch. So gibt die Kraft, die Christus, der auferstandene König, vermittelt, dem Paulus die Macht, seine Pflicht gegenüber den Korinthern zu erfüllen. Wie Christus in den Augen der Welt schwach war, so mag auch Paulus vor ihnen schwach erscheinen. Tatsächlich aber hat er Anteil an dem wunderbaren göttlichen Leben und der Kraft, die den auferstandenen und verherrlichten Christus auszeichnet. Anmerkung: Paulus betont hier, dass der allmächtige, unfehlbare Christus in ihm lebte und durch ihn wirkte, und dass sein Amt dementsprechend zu würdigen sei.
Paulus
ruft seine Leser auf, erneut ihren Glauben an Christus fest zu machen (V.5-10):
Im Gegensatz zu dem in V. 3 dargelegten Gedanken, wonach die Korinther einen
Beweis für Christus in ihm wünschten, stellt der Apostel hier die Forderung,
dass sie ihre Prüfung auf sich selbst richten sollten. Anstatt auf Andeutungen
und Verdächtigungen gegen ihn zu achten: Prüft euch selbst; beginnt eure
Prüfung zu Hause, bevor ihr andere kritisiert. Und er rät ihnen, ihre
Aufmerksamkeit besonders auf den einen Punkt zu richten, ob sie im Glauben
sind; dazu sollten sie sich selbst prüfen. Denn allem Anschein nach war man
fast versucht, daraus zu schließen, dass ihr Glaube nur ein Hirngespinst war,
ein Zustand, der wiederum darauf zurückzuführen war, dass sie sich selbst
bewusst getäuscht hatten. Das war eine harte Kehrtwende, aber sie war
notwendig, denn verzweifelte Situationen erfordern verzweifelte Maßnahmen. Und
er lässt auf diesen Vorstoß einen weiteren folgen, der ebenso stark ist: Oder
wisst ihr nicht selbst, dass Christus Jesus in euch ist, es sei denn, ihr seid
unbewilligt? Wenn sie tatsächlich gläubig sind, dann müssen sie die Kraft
Christi in ihrem Herzen erfahren haben, und dieses Bewusstsein der Kraft der
Gnade Christi ist der beste Beweis für die göttliche Sendung des Paulus. Aber
wenn sie der hier vorgeschlagenen Prüfung nicht standhalten, dann sind sie
natürlich ungeeignet, verwerflich. Die Worte des Apostels sind prüfend, aber
auch ansprechend; er versucht nicht, ihr Gewissen zu erschrecken oder ihre
Herzen mit Zweifeln und Verzweiflung zu erfüllen; sein Ziel ist vielmehr, die
Schwachen und Schwankenden in ihrem Glauben zu bestätigen, die sterbende Glut
ihres Glaubens zu einer glühenden Flamme zu entfachen.
Für
seine eigene Person beteuert Paulus zuversichtlich: Ich hoffe, dass ihr wisst,
dass wir nicht unbestätigt sind. Er ist bereit, sich freudig jeder Prüfung
seines Glaubens wie auch seiner apostolischen Autorität zu unterziehen.
Diejenigen unter ihnen, die Jesus Christus im Herzen hatten, würden keinen
Augenblick zögern, seine Stimme und Macht in dem Apostel anzuerkennen, durch
dessen Verkündigung sie zur Erkenntnis der Wahrheit gekommen waren. Wenn sie
nicht verwerflich wären, wüssten sie ohne weiteres, dass er nicht verwerflich
war, sondern dass er die volle Vollmacht Christi hatte, auch alle Ungehorsamen
zu bestrafen.
Dass
Paulus sich aber einen solchen Beweis seiner Macht lieber ersparen möchte,
erklärt er in Form eines Gebetes: Wir aber beten zu Gott, dass ihr nichts Böses
tut, nicht damit wir gut erscheinen, sondern damit ihr das Rechte, das
Ehrenhafte tut, auch wenn wir nicht gut erscheinen. Er möchte, dass sie sich
nichts moralisch Schlechtes zuschulden kommen lassen, nichts, was dem prüfenden
Auge Gottes nicht standhalten würde. Aber sein Motiv für diesen Wunsch ist
nicht, dass sein Dienst in der Herrlichkeit seines Erfolges erstrahlt, dass er
von dem Kontrast profitiert, den ihr verwerflicher Zustand bietet, sondern dass
sie in allen Dingen das tun, was richtig und gut ist, auch wenn er in diesem
Fall nicht anerkannt wäre und keine Gelegenheit hätte, das Ausmaß seiner
Autorität zu zeigen. Ihre Erbauung, ihr Heil war das Ziel seines Dienstes.
Er nennt
zwei Gründe für die Uneigennützigkeit seines Gebets für sie. Er sagt an erster
Stelle: Denn wir können nichts gegen die Wahrheit tun, sondern für die
Wahrheit. Er kann und will keine apostolische Autorität an den Tag legen, wenn
die Tatsachen zeigen, dass die Korinther echte Reue gezeigt haben. Er muss
jederzeit für die Wahrheit eintreten; er muss diejenigen freisprechen und
trösten, die dem Evangelium Gehorsam geleistet haben. Es ist ein Grundsatz, der
zu allen Zeiten Anwendung findet, dass die Knechte, die Diener Christi für die
Wahrheit einstehen und alles, sogar den Tod, erleiden müssen, anstatt
zuzulassen, dass die Falschheit regiert. Zweitens ist Paulus in seinem Gebet so
ganz uneigennützig, weil ihr moralisches Wachstum für ihn eine wahre Freude
ist: Denn wir freuen uns, wenn wir schwach sind und ihr stark seid; und dafür
beten wir, für eure völlige Wiederherstellung, eure Vollkommenheit. Er würde
sich freuen, wenn er in diesem Fall nicht gezwungen wäre, seine Autorität zu
gebrauchen und sich schwach zu zeigen; es würde ihn sehr freuen, wenn sie die
richtige Stärke in der Umkehr zeigen würden; das ist es, was er wünscht und
worum er betet, ihre Wiederherstellung zu dem Zustand, den der Wille Gottes
verlangt, dass sie seine Ermahnungen annehmen, alle Feindschaft und alles Böse
ablegen und sich als wahre Kinder ihres himmlischen Vaters erweisen.
Das war das eigentliche Ziel seines Briefes, wie er zum Schluss sagt: Darum schreibe ich diese Dinge in meiner Abwesenheit, damit ich nicht, wenn ich anwesend bin, nach der Vollmacht, die mir der Herr zur Auferbauung und nicht zur Zerstörung gegeben hat, streng handeln muss. Es war ihm keineswegs ein Vergnügen, grob und streng mit ihnen umzugehen, wozu er gezwungen sein würde, wenn sie sich weigerten, die Anweisungen dieses Briefes zu befolgen. Viel lieber wäre es ihm, wenn sie seine Ermahnungen jetzt, vor seiner Ankunft, annehmen und ihre Gemeindeangelegenheiten richtig regeln würden. Denn nur dann würde der Zweck seines Dienstes, das Ziel seiner Autorität, richtig verwirklicht werden, da ihre Erbauung, ihre geistliche Bestätigung und ihr Wachstum und nicht ihr geistlicher Schaden der Grund war, warum er sich so eifrig bemühte. Diesen Zweck der Gemeindezucht sollten wir immer im Auge behalten, damit wir uns nicht legalistischer Praktiken schuldig machen.[36]
Der
Schluss (V. 11-14): Paulus kann es nicht unterlassen, mit einigen
aufmunternden Bemerkungen zu schließen, und zwar in seinem gewohnt milden Ton.
Er hegt keinen persönlichen Groll gegen sie, und alle Rachsucht ist seinem
Wesen fremd. Er fordert sie auf, sich zu freuen, Phil. 3,1; 4,1; 1. Thess. 5,16;
sich zu vervollkommnen, in der Erkenntnis des Willens ihres Herrn zu wachsen;
getröstet zu werden und einander zu trösten über alles, was sie betrübt hat;
einmütig zu sein, eine so liebevolle Rücksicht aufeinander zu nehmen, ein so
zärtliches Interesse für das Wohl des anderen zu haben, dass sie alle
Zwistigkeiten und jeden Parteigeist beiseite schieben;
und in Frieden zu leben, eine solche äußere Eintracht zu bewahren, dass sie
allen Feinden von außen eine ungebrochene Front bieten. Vgl. 1. Kor. 1,10. Wenn
dies der Fall wäre, dann würde der Gott der Liebe und des Friedens sich freuen,
bei ihnen zu sein, in ihrer Mitte zu wohnen. Als gemeinsame Brüder und als
Kinder desselben himmlischen Vaters sollten sie vereint sein, um den Reichtum
seiner Gnade und die Fülle seiner Segnungen zu erfahren.
Mit dieser Hoffnung auf einen treuen Seelsorger ermahnt Paulus sie, sich gegenseitig mit einem heiligen Kuss zu grüßen, mit der üblichen Form der orientalischen Anrede, die schon sehr früh Teil des christlichen Rituals wurde und die Brüderlichkeit der Gläubigen in der Familie Gottes anzeigte. Um ihnen zu zeigen, dass man ihrer in brüderlicher Liebe gedenkt. Paulus sendet ihnen Grüße von den Gläubigen in Mazedonien, wo er diesen Brief schrieb. Sein abschließender apostolischer Gruß schließt die drei Personen der Dreifaltigkeit mit ein: Die Gnade des Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Dieser Segen spricht jeder Person der Gottheit eine besondere, wenn auch nicht ausschließliche Rolle im Erlösungswerk zu. Die Gnade Jesu Christi wurde in seiner Menschwerdung, in seinem ganzen Leben, in seinem stellvertretenden Leiden und Sterben, in seinem Wirken als unser Fürsprecher vor dem Vater offenbar. Die Liebe Gottes, des Vaters, erwies sich in seinem Ratschluss zur Erlösung der Menschheit, in der Hingabe seines eingeborenen Sohnes, in seinem Sein in Christus, der die Welt mit sich versöhnt, in der Annahme von uns als seine lieben Kinder in Christus. Die Gemeinschaft des Heiligen Geistes, die Ausbreitung seines gnädigen Einflusses durch die Mittel der Gnade, befähigt uns, die Wunder der Barmherzigkeit Gottes zu erkennen und seiner heiligenden Führung zu folgen. Anmerkung: „Wir haben in diesem Abschnitt die praktische Lehre von der Dreifaltigkeit: Der Vater offenbart seine Liebe in Christus: Christus, in dem und durch den er sich offenbart und durch den das Erlösungswerk vollbracht wird, und die Gemeinschaft des göttlichen Lebens (der Heilige Geist), die von Christus ausgeht.“
Zusammenfassung:. Paulus kündigt seine
Entschlossenheit an, in Korinth notfalls mit aller Strenge vorzugehen; er
appelliert an seine Leser, sich zu Christus zu bekennen und ein solches
Vorgehen überflüssig zu machen; er schließt mit Grüßen und einem sehr
umfassenden apostolischen Gruß.
Bis vor
wenigen Jahren wurde dieses Thema in vielen Gemeinden nur mit Furcht und
Zittern angesprochen, weil man es aus irgendeinem Grund nicht für richtig
hielt, von den Geschäften der Gemeinde als solchen zu denken und zu sprechen.
Durch eine Bewegung, die vor allem von den Gemeindegliedern selbst in Gang
gesetzt wurde, ist die vorherrschende Vorstellung einer lästigen Pflicht in den
meisten Gemeinden durch die eines geschätzten Privilegs ersetzt worden. So wie
die Pastoren die Verwalter der Geheimnisse Gottes sind und im Namen Jesu und
anstelle der Gemeinden frei aus den unbegrenzten Schätzen der Gnade Gottes
spenden sollen, so legen alle Kirchenmitglieder als Verwalter der Güte Gottes
und als Treuhänder des Herrn das ihnen anvertraute Vermögen im Interesse des
Eigentümers an und erzielen reiche Erträge.
Für ein
solches christliches Geben haben die Gläubigen die allerbesten Gründe. Sie
haben das Beispiel derer vor Augen, die ihre Bereitschaft und ihren Willen
unter Beweis gestellt haben, ihr Geld für den Herrn zu investieren. 2. Kor. 9,1.2.
Es ist für einen Christen immer ein unangenehmes Gefühl, wenn er erfährt, dass
andere ihm in einem Werk vorausgegangen sind, an dem er aufgrund seiner
Nachfolge ein Interesse hat, sei es eine Angelegenheit in seiner eigenen
Gemeinde oder eine, die die Kirche insgesamt betrifft. Und wenn diese
Bereitschaft von einem Eifer begleitet wird, der seine Absicht in freudige
Ausführung bringt, wenn es eine Bereitschaft ist, die nicht nur mit dem Mund,
sondern auch mit der Hand geschieht, dann wird ihr Einfluss umso größer sein. 2.
Kor. 8,1-5. Der Bericht, dass eine kleine und verhältnismäßig arme Gemeinde im
Verhältnis mehr getan hat als eine große und reiche, kann nur ein Ansporn für
alle Nachzügler sein. Der ideale Zustand wäre, dass der gegenseitige Eifer als
gegenseitige Provokation wirkt, um dem Herrn den richtigen Geist und die
richtige Weisheit zu zeigen.
Ein
weiterer Grund, der die Christen dazu veranlasst, nach ihren Fähigkeiten zu
spenden, insbesondere wenn an ihre Nächstenliebe gegenüber den Armen und
Bedürftigen appelliert wird, ist die Tatsache, dass die Empfänger den
tatsächlichen Nutzen der Gaben haben werden. Gelder, die für wohltätige Zwecke
gesammelt werden, um Mitchristen oder Außenstehenden zu helfen, vor allem, wenn
die Sache so sorgfältig behandelt wird wie die von Paulus durchgeführte
Sammlung für die Brüder in Jerusalem, werden den tatsächlichen Bedürfnissen
dienen und keinen Luxus bringen. Aber die Gebete der Begünstigten werden für
die Spender zum Gnadenthron aufsteigen, und diese Gewissheit wird ein
zusätzlicher Ansporn für alle Christen sein, die zu helfen vermögen und ihre
Wohltätigkeit nicht zu einer toten Routine machen. Hinzu kommt die Gewissheit
einer wachsenden Gemeinschaft, die mit dem richtigen und regen Geben
einhergeht. Die Herzen der Empfänger und der Geber sind miteinander in einer
Gemeinschaft der Liebe verbunden, die sich zum Vorteil aller auswirken muss.
Der
letzte und eindrucksvollste Grund für das christliche Geben ist jedoch das
Gedenken an die Liebe Christi, die uns im gesamten Erlösungswerk erwiesen
wurde. Wenn ein Christ die unsagbare Torheit, Schlechtigkeit und Schuld der
Sünde erkennt, wenn er tatsächlich eine Vorstellung davon hat, dass er wegen
seiner Sünden Gottes Zorn und Missfallen, den zeitlichen Tod und die ewige
Verdammnis verdient hat; Wenn er dann die wunderbare, selbstlose Hingabe
betrachtet, die Gott dazu veranlasst hat, seinen eingeborenen Sohn um
seinetwillen in den Tod zu geben, dann wird jedes Gefühl von Geiz und jede
Eigenliebe abgetan und ausgerottet, um Platz zu machen für eine fröhliche und
freie Demonstration der barmherzigen Zuneigung gegenüber seinem Nächsten, 2.
Kor. 8,8.9.
Was die
Methode des christlichen Gebens betrifft, so gibt das Wort Gottes den Gläubigen
des Neuen Testaments kein Gebot. Aber der Rat des Apostels, systematisch zu
spenden, ist gewiss eine gründliche Betrachtung wert, wenn nicht gar eine
völlige Befolgung, 1. Kor. 16,1.2. Sein Vorschlag, regelmäßig und systematisch
zu spenden, wenn möglich jeden Sonntag, hat sich in der Praxis als so wertvoll
erwiesen, dass nur wenige Gemeinden zu einer anderen Methode zurückkehren
wollen, um Gelder für ihre eigenen Haushalte wie auch für externe Zwecke zu
sammeln. Die willkürlichen Methoden, die in manchen Kreisen angewandt werden,
wonach jedes Mitglied seine eigene Zeit hat, um Geld für die verschiedenen
Schatzkammern innerhalb und außerhalb der Gemeinde beizusteuern, sind selbst vom
Standpunkt der menschlichen Erfahrung und Natur aus nicht zu empfehlen. Der Rat
des Paulus war ein inspirierter Rat und hat sich in jeder Hinsicht bewährt.
Was schließlich die Art und Weise des Gebens betrifft, so sind auch die Ratschläge des Paulus an die Korinther zu beherzigen. Er mahnt, jeder solle geben, was er kann, so wie der Herr ihn begünstigt hat, 1. Kor 16,2. Das Gefühl, dass alle Gaben dieses Lebens Beweise der Güte und unverdienten Liebe Gottes sind, sollte den Christen zum Geben antreiben und auch den Betrag bestimmen, den er für den Herrn investiert, Spr 19,17. Das wird noch deutlicher durch die Ermahnung, dass jeder so geben soll, wie er es sich in seinem Herzen vornimmt, was sein Herz unter dem Einfluss der Liebe Christi für den richtigen und angemessenen Betrag hält. Eine Gabe, die nicht mit herzlicher Bereitschaft erfolgt, verfehlt ihren Zweck, was die Zustimmung des Herrn betrifft. Aus diesem Grund fügt der heilige Paulus hinzu: Nicht widerwillig und nicht notgedrungen; das Gefühl, als ob man ihn berauben, als ob man ihn erpressen würde, darf nicht im Herzen eines Christen sein, wenn die Kollekte in dem Geist erfolgt, den der Apostel hier befürwortet. Ein Christ, der unter dem Zwang der vom Apostel angeführten Gründe handelt, wird seine Gaben gerne mit freier Hand verteilen und sich bei keiner seiner Handlungen von einem Gefühl des Geizes leiten lassen, denn Gott liebt einen fröhlichen Geber, 2. Kor. 9,7.[37]
Eines
der wichtigsten Merkmale der heutigen Theologie ist ihre Emanzipation von dem,
was sie spöttisch als "Jenseitigkeit" der christlichen Lehre
bezeichnet. Die Bewegung begann in Deutschland vor fast einem Jahrhundert; sie
hatte in Amerika schon vor dem Weltkrieg einen Höhepunkt erreicht und hat
jetzt, wo „Wiederaufbau“ auch in der Religion zu einem Schlagwort geworden ist,
alarmierende Ausmaße angenommen. Das Ziel der Bewegung ist, wie ein prominenter
Redner kürzlich erklärte, nicht die Rettung von Seelen, sondern „die von
Christus selbst, das Himmelreich oder eine himmlische Zivilisation auf Erden zu
errichten, alle Ungerechtigkeit und Sünde, ob individuell oder
gesellschaftlich, zu bekämpfen“.
Wohin
diese Bewegung ihre Vertreter geführt hat, kann man aus verschiedenen Büchern
und Pamphleten ersehen, die in den letzten Jahren erschienen sind. Sie sprechen
von einer „Entwicklung der christlichen Religion“, während der Inhalt des
christlichen Glaubens in der Heiligen Schrift festgelegt ist. Dass sie weder
die Heilige Schrift noch die Geschichte beachten, geht aus der Aussage eines
Schriftstellers hervor, der von der „neuen Theologie des Paulus“ als einem
Produkt frischer religiöser Erfahrungen und praktischer Notwendigkeiten spricht
und die Bekehrung des Paulus mit folgenden Worten beschreibt „Die Erfahrung des
Paulus in Damaskus war der Höhepunkt seines persönlichen Kampfes und seines
Aufbruchs in die geistige Freiheit. Aber seine Krise erhielt ihre Intensität
durch ihren sozialen Hintergrund. Für ihn war es eine Entscheidung zwischen der
alten engen nationalistischen Religion des konservativen Judentums und einer
umfassenderen Bestimmung für sein Volk, zwischen der Gültigkeit des Gesetzes
und der geistlichen Freiheit, zwischen dem exklusiven Anspruch Israels auf die
messianische Hoffnung und einer weltweiten Teilhabe an den historischen
Vorrechten des erstgeborenen Volkes.“
Wenn man
das Wunder der Bekehrung so kühl sezieren kann, ist es nicht verwunderlich,
dass alle grundlegenden Lehren des Christentums vor seinem Ansturm
zusammenbrechen. Die Lehre vom Sündenfall und von der ererbten Sünde, die in
der Heiligen Schrift so deutlich gelehrt wird, wird als unwichtig beiseite geschoben. Die Existenz von Satan und den bösen
Engeln wird ruhig geleugnet: „Die Dämonen sind zur poetischen Unwirklichkeit
verblasst.“ Die Erlösung wird lediglich "die freiwillige
Vergesellschaftung der Seele". Bekehrung ist nur "unser eigener
aktiver Bruch mit alten Gewohnheiten und Verbindungen und unsere Hinwendung zu
einem neuen Leben". Kein Wort von der belebenden Kraft Gottes. Der
rettende Glaube passt nicht in das neue System, und so wird er stillschweigend beiseite gelegt: „Es ist Glaube, anzunehmen, dass dies eine
gute Welt ist und dass das Leben lebenswert ist.... Es ist Glaube, Gott in der
Welt am Werk zu sehen und einen Anteil an seiner Arbeit zu beanspruchen.“ In
Bezug auf den Nutzen der Taufe heißt es: „Die Erbsünde und die Wiedergeburt
durch die Taufe scheinen zum Aussterben bestimmt zu sein.“
Aber der
Höhepunkt der blasphemischen Darstellung wird im Kapitel über „Das Reich Gottes“
erreicht. Der Autor sagt ausdrücklich: "Diese Lehre ist selbst das soziale
Evangelium. Ohne sie wird die Idee der Erlösung der sozialen Ordnung nur ein
Anhängsel der orthodoxen Vorstellung vom Heilsplan sein. .... Das Reich Gottes
ist die nach dem Willen Gottes organisierte Menschheit". Das ist also das
Ziel des sozialen Evangeliums, das Reich Christi, das Himmelreich, das Reich
Gottes hier auf Erden, als eine äußerlich sichtbare Organisation zu errichten.
Bei der richtigen und gerechten Einschätzung
dieser Bewegung lassen wir uns von der Tatsache leiten, dass die Bibel die
Weltfremdheit der Herrschaft und des Reiches Christi hervorhebt. "Mein
Reich ist nicht von dieser Welt", sagt Jesus zu Pilatus, Joh. 18,36. Und
zu den Pharisäern sagt er: „Das Reich Gottes kommt nicht mit äußerlichen
Gebärden“, Luk. 17,20. In völliger Übereinstimmung mit dieser Tatsache schreibt
Paulus an Timotheus: „Der Grund Gottes steht fest und hat dieses Siegel. Der
Herr kennt die Seinen.“ 2. Tim. 2,19. Diese Tatsache wird durch eine Vielzahl
von Stellen in allen Teilen der Bibel bestätigt. Die Gläubigen werden als
Gäste, Fremde und Pilger in der Welt bezeichnet. Ps. 119,19; 1. Petr. 2,11;
Hebr. 11,13; Ps. 39,12. Der Apostel Paulus geht in vielen seiner Briefe auf
diese Tatsache ein. Er sagt von den Christen, dass sie in sich selbst seufzen
und auf die Erlösung ihres Leibes warten, Röm. 8,23. An die Korinther schreibt
er: „Wir sind zuversichtlich und gewillt, lieber abwesend vom Leib zu sein, als
bei dem Herrn zu sein“, 2. Kor 5,8. An die Philipper richtet sich sein
sehnliches Verlangen: "Ich habe das Verlangen, wegzugehen und bei Christus
zu sein, was viel besser ist", Phil. 1,23. Und von allen Christen sagt er:
"Denn unser Gespräch ist im Himmel", Phil. 3,20. Die Kolosser ermahnt
er: „Seid ihr nun mit Christus auferstanden, so sucht das, was droben ist, wo
Christus zur Rechten Gottes sitzt. Trachtet nach dem, was droben ist, nicht
nach dem, was auf Erden ist“, Kol. 3,1.2. Vgl. Heb. 13,14.
Aufgrund dieser eindeutigen Aussagen lehnen
wir Christen das soziale Evangelium der heutigen Zeit mit Nachdruck ab. Wir
wissen, dass das Leben der Christen hier auf der Erde nur eine Vorbereitung auf
die Ewigkeit ist, dass unsere Arbeit wie auch unsere Erholung zu dieser
Vorbereitung auf unsere große Heimkehr gehört. Unser Geld und unsere Güter sind
nicht unser ständiger Besitz, sondern sind uns nur als Verwalter anvertraut,
damit wir sie zur Ehre Gottes und zum Wohl unseres Nächsten einsetzen, Ps. 62,11;
Jer. 9,23; 1. Tim. 6,17. Mann, Frau und Kinder sind Gaben Gottes, und es
gefällt dem Herrn, wenn wir im Kreise unserer Familie und anderswo glücklich
sind, und doch bleibt es wahr: „Es bleibt, dass die, die Frauen haben, seien,
als hätten sie keine; und die, die weinen, als weinten sie nicht; und die, die
sich freuen, als freuten sie sich nicht; und die, die kaufen, als besäßen sie
nicht; und die, die diese Welt gebrauchen, als missbrauchten sie sie nicht;
denn die Art und Weise dieser Welt vergeht“, 1. Kor 7,29-31.
Nur wenn wir uns diese Tatsachen vor Augen halten, werden wir in der Lage sein, unser Leben auf der Erde in Übereinstimmung mit dem Wort und dem Willen des Herrn zu führen. Im Übrigen weisen wir die Unterstellung zurück, als würden wir in unserer Sorge um die kommende Welt die Pflichten des gegenwärtigen Lebens vergessen. Gerade weil wir die richtige Vorstellung und Einschätzung der ewigen Güter haben, die uns erwarten, hüten wir uns vor dem Verlust dieser wunderbaren Gaben, sowohl durch begangene als auch durch unterlassene Sünden. Gerade weil wir wissen, was unser Erlöser in selbstloser Liebe für uns getan hat, sind wir um so mehr bereit, unserem Nächsten in allen Werken der Liebe und Barmherzigkeit zu dienen und alle Pflichten zu erfüllen, die uns als Staatsbürger obliegen. So sind wir in der Welt, aber nicht von der Welt, und erwarten mit sehnlicher Erwartung den Tag der Offenbarung des Reiches der Herrlichkeit.[38]
A Entnommen aus: Dr. Martin Luthers Sämtliche Schriften. Hrsg. von Joh. Georg Walch. Nachdr. der 2., überarb. Aufl. St. Louis, Missouri. Bd. 14. Groß Oesingen: Verl. der Lutherischen Buchhandlung Heinrich Harms. 1987. Sp. 114-115
[1] Expositor’s Greek Testament, 3,
37
[2] Luther,
2, 745
[3] Besser,
Bibelstunden, 9, 23; vgl. Luther, 12, 74
[4] Vgl.
Multon und Milligan. Vocabulary;
Deissmann, Bible
Studies, 230
[5] Luther,
zitiert bei Besser, Bibelstunden, 9, 52
[6] Concordia
Triglotta, 903, Konk.Formel,
Ausf. Erkl. II, 56
[7] Expositor’s
Greek Testament, 3, 52
[8] Luther, 12,
839
[9] Luther, 12,
844
[10] Luther, 11, 1768
[11] Luther, 12,
859
[12] Luther, 12,
857
[13] Concordia Triglotta, S. 159, Apol. III,
12; vgl. CT, S. 955, Konk.Formel, Ausf. Erkl. V, 10
[14] Concordia Triglotta, S. 428, Apol. XXVII (XIII), 27
[15] Luther, 19,
1735
[16] Luther, 6,
144
[17] Besser,
Bibelstunden, 9, 144
[18] Besser,
Bibelstunden, 9, 175
[19] Luther,
20, 935
[20] Luther,
12, 436
[21] Luther,
12, 438
[22] Luther,
12, 463
[23] Vgl.
Homiletisches Magazin, 1896, 32-42
[24] Robertson, A
Grammar of the Greek New Testament, 1136
[25] Lange-Schaff,
2 Corinthians, 119
[26] Clarke, Commentary,
6, 345
[27] Concordia
Triglotta, 955, Konk.Formel,
Ausf. Erkl., V, 9
[28] Lange-Schaff, 2
Corinthians, 139
[29] Concordia Triglotta, 221, Apol. III, 246
[30] Concordia
Triglotta, 943, Konk.Formel,
Ausf. Erkl., IV, 17
[31] Luther, 4,
510
[32] Luther, 12,
2029
[33] Luther 12,
414
[34] Luther 2, 1665
[35] Expositor’s
Greek Testament, 3, 112
[36] Vgl.
Luther, 19, 878
[37] Vgl. Synodalbericht
Texas, 1913; Westlicher Distrikt,
1913; Dallmann, Christian Giving. [Basare, auf denen Dinge verkauft werden,
deren Erlös dann der Gemeinde zugute kommt, sind
nicht christliche Gaben (außer von denen, die Sachspenden dafür ohne
Gegenleistung machten), nicht christliches Spenden, sondern ganz einfach
Geschäfte. Sie stellen daher keinesfalls das dar, was als ein „gutes Werk“ im
biblischen Sinn bezeichnet werden kann. Eine Gemeinde, die das suggerieren würde,
dass derjenige, der auf einem Basar etwas kauft, ein gutes Werk tut, versündigte
sich. Anm. d. Hrsg.]
[38] Vgl. Rauschenbusch: A Theology
for the Social Gospel. [Vom „sozialen Evangelium“ unbedingt zu unterscheiden
ist die soziale Verantwortung der Christen. Jeder Christ soll sie in seinem
Umfeld an den Bedürftigen, Kranken, Schwachen, Schwangeren, Sterbenden,
Verletzten, Einsamen, Waisen usw. als Nächstenliebe ausüben. Darüber ist die
Gemeinde verpflichtet, Nächstenliebe zu üben, soweit es ihr möglich ist, und in
diesem Rahmen auch entsprechende diakonische Einrichtungen aufzubauen und zu
unterhalten. Schließlich ist sie auch aufgerufen, den Staat und die darin Verantwortlichen
an ihre Verantwortung für die Schwachen, Kranken, Sterbenden, Schwangeren, Ärmeren
zu ermahnen und an die Verpflichtung des Staates vor Gott zu erinnern, das
allgemeine Wohl als Staatsziel im Auge zu haben. Hier können Christen, soweit
sie darin eine Berufung sehen, auch entsprechend mitarbeiten und Verbesserungen
vorschlagen und Ausbeutung, Wucher, ungerechte Verträge, Kinderarbeit,
Sklaverei usw. im nationalen und internationalen Rahmen bekämpfen. Anm. d. Hrsg.]