Kurze Übersicht über die Grundlinie der Bibel

 

Roland Sckerl

 

    Die Bibel oder die Heilige Schrift ist nicht eine zusammenhanglose Aneinanderreihung von Geschichten, sondern allerdings ein zusammenhängendes Ganzes, von einem Autor, dem Heiligen Geist, konzipiert und den heiligen Schreibern, Propheten, Aposteln, Evangelisten und Apostelschülern, eingehaucht oder eingegeben, so dass daraus die Bibel entstand, das absolut wahre, absolut richtige, absolut irrtumslose Gotteswort, dem wir in seinen Aussagen, so, wie sie lauten, wahrhaft vertrauen können.

 

Schöpfung und Urstand

    Der Ausgangspunkt ist Gottes Schöpfung, wie sie uns in 1. Mose 1 global dargestellt wird, um dann in Kapitel 2 nochmals, aber nun mit dem Schwerpunkt auf den Menschen, seiner Erschaffung, seiner Beauftragung mitsamt der Einsetzung der Ehe, wiederholt zu werden. Wie waren die ersten Menschen, Adam und Eva? Sie waren gemäß 1. Mose 1,26 f. zum Ebenbild Gottes geschaffen. In einem weiteren Sinne hängt damit auch all das zusammen, was zum Personsein des Menschen gehört.1 Im eigentlichen Sinne aber meint Gottebenbildlichkeit, wie aus Eph. 4,24 und Kol. 3,10 zu entnehmen ist, die vollkommene Gerechtigkeit und Heiligkeit, verbunden mit völliger Naturerkenntnis. (Aus diesem Grund konnte z.B. Adam die Tiere auch alle mit Namen versehen, 1. Mose 2,19-20.) Damals, am Anfang, war noch alles „sehr gut“, 1. Mose 1,31: Es gab noch keine Sünde, daher auch keinen Tod, keine Krankheit, kein Leid, keine Zerstörung, nichts von all dem, was heute unser Leben immer wieder schwer, notvoll macht.

    Vor allem: Unsere Ureltern Adam und Eva standen noch in unmittelbarer Verbindung mit Gott und hatten auch in geistlichen Dingen tatsächlich einen uneingeschränkten freien Willen. Für sie war die Frage: Gibt es einen lebendigen Gott? nicht relevant, denn sie wussten allerdings, dass es Gott gibt, sie hatten ja täglich mit ihm direkten Umgang. Gott hatte Adam, und durch ihn auch Eva, ein Gebot gegeben, das einzige, was unsere Ureltern im Paradies hatten, an dem sie ihre Gottesfurcht, ihre Liebe, ihr Vertrauen zu Gott, ihren Gehorsam beweisen sollten: Sie durften von allen Bäumen im Garten Eden, der damaligen Wohnstätte Adams und Evas, essen, ausgenommen von dem Baum der Erkenntnis von Gut und Böse. Mit diesem Gebot war auch eine Warnung verbunden: An welchem Tag du davon isst, musst du des Todes sterben. (1. Mose 2,17)

 

Der Sündenfall und seine Folgen

    Dann aber geschah etwas, wovon unsere Ureltern zunächst nichts mitbekamen: Im Himmel rebellierte Luzifer, ein bedeutender der noch vor den Menschen erschaffenen Engel, mit vielen anderen Engeln, weil er Gott gleich sein wollte – und wurde aus dem Himmel gestürzt, die Engel wurden gebunden, Judas 6, das heißt, ihre Betätigungsmöglichkeiten wurden von Gott eingeschränkt. Nun aber war und ist Luzifer, den wir auch Satan, Teufel nennen, getrieben davon, Gottes Schöpfung zu schädigen, zu stören und zu zerstören, wo immer er nur kann, besonders aber die Krone der Schöpfung, den Menschen, anzugreifen, denn er ist ein Mörder und Lügner von Anfang, nicht bestanden in der Wahrheit (Joh. 8,44).

    Und er trat nun, unter der Gestalt einer Schlange (siehe 1. Mose 3), an Eva heran, um in ihrem Herzen Zweifel an der Glaubwürdigkeit von Gott und seinem Wort, an der Güte, der Liebe Gottes zu wecken: Sollte Gott gesagt haben? Zunächst hat Eva noch Gottes Gebot verteidigt. Aber sie hat nicht ihren Mann zu Hilfe gerufen, der als ihr Haupt, dem sie zur Seite gestellt war als Gehilfin, sie hätte beschützen sollen. Und dann wurde Satan dreister: Er widersprach einfach Gottes Wort. Ihr werdet keineswegs des Todes sterben. Und dann griff er Gottes Treue, Gottes Wahrhaftigkeit, Gottes Liebe direkt an und weckte Verlangen in Eva nach Dingen, die ihr angeblich von Gott vorenthalten wurden: Sondern Gott weiß, dass, an welchem Tag ihr davon esst, so werden eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist. Sein wollen wie Gott, so klug, so autonom, so sich selbst genügend, um sich selbst sich drehend, sich selbst Gesetze gebend, kurz: Gott gleichgestellt zu sein – das ist die Ursünde, das ist der Ausgangspunkt und Kern aller Sünde.

    Eva war nun in eine Entscheidung gestellt: Gott zu vertrauen, seinem Wort zu glauben, auch gegen all die Verlockungen und Anwürfe Satans – oder sich gegen Gottes Wort zu stellen, Satan mehr zu glauben. Eva ist auf Satans Worte eingegangen, hat damit gezeigt, dass sie ihm nun mehr glaubte, vertraute als Gott und hat auch ihrem Mann Adam davon gegeben, der, anstatt nachzufragen, einfach nahm und aß. So wurden beide in Ungehorsam gestürzt und haben beide aus freien Stücken den Ungehorsam begangen und so alles verloren, die gesamte Gottebenbildlichkeit (im eigentlichen Sinne). Man mag meinen: Aber sie sind ja nicht sogleich gestorben. Das ist ein Irrtum. Der Begriff des Todes wird eingeschränkt, wenn wir nur den leiblichen Tod damit meinen. Er ist umfassender: Die Bibel kennt den geistlichen Tod, nämlich die Trennung des Menschen von Gott. Sie spricht weiter vom leiblichen Tod, nämlich der Trennung von Seele und Leib. Und sie spricht schließlich vom ewigen Tod oder der ewigen Verdammnis, der ewigen Trennung von Gott, verbunden mit nicht endender Qual, Pein, die dann eintritt, wenn vor dem leiblichen Tod der geistliche Tod nicht durch das, was die Bibel auch Wiedergeburt, Bekehrung nennt, überwunden wurde, nämlich den rettenden Glauben an den von Gott gesandten Erlöser Jesus Christus. Und der geistliche Tod, die Trennung von Gott, war sogleich eingetreten.

    Die Folgen des Verlusts der Gottebenbildlichkeit, die Folgen dessen, nun ganz und gar von der Sünde durchzogen zu sein, die nun den Menschen ganz verdorben hat (wir sprechen daher ja von der Erbsünde als der Ursünde im Menschen, die er seit seiner Zeugung an sich hat, die ihn durchzieht, die auch sein Erbverderben mit sich bringt, ein abgrundtiefes Verderben, seinen geistlichen Tod, dass er also aus seinen natürlichen Kräften unfähig ist, Gott zu lieben, an ihn zu glauben, ihm zu dienen, sein Wort zu verstehen (Eph. 2,1-3; 1. Kor. 2,14)), wurden sofort deutlich: Adam und Eva waren auch zuvor nackt gewesen, aber sie benötigten noch nicht die Scham, um gegen die bösen Lüste und Begierden des Fleisches vorzugehen, denn die gab es zuvor nicht. Aber mit dem Sündenfall „entdeckten“ sie, dass sie nackt waren, das heißt, sie spürten sogleich, wie verletzlich sie jetzt waren, welche Begierden aufkamen, und versuchten, ihre Nacktheit zu bedecken (1. Mose 3,7). Gott der HERR machte ihnen später Kleider (1. Mose 3,21): Und wir können hinter diese Grenze nicht mehr zurück. Alles andere ist heute schamlos. Wir können in diesem Leben, in dieser Zeit nicht mehr zurück in den Zustand vor dem Sündenfall.

    Als Gott der HERR zu seinen Menschen kam, da versteckten sie sich vor ihm. Das ungetrübte Verhältnis zu Gott war zerbrochen. Und als Gott Adam ansprach, um ihn zur Rechenschaft zu ziehen, zur Umkehr, zum Sündenbekenntnis zu rufen, da versuchte dieser, auszuweichen, noch mehr: Er beschuldigte seine Frau, weil sie ihm die Frucht gegeben hatte. Auch die ungetrübte Beziehung der Menschen zueinander war zerbrochen. Und noch mehr: Adam beschuldigte Gott: die Frau, die du mir gegeben hast. Hättest du sie mir nicht gegeben, so wäre das nicht passiert. Und als Gott die Frau ansprach, da schob sie die Schuld auf die Schlange. Auch die Beziehung zur Natur war zerbrochen.

 

Die erste Verheißung des Retters und der erste stellvertretende Tod

    Wie hat Gott reagiert? Das ist nun das Gewaltige, das Unerwartete, das Wunderbare: Gott hat seine Geschöpfe nicht sogleich getötet, liquidiert. Das hätte er ja tun können. Das wäre die gerechte Strafe gewesen. Aber er hat es nicht getan. Im Gegenteil. Er hat sich an die Schlange gewandt. Und im Urteil an sie lag zugleich auch die Verheißung der zukünftigen Rettung für die so tief gefallenen ersten Menschen und ihre Nachkommen: Ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe und zwischen deinem Samen und ihrem Samen. Derselbe soll dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen. (1. Mose 3,15) Das ist das erste oder „Prot-Evangelium“. Hier wird der angekündigt, der aus der Nachkommenschaft der Frau kommen wird, der Same der Frau. Schon das ist interessant, dass es hier um den Samen oder Nachkommen der Frau geht. Eine Frau hat normalerweise keinen Samen. Hier wird schon die Jungfrauengeburt angedeutet, die später, durch den Propheten Jesaja, klar ausgesprochen wird (Jes. 7,14). Und war wird von diesem Nachkommen auch gesagt: Er wird Satan den Kopf zertreten, wird ihn völlig überwinden, besiegen – muss dafür aber selbst schrecklich leiden, so, wie es sich ja in Jesus Christus erfüllt hat, der den Teufel besiegt, seine Werke zerstört hat (1. Joh. 3,8), aber doch dazu leiden und am Kreuz sterben musste (aber nicht im Tod blieb, sondern ihn überwunden hat, auferstanden ist zu unserer Rechtfertigung (Röm. 4,25)).

    Gott hat dann auch über Eva und Adam, über Frau und Mann sein Urteil gefällt, für deren weiteres Leben. All das, was bisher schön, einfach, problemlos war, das sollte nun mit Not verbunden sein. Das Hauptsein des Mannes wurde wieder hergestellt. Die Hauptaufgabe der Frau aber, Mutter zu sein, sollte mit Schmerzen und Gefahren verbunden sein (1. Mose 3,16). Die Hauptaufgabe des Mannes aber, Ernährer zu sein, zu arbeiten, sollte viel Mühe, mit viel Frust, viel Qual und Anstrengung verbunden sein (1. Mose 3,17-19) – und für beide, Mann wie Frau, steht am Ende der leibliche Tod (1. Mose 3,19).

    Und doch waltet weiter Gottes Güte über uns Menschen. Damit Adam und Eva nicht vom Baum des Lebens essen und dadurch leibliche Unsterblichkeit erlangen, womit aber die völlige Erlösung aus dem Elend dieses gefallenen Lebens unmöglich geworden wäre, hat Gott sie aus dem Paradies vertrieben (1. Mose 3,22). Zuvor aber ist noch etwas anderes geschehen: Um der Sünde der Menschen willen floss das erste Blut, musste erstmals ein Tier sterben, denn Gott der HERR machte Adam und Eva Röcke aus Fellen. Hier haben wir nun ein Grundprinzip, das die ganze Bibel durchzieht: Um der Sünde willen muss Blut fließen, die Sünde muss mit dem Tod gesühnt werden; und diese Sühnung ist eine stellvertretende. Und doch: Letztlich kann der Ochsen und Böcke Blut nicht für die Sünde des Menschen genug tun. Das kann nur der Mensch selbst (Hebr. 10,4-14), weshalb der Messias, der Retter, der Erlösung auch wahrer Mensch sein musste.

    Adam und Eva haben der Verheißung von Herzen geglaubt, sind die ersten messiasgläubigen Menschen überhaupt gewesen, auch wenn sie die ganze Tiefe der Verheißung noch nicht verstanden. Eva wurde schwanger und gebar ihren ersten Sohn und meinte nun schon, dies sei der Retter: Ich habe den Mann, den HERRN. Sie nannte ihn Kain. Dann wurde ein Bruder geboren, Abel. Das waren nicht die einzigen Kinder, aber die ersten, von denen die Bibel uns berichtet.

 

Kain und Abel – oder die beiden Grundlinien der Menschheit zeichnen sich ab

    Sie haben, als sie aufwuchsen, auch geistliche Unterweisung bekommen von ihren Eltern. Sie haben gewiss die Berichte über die Zeit im Paradies gehört, über das schreckliche Ereignis, das alles so grundlegend zum Schlechten verändert hat, Sündenfall, aber gewiss auch die großartige, kostbare Verheißung von dem Retter, der kommen soll, um uns zu erlösen, aber auch selbst dabei zu sterben. Und sie haben das Reden mit Gott gelernt, das Gebet. Und noch etwas: Dass sie sich dem wahren, dem heiligen und gerechten Gott, eben weil sie Sünder sind, Menschen, die nicht mehr so sind, wie Gott sie haben will, dass sie sich also Gott nur mit einem Opfer nähern dürfen.

    Und so brachten beide, Kain und Abel, Gott Opfer dar. Kain war ein Ackermann, ein Bauer, und opferte entsprechend von den Früchten seines Feldes. Abel war ein Hirte und brachte Gott ein Opfer von den Erstlingen der Herde, von dem Besten, was er hatte (1. Mose 4,3-4). Und dann lesen wir, dass Gott Abels Opfer annahm aber Kains Opfer nicht. Und die beiden Opfernden bemerkten das. Woran? Die Bibel sagt es uns nicht. Aber sie haben es bemerkt. Warum nahm Gott Abels Opfer an und Kains Opfer nicht? Manche meinten, es liege an der Art der Opfer: Abel habe ein Lamm gebracht, also ein blutiges Opfer, Kain aber nur Früchte. Aber das ist nicht korrekt. Denn darüber sagt die Bibel uns auch nichts. Wir wissen auch nicht genau, welche Art von Opfer es war. Aber wenn es ein Dankopfer war, so können wir später bei den Gesetzen, die Gott durch Mose gab, sowohl von Tieropfern, aus der Herde, als auch von Opfern von Früchten vom Felde lesen. Also, am Opfer lag es nicht. Aber in 1. Joh. 3,12 und Hebr. 11,4 werden uns Hinweise gegeben: Gott geht es auch bei den Opfern nicht um die äußere Handlung an sich, nein, ihm geht es um die Herzenshaltung, ihm geht es darum, aus welcher Haltung, welcher Motivation heraus gehandelt wird, hier: das Opfer gebracht wird. Und da heißt es nun von Kain, dass seine Werke böse waren. Er wusste, dass Gott Opfer zu bringen sind. Und das machte er. Aber nicht mit einem Gott liebenden und sich ihm hingebenden Herzen, sondern aus Pflicht, aus einer gesetzlichen Grundhaltung heraus. Er war also ein äußerlich religiöser Mensch, der gewisse Riten, Rituale wahrte, aber sonst eigentlich in seinem Leben für Gott keinen Platz hatte. Ganz anders kein. Von ihm heißt es, dass seine Werke gerecht waren. Er opferte Gott, weil er Gott liebte um seiner Verheißungen willen, weil er an ihn glaubte und ihm von Herzen dankte. Darum nahm Gott auch sein Opfer an. Wie wir sehen werden, haben sich aus diesen zwei verschiedenen Menschen, Kain und Abel, zwei unterschiedliche Grundrichtungen bei den Menschen entwickelt, die bis heute, ja, bis zum Jüngsten Tag, weiterzuverfolgen sind.

    Was war zunächst die Folge? Kain wurde wütend auf seinen Bruder – und letztlich auf Gott. Es rumorte in ihm, dass seine Heuchelei, dass seine bloß äußere Religiosität nicht ankam, während der wahrhaft Fromme, Abel, den er wahrscheinlich immer etwas verachtet, belächelt hatte, von Gott angenommen wurde. Und so erschlug er seinen Bruder. Es war der erste Mord der Menschheitsgeschichte. Der erste Tote der Menschheitsgeschichte, von dem uns berichtet wird. Gott hatte Kain gewarnt. Aber Kain hatte nicht gehört.

    Und nach dem Mord? Wieder rief Gott Kain. Und wieder versuchte Kain, auszuweichen. Soll ich meines Bruders Hüter sein? (1. Mose 4,9) Und dann kommen die Gerichtsworte Gottes über ihn – und er verzweifelt. Hier wird deutlich, wie wenig er begriffen hatte von der messianischen Weissagung, wie sehr seine Religion eben nur Ritual gewesen war. Er kannte keine Gnade, keine Vergebung. Meine Sünde ist größer als dass sie mir vergeben werden könnte. (1. Mose 4,13) Auch für Kain wäre Vergebung da gewesen: Aber er hatte nie Acht darauf gehabt. Und nun suchte er sie nicht. Nur noch die Angst um seine Existenz bestimmte ihn.

    Und schließlich heißt es dann, dass er wegging von dem Angesicht Gottes. Mit Kain beginnt also diejenige Linie der Menschheit, die ohne den wahren Gott lebt. Das kann sehr unterschiedlich aussehen. So jemand kann, wie wir das auch an Kain sahen, religiös sein, vielleicht sogar sehr religiös (so sind dann, durch Verführung durch Satan, die verschiedenen Religionen außerhalb des christlichen Glaubens entstanden), aber eben in der Meinung, dabei sich die Rettung zu verdienen, Gott gnädig zu stimmen. Er will durch eigenes Verdienst, eine Tüchtigkeit etwas bei Gott erreichen. Oder aber es sind Menschen, die nicht direkt areligiös sind, aber kaum etwas mit Religion am Hut haben, sie vielleicht irgendwo noch für die Moral für wichtig halten. Oder aber es sind Menschen, die letztlich Atheisten sind, also die letzte Konsequenz aus ihrer Gottesferne gezogen haben. Es sind also vielerlei Wege, die Menschen gehen, um sich Gott gefällig zu machen oder einfach, um ohne Gott zu leben. Es wäre völlig verkehrt, wenn wir meinten, diese Menschen seien alle nur böse und würden nichts leisten. Im Gegenteil. Es werden uns die Nachkommen Kains geschildert (1. Mose 4,17-24). Sie waren solche, die Kultur und Zivilisation voran gebracht haben. Wir lesen von Städtebau durch Kain, von Viehzucht, von Musik, wir lesen bei ihnen auch von Erz- und Eisenbau. Aber wir lesen bei ihnen ebenso auch von Gewalttätigkeit, von Ehr- und Ruhmsucht, von Selbstüberhebung. So finden wir in der Geschichte gewaltige Hochkulturen, denken wir an die Sumerer, Ägypter, Babylonier, Assyrer, Griechen, Perser, Römer, auch an die Chinesen, an die Azteken, die Mayas, die Inkas – und doch sind sie alle Heiden gewesen, solche, die fern von dem wahren Gott lebten. Wir dürfen ihre Kunst, ihre Wissenschaft bewundern – aber blenden dürfen wir uns durch sie nicht lassen. Sie lebten ohne den wahren Gott.

    Und die andere Linie? Auch von ihr lesen wir. Sie war schon in Abel vorgezeichnet. Es heißt dann, dass Adam seine Frau Eva wieder erkannte und sie erneut einen Sohn gebar, Seth. Und dieser bekam dann auch einen Sohn, Enosch. Und dann heißt es, dass man zu derselben Zeit anfing, von den Namen des HERRN zu predigen. Wir lesen von dieser Linie hier nichts von gewaltigen Aufbauleistungen in kultureller oder zivilisatorischer Hinsicht. Das war da auch nicht das primär Wichtige. Aber wir lesen von etwas ganz anderem: Sie waren treu beim HERRN, blieben treu an seinem Wort und breiteten es aus, verkündigten Gottes Wort. Wir haben hier messianische Gemeinde mit ihrer missionarischen Aktivität. Das ist die andere Linie, die Menschen, die im rechten Glauben an Gott und den verheißenen Messias festhalten und nach seinem Wort leben, auch wenn sie durch Ablehnung, Not, Elend, Einsamkeit gehen müssen, wenn sie in der Welt nicht so geachtet sind wie die, deren Leistungen so augenfällig sind.

 

Das stellvertretende blutige Opfer im Alten Bund – eine Vorschattung auf Jesus Christus, das Lamm Gottes

    Im gesamten weiteren Alten Testament steht dann das eine immer wieder im Zentrum der Glaubenspraxis: Das Opfer, das stellvertretende blutige Opfer des Lammes. Gott der HERR hatte Adam und Eva die Verheißung des zukünftigen Messias gegeben. Aus ihren Nachkommen sollte er kommen. Die weitere Entwicklung zeigte: Er würde aus den Nachkommen von Seth und Enosch kommen. Dann kam es, dass die Nachkommen von Enosch (Gotteskinder oder Gottessöhne) sich mit den Nachkommen der Kainiten (Töchter der Menschen) auch verwandtschaftlich verbanden (1. Mose 6,1-4) und es so auch zu religiöser Vermischung und einem verstärkten Abfall von Gott kam, so dass schließlich nur Noah mit seiner Familie Gott treu blieb. Mit der weltweiten Sintflut als dem ersten großen, umfassenden Weltgericht griff Gott ein. Aus den Nachkommen Noahs wurde nun die weitere Menschheit gebaut, die aber auch bald wieder auseinanderdriftete, so, wie zuvor auch. Ja, es drohte so weit zu kommen, dass gar niemand mehr am rechten Glauben an den dreieinigen Gott, an den verheißenen Messias festhielt. So rief Gott aus den Nachkommen Sems den Abram heraus, dass er ihn absonderte von seiner Vaterstadt, der damaligen Welt- und Kulturstadt Ur in Chaldäa, und von seiner Verwandtschaft um mit ihm und seinen Nachkommen die Heilslinie, die Linie der Gemeinde der Messiasgläubigen, fortzusetzen. Und von seinen Söhnen war Isaak der Sohn der Verheißung, mit dem die Heilslinie fortging, dann mit Jakob und seinen Kindern, wobei die Verheißung auf den Messias bei dem Stamm Juda lag. Aber aus Jakobs zwölf Kindern schuf der HERR sich sein besonderes Volk, in dem dann der Messias geboren werden sollte: das Zwölfstämmevolk Israel. Und was stand im Zentrum seines Gottesdienstes? Da war zum einen das Passahfest. Nachdem Israel um der Hungersnot nach Ägypten gezogen war und dort zunächst frei wohnen konnte, wurde es späterhin, als eine andere Dynastie aufkam, auf das Furchtbarste unterdrückt und versklavt. Als Gottes Zeit gekommen war, dass er sein Volk befreite und herausführte und das Gericht über den halsstarrigen Pharao ausgeführt werden sollte, indem die Erstgeburt bei Menschen und Vieh getötet werden sollte, da sollte Israel verschont werden. Aber damit dies möglich war, mussten sie, die doch genauso sündig waren, stellvertretend ein einjähriges, fehlerfreies Lamm opfern und mit seinem Blut die Pfosten und den Sturz der Eingangstür bestreichen. Wenn dann Gott richtend durch Ägypten ging, wollte er all die Familien verschonen, bei deren Türpfosten er sah, dass sie im Gehorsam des Glaubens bestrichen waren. (2. Mose 12) Nicht also, weil die Menschen besser waren, sondern weil stellvertretend für sie ein Lamm im Glauben an Gottes Wort geopfert worden war. Auch hier also wieder das Grundprinzip: Stellvertretung, vollzogen durch ein blutiges Opfer, ergriffen im Glauben.

    Und die andere zentrale gottesdienstliche Handlung geschah am Yom Kippur, am großen Versöhnungstag: Da opferte der Hohepriester zunächst für sich, dann aber wurde ein Bock genommen, der als Sündopfer für das Volk stellvertretend geschlachtet wurde – und ein anderer Bock, auf den die Schuld des Volkes stellvertretend gelegt und der dann in die Wüste getrieben wurde. Auch hier wieder das Prinzip der Stellvertretung, auch hier wieder das blutige Opfer für die Sünde. (3. Mose 16).

   

    Und doch wusste es ja eigentlich jeder: Es ist unmöglich, durch Ochsen- und Bocksblut Sünden wegzunehmen. (Hebr. 10,4) Ebenso aber auch: Ohne Blutvergießen geschieht keine Vergebung. (Hebr. 9,22b) Durch die Opfer, besonders aber das Passahlamm, aber auch das Versöhnungsopfer, wurde so durch das ganze Alte Testament hingewiesen auf das Lamm Gottes, den Messias, der noch kommen sollte, um dann für uns Menschen die Sünden auf sich zu nehmen, zu leiden und zu sterben. Und wer im Alten Bund gläubig war, der war gläubig an den schon verheißenen, auch immer klarer bezeugten, aber damals noch zu kommenden Messias. Alle Gläubigen des Alten Bundes, ob Adam oder Eva, Seth oder Enosch, Noah oder Abraham, Isaak, Jakob, Mose, Josua, David, sie alle waren gläubig an den damals noch zu kommenden Messias. Und die Tieropfer hatten Gültigkeit, Kraft nur um dieses damals noch ausstehenden Opfers des Messias, auf das sie ja nur eine Vorschattung, ein Schattenbild waren.

    Besonders hat Gott der HERR durch Jesaja dieses Opfer des Messias und Retters der Welt verkündigt: Fürwahr, er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der von Gott geschlagen und gemartert wäre. Aber er ist um unserer Missetat willen verwundet und um unserer Sünden willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, damit wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt. Wir gingen alle in die Irre wie Schafe, ein jeglicher sah auf seinen Weg; aber der HERR warf unser aller Sünde auf ihn. Da er gestraft und gemartert ward, tat er seinen Mund nicht auf, wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird, und wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer und seinen Mund nicht auftut. … Er hat vieler Sünde getragen und für die Übeltäter gebeten. (53,4-7.12).

 

Jesus Christus, das Lamm Gottes, die Erfüllung der Verheißungen des Alten Bundes

    Und als dann die Zeit erfüllt war, als Gott seinen Sohn Mensch geboren werden ließ von der Jungfrau Maria, wo geschah dies? In einem Stall! So, wie es für ein Lamm angemessen ist (Luk. 2,7). Als dann Jesus Christus in sein Amt in der Öffentlichkeit eintrat, da wies sein Vorläufer, Wegbereiter, Johannes der Täufer, auf ihn hin mit den Worten: Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt. (Joh. 1,29). Jesus Christus verkündet es immer wieder, dass in ihm die Verheißungen des Alten Bundes erfüllt werden. Wenn ihr Mose glaubtet, dann glaubtet ihr auch mir; denn er hat von mir geschrieben. (Joh. 5,46; s.a. Luk. 24,27.46) Und als die Jünger Johannes des Täufers zweifelten, konnte er auch wieder auf das Alte Testament hinwiesen, das in ihm, Jesus Christus von Nazareth, erfüllt wurde: Die Blinden sehen und die Lahmen gehen; die Aussätzigen werden rein, und die Tauben hören; die Toten stehen auf, und den Armen wird das Evangelium gepredigt; und selig ist, der sich nicht an mir ärgert. (Matth. 11,5-6). So auch in seiner Predigt in seiner Heimatstadt Nazareth: Der Geist des HERRN ist bei mir, derhalben er mich gesalbt hat und gesandt, zu verkündigen das Evangelium den Armen, zu heilen die zerstoßenen Herzen, zu predigen den Gefangenen, dass sie los sein sollen, und den Blinden das Gesicht und den Zerschlagenen, dass sie frei und ledig sein sollen, und zu predigen das angenehme Jahr des HERRN. … Heute ist diese Schrift erfüllt vor euren Ohren. (Luk. 4,18-19.21)

    Für die Menschen der damaligen Zeit aber hieß es, wie für die Menschen in der Zeit des Alten Bundes: Nehmen sie das Wort im Glauben an oder nicht? Sind sie bereit, die Erfüllung der Verheißungen anhand der Schriften des Alten Bundes (Altes Testament) zu prüfen oder verwerfen sie ihn? So wie im Alten Bund, so ist auch im Neuen Bund das wahre geistliche Volk Gottes die Gemeinde der an den Messias Gläubigen. Ohne den Glauben an den Retter Jesus Christus kann auch jetzt und konnte auch zu Jesu Erdenleben niemand gerettet werden: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater als durch mich. (Joh. 14,6) Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben; wer dem Sohn nicht glaubt, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm. (Joh. 3,36)

    Jesus Christus hat sich am Kreuz stellvertretend für uns geopfert. Das Eine Opfer, das durch die vielen Opfer des Alten Bundes vorgeschattet war, ist auf Golgatha geschehen und ist gültig für alle Zeiten. So läuft die Heilslinie Gottes von der Verheißung an unsere Ureltern Adam und Eva, 1. Mose 3,15, über die stellvertretenden Opfer als Vorschattung direkt hin auf das Kreuz auf Golgatha. Er ist um unserer Sünde willen dahingegeben, und um unserer Rechtfertigung willen auferweckt. (Röm. 4,25) Wie nun durch eines Sünde die Verdammnis über alle Menschen gekommen ist, also ist auch durch eines Gerechtigkeit die Rechtfertigung des Lebens über alle Menschen gekommen. (Röm. 5,18) In welchem Willen wir sind geheiligt, einmal geschehen durch das Opfer des Leibes Jesu Christi. … Dieser aber, da er hat ein Opfer für die Sünden geopfert, das ewiglich gilt, sitzt er nun zur Rechten Gottes … Denn mit einem Opfer hat er in Ewigkeit vollendet, die geheiligt werden. … Wo aber derselben Vergebung ist, da ist nicht mehr Opfer für die Sünde. (Hebr. 10,10.12.14.18)

    Übrigens: Jesus Christus, das Lamm, das erwürgt war, das ist dann auch würdig, die Siegel aufzutun des Buches, das über die Zukunft, die Geschichte der neutestamentlichen Gemeinde Auskunft gibt (Offenb. 5,6). Und wer wird einst richten? Es ist der Zorn des Lammes, der über die Ungläubigen am Jüngsten Tag kommen wird (Offenb. 6,16 f.) Die aber, die für immer bei ihm in der Herrlichkeit sein werden, die sehen den Strom des Lebens, an dessen beiden Seiten Holz des Lebens steht und der ausgeht von dem Stuhl Gottes und des Lammes (Offenb. 22,1.2). Es gibt Gemeinschaft mit dem wahren, lebendigen Gott nur um des Lammes, um des stellvertretend für uns geopferten Lammes willen, so war es schon im Alten Bund seit Adam und Eva, und so ist es auch im Neuen Bund. Durch das Lamm Gottes, Jesus Christus, ist Gott mit uns versöhnt, haben wir in ihm Frieden und eine gewisse Zukunft.



1 Unser Persönlichkeitsbegriff hat seinen Ursprung in dem Personbegriff der drei Personen in der heiligen Dreieinigkeit, ihrer innertrinitarischen Kommunikation und ihrer Liebe zueinander. Die Bibel berichtet uns von einem redenden (1. Mose 1,3 ff.), handelnden (1. Mose 2,8), mitfühlenden (1. Mose 2,18) und wollenden (1. Mose 3,16.17) Gott. Das hat etwas mit der Gottebenbildlichkeit zu tun, in der wir als Mensch ursprünglich geschaffen wurden (1. Mose 1,26.27), nämlich dass er zu einer Geist(-Seele)-Leib-Einheit geschaffen wurde, was seine Personhaftigkeit ausmacht. (vgl. dazu: Armin Mauerhofer: Seelsorge auf biblischer Grundlage. Nürnberg, Hamburg 2010. S. 40). (Wir können allerdings deshalb nicht von einer Körperlichkeit Gottes in unserem Verständnis sprechen, denn dann würden wir uns ein Bild von ihm machen, wohl aber von einer unteilbaren Gestalthaftigkeit, in der wir ihn einst sehen werden, wie er ist, 1. Joh. 3,2.) Weil Gott ein Gemeinschaftswesen ist (s. 1. Mose 1,26), darum auch der Mensch, im geistlichen wie im sozialen Bereich, also in der Beziehung zu Gott (s. 1. Mose 3,8) wie auch in der Beziehung zu anderen Menschen (s. z.B. die Gabe der Sprache wie auch die Gabe der Ehe, 1. Mose 2,20-25). Der lebendige, dreieinige Gott ist ein Gott, der nach Maßstäben handelt, der Maßstäbe setzt, schon in der Schöpfung, die er als „sehr gut“ beurteilte (1. Mose 1,31). Gott ist der absolut Gute und absolut Gerechte (1. Mose 3,22-24; 2. Mose 34,6.7): Darum hat er auch uns Menschen von Beginn an mit moralischer Verantwortung betraut (s. das erste Gebot im Garten Eden, 1. Mose 2,17). Damit ist angezeigt, dass wir Menschen moralische Verantwortung für unser Denken, Reden, Tun tragen, mit allen Konsequenzen – und zwar Verantwortung vor Gott. Das gehört aber auch zu der Freiheit, die darin liegt, dass wir verantwortliche Menschen sind und damit Entscheidungen zu treffen haben (vgl. Mauerhofer, a.a.O., S. 41 f.). Hier wird deutlich, wie sehr das biblische Gottesverständnis zusammenhängt mit dem Verständnis vom Menschen, eben weil der wahre, dreieinige Gott der Schöpfer des gesamten Universums ist, und auch von uns Menschen, und zwar allein durch sein Wort alles geschaffen hat, in bestimmter Reihenfolge, auch alle Pflanzen und Tiere, jeweils nach ihrer Art, und als Krone dann den Menschen, aufgrund eines Ratschlusses der heiligen Dreieinigkeit (1. Mose 1,26) – ohne Evolution, denn jegliche Evolution, auch die sogenannte ‚theistische Evolution’, widerspricht der Lehre der Bibel.