Dominionismus
Roland Sckerl
Was meint
dieses, aus dem Amerikanischen „dominionism“
übernommene Wort? In diesem Wort steckt der lateinische Begriff dominium darinnen, der so viel wie „Herrschaft“ bedeutet.
Der Begriff „Dominionismus“ beschreibt also eine
Lehre, nach der die Kirche oder die Christen berufen seien, die Herrschaft in
der Welt auszuüben bzw. in der Welt ein Königreich Christi zu errichten oder
das Reich Gottes auf Erden zu verwirklichen, indem sie Einfluss auf Kultur, Wissenschaft,
Politik, Wirtschaft gewinnen. (nach: Rudolf Ebertshäuser:
Aufbruch in ein neues Christsein? Steffisburg, Meinzerhagen
2008, S. 247).
Diese Irrlehre kam erstmals sehr deutlich
durch Augustinus auf und bestimmt seit dieser Zeit vor allem die Auffassung der
römisch-katholischen Kirche mitsamt ihrem Papsttum. Bis heute beansprucht Rom
ja gemäß dem Corpus iuris canonicum
die Vorherrschaft über alle Regierungen auf Erden und meint ja, das Reich
Gottes auf Erden darzustellen. Immer wieder sind im Laufe der Kirchengeschichte
ähnlich geartete Bewegungen aufgetreten, die, zum Teil mit Gewalt, solch ein
Reich Gottes auf Erden herstellen wollten, denken wir nur an die Wiedertäuferkreise der Reformationszeit (z.B. mit den Schleitheimer Artikeln, den Bauernkriegern um Thomas
Münzer, den Rotten in Münster). Aber auch in der reformierten Lehre ist genau
dieser Ansatz vorhanden, und zwar sowohl bei Jean Calvin als auch bei Karl
Barth und dessem Konzept von „Christengemeinde“ und
„Bürgergemeinde“. Der Staat soll der Kirche dienstbar sein. Das Ergebnis? Ein
totalitäres System, wie das Genf Calvins.
Die Bibel kennt ein innerweltliches Reich
Gottes nicht. Unser Heiland und HERR Jesus Christus sagt in Joh. 18,36
eindeutig: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“ und macht damit deutlich,
dass das Reich Gottes keine politische oder gesellschaftliche Institution ist,
sondern eine geistliche Größe, die daher auch nicht mit äußeren, politischen,
wirtschaftlichen, kulturellen Mitteln zu errichten ist, sondern allein
geistlich, eben durch Wort und Sakrament. Dieses Reich ist zwar in dieser Welt, teilweise, weil die
Christen, soweit sie noch leben, in dieser Welt leben, aber es ist nicht von dieser Welt, nicht nach dem Geist
dieser Welt gestaltet, sondern allein nach Gottes Wort.
Luther hat dem Dominionismus
seine Zwei-Reiche-Lehre entgegen gesetzt, die klar
aufzeigt, dass Gott der HERR zwei unterschiedliche Herrschaftsweisen hat: über
sein geistliches Reich diejenige mit Wort und Sakrament, über seine Schöpfung
diejenige mit Gewissen und Vernunft, gebunden an die natürliche Ordnung. Gott
ist der HERR in beiden – aber er wirkt unterschiedlich in beiden Sphären, und
sie haben beide auch völlig unterschiedliche Aufgaben, die nicht vermengt
werden dürfen. Gemäß Matth. 22,21 sind Staat und
Kirche, Weltreich und Gottesreich streng zu trennen.
Der Dominionismus
hat aber in den letzten Jahrzehnten wieder einen verstärkten Einfluss gewonnen,
und zwar gerade im evangelikalen Bereich. Das ist an sich nicht verwunderlich,
da die Evangelikalen ja zumeist aus mehr oder weniger stark reformiert
geprägtem Hintergrund kommen. Schon der Methodismus, der auch für den evangelikalen
Bereich mitprägend ist, ist sehr stark auf innerweltliches Mitwirken, soziales
Engagement, ausgerichtet. Immer wieder hat es von diesem Hintergrund ja
Richtungen gegeben, die die Kirche faktisch in der Welt aufgehen lassen
wollten, sie politisierten, seien es nun die religiösen Sozialisten, Social Gospel oder die vom Marxismus beeinflusste Theologie
der Befreiung. Aber auch die Evangelikalen sind schon längere Zeit davon sehr
stark beeinflusst. In den USA ist dies ja einer der Gründe für die Trennung von
Fundamentalisten und Evangelikalen in den 1940er Jahren gewesen: Die
Evangelikalen, die dann die National Association of Evangelicals gründeten,
wollten mit den liberalen Großkirchen einen Kompromiss finden, sie wollten mit
der bibelkritischen „Wissenschaft“ in einen „Dialog“ kommen, sie wollten keine
Absonderung mehr von der Welt, sondern in die Welt hinein
wirken. Dies hat auch zu entsprechenden Deklarationen im Zusammenhang
mit der Lausanner Konferenz für Evangelisation geführt, in der neben der
Mission auch die Sozialarbeit sehr stark als von Christus der Gemeinde gegebene
Aufgabe behauptet wurde, was zu eindeutiger Kritik von Seiten etwa von Drs. Hans Lutz Poetsch von lutherischer Seite führte, wie
auch durch die nichtregistrierten Evangeliumschristen-Baptisten
in Russland. Mit der Manila-Erklärung der Weltweiten Evangelischen Allianz
(WEA) hat sich das noch verstärkt: Sozialarbeit ist auf eine Ebene mit der
Mission gestellt worden, obwohl der Missions- oder Reichsbefehl Christi Matth. 28,18-20 ausdrücklich nur die Mission als Aufgabe
der Kirche nennt. Die Diakonie oder das Wirken aus der Nächstenliebe ist eine
Frucht des Glaubens, unbedingt, und hat seine Berechtigung. Aber sie gehören
nicht zu den Aufgaben der Kirche, die ihr vom HERRN aufgegeben sind. Vor allem
geht es nicht darum, in dieser Welt Einfluss zu gewinnen, diese Welt zu
gestalten. Das mögen Christen tun, die in entsprechenden Positionen
entsprechende Aufgaben haben, dagegen ist nichts zu sagen. Das Christentum hat
die Welt ganz entscheidend verändert und geprägt. Aber es ist nicht die Aufgabe
der Christen, diese Welt umzugestalten, ein innerweltliches Gottesreich zu
errichten. Es geht auch nicht um eine „Verbesserung der Welt“ als eine
christliche Aufgabe. Sie ist eine politische und soziale Aufgabe, an der
Christen aus ihrer Verantwortung für den Nächsten sich beteiligen können und
sollen. Aber sie ist keine Aufgabe, die uns als Christen besonders aufgegeben
wurde.
Aber genau in diese Richtung geht ein
Großteil der evangelikalen Bewegung mehr und mehr. Besonders die WEA schreitet
darin vorwärts und arbeitet ja inzwischen an völlig weltlichen Programmen der
UNO im Sozialbereich mit. Verstärkt werden diese Tendenzen noch durch das
Wirken von Rick Warren, der eindeutig ein innerweltliches Reich Gottes oder
eine Verbesserung der Welt anstrebt (P.E.A.C.E.-Plan), sowie die Emerging
Church, die ganz eindeutig darauf abzielt, in dieser Welt Einfluss zu gewinnen,
sie zu prägen – aber nicht zu evangelisieren. Es geht hier eindeutig um ein
innerweltliches Gottesreich. Gleichzeitig wird die Gemeinde Jesu Christi in
diesen Kreisen immer mehr ökonomischen, kapitalistischen Gesichtspunkten
unterworfen, soll managementmäßig geführt werden.
Auch in der Bundesrepublik Deutschland sind
diese Tendenzen durchaus vorhanden: Zum einen durch den Einfluss, den diese
US-amerikanischen Bewegungen an sich schon haben, zum anderen durch die
Haltung, etwa bei den Kreisen um „idea“, sich
besonders an die „Großen“ in der Gesellschaft anzulehnen, „Stars“ aus allen
möglichen Bereichen herauszuheben, soweit sich nur irgendetwas „Christliches“
bei ihnen finden lässt. All diesen Kreisen ist dabei eines gemeinsam: Sie
wollen keinen konsequent bibel- und bekenntnistreuen, fundamentalistischen
biblischen Glauben. (siehe dazu auch: Topic 1/2012, S. 1-2; Martin Erdmann: Der
Griff zur Macht – Dominionismus – Der evangelikale
Weg zum globalen Einfluss. Oerlinghausen 2011.)