Die Lehre vom Reich Gottes
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Die falsche Reich-Gottes-Lehre in der
neuen Missiologie
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Zur Lehre vom Reich
Gottes im Neuen Testament
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Die Lehre vom Reich Gottes in den lutherischen Bekenntnisschriften
Roland Sckerl
Seit den 1970er Jahren ist auch in Kreisen, die einst als theologisch
eher konservativ galten, zumindest im evangelikalen Umfeld, eine Missionslehre
eingebrochen, die den Begriff der Mission und damit den Auftrag der Kirche
immer stärker, und zwar, grundlegend verändert hat und als Ziel ein
innerweltliches Reich Gottes, eine christianisierte Welt oder eine humanere,
gerechtere Gesellschaft anstrebt.
Diese Anschauungen für sich genommen sind nicht neu. Bereits bei
Augustinus sind sie anzutreffen. Schon für ihn war das Reich Gottes eine
innerweltliche, von der Kirche zu verwirklichende Größe. Die römisch-katholische
Kirche hat diese Ansichten übernommen und in ihrer „Missionsarbeit“ überhaupt
ja stärker auf äußere Christianisierung als auf wirkliche Bekehrung der
Einzelnen gesetzt, sowohl bei den Germanen als, noch stärker, bei den Indios
etwa in Südamerika. Aber auch der Calvinismus hat solch eine Sicht propagiert
mit seiner Lehre von den konzentrischen Kreisen von Christengemeinde und
Bürgergemeinde und seiner Behauptung, dass der Staat die Kirche zu unterstützen
habe, wie auch seiner Lehre von den Monarchomachen,
also der Berechtigung, nichtchristliche Herrscher – oder die man für solche
hielt – gewaltsam zu stürzen.
Seit dem letzten Quartal des 19. Jahrhunderts sind diese Gedanken im
protestantischen Bereich wieder stärker aufgekommen, sowohl in liberalen als
dann auch in pietistisch-methodistisch-evangelikalen Kreisen. So wurde etwa
auch unter dem Schlagwort der „Evangelisierung der Welt in unserer Generation“
um die Wende zum 20. Jahrhundert die Idee propagiert, ganze Völker zu Christen
zu machen. Dabei ging es dann verständlicherweise nicht mehr um biblische
Bekehrung mit Berufung, Erleuchtung, Buße, Wiedergeburt, Umkehr, sondern
vielmehr darum, dass größere Gruppen, Massen, Völker „christianisiert“ werden.
Dabei ging es dann eben nicht mehr um rettenden Glauben, nicht mehr um einen
Bruch mit dem Heidentum, nicht mehr um Absonderung von der Welt. Vielmehr sollten
die so „Christianisierten“ sich gar nicht mehr absondern, auch nicht von der
heidnisch-religiösen Umwelt, sondern in ihr weiter leben (ein Ansatz, wie er
heute unter dem Schlagwort der „Kontextualisierung“ ja auch wieder verfolgt
wird, etwa bei sogenannter „Mission“ unter Moslems, die in der Moschee-Gemeinde
bleiben).1
Das kann dann auch dazu führen, dass auch politische, soziale, persönliche
Anreize für eine „Umkehr“ relevant werden, die dann eine „Umkehr“ zu „Jesus
Christus, dem Herrn“ ist, ohne dass damit ein Bruch mit dem Heidentum, seinen
magischen Elementen oder auch seinen biblisch nicht haltbaren sittlichen
Einstellungen, wie etwa der Vielehe, einher gingen.2
Ende des 19. Jahrhunderts taucht diese falsche Lehre unter dem Gewand
des Social Gospel (soziales Evangelium) neu auf.
Unter anderem von dem liberalen Theologen Ritschl vorbereitet, wird da
behauptet, das Königreich Gottes sei größer als die Kirche, es gehe um eine
ethische Herrschaft Christi hier auf Erden.3 Auch hier heißt es
wieder: Entscheidend sei nicht eine persönliche Bekehrung, sondern die
Mitgliedschaft in einer christlichen Gemeinschaft um „gerechtfertigt“ zu
werden. Es gehe nicht um die Seele des Einzelnen, sondern um „den ganzen Menschen“ (heute heißt
es dann holistische oder ganzheitliche Mission).4 Ähnliches klingt ja
einige Jahrzehnte später auch in der Befreiungstheologie an: Es gehe um soziale
Gerechtigkeit und um „christliche Lebensgrundsätze“. Darum sei es wichtig, sich
in der Politik und in der Gesellschaft zu engagieren. Solche Stimmen werden
schon im Raum der Weltstudentenbewegung 1902 laut.5
Einer der führenden Theologen ist der aus methodistisch-pietistischen
Hintergrund kommende Amerikaner Walter Rauschenbusch, der 1913 auf einer
CVJM-Konferenz über das Reich Gottes sprach: „Das Reich Gottes, lieber Freund,
ist eine gesellschaftliche Idee. Es ist eine Idee für dieses unser Leben hier,
weil Jesus sagt: ‚Dein Reich komme, dein Wille geschehe‘ hier. Es ist etwas,
das hier auf Erden existiert, das in aller Stille die ganze Menschheit
durchdringt, das immer auf das vollkommene Leben Gottes hinwirkt. … Wir müssen
es zusammen verwirklichen. Es ist eine Angelegenheit des gemeinschaftlichen
Lebens. Die vollkommene Gemeinschaft der Menschen – das wäre das Königreich
Gottes.“6
Diese Irrlehre geht über in die falschen Lehren des Ökumenischen Rates
der Kirchen (ÖRK), etwa propagiert von dem indischen Bischof Lesslie Newbigin: Es gehe nicht
um die persönliche Errettung Einzelner, sondern um die „Rettung der ganzen
Welt“.7
Er behauptet dann weiter: „Die Kirche kann insofern ein Zeichen für das
Königreich sein, als sie Jesus darin folgt, standhaft die Mächte des Bösen im
Leben der Welt herauszufordern und sich solidarisch zu machen mit den Opfern
dieser Mächte. … Wo Christen in einer Stellung sind, um mit politischen Mitteln
Druck zugunsten der Veränderung ungerechter Strukturen auszuüben, und das nicht
tun, sind sie des Ungehorsams schuldig.“8 Er fordert
also politischen Aktivismus, wie er ja auch im linksevangelikalen Bereich immer
stärker propagiert wird (z.B. Shane Claiborne und
Tony Campolo)9 – und immer mehr sich
als allgemeinevangelikale Richtung von Amerika her versucht, zu etablieren,
aber auch durch die Lausanner Erklärung von 1974 sowie die Erklärungen der
Weltweiten Evangelischen Allianz (WEA) von Wheaton und Manila vorbereitet
wurde. Übrigens gehen die Erklärungen der römisch-katholischen Kirche, wie etwa
die päpstliche Verlautbarung Evangelii Nuntiandi von 1975, in genau dieselbe Richtung.10
Es ist daher nicht verwunderlich, dass gerade die Vertreter der WEA, wie Thomas
Schirrmacher, und Papst Franziskus I. sowie Rom insgesamt sich nicht zuletzt
auch über dieser Schiene immer mehr annähern. Denn in Wheaton forderte ja die
WEA bereits 1983 die Christen zum sozialpolitischen Engagement auf: „Das Böse
existiert nicht nur im menschlichen Herzen, sondern auch in gesellschaftlichen
Strukturen. … Die Mission der Kirche schließt sowohl die Verkündigung des
Evangeliums als auch seine sichtbare Verwirklichung ein. Wir müssen deshalb
evangelisieren, auf unmittelbare menschliche Nöte antworten und dringlich auf
gesellschaftliche Transformation hinwirken.“11 Solche
Aussagen könnten genauso aus einem Buch der südamerikanischen
Befreiungstheologen stammen. Dass aber äußere Strukturen nur geändert werden
können, wenn die Herzen zuvor geändert werden, scheint man vergessen zu haben.
So arbeitet man tatsächlich auf Umsturz, Gewalt, Revolution hin, ja, letztlich
auf ein totalitäres System, selbst wenn man es objektiv nicht will.
Besonders stark sind diese Ansichten von der Emerging Church, die ja in
den letzten Jahren ganz stark im evangelikalen Bereich sich festgesetzt hat,
übernommen worden. Christus wird dort als „Revolutionär“ dargestellt (wie das
doch auch wieder anklingt in dem Buch von Claiborne
und Campolo und bereits bei den Befreiungstheologen
zu hören war). So suggeriert etwa Brian McLaren: „Was ist, wenn er nicht kam,
um eine neue Religion zu beginnen, sondern um eine politische, soziale,
religiöse, künstlerische, wirtschaftliche, intellektuelle und spirituelle
Revolution anzufangen, die zur Geburt einer neuen Welt führen würde?“12
Hier wird der gesamte christliche Glaube umgestoßen und zu einer humanistischen
New-Age-Bewegung umgestaltet, die ein „gegenwärtiges Reich Gottes“
hervorbringen soll, wie es in der liberalen Theologie hieß.13
Diese Richtung tritt nun besonders unter den Begriffen „Missio Dei“ und „missionale Gemeinde“
hervor, seit einiger Zeit auch im evangelikalem Raum,
nachdem Missio Dei seit den 1950er Jahren
(Missionskonferenz in Willingen 1952) bereits im protestantisch-ökumenischen
Raum prägend wirkte. Im Hintergrund steht nicht zuletzt die allversöhnerische
Theologie Karl Barths. Die Lehre von der allgemeinen Rechtfertigung, die ihren
Grund unter anderem in 2. Kor. 5,18-21 hat und besagt, dass in Christus Gott
mit der ganzen Welt versöhnt ist, dass in Christus Gott daher niemandem die
Sünden zurechnet, damit in Christus für jeden Menschen die Vergebung der
Sünden, damit die Rechtfertigung, Freispruch im Jüngsten Gericht, ewiges Leben
bereit ist, dies aber der einzelne Mensch nicht anders als durch Sünden-,
Verdorbenheits- und Verlorenheitserkenntnis, Reue, Christuserkenntnis, also
durch Buße und Glauben oder eine tiefgreifende persönliche Bekehrung empfängt,
die allein Gott wirkt durch Gesetz und Evangelium (s. Joh. 16,1-8) (persönliche
Rechtfertigung), diese Lehre ist so umgebogen, entleert und verfälscht worden,
dass es nun heißt, die gesamte Welt, alle Menschen seien bereits
gerechtfertigt, seien bereits Erben der Erlösung durch Gott, es gelte nur noch,
sie aufzufordern, ihr Erbe in Anspruch zu nehmen.14
Die Lehre von der Verdammnis, die Lehre von der Hölle fallen damit unter den
Tisch. Dass die Welt im Argen liegt (1. Joh. 5,19) und der Satan der Fürst
dieser Welt ist (Joh. 12,32), ist damit gestrichen. Ebenso in der Folge
natürlich die Lehre von Buße und Bekehrung, von persönlicher Umkehr,
persönlicher Rettung. An die Stelle der Bekehrung des Einzelnen tritt, wie
schon oben bemerkt, die Verwirklichung einer „Königsherrschaft Christi auf
Erden“.15
David Jenkins hat es 1958 so ausgedrückt: „Mission ist die Aktivität Gottes
[daher der Begriff „Missio Dei“, Anm. d. Hrsg.],
nicht die Bekehrung der Menschen zum Glauben oder die Anwerbung von Menschen in
die Reihen der Erretteten (und damit auch auf unsere Seite!), sondern das
Ausleben des Lebens Gottes in dieser Welt, welches das Leben der Liebe ist, in
der die Kirche lebt.“16
Was ist also das Ziel solch einer „Mission“? Nicht die Errettung
bluterkaufter Seelen, sondern ein besseres Leben in einer „besseren“,
„gerechteren Welt“: „‚Er öffnet ihm [dem Menschen] die Hoffnung eines besseren
Lebens, in dem für alle die Fülle da ist.‘ Es ist ‚eine Welt, die in Christus
neu geschaffen ist‘.“17
Mission sei dabei die „Ausbreitung des Reiches Gottes“, das nicht nur in
der Gemeinde Jesu Christi zu finden sei, sondern sich auch in den anderen
Religionen verwirkliche. Die Welt – gegen 1. Joh. 5,19 – sei nicht mehr
Finsternis, liege nicht mehr im Argen, stehe Gott nicht mehr feindlich
gegenüber, sondern sei Schauplatz des fortschreitenden Handelns Gottes, in dem
sie „transformiert“ werden sollte. Daran solle die Kirche teilhaben.18
Es gehe dabei um den ganzen Menschen, der mit allen Aspekten seiner Existenz an
dieser Transformation teilhaben solle: „Nachdem Gottes Sorge der ganzen Welt
gilt, sollte dies auch die Reichweite der Missio
Dei sein. Sie betrifft alle Menschen in allen
Aspekten ihrer Existenz. Mission ist die Zuwendung Gottes zu Welt im Hinblick
auf Schöpfung, Fürsorge, Erlösung und Vollendung. Sie findet in der
gewöhnlichen Geschichte statt, nicht ausschließlich in und durch die Kirche.
‚Gottes eigene Mission ist größer als die Mission der Kirche.‘ Die Missio Dei ist
Gottes Aktivität, die sowohl die Kirche als auch die Welt umfasst, und an der
die Kirche das Vorrecht haben kann, teilzuhaben.“19
Das hat mit biblischer Missionslehre nichts mehr zu tun, das ist humanistischer
Synkretismus. Dieses „Reich Gottes“ solle durch ein vorbildhaftes Leben und
sozialpolitische Initiativen, Aktionen ausgebreitet werden (genau das, was sich
immer mehr auch in evangelikalen Kreisen verbreitet).20
Das läuft eindeutig hinaus auf die Welteinheitskirche mit dem letzten Aufbäumen
des geistlichen Antichristen, gestützt dabei auf die weltlichen
antichristlichen Mächte, wie wir es besonders Offenb.
13 ff. lesen. Eine Trennung von Gemeinde und Welt findet hier nicht mehr statt,
vielmehr werden sie immer mehr ineinander verwoben; die Absonderung der
Gemeinde, die einen anderen Geist, eine andere Welt- und Lebensanschauung, eine
andere Lehre, eine andere Ethik hat, wird damit geleugnet. Bei Bosch geht es so
weit, dass er im Blick auf einen „Dialog“ mit den Religionen behauptet, er sei
nur möglich, „wenn wir erwarten, dort dem Gott zu begegnen, der uns
vorausgegangen ist und Menschen im Kontext ihrer eigenen Kulturen und
Überzeugungen vorbereitet hat“.21
Der Begriff „missional“, der seit etlichen
Jahren in geradezu inflationärer Weise gebraucht wird und sich in evangelikalen
Kreisen sehr ausgeweitet hat, wird bewusst gegen den alten Begriff
„missionarisch“ gesetzt, weil er etwas anderes, angeblich Besseres,
Umfassenderes aussage: Es gehe um die „ganzheitliche“
Versorgung der Menschen, nicht nur Verkündigung, sondern auch politisches und
soziales Engagement. Mission, so heißt es dann, sei nicht das, was die Kirche
mache, sondern das, was sie sei. Und dabei gehe es um eine Teilnahme an der
erlösenden Königsherrschaft Christi in dieser Welt, denn durch sie stelle Gott
die Schöpfung wieder her, heile er sie.22 Auch hier
wird also eine völlig falsche Sicht der Welt vermittelt: Sie liege nicht im
Argen, sie sei nicht unter der Herrschaft des bösen Fürsten dieser Welt, Satan,
ihre Zukunft sei nicht der Untergang im Feuer am Jüngsten Tag, sondern vielmehr
werde sie von Gott „geheilt“, „wiederhergestellt“, etwas, was nirgends in der
Bibel gesagt wird. Christi Erlösungswerk wird völlig umgedeutet.
Um
in dieses angeblich „gegenwärtige“ Gottesreich zu kommen, ist keine persönliche
Bekehrung im biblischen Sinne mehr nötig, sondern ein „Anschluss“ an das Reich.23
Es geht also nicht mehr um die Errettung und Begnadigung des Sünders, sondern
angeblich sei Gott aktiv in einer umfassenden Herrschaft über seine Schöpfung,
der er Gerechtigkeit bringe, wodurch er eine gebrochene Welt heile.24
Die Unterscheidung zwischen Gottes Reich zur Rechten und zur Linken, zwischen
Christi Macht- und Christi Gnadenreich ist damit dahingefallen. Das ist einer
der ganz entscheidenden Grundfehler im „Reich-Gottes“-Konzept der missionalen Theologie. Gottes Wort aber unterscheidet sehr
wohl zwischen Weltlichem und Geistlichem, zwischen staatlicher Obrigkeit, die
auch von Gott eingesetzt ist (Röm. 13) und der Gemeinde Christi mit ihrem
Verkündigungsdienst, der vom Staat getrennt ist (Matth.
22,21) und ihm auch nicht unterworfen werden darf (Apg. 5,32).
Was heißt das für die Gemeinde? Die Gemeindeglieder seien „Anführer in
Taten der Gerechtigkeit und des Dienstes an den Armen“.25 Es
wird dann auch hervorgehoben, dass es darum gehe, den Glauben im
Geschäftsleben, in den Künsten, der Politik usw. auszuleben. Nun ist es ja
völlig richtig, dass ein Christ da, wo er lebt, auch im Beruf, in der
Nachbarschaft, und ist er Politiker auch in der Politik, immer als Christ tätig
ist, gemäß der Bibel. Aber die Bibel schreibt nichts davon, dass wir bestrebt
sein sollen, die Gesellschaft zu verändern, zu christianisieren, der Welt
christliche Maßstäbe, Lebensgrundsätze zu geben. Die Gemeinde Jesu Christi hat
keinen Auftrag zu einem politischen oder sozialen Engagement, keinen Auftrag,
eine politisch-sozial-gesellschaftliche Einrichtung zu sein. Es geht eben
gerade nicht um „Christianisierung“, sondern um Bekehrung! Dass dies lange Zeit
missverstanden wurde, hat dazu geführt, dass wir bis ins 18., 19., teilweise
sogar 20. Jahrhundert hinein zwar einige christlich-biblische Grundanschauungen
in der „öffentlichen Meinung“ hatten, ohne dass aber die geistliche Basis bei
den meisten Menschen dafür vorhanden war. Und nun wundern sich viele, dass in
einer immer offenbarer unchristlichen bis antichristlichen Gesellschaft auch
diese Anschauungen wegfallen.
Die „missionale Gemeinde“ will durch die
„Missio Dei“ eine „neue Welt“, eine „neue
Gesellschaft“ schaffen, nach „christlichen Grundsätzen“ die Welt verändern.
Damit wird die Gemeinde in die Geschäfte, Belange dieser Welt eingespannt. Die
Trennung von Gott und Welt, Gemeinde und Welt wird aufgehoben, Absonderung, Fremdlingschaft ist unbekannt geworden. Man will es nicht
mehr wahrhaben, dass die Welt ein gottfeindlicher Bereich ist, aus dem die
Christusgläubigen herausgerufen sind. Gewiss, in der missionarischen Arbeit
gehen wir zu den Menschen in dieser Welt, wir versuchen auch soweit uns auf
sie, ihr Leben einzulassen, soweit dies ohne Sünde möglich und soweit dies
nötig ist. Aber das kann nicht heißen, ihre Ansichten zu übernehmen, kann nicht
heißen, ihre Sünden gutzuheißen, bis dahin, dass es dann „muslimische
Jesusnachfolger“ gibt, also die Welt mit einem christlichen Firnis überzogen
wird, wie es etwa bei der römisch-katholischen Mission in Südamerika der Fall
war.26
Je
stärker die Bibelkritik in Kreise eingedrungen ist, umso stärker werden auch
Konzepte der Kontextualisierung von Gemeinde und Lehre übernommen, nämlich dass
das Evangelium kulturrelevant sein müsse, gesellschaftsrelevant, und daher
einer ständigen Veränderung unterliege, auch die Lehre, die Theologie
überhaupt. Angeblich gäbe es kein „kulturfreies“ Evangelium.27
Unter dem Schlagwort der „Inkarnation“ heißt es dann, die Kirche müsse
sich mit der Welt eins machen, müsse in sie eingehen, um sie so zu heilen.
Faktisch führt das zur Auflösung biblischer Gemeinde, denn man soll ein
„Insider“ werden, sich mit der Welt, ihrem Denken identifizieren.28
Dabei ist es ja an sich durchaus richtig, dass durch das Evangelium die
Kultur verändert werden soll. Da, wo die Mission richtig, bibeltreu, ausgeführt
wird, wie es die lutherische Kirche etwa im Tamilenland in Südindien machte,
auch auf Papua-Neuguinea, wird klar unterschieden zwischen dem, was rein
kulturell ist, Brauchtum, Tradition und übernommen werden kann, und dem, was
tatsächlich religiös ist und daher nicht akzeptabel ist. Außerdem wird durch
das Evangelium das Denken, die Haltung, die Einstellung in vielen Dingen
verändert, so dass auch Traditionen, Bräuche eine neue Bewertung und
Veränderung erfahren – in den Gemeinden. Eine Veränderung der Kultur über die
Gemeinde hinaus mag vorkommen, wenn Nichtchristen neue Ordnungen, Denkweisen
übernehmen, ohne dass sie bekehrt werden. Aber das ist nicht das Ziel der
Missionsarbeit. Das Ziel der Mission muss es immer sein, dass Menschen versetzt
werden aus dem Reich Satans in das Reich Christi (Kol. 1,13). Denn für die
Gemeinde geht es nicht um die weltliche Kultur, sondern darum, eine christliche
Ordnung zu haben, gemäß Gottes Wort, Gottes Ordnungen, Gottes Geboten zu leben.
Genau das aber wird unter dem Gedanken der „missionalen
Gemeinde“ nicht mehr verstanden. Da geht es vielmehr um soziale und politische
Veränderung, letztlich um eine Christianisierung von Staat und Gesellschaft:
„Unter dem machtvollen Einfluss Gottes formt das Evangelium die Kultur einer
Gesellschaft, ihre Annahmen, Perspektiven und Entscheidungen. … Das gibt einen
Hinweis auf Gottes Vision für den transformierenden Einfluss der Kirche auf
ihren Kontext.“29 Gemeinde ist nach diesem Verständnis
nicht mehr ein Missionstrupp, sondern eine „transformierende Präsenz in einer
verlorenen und verwundeten Welt“.30 Van Gelder geht gar so
weit zu sagen, es sei Gottes Mission und der Auftrag der Gemeinde, „die
Erlösung in jeder Dimension des Lebens in der Schöpfung zur Wirksamkeit zu
bringen“.31 Sie habe also angeblich einen geistlichen
und einen sozialen Auftrag, Erlösung sei geistlich und sozial; deshalb müsse es
um lokale und globale Gesellschaftstransformation gehen.32
Unter einem anderen Schlagwort wird das dann als „holistische Mission“
propagiert, eine „ganzheitliche Mission“, bei der es um Evangeliumsverkündigung
und politisch-soziales Engagement
geht, diese seien „untrennbar“ miteinander verbunden.33
Der Endeffekt ist, dass das Evangelistische dem Sozialen untergeordnet wird
(wie es bei vielen Filmen aus evangelikalen Verlagen bereits der Fall ist34).
Ja, die Protagonisten dieser neuen Lehre gehen so weit, den Ruf zur
Umkehr, das Arbeiten hin auf persönliche Bekehrung zu diffamieren. Guder etwa
behauptet: „Die Neigung, Gottes Gabe der Errettung zu individualisieren und sie
von Gottes heilenden Absichten für die Welt zu
trennen, muss als unbiblisch zurückgewiesen werden.“ Er verweist dabei auf
einen Satz des liberalen ökumenischen Missiologen
Bosch in „Transforming Mission“: „Wenn das Angebot
[des persönlichen Heils] in unserer Evangelisation im Mittelpunkt der
Aufmerksamkeit steht, dann wird das Evangelium zu einem Konsumprodukt
degradiert.“35 Van Gelder etwa behauptet, dass das
traditionelle, biblische Verständnis von Mission, bei der eine Person
eingeladen wird, eine bestimmte Botschaft im Glauben zu erfassen, angeblich im
westlichen Individualismus verwurzelt sei (obwohl sie genauso von Christus und
Paulus praktiziert wurde) und aus den Einflüssen eines bestimmten sozialen
Kontextes herkomme. Wie uns Gottes heiliges Wort zeigt, wenn wir die
Apostelgeschichte lesen, wie auch die Evangelien, so hat van Gelder die Bibel
überhaupt nicht verstanden.36
Es
heißt dann, die Gemeinde habe einen „prophetischen“ Auftrag, ähnlich der
Propheten des Alten Testaments, um die Miss-Stände, das Unrecht in der
Gesellschaft anzuprangern, sie müsse sich mit den Armen, den Unterdrückten,
Ausgestoßenen „solidarisieren“.37 Auch hier werden wieder
viele Dinge durcheinander gebracht und umgepolt.
Richtig ist, dass Unrecht auch in der Verkündigung zur Sprache kommen muss,
denn die Gemeinde muss wissen, was Recht und Unrecht, was Gut und Böse und was
Sünde ist. Sie lebt ja in der Welt und muss daher wissen, dass sie ein
Fremdling in dieser Welt ist und was sie trennt von der Welt, was alles mit der
Augenlust, Fleischeslust, dem hoffärtigen Leben zusammenhängt (1. Joh.
2,15-17). Dennoch aber geht es dabei nicht darum, „die Gesellschaft“ zu ändern,
sondern den Einzelnen seiner Sünde zu überführen und zur Umkehr zu rufen. Denn
die Ursache des Unrechts in der Welt, einschließlich der ungerechten
Strukturen, ist ja die Sünde. Das heißt: Nur da kann Unrecht wirklich konkret
angegangen und ohne Gewalt geändert werden, wo es wirklich zu einer
Herzensänderung, eben einer persönlichen Bekehrung, etwa auch einer umfassenden
Erweckung, kommt. Das heißt aber auch: So lange diese Welt besteht, wird das
Unrecht nicht aufhören. Es wird hier auf Erden nie eine „gerechte Ordnung“ ein
„Reich Gottes“ geben, denn Christi Reich ist nicht von dieser Welt (Joh.
18,36), und wir warten auch nicht auf ein innerweltliches Gottesreich, sondern
eines neuen Himmels und einer neuen Erde nach seiner Verheißung, in welchen Gerechtigkeit wohnt (2. Petr. 3,13) – also auf
die ewige Herrlichkeit mit Jesus Christus, auf die wir zugehen.
Es
ist auch völlig falsch, wenn der Eindruck erweckt wird, Christus habe sich mit
den sozial Schwachen, Armen, Ausgestoßenen „solidarisiert“. Keineswegs! Er hat
sie allerdings auch nicht verachtet, wie es viele des politischen und
religiösen Establishments getan haben, sondern hat sie ebenso zur Umkehr
gerufen und sie angenommen, wenn sie Buße getan haben. Aber vor Gott sind
Reiche wie Arme gleichermaßen Sünder und bedürfen beide der Bekehrung, um
errettet zu werden, wenn es auch einem Reichen schwerer fallen mag (s. reicher
junger Mann), von seinem Götzen Geld zu lassen als einem Armen, der keines hat.
Die Gemeinde solidarisiert sich daher mit niemandem, sondern nimmt sich des
Elendes der Menschen in ihren eigenen Reihen und in ihrem Umfeld an, um das Elend
zu lindern, vielleicht auch neue Wege zu einer neuen Arbeit usw. zu gehen, wie
es auch die Mission mit der Schul-, der medizinischen, auch der handwerklichen
Arbeit getan hat, die aber allesamt zusätzliche Maßnahmen waren (ausgenommen
die Schularbeit, die immer stark evangelistisch war), die nicht unmittelbar mit
dem Auftrag der Gemeinde zusammenhängen.
Die Ordnungen, die für Israel im Alten Bund galten, sind für uns heute
nicht mehr relevant, vor allem nicht mehr verbindlich. Man darf nicht
vergessen, dass das ganze Israel Gottes Volk sein sollte (auch wenn viele nur
nominelle Israeliten waren, nicht dem Glauben nach), und daher das ganze Israel
unter Gottes Ordnung stand. Dazu gibt es im Neuen Testament nichts
Äquivalentes. Staat und Gemeinde Christi sind strikt zu trennen (Gebt dem
Kaiser, was des Kaisers, und Gott, was Gottes ist. Matth.
22,21).
Die Gemeinde Gottes ist vielmehr ein Pilgrim und Fremdling in dieser
Welt, ein Gast (1. Petr. 1,1; 2,11; Ps. 39,13). Sie lebt in der Welt, aber ist
nicht von der Welt (Joh. 17,11.14.16), soll sich dieser Welt mit ihren
Ansichten, ihrem Denken, ihrer Philosophie und Ideologie, ihrer Augenlust,
Fleischeslust und hoffärtigem Denken nicht gleichstellen (Röm. 12,2), auch die
Welt in dieser ihrer Eigenart nicht lieb haben,
sondern von ihr getrennt sein (1. Joh. 2,15-17).
Das soziale Evangelium, das Streben nach einem innerweltlichen Reich
Gottes, in dem „Frieden und Gerechtigkeit“ herrscht und „die Schöpfung bewahrt“
wird, läuft geradewegs auf das letzte große Aufbäumen des Antichristen im
geistlichen wie weltlichen Bereich hin, eine Welteinheitsreligion (Verbindung
von Rom mit dem Islam unter Einschluss vieler protestantischer Kreise, alles
unter dem Papst?) in einem Gebilde unter einer wie auch immer gearteten
„Welteinheitsregierung“, die dann für „Frieden“, „Toleranz“ (gegen den
Absolutheitsanspruch Christi und des christlichen Glaubens), „soziale
Gerechtigkeit“, „Umweltschutz“ eintreten und tatsächlich eine Tyrannei über die
Nationen und die Menschen ausüben wird, wie wir es bei Daniel und in der
Offenbarung finden.38
Roland Sckerl
Was lehrt uns Gott im Neuen Testament über sein Reich? Ist Gottes Reich
eine innerweltliche Größe, ein fassbarer Faktor, etwas, das wir Menschen
erbauen können oder zumindest doch daran mitbauen? Ist es eine gesellschaftliche
Größe? Oder ist es eine geistliche Macht? Es ist elementar wichtig für die
christliche Theologie und unser christliches Leben, dass wir darüber Klarheit
haben.
Wenn hier vom Reich Gottes die Rede ist, dann von Gottes Reich im
eigentlichen oder engeren Sinne, wie der Begriff auch von Jesus Christus und
den neutestamentlichen Schreibern verwendet wurde. In der Theologie sprechen
wir außerdem auch noch von Gottes Machtreich oder Reich zur Linken und,
allerdings mit dem Gnadenreich verbunden, von Gottes Herrlichkeitsreich.
Wiewohl Christus allerdings auch der HERR im Machtreich ist, es also auch
tatsächlich sein Reich ist, denn es ist
ja alles durch ihn und zu ihm geschaffen und besteht auch alles in ihm
(Kol. 1,16-17), denn er ist ja gesetzt
über alle Fürstentümer, Gewalt, Macht, Herrschaft und alles, was genannt mag
werden, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen (Eph.
1,21), so ist dieses Reich doch grundsätzlich unterschieden von dem Gnadenreich
und dürfen die beiden auch nicht miteinander vermischt werden, wie Christus
selbst hervorhebt: Gebt dem Kaiser, was
des Kaisers ist und Gott, was Gottes ist. (Matth.
22,21) Das Machtreich, in dem er über alle Wesen herrscht (1. Chr. 29,11
[30,11]; Ps. 103,19), regiert der HERR mit seiner Allmacht vor allem durch die
weltliche Obrigkeit, die er gesetzt hat (Röm. 13), und zwar mittels der
natürlichen Ordnung oder dem natürlichen Recht, sowie Vernunft und Gewissen, im
Gnadenreich, wie wir sehen werden, dagegen durch Wort und Sakrament. Dieses
Machtreich soll eine äußere Ordnung und den äußeren Frieden gewährleisten, ohne
wirklich der Sünde wehren zu können; das andere dagegen ist ein Reich, in dem
die Sünde in allen ihren Äußerungen bekämpft wird und es um den inneren
Frieden, den Frieden mit Gott, das ewige Leben, Vergebung der Sünden geht, ein
Reich, in dem durch Gottes Liebe und Gnade Frieden, Liebe und Harmonie herrscht1.
Zielpunkt ist dabei die Vollendung des Gnadenreiches im Herrlichkeitsreich in
der Ewigkeit, in dem die Gläubigen für immer mit dem dreieinigen Gott leben
werden. Das ist die Vollendung des Reiches Gottes, das hier im Gnadenreich
angebrochen.2
1. Was ist das Reich Gottes?
Jesu Worte gegenüber Pilatus sind ein Schlüssel dazu, was Gottes Reich
ist: Mein Reich ist nicht von dieser
Welt. Wäre mein Reich von dieser Welt, meine Diener würden drob
kämpfen, dass ich den Juden nicht überantwortet würde; aber nun ist mein Reich
nicht von dann. (Joh. 18,36) Pilatus hatte im Verhör Christus gefragt: Bist du der Juden König? (Joh. 18,33) Er
griff damit das auf, was die Hohenpriester und in ihrem Gefolge das jüdische
Volk im Zusammenhang mit der Anklage Jesus Christus vorwarfen. Damit wollten
sie Pilatus gegenüber suggerieren: Dieser Jesus von Nazareth ist für das
Römische Reich hoch gefährlich, denn er sieht sich selbst als König an und
steht damit ja in Opposition zum Caesar (Kaiser) in Rom. Darum müsse er,
Pilatus, unbedingt eingreifen. Und nun gibt ihm der HERR eine sehr klare
Antwort: Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Christi Reich, das Reich Gottes,
ist also kein irdisches Reich, in keiner Weise mit irgendeinem irdischen Staat,
einem irdischen Volk, einer Gesellschaft vergleichbar. Noch mehr: Es ist nicht
von dieser Welt. Es hat seinen Ursprung und seine Wurzeln gerade nicht hier auf
Erden, damit auch nicht in den Strukturen, den Denkweisen, den Zielen dieser
Erde, sondern es ist ein geistliches Reich, das seinen Ursprung, seine Wurzeln
und seine eigentliche Heimat im Himmel hat. Darum kann es auch keinem
irdischen, diesseitigen Reich gefährlich werden, da Christi Diener wegen dieses
Reiches nicht zu den Waffen greifen, sondern es ein Reich unter dem Kreuz ist,
ein Reich des Leidens (vgl. auch 1. Kor. 1,18 ff).
Was dieses Reich ausmacht, wird im weiteren Verlauf des Verhörs
deutlich: Da sprach Pilatus zu ihm: So
bist du dennoch ein König? Jesus antwortete: Du sagst es, ich bin ein König.
Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich die Wahrheit zeugen
soll. Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme. (Joh. 18,37) Jesus
Christus ist der König der Wahrheit. Das, was also Gottes Reich ausmacht, ist
Gottes Wort, das Zeugnis für die Wahrheit, Gottes Wahrheit. Dadurch, nur
dadurch wird Gottes Reich gebaut, wie wir später noch deutlicher sehen werden.
2. Wo ist daher Gottes Reich zu finden?
Die Pharisäer fragten Jesus Christus, wann denn das Reich Gottes käme?
Denn das war für die Pharisäer eine sehr wichtige Frage, die sie mit der
Ankunft des Messias und der Aufrichtung eines Groß-Israel verknüpften3.
Ihnen nun antwortet er: Das Reich Gottes
kommt nicht mit äußerlichen Gebärden. Man wird auch nicht sagen: Siehe, hier
oder da ist es! Denn sehet, das Reich Gottes ist inwendig in euch. (Luk.
17,20-21). Auch hier unterstreicht der HERR also, dass sein Reich kein äußeres
Reich ist, in keiner Weise vergleichbar irgendeiner weltlichen, sichtbaren
Größe. Damit wehrt er all die veräußerlichten, irdischen
Reich-Gottes-Phantasien ab, sowohl der damaligen Zeit als auch der heutigen.
Das Reich Gottes ist keine politische, auch keine soziale Größe, sondern einzig
eine geistliche. Es kann daher auch weder durch politische Erneuerung, noch
durch soziale Reform oder eine „Transformation“ der Gesellschaft herbeigeführt
oder auch nur gefördert werden. Denn all diese Dinge haben mit dem Reich Gottes
gemäß dem Neuen Testament gar nichts zu tun. Es wird nicht durch äußere Dinge
herbeigeführt. Darum heißt es auch im Römerbrief: Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und
Friede und Freude in dem Heiligen Geist. (14,17) Keinerlei äußere
Ordnungen, noch weniger von Menschen gesetzte äußere Ordnungen bringen dich in
Gottes Reich oder machen es gar aus, wiewohl sie, da es ja in dieser Welt
besteht, durchaus bis zu einem gewissen Grad ihre Berechtigung haben.
Wo
also ist das Reich Gottes? Es kommt nicht so, dass man es beobachten könnte4
– sondern es ist mitten unter euch, nämlich inwendig in euch, in den Herzen der
Menschen, eben im Glauben. Das Reich Gottes ist da, wo Menschen im rettenden,
rechtfertigenden Glauben an Jesus Christus stehen. Der Glaube an Jesus
Christus, wahrer Gott und wahrer Mensch in einer Person, den einzigen Retter
der Welt, dieser Glaube macht zum Glied im Reich Gottes. Die griechischen Worte
entos hymoon können
linguistisch sowohl mit „inwendig in euch“5 als auch mit „mitten
unter euch“6 übersetzt werden. Der Zusammenhang muss entscheiden,
welche Aussage zutreffend ist. Da es Christus ja darum geht, deutlich zu
machen, dass sein Reich eben keine äußerliche, sichtbare Größe ist, wie die
Pharisäer es sich vorstellten, sondern ein geistliches Phänomen, ist „inwendig
in euch“ die eindeutig bessere, angemessenere Übersetzung. Dies wird auch damit
erhärtet, dass ja der Schwerpunkt der Aussage nicht, wie in den modernen
Übersetzungen, auf „euch“ oder „ist“ liegt, sondern vielmehr auf „entos“7.
Das, was Christus sagen will, ist ja: Das Reich Gottes ist kein Phänomen der
Außenwelt, sondern vielmehr der Innenwelt, es ist in der Innenwelt der
Menschen, eben im Herzen, durch den Glauben.
Dass dem so ist, macht ja auch Christi Wort gegenüber Nikodemus
deutlich: Wenn jemand nicht von neuem
geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen. (Joh. 3,3) Das
unterstreicht doch, dass allein der Glaube das Reich Gottes erkennt, sieht,
erfasst, begreift, und dass man nicht durch soziale Aktionen, nicht durch
politische Taten, nicht durch äußeres Verhalten in das Reich Gottes kommt,
sondern allein durch die neue Geburt aus Wasser und Geist (Joh. 3,5), durch das
von Gott geboren werden (Joh. 1,12; 1. Joh. 5,1.4), also die von Gott dem
Heiligen Geist durch das Evangelium in Wort und Sakrament gewirkte Wiedergeburt
oder Bekehrung. Allein dadurch kommt ein Mensch in das Reich Gottes. Das heißt
doch: Gottes Reich wird allein gebaut mittels der Verwaltung der Gnadenmittel
nach innen (Gemeinde) und außen (Mission, Evangelisation).
Wo
also ist es zu finden? Das Reich Gottes ist kein Seh-, sondern ein
Glaubensartikel. Das Einzige, was wir sagen können ist, wo es ist, aber nur
aufgrund der Kennzeichen (notae ecclesiae), eben da,
wo Wort und Sakrament regelmäßig, auf Dauer nach innen und außen verwaltet
werden (so auch die Zeitform in Matth. 18,20; so auch
der Gebrauch des Begriffs ekkleesia neben dem für die
Universalkirche).
3. Wie wird dieses Reich Gottes gebaut?
Besonders aussagekräftig für Christi Lehre vom Reich Gottes sind die
Himmelreichsgleichnisse, wie wir sie in Matth. 13
finden, die daher hier näher betrachtet werden sollen.
Wie also wird Gottes Reich gebaut? Durch das Wort vom Reich (Matth. 13,19), also die
Verkündigung, die Predigt des Wortes Gottes in Gesetz und Evangelium, mit dem
Schwerpunkt auf dem Evangelium. Darum wird das Reich Gottes (Markus-,
Lukasevangelium) oder Himmelreich (Matthäusevangelium) auch einem Sämann
verglichen, der guten Samen ausstreut (Matth. 13,24),
wiewohl diese Saat angegriffen wird in der Welt durch den Teufel, der sein
Unkraut darunter sät, um das Aufgehen der Saat zumindest zu behindern, an
vielen Stellen auch zu verhindern. Der Ausgangspunkt also des Reiches Gottes
ist nicht großartig, ist nicht auffällig, keine großartige Aktion, die viele
fasziniert, sondern eher still, im Hintergrund, unscheinbar, wie ein Senfkorn,
das einen sehr kleinen Samen hat (Matth. 13,31). Aber
die Wirkung des Evangeliums ist gewaltig: Gottes Reich, die Gemeinde der an
Jesus Christus als ihren Retter mittels des Evangeliums Glaubenden, wächst,
wird einem großen Baum verglichen, der den Vögeln unter dem Himmel Zuflucht,
Unterkunft, Schutz bietet (Matth. 13,32). Gottes
Reich ist ein universales Reich, in dem, wie die Vögel Schutz und Geborgenheit
im Baum finden, so Menschen ewige Rettung, Frieden für ihre Seele, Trost und
Ruhe im Himmelreich finden.8 Die Wirkung des Wortes, durch
welches das Reich gebaut wird, geht aber nicht nur nach außen, zur Sammlung,
sondern auch nach innen, zur Zurüstung und Stärkung, damit immer tiefer, immer
umfassender, immer intensiver unser Leben geprägt wird von Gottes Wort
(Gleichnis vom Sauerteig, Matth. 13,33).
Was der zentrale Inhalt des Wortes ist, wird an Christi Predigt
deutlich, wie wir sie kurz zusammengefasst in Mark. 1,14-15 finden: Er predigt
das Evangelium vom Reich Gottes, von dem Reich, das mit seinem, Christi, Kommen
angebrochen ist (s.a. Luk. 8,1). Was das konkret heißt, macht der nächste Vers
deutlich: Die Zeit ist erfüllt, und das
Reich Gottes ist herbeigekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium. Der
Ruf zum Reich Gottes ist Ruf zur Umkehr, ist Ruf weg von den Götzen, hin zum
wahren, lebendigen, dreieinigen Gott, ist Ruf zur Bekehrung, zu
Sündenerkenntnis, Verlorenheitserkenntnis und rechtfertigendem Glauben an Jesus
Christus (s.a. 1. Thess. 1,9). Es gibt also keinen anderen Eingang in Gottes
Reich (s.a. Joh. 3,3.5), als die Geburt von oben, die Wiedergeburt. Anders als
durch das Evangelium in Wort und Sakrament kann das Reich Gottes daher auch
nicht gebaut werden. Und anders als
durch den Glauben, den kindlichen, einfältigen Glauben, der das empfängt,
aneignet, was Christus durch das Evangelium anbietet, darreicht, zueignet, kann
niemand in dieses Reich hineinkommen (Mark. 10,15).
Zum Beginn der Seligpreisungen im Eingang der Bergpredigt macht unser
Retter und HERR Jesus Christus ganz klar, was das heißt: Selig sind, die da geistlich arm sind, denn das Himmelreich ist ihrer.
(Matth. 5,3) So lange jemand noch meint, er müsse
oder könne Gott irgendetwas bringen, er sei doch nicht wirklich völlig und
gänzlich verdorben, so lange kann er nicht in Gottes Reich sein. Nur dem
wird hier das Himmelreich, das Reich Gottes, zugesprochen, der durch das Gesetz
völlig arm geworden ist, seine abgrundtiefe Sündenverdorbenheit, Verlorenheit
erkannt hat, dessen altes Ich so zerbrochen ist, dass er mit einem zerbrochenen
Herz und Gemüt als ein Bettler, nur mit Sünden beladen, zum Kreuz kommt, um
Gnade von seinem Heiland zu erbitten (Ps. 51,19; 34,19).
Wie dieser Glaube gestaltet ist, führt Christus weiter aus in der
Bergpredigt, wenn er sagt: Es werden
nicht alle, die zu mir sagen: HERR, HERR! in das Himmelreich kommen, sondern
die den Willen tun meines Vaters im Himmel. (Matth.
7,21) Der rechte, wahre Glaube bringt ganz natürlich auch Frucht mit sich,
nämlich den Gehorsam gegen den Willen Gottes. Der rechte Glaube fragt begierig
nach dem Willen Gottes, denn sein Herz ist voll, genau diesen Willen des HERRN
zu tun, ist ihm doch Gottes Gesetz in sein Herz geschrieben (Jer. 31,33). Nur
mit diesem wahren, rechten Christusglauben ist ein Sünder errettet und somit in
Gottes Reich.
Dieses Reich Gottes, das uns Gottes Versöhnung, damit die Vergebung der
Sünden, Frieden mit Gott, ewiges Leben bringt, ist ein Schatz, der gar nicht
kostbar genug geschätzt werden kann, ja, ein Schatz, für den wir alles,
wirklich alles hingeben sollen, ein Schatz, der uns vielleicht ganz
unvermittelt, ungesucht, zuteil wird, ein Geschenk auf jeden Fall (Matth. 13,44-46). Dieser kostbare Schatz soll unser Herz
ausfüllen, soll im Zentrum unseres Lebens, unseres Trachtens stehen, das Ziel,
worauf wir hinleben, hinwirken: Trachtet
zuerst nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches
alles zufallen. (Matth. 6,33) Das Reich Gottes
bringt Christi Gerechtigkeit mit sich, die Gerechtigkeit, die er durch seinen
Gehorsam, sein Leiden und Sterben uns Sündern erworben hat, mit der allein wir
vor Gott bestehen können. Das soll unser Leben ausmachen, dass wir ihm leben,
ihm dienen, sein eigen sind, in seiner Gerechtigkeit stehen (Röm. 6,11; 12,1) –
alles andere, was doch dieses irdische Leben angeht, wird er schon richten. Wer
dagegen sein Herz an die Dinge dieser Welt hängt, der verbaut sich selbst den
Zugang in Gottes Reich (Mark. 10,23-27).
Wiewohl also dieses Reich gebaut wird mittels des Wortes, das der HERR
durch seine Sämänner, seine Prediger, austeilen lässt, so ist es doch nicht so,
dass wir es sind, die dieses Reich wirklich bauen. Nein, wir dürfen bis zu
einem gewissen Maße Gottes Mitarbeiter sein, er will es gar nicht ohne uns
machen, aber wenn der Same des Wortes durch uns ausgestreut ist, so gilt es,
die Wirkung, das Gedeihen des Wortes, das Fruchtbringen Gott zu überlassen, so,
wie auch der Bauer nur den Samen auf den Acker säen kann, aber dass die Frucht
kommt, wächst, das kann er nicht bewirken (Mark. 4,26-29). So beschreibt es ja
auch Paulus, dass er gepflanzt hat, durch das Wort, Apollos hat begossen – aber
das Gedeihen gibt allein Gott. Das Reich Gottes ist Gottes Ackerwerk, Gottes
Gebäude, und die Diener am Wort sind seine Mitarbeiter, die den rechten Grund
legen sollen, Jesus Christus, den Gekreuzigten und Auferstandenen (1. Kor.
3,6-9.11; 2,2).
Nach außen erscheint dieses Himmelreich oder Reich Gottes dabei aber als
ein gemischter Haufen, also als eine Sammlung von Menschen, von denen etliche
wahrhaft glauben, etliche aber den „faulen Fischen“ verglichen werden, also die
Bösen sind (Matth. 13,47-50), oder, wie es in der
Apologie des Augsburger Bekenntnisses heißt, Heuchler und Scheinchristen sind,
die zwar äußerlich der Versammlung um Wort und Sakrament beigemengt sind, aber
tatsächlich Glieder des Reiches des Teufels sind, nicht des Reiches Gottes.
Das heißt ja nicht, dass Gottes Reich in seiner äußeren Versammlung um
Wort und Sakrament gleichgültig gegen die Sünde wäre oder sein sollte,
keineswegs, sondern nur, dass nicht alle Heuchler und Scheinchristen als solche
erkannt werden können in dieser Zeit. Wer allerdings in offenbarer Sünde lebt,
an dem soll ja die Gemeinde handeln, um den soll sie ringen, dass er doch
wieder zurechtkommt, umkehrt, im Glauben erneuert wird. Beharrt er allerdings
in der Sünde, so ist es ebenso offenbar, dass er sich selbst aus Gottes Reich
entfernt hat, wenn er denn je darin war, und die Gemeinde soll dies auch
öffentlich dann bestätigen, indem sie ihn bindet oder das Reich Gottes ihm
verschließt. Wer aber bußfertig seine Sünden erkennt und bekennt, dem soll sie
ebenso das Reich Gottes wieder aufschließen, dass er als ein erlöster Sünder
darin lebe (Matth. 18,15-18; 16,19; Joh. 20,21-23).
Das ist ja eine der großen Gaben, die der HERR den Seinen anvertraut hat, dass
er ihnen, allen, die den Heiligen Geist haben (Joh. 20,21-23), also allen, die
an ihn glauben, die Schlüssel des Himmelreichs gegeben hat, damit sie dadurch
reumütigen Sündern das Reich auf-, unbußfertigen aber es zuschließen können –
so, als würde Christus selbst handeln.
Das Gnadenreich, also die Gemeinschaft all derer durch das Evangelium an
Jesus als ihren Retter und HERRN Glaubenden (das ist: die Kirche im engeren
oder eigentlichen Sinne, ecclesia stricte
sive proprie dicta), hat
nur ein Haupt, nämlich Jesus Christus, Eph. 1,22, denn er ist ihr Meister, die
Gläubigen aber sind alle Brüder, d.h. die Gemeinde Christi ist eine
Bruderschaft (Matth. 23,8). Das gilt übrigens nicht
nur für die Kirche im eigentlichen Sinne, sondern, wenn wir den Kontext
beachten, sehr wohl auch für die äußere Versammlung um Wort und Sakrament, also
das Gnadenreich, die Eine christliche Kirche am Ort in der Ausführung ihres
Auftrages, Wort und Sakrament nach innen und außen zu verwalten (Kirche im
weiteren Sinne, ecclesia late
sive large dicta; in erster
Linie die Ortsgemeinde als göttliche Einrichtung), denn gerade im Blick auf
diese gelten Jesu Worte in Matth. 23,8 wie auch Matth. 20,25-28, nämlich dass es in der christlichen Kirche
keine Hierarchie, keine Herrschaft gibt, sondern sie eine Versammlung von
Brüdern und Schwestern ist, der ihr Meister und König, Jesus Christus, Hirten
gegeben hat, die sie weiden sollen, die unter Ihm, als ihrem Erzhirten,
arbeiten (1. Petr. 5,1-4).
Roland Sckerl
Das Reich Gottes ist in den lutherischen Bekenntnisschriften ein
durchaus in breiter Weise dargelegter, gelehrter Begriff, dessen Bedeutung auf
der Grundlage der Schrift entfaltet wurde. Die Grundaussage dazu finden wir im
Großen Katechismus in der Erklärung zur zweiten Bitte im Vaterunser:
„Was heißt nun Gottes Reich? Antwort: Nichts anders, als wie wir droben
im Glauben gehört haben, dass Gott seinen Sohn, Christus, unsern Herrn, in die
Welt geschickt, dass er uns erlöste und frei machte von der Gewalt des Teufels,
und zu sich brächte und regierte als ein König der Gerechtigkeit, des Lebens
und Seligkeit wider Sünde, Tod und böse Gewissen. Dazu er auch seinen heiligen
Geist gegeben hat, der uns solches heimbrächte durch sein heiliges Wort, und durch
seine Kraft uns im Glauben erleuchtete und stärkte.“ (Gr. Kat., III, 51)
Was also ist Gottes Reich? Es ist Christi Königreich, zu dem er durch
das Evangelium aufgrund der von ihm vollbrachten Erlösung seine Gläubigen
sammelt und in ihm regiert als König der Gerechtigkeit, des Lebens, der
Seligkeit. Dieses sein Reich wird gebaut durch den Heiligen Geist mittels des
Wortes. Das ist die Grunddefinition des Reiches Gottes, wie wir sie auch in der
Heiligen Schrift finden, etwa in den Himmelreichsgleichnissen.
Das macht deutlich, dass Gottes Reich ein geistliches Reich ist, kein
äußerliches Reich wie irgendein irdischer Staat, sondern eine geistliche Macht:
„Denn so wird würden sagen, dass die Kirche allein eine äußerliche
Polizei wäre, wie andere Regimenter, darinnen Böse und Gute wären usw., so wird
niemand daraus lernen noch verstehen, dass Christi Reich geistlich ist, wie es
doch ist, darinnen Christus inwendig die Herzen regiert, stärkt, tröstet, den
heiligen Geist und mancherlei geistliche Gaben austeilt, sondern man wird
denken, es sei eine äußerliche Weise, gewisse Ordnung etlicher Zeremonien und
Gottesdienstes. Ebenso, was wollte für ein Unterschied sein zwischen dem Volk
des Gesetzes und der Kirche, so die Kirche allein eine äußerliche Polizei
wäre.“ (Apol., Art. VII-VIII, 13-14)
Das, was dieses Reich im Besonderen ausmacht, das ist die Vergebung der
Sünden, ebenfalls ein geistliches Phänomen:
„Denn Christus redet von einem geistlichen Reich, und Gott hat befohlen,
diejenigen, so sich bekehren, von Sünden zu entbinden, wie Paulus sagt: Die
Gewalt ist uns gegeben zu erbauen und nicht zu brechen.“ (Apol.
(Art. VI), 79)
Weil eben das Reich Gottes eine geistliche Größe ist, keine äußere
Macht, keine soziale oder gesellschaftliche Einrichtung, darum kann sie auch
nicht äußerlich gefunden werden außer an den Kennzeichen der Kirche, den notae ecclesiae, eben wo Gottes Wort rein gelehrt und die
Sakramente schriftgemäß verwaltet werden, denn das Reich Gottes ist eine Größe
inwendig im Herzen (Luk. 17,20-21):
„So ist auch die evangelische Vollkommenheit nicht in den Dingen, welche
Adiaphora sind, sondern dieweil dieses das Reich Gottes ist, dass inwendig der heilige Geist unsere Herzen erleuchte, reinige, stärke, und
dass er ein neues Licht und Leben in den Herzen wirke, so ist die rechte,
evangelische, christliche Vollkommenheit, dass wir täglich im Glauben, in
Gottesfurcht, in treulichem Fleiß des Berufs und Amts, das uns befohlen,
zunehmen, wie Paulus die Vollkommenheit beschreibt, dass er sagt 2. Kor. 3: Wir werden verklärt in dasselbe Bild von
einer Klarheit zu der andern, als vom Geist des HERRN. Er sagt nicht: Wir
gehen von einem Orden in den andern, wir ziehen jetzund
diese, dann jene Kappe an, jetzund diesen Gürtel,
dann jenen Strick usw.“ (Apol., Art. XXVII, 27)
Darum finden wir in Gottes Reich als einer geistlichen Größe auch keine
weltliche Herrschaft, sondern allein ein geistliches Regiment durch das Wort.
„Der andere Artikel ist noch klarer als der erste. Denn Christus hat
seinen Jüngern allein geistliche Gewalt gegeben, das ist, er hat ihnen
befohlen, das Evangelium zu predigen, Vergebung der Sünden zu verkündigen, die
Sakramente zu reichen und die Gottlosen zu bannen, ohne leibliche Gewalt,
durchs Wort, und hat ihnen gar nicht befohlen, das Schwert zu führen, noch
weltliches Regiment zu bestellen, einzunehmen, Könige zu setzen oder zu
entsetzen. Denn so spricht Christus: Gehet
hin und lehret, dass man das halte, was ich euch geboten habe. Ebenso: Wie mich mein Vater gesandt, so sende ich
euch.
Nun ist es je am Tag, dass Christus nicht gesandt ist, dass er das
Schwert sollte führen oder auf weltliche Weise regieren, wie er denn selbst
sagt: Mein Reich ist nicht von dieser
Welt. Und Paulus spricht: Wir
herrschen nicht über euren Glauben. Ebenso: Unsere Kriegsrüstung und Waffen sind nicht fleischlich. (Schmalk. Art., Traktat, 31)
Was also ist dann der Unterschied zwischen geistlichem und weltlichem
Reich? Damit wird übrigens auch die Grundlage der Zwei-Reiche-Lehre gelegt:
Christus regiert in seinem (geistlichen) Reich durch das Wort, die Predigt,
wirkt durch seinen Heiligen Geist. Dabei hebt das Evangelium die weltliche
Ordnung nicht auf:
„Dieser ganz wichtige, nötige Artikel vom Unterschied des geistlichen
Reichs Christi und weltlichen Reichs, welcher sehr nötig ist zu wissen, ist
durch die Unsern ganz eigentlich, richtig und klar gegeben, vielen Gewissen zu
merklichem, großem Trost. Denn wir haben klar gelehrt, dass Christi Reich
geistlich ist, da er regiert durch das Wort und die Predigt, wirkt durch den
heiligen Geist und mehrt in uns den Glauben, Gottesfurcht, Liebe, Geduld
inwendig im Herzen und fängt hier auf Erden in uns Gottes Reich und das ewige
Leben an. So lange aber dieses Leben währt, lässt er uns nichtsdestoweniger
gebrauchen die Gesetze, die Ordnung und Stände, so in der Welt gehen, darnach
eines jeden Beruf ist, gleichwie er uns lässt gebrauchen die Arznei, ebenso
Bauen und Pflanzen, die Luft, das Wasser. Und das Evangelium bringt nicht neue
Gesetze im Weltregiment, sondern gebietet und will haben, dass wir den Gesetzen
sollen gehorsam sein und der Obrigkeit, darunter wie wohnen, es seien Heiden
oder Christen, und dass wir in solchem Gehorsam unsere Liebe erzeigen sollen.
Denn Karlstadt war in diesem Fall gar toll und töricht, dass er lehrte, man
sollte nach dem Gesetz Moses die Stadt und Landesregiment bestellen.“ (Apol., Art. XVI, 54)
Da
wird also der Unterschied sehr deutlich hervorgehoben und unterstrichen, dass
das Reich Gottes eben keine äußere Größe ist, keine soziale oder politische,
sondern einzig eine geistliche Einrichtung, neben der die weltliche Ordnung
weiter besteht. Damit ist all das deutlich zurückgewiesen, was mit dem Social Gospel, gleichgültig in welcher Form, zusammenhängt,
so, als sei das Reich Gottes eine äußerliche Ordnung, die eine Veränderung der
Gesellschaft, der sozialen Ordnung, der Regierungsweise mit sich brächte. Das
hat alles nichts mit dem Reich Gottes zu tun.
Dabei ist das Reich Gottes durchaus in dieser Welt, aber eben nicht von
dieser Welt, und ist in dieser Welt identisch mit der Kirche im eigentlichen
Sinne, also der Gemeinschaft der an Christus Gläubigen:
„Derhalben sind sie allein nach dem Evangelium Gottes Volk,
welche die geistlichen Güter, den heiligen Geist empfangen, und dieselbe Kirche
ist das Reich Christi, unterschieden von dem Reich des Teufels.“ (Apol., Art. VII und VIII, 16)
Weil das Reich Gottes also eine geistliche und keine äußerliche, soziale
oder politische Größe ist, darum kommt es zu uns durch den Heiligen Geist,
indem wir dem Wort Gottes glauben. Die Glieder dieses Reiches können und sollen
allerdings in der Nächstenliebe tätig sein, aber das gehört nicht zum Wesen des
Reiches Gottes, macht auch das Reich Gottes nicht aus:
„Die zweite Bitte: Dein Reich komme. Was ist das? Antwort: Gottes Reich
kommt wohl ohne unser Gebet von sich selbst; aber wir bitten in diesem Gebet,
dass es auch zu uns komme. Wie geschieht das? Antwort: Wenn der himmlische
Vater uns seinen heiligen Geist gibt, dass wir seinem heiligen Wort durch seine
Gnade glauben und göttlich leben, hier zeitlich und dort ewiglich.“ (Kl. Kat.,
III, 6-8)
Das Reich Gottes geht also durch diese Welt nicht durch soziale Arbeit,
auch nicht durch eine Veränderung der Gesellschaft
(„Gesellschaftstransformation“), auch nicht durch politische oder soziale
Aktionen, ist auch keine äußerliche Größe, die innerweltlich zu errichten oder
durch äußerlich zu bauen wäre, sondern Christi Reich geht allein durch Wort und
Sakrament in diese Welt und sammelt sich Glieder, indem dadurch Menschen zum
rettenden Glauben kommen, versetzt werden aus dem Reich des Teufels in das Reich
Christi:
„Denn Gottes Reich zu uns kommen geschieht auf zweierlei Weise, einmal
hier zeitlich durch das Wort und den Glauben, zum andern ewig durch die
Offenbarung. Nun bitten wir solches beides, dass es komme zu denen, die noch
nicht darinnen sind, und zu uns, die es überkommen haben, durch tägliches
Zunehmen und künftig in dem ewigen Leben. Das alles ist nichts anders als so
viel gesagt: Lieber Vater, wir bitten, gib uns erstlich dein Wort, dass das
Evangelium rechtschaffen durch die Welt gepredigt werde; zum andern, dass es
auch durch den Glauben angenommen werde, in uns wirke und lebe, dass also dein
Reich unter uns gehe durch das Wort und Kraft des heiligen
Geistes und des Teufels Reich niedergelegt werde, dass er kein Recht noch
Gewalt über uns habe, so lange bis es endlich gar zerstört, die Sünde, Tod und
Hölle vertilgt werden, dass wir ewig leben in voller Gerechtigkeit und
Seligkeit.“ (Gr. Kat., III, 53-54)
Darum ist auch das Reich Gottes nur da zu finden, wo Wort und Sakrament
im Schwange sind:
„Denn das Reich Christi ist nirgends, als wo das Wort Gottes und die
Sakramente sind.“ (Apol., Art. IX, 52)
So
kann auch niemand ein Glied des Reiches Gottes werden durch äußere
Mitgliedschaft, durch soziale Handlungen, durch politische Aktivitäten, durch
eine äußere Frömmigkeit, sondern allein durch die Wiedergeburt, gewirkt durch
das Evangelium, der beim Menschen, der in seinem Bewusstsein lebt, rechte
Sünden- und Verlorenheitserkenntnis und somit auch Reue, Leid, Traurigkeit über
die Sünde, Erschrecken vor Gottes Zorn, Hass gegen die Sünde voran geht:
„Ebenso Joh. 3,5 steht geschrieben: Es
sei denn, dass jemand neu geboren werde aus dem Wasser und Geist, so kann er
nicht in das Reich Gottes kommen. So nun das dazu gehört, dass wir durch
den heiligen Geist müssen neu geboren werden, so werden uns unsere guten Werke
oder eigenen Verdienste nicht rechtfertigen vor Gott, so können wir das Gesetz
nicht halten noch erfüllen.“ (Apol., Art. IV (II),
31)
Weil das Reich Gottes eine geistliche Größe ist, darum sind auch seine
Glieder für das menschliche Auge in diesem Leben nicht offenbar, ja, das Reich
Gottes als solches ist in dieser Zeit kein Herrlichkeitsreich, sondern vielmehr
ein Reich unter dem Kreuz, ein unscheinbares Reich, ein Reich des Leidens:
„So die Kirche, welche ja gewiss Christi und Gottes Reich ist,
unterschieden ist von des Teufels Reich, so können die Gottlosen, welche in des
Teufels Reich sind, ja nicht die Kirche sein; wiewohl sie in diesem Leben,
dieweil das Reich Christi noch nicht offenbart ist, unter den rechten Christen
und in der Kirche sein, darinnen auch Lehramt und andere Ämter mit haben. Und die Gottlosen sind darum mittler Zeit nicht
ein Stück des Reichs Christi, weil es noch nicht offenbaret ist. Denn das
rechte Reich Christi, der rechte Haufe Christi sind und bleiben allzeit allein
diejenigen, welche Gottes Geist erleuchtet hat, stärkt und regiert; ob es wohl
vor der Welt noch nicht offenbar, sondern unterm Kreuz verborgen ist.“ (Apol., Art. VII und VIII (IV), 17-18)
Darum ist es ganz wichtig, dass die beiden Reiche, das geistliche Reich
Christi und das weltliche Reich, nicht vermengt, sondern konsequent und
eindeutig getrennt werden, dass auch die Kirche oder Gemeinde Christi nicht
ihren Auftrag, den sie von Christus hat, nämlich Jünger zu machen durch taufen
und lehren (Matth. 28,18-20), vermengt mit der Frucht
des Glaubens, der Nächstenliebe. Auch dieser Unterschied ist unbedingt
einzuhalten, denn Christi Reich, wie mehrfach ausgeführt, wird allein durch
Wort und Sakrament gebaut.
1
vgl. Rudolf Ebertshäuser:
Zerstörerisches Wachstum. Steffisburg: Edition Nehemia 2012. S. 97.101.165 ff.
2 vgl. ebd. S. 97
3 vgl. Arthur P. Johnston: World Evangelism and the Word
of God. Minneapolis, MI: Bethany Fellowship. 1974. S. 72; in: Ebertshäuser,
a.a.O., S. 110 f.
4 vgl. Johnston, a.a.O., S. 75; in: Ebertshäuser,
a.a.O., S. 111
5
„Ihr in der Studentenbewegung steht ein für die
Herrschaft Gottes. Ihr steht ein für die Christianisierung der Welt und der
Gesellschaft – für das Königreich.“ So ein liberaler Professor 1911. Vgl.
Johnston, a.a.O., S. 80; in: Ebertshäuser, a.a.O.
6
Johnston, a.a.O., S. 145-146; in: Ebertshäuser, a.a.O., S. 112
7 vgl. Lesslie Newbigin: Your Kingdom Come. Leeds: John
Paul The Preacher’s press. 1980. S. 21;
in: Ebertshäuser: a.a.O.
8 Newbigin, a.a.O., S. 27.30.34; in: Ebertshäuser,
a.a.O., S. 112 f.
9
vgl. proKompakt
49/2014, S. 14 und das dort sehr positiv besprochene Buch „Die
Jesus-Revolution“.
10 vgl. Ebertshäuser, a.a.O., S. 113
11 ebd. S.
114
12 Brian
McLaren: Die geheime Botschaft von Jesus. Asslar:
Gerth Medien. 2007. in: Rudolf Ebertshäuser: Aufbruch
in ein neues Christsein? Steffisburg: CLKV. 2008. S 174-183; in: Ebertshäuser, a.a.O., S. 115
13 vgl. Ebertshäuser, Wachstum, a.a.O., S. 115
14 „Tatsächlich
ist die Welt bereits eine erlöste Welt, so dass, ob die Menschen ihren wahren
Zustand nun erkennen oder nicht, und selbst wenn sie ihn verleugnen, sie
dennoch die Erben von Gottes Erlösung sind. Das Evangelium zu verkünden
bedeutet, sie aufzufordern, dass sie ihr Erbe in Christus in Anspruch nehmen.“ Arthur P. Johnston:
The Battle for World Evangelism. Wheaton, IL: Tyndale House. 1978. S. 110; in: Ebertshäuser,
Wachstum, a.a.O., S. 184 f. (Johnston zitierte aus einem Papier des ÖRK)
15 vgl.
Johnston: Battle, a.a.O., S. 88-89; in: Ebertshäuser,
Wachstum, a.a.O., S. 184
16 vgl. ebd.
17 Johnston,
Battle, a.a.O., S. 111-112; in: Ebertshäuser:
Wachstum, a.a.O., S. 185
18 vgl. Ebertshäuser, ebd. S.
186
19 David J.
Bosch: Transforming Mission. Paradigm Shifts in Theology of
Mission. Marknoll, NY: Orbis. 1991. (American Society of Missiology Series. No. 16.) S. 389-391; in: Ebertshäuser,
Wachstum, a.a.O., S. 186 f. So heißt es auch im „Missionalen
Manifest“, Punkt 6, S. 2, dass Gottes Werk und Gegenwart nicht auf die
„Kirche“, also die Gemeinde Christi, beschränkt sei. http://mission-net.org/sites/default/files/missionales_manifest_autorisierte_deutsche_ubersetzung.pdf Das ist zwar grundsätzlich richtig,
nur sind die Weisen seines Wirkens und seiner Gegenwart eben unterschiedlich.
Und genau dieser Unterschied wird nicht mehr gemacht.
20 vgl. Ebertshäuser, Wachstum, a.a.O., S. 187
21 Bosch,
a.a.O., S. 484; in: Ebertshäuser, Wachstum, a.a.O.,
S. 189
22 „Mission
ist nicht in erster Linie etwas, was die Kirche tut, sondern bestimmt vielmehr,
was die Kirche ist; das bedeutet, dass alles, was die Kirche tut, eine missionale Dimension hat. Die Kirche ist geschaffen als
eine berufene und ausgesandte Gemeinschaft, die verantwortlich ist, völlig an
der erlösenden Königsherrschaft Gottes in Christus teilzunehmen.“ Evaluating the
Church Growth Movement. Gary McIntosh, Paul E.Engle (Hrsg.) Grand Rapids, MI Zondervan
2004. S.87; in: Ebertshäuser, Wachstum, a.a.O., S.
192 Im „Missionales Manifest“ etwa heißt es, S. 1: „Gott ist seines Wesen nach
der ‚Sendende‘, der die Erlösung seiner gesamten Schöpfung initiiert.“
23 vgl. Ebertshäuser, Wachstum, a.a.O., S. 193
24 „Wir
bekräftigen, dass das Evangelium die gute Nachricht vom Königreich Gottes ist.
Das Königreich ist Gottes aktive und umfassende Herrschaft über Seine ganze
Schöpfung. Die souveräne Herrschaft Gottes bringt Gerechtigkeit (rechte
Beziehung mit Gott, den anderen und der Schöpfung), stellt das Recht wieder
her, und bringt einer zerbrochenen Welt Heilung.“ Missionales Manifest; in: Ebertshäuser, Wachstum, a.a.O., S. 194. Im Punkt 2 des
Missionales Manifests etwa ist nicht nur von der Versöhnung Gottes mit den
Menschen die Rede (was 2. Kor. 5,19 aussagt, wo „Welt“ die Gesamtheit aller
Menschen meint), sondern auch ebenso von einer Versöhnung Gottes mit der
„Welt“, worunter also etwas anderes als die Gesamtheit der Menschen verstanden
wird. (S. 2)
25 Missionales
Manifest, in: Ebertshäuser, Wachstum, a.a.O., S. 195
26 vgl.
auch Ebertshäuser, Wachstum, a.a.O., S. 195. Im
„Missionales Manifest“ etwa heißt es, dass es darum gehe, „an der Welt Teil zu
haben“ (S. 1). Die Trennung von der Welt wird damit eindeutig aufgehoben.
27 vgl.
ebd. S. 196 f. „Weder die Kirche und noch ihre ausdeutende Lehre kann statisch
sein. Neue biblische Einsichten werden die Kirche und ihre Theologie zur Umkehr
bringen; neue geschichtliche Herausforderungen werden Fragen aufbringen, die
nie zuvor bedacht worden waren; und neue kulturelle Kontexte werden eine
zeugnishafte Antwort verlangen, die neu definiert, wie wir als Christen wirken
und hoffen.“ Missional Church, S. 12; in: Ebertshäuser, Wachstum, a.a.O., S. 197
28 vgl. Ebertshäuser, Wachstum, a.a.O., S. 198 f.
29 Missional
Church, S. 14; in: Ebertshäuser, Wachstum, a.a.O., S.
200
30 vgl. Evaluating, a.a.O., S. 159; 161; in: Ebertshäuser,
Wachstum, a.a.O., S. 201
31 vgl.
ebd.
32 vgl. Ebertshäuser, Wachstum,
a.a.O.
33 vgl.
ebd. So hieß es auch bereits in der Lausanner Erklärung von 1974: „Wir
bekräftigen, dass sowohl Evangelisation als auch sozialpolitisches Engagement
Teil unserer christlichen Pflicht ist.“ Ebd. S. 202
34 z.B.
Filme wie „Das Urteil“ (ohne jeglichen christlichen Bezug oder evangelistische
Botschaft); „Saving a Life“ (nur geringer
christlicher Bezug, keine klare Botschaft); „Bedingungslos“ (ohne christlichen
Bezug oder evangelistische Botschaft, obwohl der Schwarze, der die Arbeit unter den Kinder begonnen hat, später bekehrt wurde und
jetzt die Arbeit durchaus evangelistisch ausgerichtet hat); „Not Today“ (ohne
erkennbaren christlichen Bezug oder evangelistische Botschaft). Es geht in
diesen Filmen fast ausschließlich um soziale Aspekte, Fragen, Probleme. Auch in
dem Film „Facing the Giant“
ist zwar der eine oder andere christliche Bezug festzustellen, ohne aber
wirklich durchzudringen oder gar prägend zu sein; eine evangelistische
Botschaft ist gar nicht festzustellen.
35 Mission-Shift: Global Missions
in the Third Millenium. Hrsg.: David J. Hesselgrave, Ed. Stetzer.
Nashville, TN: B&H Publishing Group. 2010. S. 55; in: Ebertshäuser,
Wachstum, a.a.O., S. 209 f.
36 vgl. Evaluating, a.a.O:, S. 100-101; in: Ebertshäuser,
Wachstum, a.a.O., S. 210
37 vgl. Ebertshäuser, Wachstum, a.a.O., S. 203 f.
38 Die enge
Verbindung, die gerade zwischen Papst Franziskus und der Weltweiten
Evangelischen Allianz (WEA) besteht, die Weise, wie etwa Thomas Schirrmacher
als einer der führenden Vertreter des WEA immer stärker für die Ökumene
eintritt, zeigt, wie auch einst eher konservative und dem Papsttum kritisch
gegenüberstehende Kreise immer mehr für Rom eingenommen werden. Und nicht
zuletzt sind das soziale Evangelium, das ja von der WEA ganz stark propagiert
wird, und ein neues Missionsverständnis, das formuliert wird, die Schienen,
über die man sich trifft. So hat Geoffrey Tunicliffe,
der Generalsekretär der WEA, bei seinem Treffen mit Papst Franziskus am 6.
November 2014 unter anderem gesagt: „In unserem Gehorsam gegenüber Christus
betrachten wir diese Zeit als eine neue Ära in den
evangelikal/römisch-katholischen Beziehungen. Mit den Worten des Propheten
Jesaja erweitern wir den Raum unserer Zelte und spannen die Seile weit (Jes.
54,2). Durch verstärkte Zusammenarbeit hoffen wir darauf zu erleben, wie
Gerechtigkeit und Friede sich küssen und Wahrheit aus der Erde sprosst (Psalm
85,10-11). Es ist unsere Hoffnung, dass diese Ära von einer neuen Ebene der
Zusammenarbeit charakterisiert sein wird, indem wir den sozialen Problemen der
Ungerechtigkeit, der Gewalt und Verfolgung von Milliarden Menschjen in der Welt
gegebenen. … Wir sollten zusammenarbeiten, um religiösen Extremismus und den
Nöten von Flüchtlingen und Immigranten zu begegnen, die Umwelt zu schützen,
humanitäre Hilfe zu leisten, wirtschaftliche Entwicklung zu fördern und Ehe-
und Familienprobleme zu lösen. Die christliche Bewegung als Ganzes kann in
Bezug auf eine große Zahl von sozialen Problemen und universellen
Menschenrechten eine globale Führungsrolle übernehmen.“ http://distomos.blogspot.de, 14. November 2014; in: Zeitruf Nr. 4/2014,
S. 5
1 Vergleiche
dazu auch: Gottfried Büchner: Biblische Real- und Verbal-Handconcordanz.
Durchges. u. verb. von Heinrich Leonhard Heubner. 16.
Aufl. Braunschweig: C.A. Schwetschke u. Sohn. 1882.
S. 817 f.
2 Vgl. Das
große Bibellexikon. Hrsg. Von Helmut Burkhardt, Fritz Grünzweig u.a. Witten:
SCM Brockhaus; Gießen: Brunnen Verlag. Bd 2. S. 1282.
3 Vergleiche
dazu die Auslegung von John Ylvisaker: The Gospels. Repr. Milwaukee, Wisconsin: Northwestern Publishing House.
1977. S. 505.
4 So die
Übersetzung von Luk. 17,20b in Schlachter 2000.
5 So die
alte Lutherübersetzung, ebenso in der Neuen Luther Bibel.
6 So etwa
die revidierte Lutherbibel von 1956/64 wie auch die Schlachter 2000.
7 Vergleiche
auch Ylvisaker, a.a.O., S. 505 f., Anm. 456.
8 Vgl. ebd.
S. 228