07. Die Grundlagen christlicher Ethik I


Die Grundlagen christlicher Ethik: Von der Freiheit eines Christenmenschen

Luthers Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ aus dem Jahr 1520 gehört zu seinen grundlegenden reformatorischen Frühschriften und stellt zusammen mit dem „Sermon von den guten Werken“ die Grundlinien einer christlichen Ethik auf.

Luther hat dabei in der ständigen Auseinandersetzung mit der römisch-katholischen Werkgerechtigkeit zunächst herausgearbeitet, wie wir als Sünder überhaupt Christ werden können – und dann, als Erlöste, gute Werke tun. Die These, die er dazu über sein Werk gesetzt hat, um sie dann anhand der Heiligen Schrift auszuführen, lauten:

Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan;

Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.

Luther legt dar, dass jeder Christ sowohl geistlich als auch leiblich ist, dass er eine Seele und einen Leib hat. Und er stellt dann die Frage in den Raum: Worin besteht eigentlich die Freiheit des Christen? Wenn es um die Seele des Menschen geht, „so ist offenbar, dass kein äußerliches Ding ihn frei noch fromm machen kann, wie es immer genannt werden mag. Denn seine Frömmigkeit und Freiheit, wiederum seine Bosheit und Gefängnis sind nicht leiblich noch äußerlich. Was hilft es der Seele, dass der Leib ungefangen, frisch und gesund ist, isst, trinkt, lebt, wie er will? Wiederum, was schadet das der Seele, dass der Leib gefangen, krank und matt ist, hungert, dürstet und leidet, wie er nicht gerne wollte? Dieser Dinge reicht keines bis an die Seele, sie zu befreien oder zu fangen, fromm oder böse zu machen.“ (Luthers Werke. Hrsg. von Buchwald, Kawerau ... 3. Aufl. Berlin 1905. Bd. 1. S. 296 f.) Kurz: All die äußeren, materiellen Dinge dieses Lebens können tatsächlich der Seele nicht helfen, von der Sünde frei zu werden und zum Frieden mit Gott zu kommen. Das heißt: Die Seele kann letztlich alle äußeren Dinge entbehren, nur eines nicht: Gottes Wort! „Hat die Seele kein ander Ding, weder im Himmel noch auf Erden, darinnen sie lebe, fromm, frei und Christ sei als das heilige Evangelium, das Wort Gottes von Christus gepredigt, wie er selbst sagt Joh. 11,25: ‚Ich bin das Leben und die Auferstehung, wer da glaubt an mich, der lebt ewiglich’, ferner 14,6: ‚Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben’, ferner Matth. 4,4: ‚Der Mensch lebt nicht allein vom Brot, sondern von allen Worten, die aus dem Munde Gottes gehen.’ So müssen wir nun gewiss sein, dass die Seele alles Dinges entbehren kann, ausgenommen das Wort Gottes, und ohne das Wort Gottes ist ihr mit keinem Ding geholfen. Wo sie aber das Wort hat, so bedarf sie auch keines anderen Dinges mehr, sondern sie hat in dem Worte genug: Speise, Freude, Friede, Licht, Kunst, Gerechtigkeit, Wahrheit, Weisheit, Freiheit und alles Gut überschwänglich.“ (ebd. S. 296) „Und Christus ist um keines anderen Amtes willen, als das Wort Gottes zu predigen, gekommen. Auch alle Apostel, Bischöfe, Priester und der geistliche Stand sind allein um des Wortes willen berufen und eingesetzt, wiewohl es nun leider anders geht.“ (ebd. S. 297) Die Seele lebt also allein aus dem Wort Gottes, und dabei wieder aus dem Evangelium, dem Wort von Christus, und kommt nur so aus allem Verderben und aller Not.

Darum ist es absolut notwendig, dass wir stets, täglich mit Christi Wort umgehen, denn anders können wir nicht Christi Eigentum werden. „Darum sollte das billig aller Christen einziges Werk und Übung sein, dass sie das Wort und Christus wohl in sich bildeten, solchen Glauben stetig übten und stärkten. Denn kein anderes Weerk kann einen Christen machen, wie Christus Joh. 6 zu den Juden sagte.“ (ebd. S. 297) Schon diese Aussagen stellen den schärfsten Gegensatz zur römisch-katholischen Lehre dar, die eben genau das leugnet, dass wir an Christus und seinem Wort genug haben und dass der Glaube – der auch wiederum ein Geschenk Gottes ist – das einzige wahre „Werk“ ist, womit wir wahrhaft Gott wohlgefallen, wodurch allein die Gebote gehalten werden. Rom verweist vielmehr bis heute die Menschen an ihre eigenen Werke, wenn sie in den Himmel kommen wollen. Rom verleugnet Christus zwar nicht völlig, aber es lässt die Rettung nicht durch ihn allein geschehen, sondern behauptet, dass eine Mitwirkung des Menschen nötig sei, dass er, um hier mit Luther zu reden, leibliche Werke tun müsse, um seiner Seele zum völligen Frieden zu helfen. Dagegen macht der Reformator hier deutlich, dass wir durch den Glauben den größtmöglichen Reichtum überhaupt haben, da wir durch ihn – und zwar durch ihn allein – gerecht und fromm und mit Christus vereinigt sind. Der Glaube allein, ohne alle Werke, macht fromm. Darum ist es auch so wichtig, Gesetz und Evangelium deutlich zu unterscheiden. „Hier ist fleißig zu merken und ja mit Ernst zu behalten, dass allein der Glaube ohne alle Werke fromm, frei und selig macht, wie wir hernach mehr hören werden. Und es ist zu wissen, dass die ganze heilige Schrift in zweierlei Worte geteilt wird, welche sind: Gebote oder Gesetze Gottes und Verheißungen oder Zusagungen. Die Gebote lehren und schreiben uns mancherlei gute Werke vor, aber damit sind sie noch nicht geschehen. Sie weisen wohl, sie helfen aber nicht; lehren, was man tun soll, geben aber keine Stärke dazu. Darum sind sie nur dazu geordnet, dass der Mensch darinnen sehe sein Unvermögen zu dem Guten und lerne an sich selbst verzweifeln. Und darum heißen sie auch das alte Testament und gehören alle ins alte Testament. So beweist das Gebot: ‚Du sollst nicht böse Begierde haben’, dass wir allesamt Sünder sind und kein Mensch vermag ohne böse Begierde zu sein, er tue, was er will; daraus lernt er an sich selbst verzagen und anderswo Hilfe zu suchen, dass er ohne böse Begierde sei und also das Gebot durch einen anderen erfülle, das er aus sich selbst nicht vermag. Also sind auch alle anderen Gebote uns unmöglich.

Wenn nun der Mensch aus den Geboten sein Unvermögen gelernt und empfunden hat, dass ihm nun angst wird, wie er dem Gebote Genüge tue, da das Gebot muss erfüllt sein oder er muss verdammt sein: So ist er recht gedemütigt und zunichte geworden in seinen Augen, findet nichts in sich, womit er fromm werden könnte. Dann so kommt das andere Wort, die göttliche Verheißung und Zusagung, und spricht: Willst du alle Gebote erfüllen, deiner bösen Begierde und Sünde los werden, wie die Gebote zwingen und fordern, siehe da, glaube an Christus, in welchem ich dir zusage alle Gnade, Gerechtigkeit, Friede und Freiheit; glaubst du, so hast du, glaubst du nicht, so hast du nicht. Denn was wir unmöglich ist mit allen Werken der Gebote, deren viele sind und doch keines nütze, das wird dir leicht und kurz durch den Glauben. Denn ich habe kurz in den Glauben gestellt alle Dinge, dass, wer ihn hat, alle Dinge haben und selig sein soll; wer ihn nicht hat, soll nichts haben.“ (ebd. S. 298 f.)

Wort und Glaube sind es also, die die Seele regieren, die äußeren Werke helfen nicht zur ewigen Errettung. Das trennt bis heute das biblische, in der Reformation erneuerte Christentum von Rom. „Also sehen wir, dass an dem Glauben ein Christenmensch genug hat; er bedarf keines Werkes, dass er fromm sei. Bedarf er denn keines Werkes mehr, so ist er gewisslich entbunden von allen Geboten und Gesetzen. Ist er entbunden, so ist er gewisslich frei. Das ist die christliche Freiheit, der einzige Glaube, der da macht, nicht, dass wir müßig gehen oder übel tun mögen, sondern dass wir keines Werkes zur Frömmigkeit bedürfen und um Seligkeit zu erlangen, davon wir mehr hernach sagen wollen.“ (ebd. S. 300) Das also ist die wahre christliche Freiheit, dass wir aus Gottes Gnade, um Christi Verdienst willen, befreit sind von dem Zwang, durch eigene Werke unsere Erlösung zu erringen oder zumindest doch daran mitzuwirken. Unser Leben muss sich damit eben nicht mehr um uns selbst, unser Heil, drehen, sondern wir sind frei geworden für Christus und damit auch für den Nächsten.

Und dieser rettende Glaube, der vereinigt die Seele mit Christus, wie die Braut mit dem Bräutigam durch die Ehe vereinigt wird. Das heißt: Die gläubige Seele erhält alles das, was Christus gehört, während Christus alles das, was auf der Seele liegt, also alle Sünde, auf sich nimmt. „Nicht allein gibt der Glaube so viel, dass die Seele dem göttlichen Wort gleich wird, aller Gnaden voll, frei und selig, sondern vereinigt auch die Seele mit Christus, wie eine Braut mit ihrem Bräutigam. Aus welcher ehe folgt, wie St. Paulus sagt, dass Christus und die Seele ein Leib werden; so werden auch beider Güter, Fall, Unfall und alle Dinge gemeinsam; das, was Christus hat, das ist eigen der gläubigen Seele; was die Seele hat, wird eigen Christi. So hat Christus alle Güter und Seligkeit: die sind der Seele eigen. So hat die Seele alle Untugend und Sünde auf sich: die werden Christi eigen.

Hier hebt nun an der fröhliche Wechsel und Streit: Dieweil Christus ist Gott und Mensch, welcher noch nie gesündigt hat und dessen Frömmigkeit unüberwindlich, ewig und allmächtig ist, so macht er denn der gläubigen Seele Sünde durch ihren Brautring, das ist der Glaube, sich selbst zu eigen und tut nicht anders, denn als hätte er sie getan. So müssen die Sünden in ihm verschlungen und ersäuft werden. Denn seine unüberwindliche Gerechtigkeit ist allen Sünden zu stark. Also wird die Seele von allen ihren Sünden lauter durch ihren Mahlschatz, das ist des Glaubens halben ledig und frei und begabt mit der ewigen Gerechtigkeit ihres Bräutigams Christus.“ (ebd. S. 300 f.) Und so ist es der Glaube – und zwar der Glaube allein –, der das erste Gebot erfüllt, und damit auch alle anderen Gebote. „Hier siehst du aber, aus welchem Grunde dem Glauben billig so viel zugeschrieben wird, dass er alle Gebote erfüllt und ohne alle anderen Werke fromm macht. Denn du siehst hier, dass er das erste Gebot erfüllt allein, da geboten wird: Du sollst deinen Gott ehren. Wenn du nun eitel gute Werke wärest bis auf die Fersen, so wärest du dennoch nicht fromm und gäbest Gott noch keine Ehre, und also erfülltest du das allererste Gebot nicht. Denn Gott kann nicht geehrt werden, ihm werde denn Wahrheit und alles Gute zugeschrieben, wie er denn wahrlich ist. Das tun aber keine guten Werke, sondern allein der Glaube des Herzens. Darum ist er allein die Gerechtigkeit des Menschen und aller Gebote Erfüllung.“ (ebd. S. 301 f.) Es liegt also alles daran, wirklich das gesamte Evangelium, dass die Werke aus dem rettenden Glauben absolut ausgeschlossen werden. Darum ist es auch völlig verkehrt, wenn der rettende Glaube beschrieben wird als derjenige Glaube, der durch die Liebe tätig wird. Das ist bereits die Vermengung von Rechtfertigung und Heiligung, das ist gegen Römer 3 und 4 und ist der Übertritt auf römisch-katholisches Gebiet. (Und das ist leider der Irrweg des Pietismus und vieler Evangelikaler, die daher, wie der Vorsitzende des Gnadauer Verbandes, kein Problem hatten, der sogenannten „Gemeinsamen Erklärung“ zur Rechtfertigungslehre zuzustimmen.) Die Werke können uns die Seligkeit nicht erwerben, sie können nicht wirklich die Gebote Gottes erfüllen. Sie sind vielmehr eine Frucht, die aus dem Glauben folgt.

Durch Christus haben wir im Glauben die höchste Ehre: Wir sind Könige und Priester und haben damit allen Reichtum und freien Zugang zu Gott. „Wer mag nun ausdenken die Ehre und Höhe eines Christenmenschen? Durch sein Königreich ist er aller Dinge mächtig, durch sein Priestertum ist er Gottes mächtig. Denn Gott tut, was er bittet und will, wie da geschrieben steht im Psalter: ‚Gott tut den Willen derer, die ihn fürchten, und erhört ihr Gebet.’ Zu diesen Ehren kommt er nur allein durch den Glauben und durch kein Werk. Daraus sieht man klar, wie ein Christenmensch frei ist von allen Dingen und über alle Dinge, also dass er keiner guten Werke dazu bedarf, dass er fromm und selig sei, sondern der Glaube bringt es ihm alles überflüssig.“ (ebd. S. 304) Dies zeigt einen weiteren Aspekt der christlichen Freiheit an: Als Christ bin ich durch den Glauben frei von allen Dingen, nicht mehr abhängig von ihnen, und bin vielmehr ein Herr aller Dinge geworden, denn sie müssen mir nun alle dienen.

Bisher hatte Luther von dem inneren oder inwendigen Menschen geredet. Nun geht er auf den äußeren Menschen, der ja nicht eine andere Person ist, sondern eine Person mit dem inwendigen Menschen. Was nun diesen äußeren Menschen angeht, der in dieser Welt lebt, so ist der Christ in ihm ein dienstbarer Knecht und allen untertan. Denn mit dem Leib ist er auch als Christ hier auf Erden und soll Christus in den anderen Menschen dienen, damit der äußere Mensch so dem inneren Menschen immer ähnlicher werde. „Obwohl der Mensch inwendig nach der Seele durch den Glauben genugsam gerechtfertigt ist und alles hat, was er haben soll, außer dass deerselbe Glaube und Genüge immer zunehmen muss bis in jenes Leben, so bleibt er doch noch in diesem leiblichen Leben auf Erden und muss seinen eigenen Leib regieren und mit Leuten umgehen. Da heben nun die Werke an: Hier darf er nicht müßig gehen; da muss fürwahr der Leib mit Fasten, Wachen, Arbeiten und mit aller mäßigen Zucht getrieben und geübt sein, dass er dem innerlichen Menschen und dem Glauben gehorsam und gleichförmig werde, nicht hindere noch widerstrebe, wie seine Art ist, wo er nicht gezwungen wird.“ (ebd. S. 306) Was sagt Luther damit: Es wäre ein Widerspruch in sich, wenn der Mensch meint, weil er ja den Glauben habe, darum brauche er keine Werke mehr zu tun, er habe ja schon alles. Dann wäre er als Mensch völlig gespalten. Vielmehr muss es so sein, dass der inwendige Menschen den äußeren Menschen regiert, dass eer also bestrebt ist, so zu leben, wie es Gottes Wort und Willen entspricht, gegen alle Lüste und Begierden und Sehnsüchte und Ziele des äußeren Menschen. Das ist der tägliche geistliche Kampf, den wir zu führen haben, von dem Paulus Römer 7 und Galater 5 spricht. Die Werke geschehen also nicht damit der Mensch erlöst, fromm wird, sondern weil er erlöst ist, um in der Liebe gehorsam und gereinigt zu werden. „Aber dieselben Werke müssen nicht geschehen in der Meinung, dass dadurch der Mensch fromm werde vor Gott, denn die falsche Meinung kann der Glaube nicht leiden, der allein ist und sein muss die Frömmigkeit vor Gott; sondern nur in der Meinung, dass der Leib gehorsam werde und gereinigt von seinen bösen Lüsten, und das Auge nur sehe auf die bösen Lüste, sie auszutreiben... und doch sind die Werke nicht das rechte Gut, davon er fromm und gerecht sei vor Gott, sondern er tue sie aus freier Liebe umsonst, Gott zu gefallen; nichts anderes darin gesucht noch gesehen, als dass es Gott also gefalle, dessen Willen er gerne täte aufs allerbeste.“ (ebd. S. 307)

Hier kommt sehr deutlich die Triebfeder für das christliche Leben heraus: die freie Liebe zu Gott, ihm, dem lebendigen, dreieinigen Gott, der mich erlöst hat, erworben und gewonnen von allen Sünden und der Herrschaft des Teufels, ihm zu dienen, ihm gehorsam zu sein, ihm zu gefallen.

Aus all dem wird deutlich: Gute Werken machen noch lange keinen frommen Menschen, sondern es ist umgekehrt: Nur ein frommer Mann kann überhaupt Werke tun, die in Gottes Augen gut sind. „Darum sind zwei Sprüche wahr: ‚Gute, fromme Werke machen nimmermehr einen guten, frommen Mann, sondern ein guter, frommer Mann macht gute, fromme Werke.’ ‚Böse Werke machen nimmermehr einen bösen Mann, sondern ein böser Mann macht böse Werke.’ Also dass allewege die Person zuvor gut und fromm sein muss vor allen guten Werken, und gute Werke folgen und ausgehen von der frommen, guten Person; gleichwie Christus sagt: ‚Ein böser Baum trägt keine gute Frucht, ein guter Baum trägt keine böse Frucht.’“ (ebd. S. 308 f.) Immer wieder betont es Luther, dass allein der Glaube fromm macht, und musste es immer wieder betonen, da die Menschen durch die römisch-katholische Lehre von Christus weg auf die Heiligen, Maria und die eigenen Werke verführt worden waren. „So denn die Werke niemand fromm machen, und der Mensch zuvor fromm sein muss, ehe er wirkt, so ist es offenbar, dass allein der Glaube aus lauter Gnade durch Christus und sein Wort die Person genugsam fromm und selig macht, und dass kein Werk, kein Gebot einem Christen not sei zur Seligkeit, sondern er frei ist von allen Geboten und aus lauterer Freiheit umsonst tut alles, was er tut, in nichts damit seinen Nutzen oder Seligkeit zu suchen – denn er ist schon satt und selig durch seinen Glauben und Gottes Gnade – sondern nur, um Gott darinnen zu gefallen.

Wiederum dem, der ohne Glauben ist, ist kein gutes Werk förderlich zur Frömmigkeit und Seligkeit. Wiederum machen in keine bösen Werke böse und verdammt, sondern der Unglaube, der die Person und den Baum bös macht, der tut böse und verdammte Werke. Darum, wwenn man fromm oder böse wird, hebt es sich nicht an den Werken an, sondern an dem Glauben.“ (ebd. S. 309 f.) Die Werke zeigen dann nur nach außen hin an, vor den Menschen, ob die Person wohl fromm oder böse sei. Aber wie die Person wirklich ist, wie ihr Herz aussieht, das lässt sich durch die Werke nicht erkennen. Denn viele mögen zwar, oft in dem Irrwahn der Werkgerechtigkeit, gute Werke tun – aber das Herz bleibt fern von Christus. Sie haben damit nur einen Schein der Frömmigkeit, aber nicht den rechten Grund, Christus. Es geht vielmehr um die Person, sie muss erst gut werden. „Wer nun mit denselben Blinden nicht irren will, muss weiter sehen als in die Werke, Gebote oder Lehre der Werke. Er muss auf die Person vor allen Dingen sehen, wie die fromm werde. Die wird aber nicht durch Gebot und Werk, sondern durch Gottes Wort (das ist durch seine Verheißung der Gnade) und den Glauben fromm und selig, auf dass bestehe seine göttliche Ehre, dass er uns nicht durch unsere Werke, sondern durch sein gnädiges Wort umsonst und aus lauter Barmherzigkeit selig mache.“ (ebd. S. 310) Werke, mit denen der Mensch sich die ewige Rettung erwerben will, sind vor Gott gar nicht gut, weil sie die Gnade Gottes angreifen, schmähen, die doch allein durch den Glauben fromm und selig macht. „Denn wo der falsche Anhang und die verkehrte Meinung darin ist, dass durch die Werke wir fromm und selig werden wollen, sind sie schon nicht gut und ganz verdammlich; denn sie sind nicht frei und schmähen die Gnade Gottes, die allein durch den Glauben fromm und selig macht; welches Werke nicht vermögen, und nehmen es sich doch vor zu tun und greifen damit der Gnade in ihr Werk und ihre Ehre. Darum verwerfen wir die guten Werke nicht um ihretwillen, sondern um desselben bösen Zusatzes und falscher, verkehrter Meinung willen, welche macht, dass sie nur gut scheinen und sind doch nicht gut, betrügen sich und jedermann damit, gleichwie die reißenden Wölfe in Schafskleidern. Aber derselbe böse Zusatz und die verkehrte Meinung in den Werken ist unüberwindlich, wo der Glaube nicht ist. Er muss in demselben Werkheiligen sein, bis der Glaube kommt und ihn zerstöre; die Natur vermag ihn von sich selbst nicht auszutreiben, ja auch nicht zu erkennen, sondern sie hält ihn für ein köstliches, seliges Ding; daxrum werden ihrer auch so viele dadurch verführt.“ (ebd. S. 311)

Luther macht deutlich, dass ohne den Glauben damit auch alle Reue, Beichte und Genugtun, was ja Rom in dem sogenannten „Bußsakrament“ vorgeschrieben hat, teuflisch sind. Warum wird das so wenig erkannt? Weil vielfach Gesetz und Evangelium nicht recht unterschieden und auch nicht sowohl Gesetz als auch Evangelium gepredigt werden. Das ist Luther sehr wichtig. „Man darf nicht einerlei allein predigen, sondern alle beide Worte Gottes. Die Gebote soll man predigen, die Sünder zu erschrecken und ihre Sünde zu offenbaren, dass sie Reue haben und sich bekehren. Aber dabei soll es nicht bleiben, man muss das andere Wort, die Zusagung der Gnade, auch predigen, den Glauben zu lehren, ohne welche die Gebote, Reue und alles andere vergebens geschieht.“ (ebd.) Aus dem Gesetz kommt die Reue – aber der rechte Glauben allein aus dem Evangelium. „Denn die Reue fließt aus den Geboten, der Glaube aus den Zusagungen Gottes, und also wird der Mensch durch den Glauben göttlicher Worte gerechtfertigt und erhaben, der durch die Furcht vor Gottes Gebot gedemütigt und zu seiner Erkenntnis gekommen ist.“ (ebd. S. 311 f.)

Wozu sollen wir überhaupt gute Werke tun? Damit sollen wir den anderen Menschen, unseren Mitmenschen, unserem Nächsten dienen. Denn zur Seligkeit, zur ewigen Errettung, haben wir sie nicht nötig. Vielmehr sollen wir mit ihnen den anderen Menschen dienen, tun, was für sie nützlich ist. „... er muss je mit ihnen zu reden und zu schaffen haben, wiewohl ihm derselben Werke keines not ist zur Frömmigkeit und Seligkeit. Darum soll seine Meinung in allen Werken frei und nur dahin gerichtet sein, dass er anderen Leuten damit diene und nütze sei, nichts anderes sich vornehme, als was den anderen not ist.... Phil. 2,1-3: ‚Ich ermahne euch allen Trostes, den ihr in Christus habt, und allen Trostes, den ihr habt von unserer Liebe zu euch, und aller Gemeinschaft, die ihr habt mit allen geistlichen frommen Christen, ihr wollt mein Herz vollkommen erfreuen, und das damit, dass ihr hinfort wollet eines Sinnes sein, einer gegen den anderen Liebe erzeigen, einer dem anderen dienen und ein jeglicher Acht haben nicht auf sich noch auf das Seine, sondern auf den anderen und was demselben not sei.“ (ebd. S. 312) Alle Werke sollen also auf den Nächsten gerichtet sein, ihm Gutes zu tun. Wir selbst benötigen sie nicht, denn wir haben ja schon am Glauben an Jesus Christus genug. Unser Leben soll ganz dem Vorbild Jesu Christi, Phil. 2,5-8, daher folgen, nämlich für den Nächsten da zu sein. „Siehe, da hat Paulus klärlich ein christliches Leben dahin gestellt, dass alle Werke sollen gerichtet sein dem Nächsten zugut, dieweil ein jeglicher für sich selbst an seinem Glauben genug hat, und alle anderen Werke und Leben ihm übrig sind, seinem Nächsten damit aus freier Liebe zu dienen.“ (ebd.)

Im Glauben, das betont Luther immer wieder, haben wir alles, was wir brauchen, sind damit frei, auch wenn wir dienen. Unser Leben braucht sich damit nicht mehr um uns selbst zu drehen, sondern wir sind frei geworden, dass wir nun ein Diener des Nächsten sein können, und zwar ohne Hintergedanken, frei, umsonst. „Und ob er nun ganz frei ist, soll er sich wiederum willig zu einem Diener machen, seinem Nächsten zu helfen, mit ihm zu verfahren und zu handeln, wie Gott mit ihm durch Christus gehandelt hat. Und das alles umsonst, nichts darinnen zu suchen als göttliches Wohlgefallen, und so zu denken: Wohlan, mein Gott hat mir unwürdigem, verdammtem Menschen ohne alles Verdienst, rein umsonst und aus eitel Barmherzigkeit durch und in Christus vollen Reichtum aller Frömmigkeit und Seligkeit gegeben, dass ich hinfort nichts mehr bedarf als zu glauben, es sei also. Ei, so will ich solchem Vater, der mich mit seinen überschwänglichen Gütern also überschüttet hat, wiederum frei, fröhlich und umsonst tun, was ihm wohlgefällt, und gegen meinen Nächsten auche in Christ werden, wie Christus mir geworden ist, und nichts mehr tun, als was ich nur sehe, das ihm not, nützlich und selig sei, dieweil ich doch durch meinen Glauben alles Dinges in Christus genug habe.“ (ebd. S. 313)

So ist die Liebe eine Frucht des Glaubens, der Gnade Gottes zu uns. Weil Gott uns geliebt hat, können wir ihn wieder lieben und sind frei, in dieser Liebe auch dem Nächsten zu dienen. „Darum, wie uns Gott durch Christus umsonst geholfen hat, also sollen wir durch den Leib und seine Werke nichts anderes tun als dem Nächsten helfen.“ (ebd.)

Darum können wir als Christen uns auch unterwerfen unter den Willen anderer, soweit es nicht den Geboten Gottes widerspricht. „Denn welches Werk nicht dahinaus gerichtet ist, dem anderen zu dienen oder seinen Willen zu leiden, sofern er nicht zwingt, wider Gott zu tun, so ist es nicht ein gutes christliches Werk.“ (ebd. S. 315) So kann ein Christ, wenn es die Obrigkeit verlangt, sogar Geld geben, fasten, nicht, weil er das für sich, für seine Seligkeit benötigen würde, sondern für den anderen, ihm dadurch zu dienen. Und das alles eben einzig und allein aus Liebe, weil wir in Christus alles haben. Ein Christ, das macht Luther hier deutlich, lebt nicht mehr für sich selbst, sondern für Christus und damit für den Nächsten. In Christus sind wir frei, voll und ganz, und gerade damit auch für jeden ein Diener. „Aus dem allen folgt der Beschluss, dass ein Christenmensch lebt nicht sich hselbst, sondern in Christus und seinem Nächsten: in Christus durch den Glauben, in seinem Nächsten durch die Liebe.“ (ebd. S. 316)