Auseinandersetzung mit dem Dispensationalismus

Roland Sckerl

 

    Mit dem Ausbreiten des Gedankengutes der „Brüderbewegung“, die ihren Ursprung in John Nelson Darby hat, auch in Kreise, die nicht zur Brüderbewegung gehören, also vor allem im evangelikalen Bereich, ist auch die Theorie des Dispensationalismus verbreitet worden, nicht zuletzt durch die Scofield-Reference-Bible.1 Es ist daher wichtig zu prüfen, was der Dispensationalismus ist und warum er als schriftwidrig verworfen werden muss.

    „Dispensationalismus“ enthält den Begriff „Dispensation“ oder „Haushaltung“ in seinem Namen und drückt damit aus, dass es verschiedene Haushaltungen, man könnte auch sagen ‚Zeitalter’ im wirken Gottes gibt. Das ist grundsätzlich ja richtig. Wenn wir in die Bibel hinein sehen, so unterscheiden wir zwischen dem Alten und dem Neuen Bund, also dem Bund, den Gott mit Mose auf dem Sinai geschlossen hatte – wobei der Bund mit Abraham sozusagen ein Vorläufer dazu war – und der Bund, der durch den Messias Israels und Heiland der Welt, Jesus Christus, durch seinen Gehorsam, Leiden und Sterben für uns geschlossen wurde und nun für ewig gilt, Hebr. 10,10.12.14. Bereits durch den Propheten Jeremia hatte der HERR das Ende des Alten und das Kommen des Neuen Bundes angekündigt, Jer. 31,31 f. Hebr. 1,1-2 macht deutlich, dass Gottes Haushaltungen mit dem Neuen Bund abgeschlossen sind, dass der Neue Bund uns in die Ewigkeit führt.

    Der Dispensationalismus dagegen behauptet, es gäbe sieben „Dispensationen“ oder Haushaltungen, wobei es bei den Dispensationalisten teilweise unterschiedliche Einteilungen, je nachdem, ob man William E. Blackstones „Jesus is coming“ (1908) betrachtet, der eine rein chronologische Einteilung hat, oder Scofields Einteilung, die mehr typologisch ist.2

    Blackstones „Zeitalter“ (er verwendet dafür das griechische Wort aion), sind folgende: 1) Eden oder das Zeitalter der Unschuld, das bis zur Austreibung aus dem Paradies ginge; 2) Antediluvian oder die Vorsintflutzeit als Zeitalter der Freiheit oder des Gewissens, bis zur Sintflut; 3) Postdiluvian oder die Nachsintflutzeit, das Zeitalter der Regierung, bis zur Zerstörung Sodoms und Gomorras: 4) das patriarchalische oder Pilgerzeitalter, bis zum Untergang Pharaos im Roten Meer; 5) das mosaische oder israelitische Zeitalter, bis zur Kreuzigung Christi und Zerstörung Jerusalems; 6) das christliche Zeitalter, das beendet würde mit der großen Trübsal, dem Kommen des HERRN, der Gericht über die Völker und einer weiteren großen Reduktion der Weltbevölkerung, ein Zeitalter, während dessen die Juden über alle Völker zerstreut seien; 7) das „Tausendjährige Reich“, das beendet würde mit dem Gericht vor dem großen weißen Thron.3

    Scofield, dessen Einteilung nicht zuletzt aufgrund seiner Reference-Bible weitere Verbreitung gefunden hat, definiert eine „Dispensation“ als ein Zeitalter oder eine Periode, in welcher der Mensch hinsichtlich einer bestimmten Offenbarung des Willens Gottes geprüft würde. Er bezieht sich dabei auf 1. Mose 1,28.4 Allein das macht schon ein besonderes Merkmal des Dispensationalismus deutlich, nämlich den willkürlichen Umgang mit biblischen Aussagen. Dieser Vers spricht von dem Segen und Auftrag Gottes über Adam und Eva und ihre Nachkommen, fruchtbar zu sein, die Erde zu füllen und sie sich untertan zu machen, ein Auftrag, der übrigens Noah gegenüber nach der Sintflut wiederholt wurde und, da er vor dem Sündenfall gegeben wurde und mit der Schöpfung zusammenhängt, Teil der Schöpfungsordnung ist und somit allen Menschen aller Zeiten gilt. Hieraus ein „Zeitalter“ oder das „Merkmal“ eines Zeitalters ablesen zu wollen, ist schon sehr abenteuerlich und liest gewaltsam Dinge in den Text hinein, die nicht darin zu finden sind.

    Scofield selbst gibt an, seine Theorie von Malachi Taylor, der zur Brüderbewegung gehörte, bekommen zu haben. Er unterscheidet folgende Dispensationen oder Haushaltungen: 1) Zeitalter der Unschuld (über das Scofield nicht viel zu sagen weiß); 2) Zeitalter des Gewissens, das mit der Vertreibung aus dem Paradies begonnen habe; 3) Zeitalter der menschlichen Regierung, von der Sintflut bis zur Berufung Abrahams; 4) das vierte geht von der Berufung Abrahams bis zur Gesetzgebung auf dem Sinai; 5) das fünfte vom Auszug aus Ägypten bis zur Kreuzigung Jesu Christi (Zeitalter des Gesetzes); 6) das Zeitalter der Gnade; 7) das „Tausendjährige Reich“. Die Behauptung, jedes Zeitalter sei von einer bestimmten Idee gekennzeichnet, ist völlig willkürlich und kann nicht aus der Schrift entnommen werden. Die Willkür wird unter anderem auch in der Einteilung der Haushaltungen deutlich, etwa wenn behauptet wird, die Episteln oder Briefe der Apostel gehörten in das Zeitalter der Gnade, die Evangelien, da sie das Leben Jesu bis zur Kreuzigung und Auferstehung beschreiben, zum Zeitalter des Gesetzes, so, als enthielten sie keine Gnade. Außerdem wird in diesem Zusammenhang dann behauptet, gegen Mark. 1,14.15; Joh. 18,36, dass das Reich Gottes noch nicht da gewesen, sondern noch zukünftig gewesen sei.5

    Blackstone wie auch Scofield sind im Blick auf ihre „Haushaltungen“ vor allem an den beiden letzten interessiert. Blackstone leugnet dabei ein umfassendes Endgericht und hat letztlich vier Gerichte (Preisgericht für die Gläubigen nach den Werken; Gericht über die Nationen auf Erden beim Offenbarwerden der Gläubigen (wobei es hier zu einem Selbstwiderspruch in Blackstones System kommt, weil er einerseits behauptet, dass die Gläubigen entrückt würden und schon gerichtet seien und andererseits behauptet, dass nun die Schafe von den Böcken geschieden würden und alle ausgesondert würden, die ein Ärgernis wären und dann Christi Reich erst aufgerichtet würde. Er bezieht sich dabei auf Matth. 13,41-43, Verse, die sich aber tatsächlich auf das Endgericht beziehen und V. 43 keineswegs sagt, dass erst dann Christi Reich aufgerichtet würde, sondern nur, dass die Gerechten dann leuchten in ihres Vaters Reich.); Gericht über die Toten vor dem großen weißen Thron; Gericht über die Engel, die mit Satan in den feurigen Pfuhl geworfen werden.6

    Der Dispensationalismus hängt ganz eng zusammen mit dem Chiliasmus oder Millenialismus, also der Behauptung, dass zukünftig noch, vor dem Endgericht, ein irdisches tausendjähriges Friedensreich käme, in dem Christus auf Erden mit den Seinen herrschen würde. Ebenfalls in diesen Zusammenhang gehört die Sonderstellung, die der Dispensationalismus Israel zuweist und dadurch zum einen zu einer völlig schiefen, verkürzten Betrachtung des Alten Testaments kommt, das in seinen prophetischen Aussagen vielfach nicht mehr auf Christus und seine Gemeinde ausgelegt wird, sondern auf ein irdisches Israel-Reich, und zum anderen zur Behauptung einer „allgemeinen“ Judenbekehrung (wer darunter fallen soll, ist bei den Chiliasten, ob Dispensationalisten oder nicht, selbst sehr umstritten) mit einer Wiederaufrichtung eines irdischen Großreichs Israel und einer „Völkermission“ durch Israel. Auch die zehn Stämme würden wieder zurückgebracht und Gott würde einen neuen Bund mit ihnen machen und auch der Tempel würde wieder errichtet werden, einschließlich der levitischen Opfer.7 Es wird dabei absolut unterschieden zwischen dem ethnischen Israel und der christlichen Kirche oder Gemeinde des Messias. So behauptet etwa Chafer, dass Gott der HERR durch die Heilsgeschichte hindurch immer zwei Ziele verfolgt habe, ein irdisches und ein himmlisches, wobei das irdische auf Israel und das Judentum bezogen wird.7a Dass aber tatsächlich der gesamte Alte Bund, gemäß der Weissagung Jeremias und wie auch Hebr. 8 dargelegt, zum Ende gekommen ist, die Opfer abgetan, endgültig mit der Zerstörung des zweiten Tempels, und auch durch Christi Kreuzestod ja zu ihrem Ziel gekommen sind, wird völlig ausgeblendet. Hier wird deutlich, wie unchristlich der Dispensationalismus vielfach ist und dem leiblichen Israel wie auch dem Land Israel eine völlig falsche Rolle beimisst, beides – für die Zeit des Neuen Bundes – religiös völlig verkehrt überhöht.

    Wie man sich die Vorgänge nach der Entrückung vorstellt, bis hin zum letzten Gericht, wird sehr genau dargestellt.8

    Wie kommen die Dispensationalisten zu ihrer Sicht der Dinge? Das wird besonders deutlich bei Blackstone und Scofield: Sie greifen einfach Bibelverse aus ihrem Zusammenhang heraus, wenn sie darinnen Begriffe finden, die zu ihrer Sache, um die es ihnen geht, verwenden könnten, und behaupten dann, die Verse würden das aussagen, was sie, die Dispensationalisten, darstellen. Tatsächlich wird aber der Zusammenhang, in dem der Vers steht, und was er tatsächlich aussagt, gar nicht beachtet. So muss etwa 2. Petr. 3,8(ein Tag vor Gott wie tausend Jahre und tausend Jahre wie ein Tag) dazu herhalten, die „Tage“ für die tausend Jahre anzugeben; die Entrückung will man in Eph. 5,25-32 finden (ein Abschnitt, der tatsächlich über die Ehe spricht); das Tausendjährige Reich in Apg. 15, 13 ff., wo in Wirklichkeit aber von der Gegenwart die Rede ist und der deutlich zeigt, wie die alttestamentlichen Verheißungen in der Gemeinde Christi erfüllt sind, nicht in einer Wiederherstellung eines Reiches Israel. Aus dem „siebenmal“ in 3. Mose 26,18.21.24.28, was dann mit 2. Petr. 3,8 in Verbindung gebracht wird, will man sieben verschiedene Zeitalter herauslesen. Bei der nur untergeordneten Bedeutung, die der Gemeinde Christi entgegen gebracht wird, vor allem verglichen mit Israel, unterscheidet Blackstone folgerichtig auch zwischen der Kirche und dem Reich Christi, ganz im Gegensatz zur Schrift, etwa den Himmelreichsgleichnissen Matth. 13, und behauptet, dass Christi Reich noch Zukunft sei. Deshalb behauptet er gar, dass Petrus, Jakobus und Johannes bei der Verklärung Jesu nicht den Himmel gesehen hätten, sondern ein zukünftiges tausendjähriges Reich.9

    Dass Christi Reich ein geistliches Reich ist, wie auch Joh. 18,36 deutlich macht, wird völlig verkannt, und so ein zukünftiges physisch-materialistisches Reich erwartet, bei Blackstone wie bei Scofield – eben auch hier wieder, weil die wirklichen Aussagen der Schrift nicht beachtet werden. Gleichzeitig wird der Unterschied zwischen dem leiblichen und dem geistlichen Israel nicht beachtet und dass die Gemeinde Jesu Christi – die Gläubige aus der Judenschaft wie aus der Heidenschaft umfasst – das geistliche und damit wahre Israel darstellt, das im Alten Testament vorhergesagt ist. Man kann sagen, dass der Dispensationalismus als Grundlage eine völlige Missachtung gesunder Hermeneutik hat.10 Nur so ist es möglich, dass das „Himmelreich“ als das „tausendjährige Reich“ verstanden wird. Gerade was die beiden letzten „Haushaltungen“ angeht, stimmen Blackstone und Scofield ziemlich überein, vor allem in der Errichtung eines Groß-Israel und weltweiter Opfer und anderer Dinge des alttestamentlichen Gesetzes. Die Anklänge an jüdischen Chiliasmus, wie er aus der Zeit zwischen den Testamenten bekannt war, ist unverkennbar. Der Zionismus wird als der Beginn der Sammlung der Juden nach Israel angesehen. Christus würde dann in den Lüften kommen – aber angeblich unsichtbar, was Matth. 24,30 widerspricht, und würde die Seinen zu sich sammeln und nur Ungerettete auf Erden lassen und dann würde die große Trübsal kommen (was Matth. 24,21 ff. widerspricht, wo deutlich ausgesagt wird, dass auch die Gläubigen durch diese Trübsal müssen, die aber um ihretwillen verkürzt wird). Erst danach würde Christus sichtbar kommen, die jüdische Nation würde ihn sehen und sich bekehren und dann die Völker missionieren und ein tausendjähriges Friedensreich würde auf Erden existieren. (All das widerspricht auch Joh. 5,28 f., wo klar ausgesagt wird, dass es nur eine leibliche Auferstehung gibt, und ebenso Offenb. 20, wo keineswegs von zwei leiblichen Auferstehungen die Rede ist, auch nicht von einem irdischen Reich, und ebenso Apg. 15,15-17, wo deutlich wird, dass das davidische Königreich und die Wiederherstellung Israels ein geistlicher Akt ist, das geistliche Israel meint, das wir in der Gemeinde Jesu Christi haben.)11 Dass der Dispensationalismus im Papsttum nicht den Antichristen sieht, sondern einen zukünftigen erwartet, ist nur folgerichtig.12

    Die Kritik am Dispensationalismus lässt sich wie folgt zusammenfassen:13

    a) Der Dispensationalismus basiert auf einer Exegese, die die Wörter aus dem Zusammenhang reißt und den Kontext nicht berücksichtigt. Er ignoriert auch völlig die Bedeutung der Typologie in der Bibel und dass alle Prophetie auf Jesus Christus hinausläuft und in ihm und seiner Gemeinde ihre Erfüllung hat. Das Alte Testament ist der Schatten, während in Jesus Christus wir die im AT vorbedeuteten wahren Güter haben.13a

    b) Der Chiliasmus, mit dem der Dispensationalismus eng zusammenhängt, übersieht die grundlegende Lehre der Heiligen Schrift, dass wir jetzt in der letzten „Haushaltung“ Gottes leben, und dass der Heilige Geist die frohe Botschaft von der Erlösung durch Jesus Christus bis zum Ende der Welt bringt, anstatt dass sie durch Christus von einem sichtbaren Thron in Jerusalem verkündigt werde.

    c) Der Dispensationalismus leugnet, dass das Reich Christi jetzt gegenwärtig ist, aufgerichtet durch das Werk der Apostel und Botschafter des Evangeliums, Matth. 12,28; Luk. 11,19, 1. Kor. 4,20.

    d) Der Dispensationalismus unterscheidet zwischen dem Reich Christi und dem Reich Gottes, während die Bibel diese Begriffe austauschbar für das Gleiche verwendet, Eph. 5,5; Kol. 1,13; Röm. 14,17.

    e) Der Dispensationalismus ist judaistisch in seiner Betonung einer materiellen und sichtbaren Natur der Herrschaft Christi im Tausendjährigen Reich.

    f) Der Dispensationalismus gibt den Juden eine weit über die Schrift hinausgehende Bedeutung, Eph. 2,11-22; Gal. 3,27-29.

    g) Die Lehre, dass jede Haushaltung für sich völlig abgeschlossen und ausreichend sei14, widerspricht der Einheit der Kirche des Alten und Neuen Testaments und der Übereinstimmung des Gnadenbundes für die alt- wie die neutestamentlichen Gläubigen, Gal. 3,8.9; Luk. 1,55. Auch der alttestamentliche Bund schloss den Glauben und die Gnade mit ein, obwohl Israel unter dem Gesetz war, Gal. 4,5.9, so, wie auch das Sittengesetz für die neutestamentlichen Gläubigen in Kraft ist.

    h) Es ist völlig schriftwidrig, wenn der Dispensationalismus behauptet, dass Israel am Berg Sinai vor die Wahl zwischen Gesetz und Gnade gestellt worden sei und „überhastet und ohne Überlegung“ das Gesetz gewählt habe. Ebenso schriftwidrig ist die Behauptung, Christus habe die Errichtung seines Reiches verschoben, weil die Juden sich geweigert hätten, es auf der Grundlage von Buße und Glauben anzunehmen, und somit das Neue Testament nicht die Erfüllung des Alten wäre, sondern ein Umweg Gottes in seinem Handeln mit den Menschen.

    i) Der Dispenationalismus ist auch schriftwidrig in seiner Lehre von einer unwiderstehbaren Bekehrung Israels als Nation.

    j) Eine Bekehrung Israels im Tausendjährigen Reich durch eine Herausstellung des Zornes Gottes widerspricht der Schriftlehre, dass der Heilige Geist die Bekehrung durch die Gnadenmittel, also das Evangelium, wirkt, Röm. 1,16.

    k) Der Dispensationalismus verkennt völlig, das der Begriff „letzte Zeit“ in der Bibel sich auf die neutestamentliche Zeit bezieht, in der wir leben, Hebr. 1,1; 1. Joh. 2,18; 1. Petr. 1,20; Apg. 2,17; 1. Tim. 4,1.

    l) Der Dispensationalismus widerspricht der Darstellung der Bibel von der Zeit vor dem Ende, die dort als eine Zeit beschrieben wird, in der die Gottlosigkeit zunimmt.

    m) Gegen die Schrift, Matth. 24,23; 1. Kor. 1,8; 15,24, schiebt der Dispensationalismus mit seinem chiliastischen Schema zwischen das zweite Kommen Christi und dem Ende der Welt tausend Jahre ein.

    n) Die Lehre des Dispensationalismus widerspricht auch der Schriftlehre, dass die Annahme der Heiligen und die Verwerfung der Gottlosen zur gleichen Zeit stattfindet, Offenb. 21,7.8; 22,12-15; Matth. 25,31 ff.; 7,21-33.

    o) Der Dispensationalismus lehrt zwei Auferstehungen, die tausend Jahre auseinander liegen sollen, während die Bibel nur eine leibliche Auferstehung lehrt und eindeutig erklärt, dass die Auferstehung der Gläubigen am Jüngsten Tag im Zusammenhang mit dem Jüngsten Gericht stattfindet, Matth. 24,30.31; 25,31-46; 2. Thess. 1,7-10.

    p) Das Offenbarwerden Jesu Christi und seines Reiches findet nicht vor, sondern nach den tausend Jahren von Offenb. 20 statt und wird nicht in Offenb. 19, sondern in Offenb. 21 beschrieben.

    q) Die Behauptung, Christus würde zur Erde zurückkommen, um hier einen verzweifelten Krieg mit den Mächten des Bösen auszufechten, stimmt nicht mit Christi Stand der Erhöhung und seinem endgültigen Sieg von Golgatha überein. Außerdem ist es völlig unbiblisch, dass die verherrlichten Gläubigen noch einmal vom Himmel herunterkommen sollten, um in einer sündigen Umgebung zu leben. Vgl. auch 1. Kor. 15,23-26.

    r) Die Behauptung, dass ein neuer Tempel aufgerichtet und der levitische Opferdienst wieder eingerichtet und das gesamte mosaische Gesetzessystem wieder in Kraft gesetzt würde widerspricht der im gesamten Neuen Testament, besonders im Brief an die Hebräer (8,6-13), dargelegten Lehre, dass der Alte Bund im Neuen Bund erfüllt und die mosaischen Religions- wie Sozialgesetze abgetan sind, dass sie Schatten waren, die durch Christus und sein Werk nun von den wahren Dingen abgelöst wurden. Siehe auch Gal. 3,19: Das durch Mose gegebene Gesetz sollte nur Gültigkeit haben, bis der Same, nämlich Christus, der verheißene Messias, käme. Mit seinem Kommen aber ist der Alte Bund zum Ende gekommen und mit ihm das mosaische Gesetz.15 Die Irrlehre des Dispensationalismus hängt unter anderem damit zusammen, dass er leugnet, dass die neutestamentliche Heilszeit die Zeit des Neuen Bundes ist, dass durch Christus der Neue Bund aufgerichtet wurde, Luk. 22,20; 1. Kor. 11,25; Hebr. 8,6-10, während die Dispensationalisten behaupten, der Neue Bund käme erst im Tausendjährigen Reich mit Israel. Tatsächlich bezieht sich Jer. 31,31 ff. auf 5. Mose 30,3, ist eine teilweise sogar wörtliche Übernahme, hatte eine erste Teilerfüllung mit der Rückkehr Israels aus der babylonischen Gefangenschaft, die umfassende oder eigentliche Erfüllung aber mit dem Neuen Bund, vollendet in der Herrlichkeit. Die Behauptung, dass der Tempel mitsamt dem Opferdienst wieder aufgerichtet würden, verkennt auch Gottes heilsgeschichtliches Handeln, wäre ein heilsgeschichtlicher Rückschritt und ein Angriff auf Christi Erlösungswerk.16

    s) Der Dispensationalismus verkennt mit seinem Israelismus die gesamte Aussage der alttestamentlichen Prophetie, die auf Christus und seine Kirche des Neuen Bundes zielt, und verkehrt sie in Aussagen über ein angeblich künftiges irdisches, materielles Groß-Israel unter der sichtbaren Herrschaft Christi im „Tausendjährigen Reich“. Das hängt auch damit zusammen, dass der Dispensationalismus weder im Alten noch im Neuen Bund zwischen dem leiblichen und dem geistlichen Israel unterscheidet und daher nicht erkennt, dass es bei den Verheißungen und Prophetien um das geistliche Israel geht, die Gläubigen an den Messias und Heiland der Welt aus der Juden- wie aus der Heidenschaft. Die Behauptung, dass dem leiblichen Israel das Land im Nahen Osten von Gott für immer gegeben sei, übersieht, dass die Landverheißung zum einen mit dem Alten Bund zusammenhing, der mit der Aufrichtung des Neuen Bundes beendet ist, dass dieses Abraham verheißene Land (1. Mose 12,7; 13,15)zugleich ein Hinweis war auf das durch Christus verheißene himmlische Erbe (Hebr. 11,13-16) und damit seine Bedeutung verloren hat, da der Alte Bund beendet ist17, und dass sie vor allem an Bedingungen geknüpft war, die Israel nie erfüllt hat, weshalb Gott die angekündigte Strafe, die Vertreibung aus dem Land, 3. Mose 18,28; 20,22; 5. Mose 28,63-64; 29,28. ausführte. (Dass es heute wieder einen Staat Israel im Nahen Osten gibt, hat mit biblischer Prophetie nichts zu tun, sondern ist ein reiner Gnadenakt Gottes an dem leiblichen Israel als seinem Zeichenvolk, an dem er der Welt sein Handeln in Gericht und Gnade zeigt. Das leibliche Israel selbst hat das in seiner ganz überwiegenden Masse bis heute nicht erkannt und widerstrebt dem Gott des Alten und Neuen Bundes.)

    Die Aussage vom Neuen Bund in Jer. 31,31-34 spricht zunächst einmal von der Rückkehr der Juden aus der babylonischen Gefangenschaft, geht in den angezeigten Wirkungen aber noch darüber hinaus und weist auf den Neuen Bund in Christus hin, wie ja auch der Heilige Geist dies in Hebr. 8 auslegt. Noch deutlicher wird dies in den Paralleltexten in Hes. 36,25 f. und 37,25. An letzterer Stelle ist ja vom ewigen Bund die Rede, von dem ewigen Fürsten David, von dem ewigen Tempel in ihrer Mitte. All dies macht deutlich, dass hier gar nicht von einem irdischen Reich – auch nicht einem „Tausendjährigen Reich“ – die Rede sein kann, sondern dies eindeutig abzielt auf den Neuen Bund in Christus. Es gibt, das macht Eph. 2,11 ff. deutlich, keine zwei Bünde, einen für Messiasgläubige aus den Juden und einen für Christen aus den Heiden (wie es J.N. Darby behauptet hat, der dazu 2. Kor. 3 völlig falsch auslegte, denn da geht es um Gesetz und Evangelium), sondern nur einen Bund, der für die Christusgläubigen aus Juden und Heiden gilt.

    Hebräer 8-12 unterstreicht dies alles in vielfältiger Weise. So wird in 8,1-4 von dem „wahrhaftigen Zelt“ gesprochen, also dem Urbild der Stiftshütte, im Gegensatz zu der irdischen Stiftshütte des Alten Bundes, und damit auf die himmlische Stiftshütte verwiesen. Christus ist ja gerade kein Priester nach der alten Ordnung, sondern im Neuen Bund. Während im Alten Bund, 9,8, der Weg ins Heiligtum nicht frei war, haben wir im Neuen Bund in Christus freien Zugang, 10,19 – und zwar zum himmlischen Vater. Wir benötigen kein irdisches Heiligtum mehr. Kapitel 9 macht deutlich, dass der Alte Bund mit seinen Satzungen nur vorübergehend war und nun beendet ist. Christus ist, 9,11, der Hohepriester des Neuen Bundes. In dem kann es keinen Opferdienst mehr geben, weil Christi einmaliges Opfer alles vollendet hat, nun keine Opfer mehr nötig sind, 10,10 ff. Der Schatten, Typos, den der Alte Bund darstellte, ist vorbei. Deshalb kann Hes. 43,18 z.B. auch gar nicht wörtlich verstanden werden, da dies ja sonst eine Neuaufrichtung des Alten Bundes bedeutete, sondern ist neutestamentlich zu verstehen.

    Vor allem aber macht Hebr. 12,18 ff. deutlich, wie der Berg Zion, wie das himmlische Jerusalem zu verstehen sind: Eben nicht irdisch, sondern geistlich-himmlisch. Der Berg Zion, zu dem die Gläubigen kommen, ist Christus mit seiner Gemeinde. Die Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft ist übrigens auch ein Typos auf den Neuen Bund, wie Jer. 3 zeigt, denn da heißt es ausdrücklich, dass es keine Bundeslade mehr gibt und dass nicht nur Israel, sondern auch die Völker gemeint sind. Diese Aussagen im Hebräerbrief zeigen auch, wie Haggai 2 zu verstehen sind, eben nicht von einem irdischen dritten Tempel, wie es viele behaupten, sondern geistlich, auf die Gemeinde Jesu Christi. Das heißt: Es geht tatsächlich eben nicht um die Wiedererrichtung eines irdischen Großreiches Israel, sondern es geht um das geistliche Israel, dem die Vollzahl der Christusgläubigen aus den Juden wie aus den Heiden angehört.18

    t) Der Dispensationalismus und Chiliasmus mit ihrer Lehre von einem „Tausendjährigen Reich“ widersprechen auch der Schriftlehre, dass alle Erwählten bereits zur Gemeinde des HERRN hinzugetan worden sind zu dem Zeitpunkt, wenn Christus in Herrlichkeit wiederkommt, Joh. 6,39.44.54; 1. Thess. 3,13.

    u) Der Dispensationalismus schiebt die Lehre von der Erlösung aus dem Zentrum der Schrift, 1. Kor. 2,2, an den Rand und ersetzt sie im Zentrum durch seine (israelistische) Eschatologie. Das führt auch zu einem Herabsetzen der Bedeutung der biblischen Lehre und kirchlichen Bekenntnisse und damit zu Kirchenmengerei, Unionismus, Diesseitigkeitsdenken, einem diesseitigen Reich-Gottes-Begriff, bis hin zu einem sozialen Evangelium.



1 vgl. Popular Symbolics. By Th. Engelder, W. Arndt, Th. Graebner, F.E. Mayer. St. Louis, Mo. 1934. S. 371

2 vgl. ebd.

3 vgl. Popular Symbolics, a.a.O., S. 368

4 „a period of time during which man is tested in respect to some specific revelation of the will of God“; Popular Symbolics, a.a.O., S. 371

5 vgl. ebd.

6 vgl. Popular Symbolics, a.a.O., S. 368 f.

7 Das spielt auch in der aktuellen Politik im Blick auf den Staat Israel und seine Siedlungspolitik eine wichtige Rolle, denn die Dispensationalisten und Chiliasten sind die eifrigsten Vertreter der Behauptung, das leibliche Israel habe dieses Land „für ewig“ von Gott zugesprochen bekommen und habe daher ein Anrecht auf dieses Land und dürfe es daher besiedeln; eine Besatzung würde gar nicht stattfinden, da es ihnen ja rechtmäßig gehören würde. Die Geschichte wird dabei vielfach ebenso verkürzt oder ausgeblendet wie die Tatsache, dass das Land vor der Alija oder Rückkehr von Juden nicht menschenleer war und auch die Juden, einschließlich des Staates Israel, dem Völkerrecht unterworfen sind. Dass außerdem die Landzusage in fast allen Stellen an Bedingungen gebunden ist, nämlich die Treue Israels zu seinem Gott, und ebenso auch Gottes Gericht der Vertreibung aus dem Land mehrfach angesprochen wird (und damit die Bedeutung des Begriffs „ewig“ in diesem Zusammenhang relativiert), wird völlig ausgeblendet. Vgl. z.B. Rainer Schmidt: Besetzt oder befreit – der Kampf um das Verheißene Land. In: Aufblick und Ausblick, 4/2013, S. 6-7.

Vgl. auch Popular Symoblics, a.a.O., S. 369 f.

7a vgl. Lewis Sperry Chafer: Dispensationalism, S. 109, in: Laurence White: The Book of Revelation. o.O. o.J. S. 181. http://www.osl.cc/believe/revhome.htm

8 vgl. dazu Popular Symoblics, a.a.O., S. 369

9 vgl. Popular Symbolics, a.a.O., S. 370

10 vgl. Popular Symbolics, a.a.O., S. 371 f.

11 vgl. Popular Symbolics, a.a.O., S. 372 f.

12 vgl. Popular Symoblics, a.a.O., S. 369. Eine Folge davon ist, dass heutzutage große Teile der Evangelikalen sich immer mehr Rom gegenüber öffnen, die Weltweite Evangelische Allianz (WEA) betont romfreundlich ist und es vor allem auf der Schiene des „sozialen Evangeliums“ zu immer stärkerer Annäherung kommt.

13 vgl. Popular Symbolics, a.a.O., S. 373-375

13a vgl. Commission on Theology and Church Relations of the Lutheran Church-Missouri Synod on Dispensation Premillenialism, in: White, a.a.O., S. 182

14 wholly complete and sufficient in itself“, in: Popular Symbolics, a.a.O., S. 374

15 vgl. C.M. Zorn: Die geistliche und selige Freiheit eines Christenmenschen. Zwickau (Sachsen) o.J. S. 53

16 vgl. Vortrag von Hans Werner Deppe: Wird Israel wiederhergestellt? Teil 5. (Der neue Bund. Teil 1); auf: http://www.betanien.de

17 vgl. Zorn, a.a.O., S. 51

18 vgl. Vortrag von Hans Werner Deppe: Wird Israel wiederhergestellt? Teil 6. (Der neue Bund und die neue Schöpfung); auf: http://www.betanien.de